Von Patenten und Piraten

Veranstaltung: Neue Technologien, Menschenbild und Ethik vor dem Hintergrund der Liberalisierungs- und Globalisierungsoffensive.
Jens Petermann, Universität Bremen, So.Se. 2001.

1. Einleitung

Im Rahmen der Vervollständigung der Liberalisierung des Weltmarktes wurde nach langjährigen Verhandlungen am 1. Januar 1995 die WTO (World Trade Organization- Welthandelsorganisation) als Nachfolgeorganisation des Allgemeinen Zoll und Handelsabkommen GATT gegründet. Die Mitglieder dieser 141 Staaten umfassenden Organisation (Stand März 2001) verpflichteten sich weitgehende Handelsbarrieren abzubauen- mittels entsprechender nationaler Gesetzesänderungen. Auf Druck der Industrieländer setzte die WTO ein Gesetzeswerk in Kraft das u.a. die Eigentumsrechte im Welthandel besser schützt. Die Auswirkungen dieses als TRIPs (Trade Relates Aspects of Intellectual Property Rights- Abkommen über handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums) bezeichneten Abkommens zeitigt tiefgreifende Auswirkungen auf den Umgang von Staaten und Firmen mit Menschen, Tieren und Pflanzen. Ein zu diskutierendes Zitat von Jeremy Rifkin aus der FAZ vom 11.04.00 (S.41) zum Thema: Wir werden Kriege um Gene führen- lautet:
" ... Eine der großen gesellschaftlichen Fragen unseres Jahrhunderts wird deshalb lauten: Dürfen wir Gene und Zellen und Chromosomen und Organe und Gewebe patentieren? Zudem wirkt sich eine neue Geschäftsform aus: der Wechsel vom Markt zum Network und vom physischen zum intellektuellen Eigentum. Auf dem Markt gibt es Käufer und Verkäufer, die untereinander Eigentum austauschen und dabei Profit machen. Im Network gibt es Anbieter und Benutzer. Anbieter gewähren Benutzern Zugang zu intellektuellem oder physischem Eigentum. >Property relation< wird abgelöst von >access relation< (Übersetzt meint dies: Gesellschaftliche Beziehungen werden nicht mehr durch den Austausch von Besitztitel geregelt, sondern durch den Zugang zu intellektuellen Ressourcen). Wenn die Firma Monsanto einem Farmer Samen zur Verfügung stellt, gibt es keinen Verkauf, keinen Käufer und keinen Verkäufer mehr. Sie gewährt bloß den Zugang zur DNA, zu einer genetischen Information, die ihr intellektuelles Eigentum ist und bleibt. Der Samen gehört nicht dem Farmer. Es ist illegal, ihn weiter zu benutzen. Indem es aber nicht länger zum Austausch von Eigentum kommt, ist die Konzentration der Macht unausweichlich."
Im folgenden möchte ich auf verschiedene Aspekte des Patentrechts wie er in der WTO und auf Europäischer Ebene diskutiert bzw. bereits umgesetzt wurde, eingehen. Die Folgen dieser Vereinbarungen in einer globalisierten Wirtschaft, für die einzelnen Staaten und deren Menschen sollen dann an einigen Beispielen veranschaulicht werden. Eine kurze Zusammenfassung von Kritikpunkten (u.a. verschiedener NGO´s als auch Trikontstaaten) neben dem Versuch einer Schlussbetrachtung beschließen dann das Referat.


