Leicht überarbeiteter Beitrag zur 20 Jahre-Tschernobyl Veranstaltung vom 21.4.06 im Lagerhaus Schildstraße



Kurzer Text zur Geschichte der Anti-Akw-Bewegung in Bremen und zur Rolle Bremens in der Auseinandersetzung um die Atomenergie.


Es würde sicherlich den Rahmen dieses Textes sprengen die gesamte Geschichte der Anti-Akw-Bewegung in Bremen darzustellen, deswegen soll sich hier auf einige wichtige Stichpunkte beschränkt werden. Der Text besteht aus 3 Teilen:


- gegen das Vergessen: die Geschichte von den Anfängen bis Tschernobyl

- Widerstand heute (Baaf, Castor,...)

- sowie Bremen und die Atompolitik



Anfänglich wurde der Widerstand in Bremen stark beeinflusst durch HochschullehrerInnen der Universität Bremen, u.a. Jens Scheer, Physikprofessor.

Jens war einer der Gründungsmitglieder der 1971 aufgebauten Bremer Uni. Als Kommunist aus der 68‘er Bewegung gründete er noch 1971 an der Bremer Uni die Rote Zelle Physik (kpd/ml):

Ausserdem rief er damals den „Arbeitskreis gegen radioaktive Verseuchung“ gegen das geplante AKW Esenshamm ins Leben.

An der Uni war er Teil einer Arbeitsgruppe, die an der Entwicklung neuer Meßmethoden und Apperaturen zur Untersuchung von Schwermetallen mit Hilfe der Röntgenfluoreszensanalyse arbeiteten. Daraus entstand die Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz (MAUS), die auch an der Vorbereitung dieser Veranstaltung beteiligt war.

Von der Projektgruppe „Schadstoffbelastung am Arbeitsplatz in Region Unterweser – SAIU“ an der Menschen aus diesem Spektrum beteiligt waren, wurde das Buch und spätere Standardwerk der Anti-Akw-Bewegung: zum besseren Verständnis der Kernenergie- 66 Fragen, 66 Antworten“ als Antwort auf die Propagandaschriften der Energieversorgungsunternehmen herausgegeben.

Anlässlich der Atompläne von Regierung und Atomindustrie, 598 AKWs bauen zu wollen, fanden sich, etwa Zeitgleich mit den Entwicklungen an der Bremer Uni, Anfang der 70er die ersten BürgerInneninitiativen gegen Atomkraft zusammen.

So in Bremen die „Bürgeraktion Küste“ an deren Entstehen u.a. Anni und Jürgen Ahrens oder auch Helga Rinski beteiligt waren. Sie organisierten sich, um gegen das geplante AKW Esenshamm aktiv zu werden. Nach der ersten großen Brokdorfdemo, im November 1976 wurde dann die Bremer Bürgerinitiative gegen Atomanlagen, die BBA, gegründet.

Die Menschen, die sich nun gegen Atomkraft organisierten, fanden sich in den einzelnen Stadtteilen zu Gruppen zusammen. Häufig waren das Leute aus den unterschiedlichsten Zusammenhängen: orthodoxe Kommunist_innen, , Spontis, Anarchist_innen, Ökos, KB- und KBWlerinnen, und auch bislang ganz Unpolitische.

Die Stadtteilgruppen organisierten sich in einer Deligiertenstruktur. Als Ort für gemeinsame Treffen zur Koordination des Widerstandes diente zu Anfang ein Laden im Fedelhören, 1979 enstand dann aus einer Besetzung der heutige Infoladen, der damalige BBA-Laden in der St.-Paulistr. Ende der 70er, kam es besonders im Viertel zu zahlreichen weiteren Hausbesetzungen. Nennen wir nur den Wienerhof, das Lagerhaus oder den Schlachthof.


Der Anti-AKW-Widerstand richtete sich zunächst vor allem gegen die Bauplätze, wie z.B. Wyhl, Brokdorf, Grohnde, Gorleben, usw. Etwas später dann auch gegen die in Wackersdorf geplante Wiederaufbereitungsanlage, in der ja schließlich Uran und Plutonium für Atomwaffen hätte gewonnen werden können.

