(Rede von Georg Janßen auf der Kundgebung der Bäuerlichen Notgemeinschaft Lüchow/Dannenberg, am 20. Nov. 2005, in Groß Gusborn)
-Es gilt das gesprochene Wort-
Liebe bewegte Menschen,
liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Bäuerinnen und Bauern,
wir sind wieder hier!
Wir sind an den Gleisen, in den Wäldern, an und auf den Straßen, um unseren Protest gegen die gefährlichen Atommülltransporte kräftig Ausdruck zu verleihen, und das seit nunmehr bald 30 Jahren.
Und das ist gut so, daß ihr alle da seid.
Als ich in der letzten Woche mit Leuten aus Süddeutschland gesprochen habe, fragten sie mich:
  - warum macht ihr das?
  - was bringt das?
Politik und Atomwirtschaft setzen die Transporte doch mit Poilizeigewalt durch, sie werden durchgeknüppelt und der Protest beiseite geschoben! Warum?
Die Antwort: Wir machen kein happening, uns ist es ernst! Wir machen das, weil wir etwas zu verteidigen haben. Es geht um unsere Zukunft, um die Zukunft der Menschen, um unsere Familien, um unsere Kinder.
Wir sind es uns und ihnen schuldig, daß wir uns bewegen.
Einige sind nicht mehr dabei. Einige, die vor Jahren noch aufgeregt links oder rot-grün angemalt oder sehr radikal von Widerstand geredet haben und jetzt vom Sofa aus kritisieren, daß die Tagesschau nur noch kurz über den Atomprotest im Wendland informiert.
Liebe Freundinnen und Freunde, wir setzen nicht auf die Nörgler und intellektuellen Kritiker, wir setzen auf die normalen Menschen, und es ist gut, wenn bei diesen Menschen auch so viele junge Leute dabei sind.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und die Bäuerliche Notgemeinschaft sagen:
»Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht!«
Eine bessere Welt wird uns nicht geschenkt – wir müssen uns dafür auf den Weg machen.
Die bäuerliche Notgemeinschaft Lüchow/Dannenberg ist dafür ein gutes Beispiel. Sie kämpft gegen das Atomklo Gorleben. Sie stellt sich und ihre Traktoren quer gegen die Bullenleistungsschau, die hier jeden Herbst im Wendland versucht wird abzuhalten. Dieser Kampf ist kein Gaudi, kein Selbstzweck. Sondern es geht uns um unsere Heimat, um unsere Bauernhöfe, die wir erhalten und weiterentwickeln wollen.
Die offizielle Politik hat was anderes im Kopf.
Sie setzt auf Wachsen oder Weichen. Die bäuerlichen Erzeugerpreise sollen noch weiter gedrückt werden. Und liebe Freundinnen und Freunde, wenn ein Liter Milch billiger ist als ein Liter Wasser, wenn die Tonne Müll mehr wert ist als die Tonne Weizen, dann ist das ein gesellschaftlicher Skandal, den wir geißeln müssen. Wenn jetzt in Ostdeutschland Schweinemastanlagen mit 80.000 bis 90.000 Schweinen in Planung sind und Menschen sich in Bürgerinitiativen dagegen stellen, dann haben sie dafür auch von uns die volle Unterstützung. Wenn viele Menschen sich gegen die geplante VW-Autobahn stellen, dann unterstützen das auch viele Bäuerinnen und Bauern und sagen der Bundesregierung den Kampf an, auch in der Auseinandersetzung mit der Gentechnologie.
70% der Menschen wollen diese Gentechnolgie nicht. 70% der Bauern wollen sie nicht und trotzdem soll sie in Politik und Wirtschaft durchgedrückt werden. Das kommt uns doch bekannt vor. Die Münchner Rück versichert gegen alle Katastrophen der Welt, aber gegen Schäden durch Gentechnologie und Atomenergie nicht.
Liebe Freundinnen und Freunde, wie lange lassen wir uns von Politik und Wirtschaft diese Risikotechnologien überstülpen. Es ist auch eine Frage der Demokratie, wer was entscheidet. Die WTO z.B. ist kein gewähltes Gremium. Sie versucht aber, mit einer Liberalisierung der Märkte, Bauern im Norden und im Süden der Welt kaputt zu machen mit Hilfe der US-Regierung und den multinationalen Konzernen, die uns vorschreiben, was wir zu tun und zu lassen haben. Diejenigen, die uns den Segen durch Globalisierung versprechen, während sie uns entmündigen und austauschbar machen wollen. Nicht mit uns!
Liebe Freundinnen und Freunde,
viele Bäuerinnen und Bauern im Wendland sind nicht bei der Kritik stehen geblieben. Sowohl konventionell als auch biologisch wirtschaftende Bauern haben ihre Höfe weiterentwickelt. Sie setzen auf Qualitätserzeugnisse, Direktvermarktung, auf NEULAND, Biolandbau, auf erneuerbare Energien. Dies, was wir im Wendland aufgebaut haben, dürfen wir uns nicht durch die Atomindustrie kaputt machen lassen.
Wenn jedoch in den nächsten Tagen, Nächten, Stunden viele Menschen unterwegs sind, dann will ich erst mal ein großes Dankeschön sagen an alle Helferinnen und Helfer in den Dörfern, an der Strecke die z.B. für Verpflegung sorgen, mit einer heißen Tasse Kaffee/Tee und mit aufmunternden Worten. Eine Arbeit, die wichtig und gar nicht hoch genug zu schätzen ist, und das ist schon einen besonderen Applaus wert!
Und an alle, die sich bewegen werden, paßt auf Euch auf, seid vorsichtig, Ihr werdet alle noch gebraucht. Und ich bin froh, auch in diesem Jahr, wieder dabei sein zu können.
Die alte Forderung der Arbeitgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und der Bäuerlichen Notgemeinschaft lautet:
Bleibt auf dem Land und wehrt Euch täglich.
In diesem Sinne: Stop CASTOR!
Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V.