2. Von den Patenten zu den TRIPs

2.1 Was ist ein Patent?

Allgemein galt ein Patent als eine Urkunde die einem Erfinder/in eine staatlich erteilte zeitlich begrenzte wirtschaftliche Nutzung über eine Erfindung erteilt (siehe Patentgesetz).
Patentfähig waren bis vor kurzem nur technische Erfindungen- ausgeschlossen davon waren u.a. wissenschaftliche Theorien, mathematische Methoden, Pläne und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten und Heilverfahren. Diese Erfindungen müssen wesentliche neue Techniken beinhalten, auf eine erfinderische Tätigkeit beruhen und eine gewerbliche Verwertung gestatten. Gegenstand eines Patentes können ein Erzeugnis, eine Verrichtung, ein Verfahren, eine Verwendung oder eine Anordnung (z.B. eine elektrische Schaltung) sein. Für die Erteilung von deutschen Patenten ist das Patentamt in München (das ab dem 1.6.1978 auch für Europäische Patente) zuständig. Patente wurden bisher für 20 Jahre erteilt.


2.2 Ein kurzer Blick auf die Geschichte des Patentrechts

Ein Blick in die deutsche Geschichte von Patentrechten reicht bis ins handwerkliche Gildensystem des 11. und 12. Jahrhunderts zurück. Verschiedene handwerkliche Produktionen und die Vermarktung wurden in dieser Zeit unter Schutz gestellt. 1378 erteilten Feudalherren erste Zeugnisse (in der Art eines Patentes) für eine besondere Technik beim Bergbau. Im Mittelalter gab es Jagd-Patente und u.a. Bestallungsurkunden wie die für Offiziere und Schiffer.
Der Anspruch auf einen Erfinderschutz kam zuerst in der Verfassung der USA und in der Französischen Revolution von 1791 zum Ausdruck.
Als eines der ersten Patentabkommen auf zwischenstaatlicher Ebene ist die Pariser Übereinkunft vom 20.3.1883 zu nennen. Ein einheitliches deutsches Patentrecht wurde 1877 eingeführt. Deutschland hat später das Straßburger Patentübereinkommen vom 27.11.1963, den internationalen Patentzusammenarbeitsvertrag vom 19.6.1970 und das Europäische Patentübereinkommen vom 5.10.1973 ratifiziert. Im Rahmen des Europäischen Patentübereinkommens (kurz EPÜ) von 1977 wurden Pflanzen und Tiere von der Patentierbarkeit ausgeschlossen (siehe Artikel 53 b im EPÜ). Das deutsche Patentgesetz ist in seiner jetzigen gültigen Fassung seid 1981in Kraft.


2.3 Der »Fall Chakrabarty«

1980 markiert der »Fall Chakrabarty«»«» (A. M. Chakrabarty erfand ein ölfressendes Bakterium) einen Wendepunkt im Patentwesen der Industriestaaten. Der oberste US-Gerichthof entschied positiv auf die neun Jahre zuvor erfolgte Patentanmeldung und legte eine Grundsatzentscheidung vor, nach der Leben patentierbar wurde. Leben war demnach dann patentierbar, wenn es technisch gegenüber dem Naturzustand verändert wurde, in Massen hergestellt werden kann und technisch eingesetzt wird und damit toter Materie ähnlicher ist als Lebewesen. 1985 erfolgte das erste Patent auf eine gentechnisch veränderte Pflanze. In den Jahren von 1977 bis 1998 wurden beim Europäischen Patentamt in München 10000 Biotechnologische Patente angemeldet, wovon circa 2000 erteilt wurden. Im Rahmen dieser Entwicklungen war es für die Industriestaaten nur eine Frage der Zeit bis es zu neuerlichen internationalen Verhandlungen über die Frage der Patente kommen musste. Die am 30.10.1947 in Genf von 23 Staaten unterzeichneten GATT-Verträge (Gerneral Agreement on Tariffs and Trade- Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) bildeten nach mehreren Zollrunden (Dillen-, Kennedy- Tokio und der Uruguay Runde) im Inhalt als auch in der Erweiterung der Anzahl der Unterzeichnerstaaten, die Grundlage für die 1992 in Rio verabschiedete »Konvention über die biologische Vielfalt« (auch als Biodiversitätsabkommen bekannt), die am 29.12.1993 in Kraft trat und die bis heute von 175 Staaten unterzeichnet wurde.