Mit dem Nato-Nachrüstungsbeschluss Anfangs der 80er, mit dem die Nato den Atomkrieg gegen die Sowjetunion in Europa führbar machen wollte, erweiterte sich der Widerstand nun gegen Militäranlagen und Militärtransporte, auch rund um Bremen.

Der Widerstand gegen die erste grosse öffentliche Rekrutenvereidigung vom 6.Mai 1980 in Bremen gilt dann auch als die mediale Geburtsstunde der Autonomen.



Die Katastrophe von Tschernobyl am 26.4.1986 schlug weit bis in das bürgerliche Spektrum hin ein.

Mehr als Zehntausend Menschen versammelten sich damals im strömenden Regen auf dem Bremer Marktplatz, um für die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen zu demonstrieren.

Bequerell, das Maß für die Strahlung durch radioaktiven Zerfall, wurde zum lebensbestimmenden Schlagwort. Die offiziellen Grenzwerte werden ja nach wirtschaftlichen Erwägungen festgelegt, denen die Gesundheit der Menschen untergeordnet wird.

Zusätzlich zu der bereits eingetretenen Katastrophe sind die radioaktive Strahlung durch Normalbetrieb und die Möglichkeit eines weiteren GAUs in einem Atomkraftwerk immer präsent.

Der Bereich Ernährung spielte gerade in dem bürgerlichen und ökologischen Spektrum die zentrale Rolle, z.B. galten H-milch und Konserven als sehr empfehlenswert.

Ständig kamen neue widersprüchliche Meßdaten heraus, frische Lebensmittel waren gefährlich, es gab große Angst vor Krebs und Strahlenaids. Ein Verdienst von Bremer Hochschullehrerinnen und Studentinnen war es, sichere Meßdaten über die tatsächliche radioaktive Verseuchung geliefert zu haben.

Es wurden viele Initiativen, z.b. für die Kinder von Tschernobyl gegründet. Jedoch hat leider mit Abnahme der Bequerell auch die bürgerliche Organisiertheit abgenommen.

Nach dem Ende 1986 mit Brokdorf nach langen Protesten das letzte AKW ans Netz gegangen ist, begann sich der Widerstand zunehmend auf die Achillesferse der Atomindustrie - die Atomtransporte - zu konzentrieren. Nach etlichen Protesten gegen viele diverse Atomtransporte gab es schliesslich 1995 massiven Widerstand gegen den ersten Castortransport nach Gorleben.


Damit nun zum Widerstand gegen Atomanlagen in Bremen.

1996 anlässlich der Vorbereitung von Veranstaltungen zum 10. Jahrestag von Tschernobyl, gründete sich das Bremer Anti Atom Forum (BAAF). Seitdem hat das BAAF immer wieder zu Anti-Atom-Protesten aufgerufen, und z.b. zum Widerstand gegen Castortransporte ins Wendland mobilisiert.

Auch wurde immer wieder zum Protest gegen Transporte in die Wiederaufbereitungsanlagen von LaHaque und Sellafield aufgerufen.

Es gab z.B. 97/98 die Kampagne „Stoppt die Atomtransporte durch Bremen“ die sich auf Uran, Uranhexafluorid sowie auf Atommüll–transporte bezog und Bremen atomfrei machen sollte. Alle betroffenen Bremer Beiräte der Stadtteile schlossen sich der Forderung an: „keine Atomtransporte mehr durch Bremen fahren zu lassen“, vom Bremer Senat jedoch wird diese Forderung ignoriert.

Wir wollen daran erinnern, dass bis zur bundesweiten Kampagne Trainstopping 2002, die Castorbehälter einfach an normale Güterzüge angehängt wurden.

Durch die vielfältigen Proteste und Widerstandsaktionen konnte von da an zunächst nur noch die Hälfte der geplanten Castortransporte nach LaHague oder Sellafield durchgeführt werden. Diese konnten nur noch als eigenständige Transporte mit enormem Polizeischutz durchgesetzt werden, sodass es in einigen AKWs zu abschaltverdächtigen Atommüll-Rückstaus durch volle Abklingbecken kam.