2.4 Die Konvention über die biologische Vielfalt

Ziele dieses Abkommens waren der Erhalt der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der Gewinne aus der Nutzung der genetischen Ressourcen, es erkennt die souveränen Rechte der Staaten über ihre biologischen Ressourcen an, sowie das der Zugang zu den Ressourcen nur nach vorheriger Zustimmung der Staaten erfolgen kann (u.a.). Im folgenden einige Artikel daraus. Jahrtausende hat niemand die Natur besessen- sie war ein Erbe der Menschheit und das bedeutete jeder konnte sich frei bedienen (wie heute auf den Weltmeeren noch möglich).
Artikel 3 der Konvention vollzieht hier einen Wandel:
»Die Staaten haben nach der Charta der Vereinten Nationen und den Grundsätzen des Völkerrechts das souveräne Recht, ihre eigenen Ressourcen gemäß ihrer eigenen Umweltpolitik zu nutzen sowie die Pflicht, dafür zu sorgen, dass durch Tätigkeiten, die innerhalb ihres Hoheitsbereichs oder unter ihrer Kontrolle ausgeübt werden, der Umwelt in anderen Staaten oder Gebieten außerhalb der nationalen Hoheitsbereiche kein Schaden zugefügt wird.«
In Artikel 8 wird die Rolle, die Bauern und indigene Gemeinschaften bei der Erhaltung von biologischer Vielfalt haben anerkannt- die In-situ- (vor Ort) Erhaltung meint:

»Jede Vertragspartei wird, soweit möglich und sofern angebracht, j) im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften Kenntnisse, Innovationen und Gebräuche eingeborener und ortsansässiger Gemeinschaften mit traditionellen Lebensformen, die für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt von Belang sind, achten, bewahren und erhalten, ihre breitere Anwendung mit Billigung und unter Beteiligung der Träger dieser Kenntnisse, Innovationen und Gebräuche entstehenden Vorteile fördern.«

Die nachhaltige Nutzung von den Bestandteilen der biologischen Vielfalt wird in Artikel 10 festgeschrieben:

»Jede Vertragspartei wird, soweit möglich und sofern angebracht, c) die herkömmliche Nutzung biologischer Ressourcen im Einklang mit traditionellen Kulturverfahren, die mit den Erfordernissen der Erhaltung oder nachhaltigen Nutzung vereinbar sind, schützen und fördern.«

Die Unterzeichnerstaaten müssen demnach vier Bereiche in ihrem Machtbereich regeln:
  1. Den Zugang zu ihren genetischen Ressourcen und damit
  2. die Einführung von geeigneten Rechtssystemen.
  3. Den Technologietransfer von den Industrienationen in die Entwicklungsländer sicherstellen.
  4. Den Gewinnanteil aus der Nutzung muss den Menschen aus den entsprechenden Gebieten zugeführt werden.
Eine gesondertes Abkommen (Artikel 15) regelt den Zugang zu den genetischen Ressourcen für die Landwirtschaft und für die für die Ernährung wichtigen Pflanzen:
Ein Beispiel soll zeigen, wie mit der Biodiversitätskonvention umgegangen wurde. Die Biotechnologie- Firma Diversa schloss 1998 mit der mexikanischen Universität (UNAM) einen Dreijahresvertrag mit dem Bioprospektohren erlaubt wurde mexikanische Landstriche nach genetischem Material durchsuchen zu können. Eine Ausrüstung für 5000 Dollar, eine Weiterbildung der Sammler mit dieser Ausrüstung, einen Preis von 50 Dollar für jede gefundene Probe und eine Bezahlung von Lizenzerträgen von 0,5% bei marktfähigen Pharmaka (des Nettoverkauferlöses) und 0,3% bei anderen Produkten wurden in diesem Vertrag festgehalten. Ein Jahr nach dem Abschluss des Vertrages drang diese Information erst an die Öffentlichkeit. Die von diesem Vertrag betroffenen Regionen und dessen Bevölkerung wurden dazu nicht gefragt. Besonders Eklatant war jedoch der Punkt in dem Vertrag, wo das gesammelte Material (auch dessen Gene) der Firma übermacht werden sollte, was nach mexikanischem Patentrecht nicht erlaubt ist (es gibt darin kein »Recht auf Gene«), da Dinge die natürlich vorkommen nicht patentierbar sind. Das hier auch ein klarer Verstoß des Artikel 15.5 vom Biodiversitätsabkommens vorlag, schien von den Vertragsparteien niemand zu interessieren.


2.5 Europäische Entwicklungen

In der Folge dieser Konvention überarbeiteten die Länder der Europäischen Union (sowie die Schweiz, Liechtenstein, Monaco und Zypern) das 1977 abgeschlossene Europäische Patentübereinkommen. Neues Recht im Hinblick auf die Biotechnologie wurde mit der EU-Richtlinie vom Juli 1998 (98/44/EG- Artikel 29) geschaffen. Der Artikel 29 schließt die Patentierbarkeit von Pflanzensorten und Tierrassen nach wie vor aus, jedoch:
»Erfindungen, deren Gegenstand Pflanzen oder Tiere sind, sind jedoch patentierbar, wenn die Anwendung der Erfindung technisch nicht auf eine Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt ist...«.
Durch diese Richtlinie wurden allgemeine Funktionen von Tieren und Pflanzen patentierbar. Mehr noch greift diese Veränderung dreifach:
  1. die veränderten Pflanzen und Tiere sind betroffen
  2. deren Nachkommen
  3. und alle Produkte, die aus den veränderten Pflanzen und Tieren hervorgehen.
Die Richtlinie 98/44/EG zum Schutz biotechnologischer Erfindungen erlaubt auch die Patentierung von natürlich vorkommenden Zellen und Genen (Artikel 3 Absatz 2):
»Biologisches Material, das mit Hilfe eines technischen Verfahrens aus seiner natürlichen Umgebung isoliert oder hergestellt wird, kann auch dann Gegenstand einer Erfindung sein, wenn es in der Natur schon vorhanden war.«

Der Vorschlag des Bundesjustizministeriums vom April 2000 zur Umsetzung der EU-Patentrichtlinie in das deutsche Biopatentgesetz zeigt fast identische Inhalte (Folie 1 siehe Anhang):


2.6 Die TRIPS und die WTO

Die bereits erwähnte GATT- Uruguay- Runde (Treffen von 1986 bis 1993) stellte mittels des TRIPs Abkommens das geistige Eigentum als ein handelsbezogenes Recht in ihrer Charta fest. Diese und andere Abkommen flossen in die Gründung der Nachfolgeorganisation (die WTO) ein. Die 141 Staaten die bis heute der WTO beigetreten sind, müssen demnach diese und andere Rechte des globalen Handels umsetzen und gewährleisten ( Die WTO hat ein eigenes Schieds- und Berufungsgericht mit der es die Mitglieder bei Zuwiderhandlungen gegenüber den TRIPs mit Handelssanktionen oder mit Ausgleichszahlungen in dreistelliger Millionenhöhe belegen kann). In die Bestimmungen der TRIPs gehen aber nicht nur die in den GATT- Runden beschlossenen Artikel ein, sondern auch Bestimmungen des US- Patentrechtes von 1987, sowie des NAFTA- Abkommen von 1994 zwischen Kanada, USA und Mexiko. Eine für dieses Referat interessante Passage in den TRIPs findet sich in Artikel 7 wieder, wo es hochtrabend heißt, "Schutz und Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums sollen zum Transfer und zur Verbreitung von Technologie beitragen ..." . Was man dabei als "geistiges Eigentum" beschreibt, wurde im nächsten Abschnitt definiert- es umfasst von Copyright, Computersoftware bis zu den Patenten eine umfassende Liste.