In den letzten Jahren konnten fast alle Castor-Transporte, die über Bremen liefen, blockiert werden. Auch der letzte WAA Transport aus Stade nach La Hague wurde 2005 in Bremen gestoppt. Zu den Blockaden laufen noch einige Prozesse, ein Solibeitrag für die Prozeßkosten ist willkommen.

Durch den Bau von Zwischenlagern an den AKW-Standorten haben die Betreiber nun den WAA Transporten ein vorläufiges Ende bereitet, obwohl permanent weiter Atommüll produziert wird.

Bis zum Ziel, der Stilllegung aller Atomanlagen sowie der herrschenden Klasse weltweit wird noch viel Kraft, Mut, Spaß und Phantasie notwendig sein.



Zur Haltung der Stadt Bremen zur Atomkraft.

Nach Tschernobyl gab es den Ausstiegsbeschluss aus der Atomenergie im Bremer Senat.

Sehr schnell war dies wieder Schnee von gestern. Die Stadtwerke wurden Stück für Stück verkauft und privatisiert. Trotz breitem Protest wurde nun Atomstrom der damaligen Preussag dazugekauft. Nach der Liberalisierung des Strommarktes kauften sich die Stadtwerke Bremen sogar im AKW Grohnde ein.

Bremen ist von 7 AKWs umgeben: Esenshamm ist ca 40 km, Stade 70km, Brunsbüttel und Brokdorf 90 km, Krümmel 110 km, Grohnde und Lingen 120 km entfernt.

Das Land Bremen hatte sich zur Drehscheibe des Nordens für Atomtransporte entwickelt und trägt mit radioaktiven Transporten über die Häfen zum Funktionieren der Atomwirtschaft bei

Wie inzwischen vom Senat zugegeben fanden z.b. 1998 wie 1999 jährlich um die 150 Nukleartransporte, d.h. etwa jeden 2.Tag, statt. Und bis zum kurzfristigen Stopp der verstrahlten Castorbehälter im Mai 1998 fuhren jährlich etwa 15–20 Castortransporte durch Bremen.

Als Konsequenz aus der Katastrophe von Tschernobyl wurde 1986 auf dem Landesparteitag der SPD der Verzicht auf Atomstrom innerhalb von 10 Jahren beschlossen.

Doch heute wird genau das Gegenteil praktiziert. Die Liberalisierung des Strommarktes bewirkt eine Stärkung der grossen Stromkonzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall.

Die kleineren Stadtwerke können da nicht mehr mithalten und fast alle wurden von den Großkonzernen aufgekauft. Aus Wettbewerbsgründen wollten die Stadtwerke Bremen eher eigene Kraftwerke schliessen und stattdessen billigeren, weil subventionierten Atomstrom dazukaufen. Damit gab Bremen eine wichtige Option auf eine eigene Alternative Energiepolitik aus der Hand .

So machten sich auch in Bremen die PolitikerInnen zu Erfüllungsgehilfen der Atomwirtschaft.

Sie sind auch heute mitverantwortlich dafür, wenn weiterhin Atomanlagen betrieben werden.

Machen wir uns keine Illusionen, einen Ausstieg aus dieser menschenfeindlichen Atomtechnologie wird es nur dann geben, wenn es uns gelingt, vielfältigen Druck und Widerstand zu entwickeln!!

Auch weiterhin gibt es die Achillesferse der Atomindustrie, denken wir nur an die wöchentlich stattfindenden Urantransporte oder den jährlichen Gorlebentransport.


Kommt zum näxten BAAF, vielleicht habt ihr Ideen für Aktionen und sucht Leute die sie mit euch umsetzen, oder ihr sucht Ideen und Leute oder ihr wollt einfach mal wieder Aktiv was gegen diese menschenverachtende Technologie unternehmen.

Möglichkeiten Aktiv zu werden gibt es genug – wir müssen es nur wollen!

Wir haben nicht nur einen Einfluss darauf , wie die Geschichte der Anti-AKW-Bewegung weitergeht!!!