2.7 Der Artikel 27 (des WTO- Abkommens)

Als besonders umstritten bei dem Abkommen gilt der Artikel 27. Er wird vor allem von Trikontstaaten (z.B. Indien, Südafrika), NGOs (Non Goverment Organisations) und einigen EU-Staaten seid mehreren Jahren kritisiert. Zunächst wollten die USA alles patentiert wissen- auch Lebendes ohne Ausnahme. Auf Druck der EU, einigen NGOs und der Trikontstaaten wurden in Artikel 27.2 und 27.3 Ausnahmen von der Patentierbarkeit festgehalten:
27.2 "Mitglieder können Erfindungen von der Patentierbarkeit ausnehmen und damit auf ihrem Staatsgebiet die kommerzielle Nutzung verhindern, wenn damit die öffentliche Ordnung oder Moral geschützt werden, einschließlich des Schutzes des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder deren Gesundheit, und darüber hinaus um ernsthafte Umweltschäden zu vermeiden, vorausgesetzt eine solche Ausnahme wird nicht nur deswegen gemacht, weil die Nutzung gesetzlich verboten ist."
27.3 Die Mitglieder können von der Patentierbarkeit auch ausschließen "a) diagnostische, therapeutische und chirurgische Verfahren für die Behandlung von Menschen und Tieren;
b) Pflanzen und Tiere, mit Ausnahme von Mikroorganismen, und im wesentlichen biologische Verfahren für die Züchtung von Pflanzen und Tieren mit Ausnahme von nicht-biologischen Verfahren. Die Mitglieder sehen jedoch den Schutz von Pflanzensorten entweder durch Patente oder durch ein wirksames System sui generis oder durch eine Kombination beider vor. Die Bestimmungen dieses Buchstabens werden vier Jahre nach dem Inkrafttreten des WTO- Abkommens überprüft."
Die Überprüfung von dem Paragrafen (es wurde nicht von Überarbeitung gesprochen) hält seid 1999 an. Das grundsätzliche Problem ist, das bis zum Jahr 2005 alle WTO- Mitglieder ihr nationales Gesetz auf das des TRIPs- Abkommens der WTO angleichen müssen.

Der Artikel 27.3 (b) erlaubt es Ländern ein eigenes Schutzsystem (sui generis) gegenüber Patenten auf Pflanzen und Tieren (u.a.) aufzubauen. Dieses eigene Schutzsystem wird seid Jahren diskutiert, um auch der Wirklichkeit in den Entwicklungsländer gerecht zu werden. Ein solches Schutzsystem haben die Industrieländer seid 40 Jahren. Es heißt Internationales Übereinkommen zum Schutz neuer Pflanzenzüchtungen, kurz UPOV.


2.8 Sortenschutz mit UPOV

Was ist eine Sorte? Eine Sorte hat im wesentlichen drei Merkmale:
  1. Eine Sorte unterscheidet sich eindeutig von der einer anderen Sorte gleicher Art
  2. Sie ist uniform, das meint, das alle Pflanzen einer Sorte die gleichen Merkmale haben
  3. Sie ist insofern stabil, als das jede Folgegeneration die gleichen Merkmale aufweisen

Die Gründung der UPOV fand 1961 in Genf statt. Die verabschiedete »Sortenschutzkonvention« beinhaltete (u.a.):
Diese ursprüngliche Übereinkunft wurde 1972, 1978 und 1991 überarbeitet, wobei man sich dem Patentrecht immer mehr annäherte und die beiden zuletzt genannten Inhalte (Züchterprivileg und Landwirtprivileg) so gut wie abschuf.
Im April 1998 trat das neue UPOV in Kraft. Saatgut einer geschützten Sorte ist demnach Lizenzgebührenpflichtig, sowie nur die Neuzüchtungen die wesentlich verändert wurden von Züchtern zur eigenen Arbeit verwendet werden dürfen.
Bis heute stehen jedoch zwei Übereinkünfte (die von 1978 und 1991) für neue Beitrittskandidaten zur Auswahl (Die Organisation hat 48 Mitglieder Stand April 2001). Hier nun eine kleiner Vergleich zwischen den Übereinkünften und dem Patentschutz (Folie 2 siehe Anhang).
Nachdem nunmehr gezielt Aspekte der gegenwärtigen Verhandlungen unter der Staaten dargestellt wurden, findet im folgenden eine Auseinandersetzung mit den konkreten Zuständen in einigen Ländern statt. Was bedeuten all die Verträge, wovor schützen sie, wovor nicht...


3 Piraten

3.1 Was sind Piraten?

Piraten sind im allgemeinen Sprachgebrauch Seeräuber und im spezifischen Menschen die erproben und versuchen- Menschen, die prüfen, um zu erfahren, ob es gelingt. Was natürlich gelingen sollte, war u.a. das abkassieren der Händlerflotten (vornehm zeitweise auch Wegezoll genannt). Das die großen Händler auch aus dieser Art der (Mehr-) Wert- Beschaffung gelernt haben, zeigt die Geschichte...
Moderne Piraten bei der Arbeit (Bild 1)


3.2 Biopiraten bei der Arbeit

Ort 1: Ein Opernhaus mitten im Regenwald Zeit: 19 Jahrhundert Hintergrund:
Henry Wickham- ein englischer Erfinder- klaute Samen von Gummibäumen und brach mit der (billigeren) Anpflanzung in anderen Gebieten den brasilianischen Gummi-Baronen in Manaus am Amazonas wirtschaftlich das Genick und bereicherte sich mit anderen Geschäftsleuten derartig, das diese sich ein Opernhaus mitten im Regenwald leisten konnten. Henry Wickham gilt seitdem als erster Biopirat.

Ort 2: Patentamt München Zeit: 9-10 Mai 2000 Verhandlungssache: Patent 0436257- Es geht um ein Patent zur Bekämpfung von Pilzen mit einem Nehmöl-Extrakt. Patenteinreicher: Die Firma W.R. Grace und das US- amerikanische Landwirtschaftsministerium. Hintergrund: Der Nehmbaum dient seid Jahrhunderten in seiner Heimat als Heilmittel (»schon der Wind, der durch seine Krone weht, wirkt heilend.« R. de Silva) und ein Großteil der Ayurveda- Medizin basiert auf ihn. Darüber hinaus wird er als Ausgangsprodukt zahlreicher Schädlingsbekämpfungsmittel, aber auch als Viehfutter in Trockenzeiten benutzt. Fragestellung während des Prozesses: Wem gehört die Natur und dürfen (reiche) Staaten oder Firmen die (Bio/Gen-) Ressourcen anderer Länder vermarkten bzw. ihn zum »geistigen Eigentum« erklären?
Ergebnis: Die Patentierung wurde abgelehnt, aufgrund des >lack of novelty< (Mangel an Neuigkeit). In 50 weiteren Fällen wurde ein Patent erteilt.

Ort 3: Amazonasbecken
Loren Miller ist Besitzer der International Plant Medicine Corporation. Er verschaffte sich Zutritt zu dem Ureinwohnerterritorium im Amazonasbecken, wo er eine Pflanze mit dem Namen Ayahuasca fand und diese unter dem Namen »Da Vine« (als von ihm entdeckte neue Pflanzenspezies) beim Patentamt in Amerika anmeldete. Das dieses Patent letztlich vom Patentamt zu Fall gebracht wurde, mildert nicht die Vorgehensweise bei der Beschaffung und die Mittel die er einsetzte, um dieses Patent doch noch zu erhalten. In Ekuador und Kolumbien wurde diese Pflanze seit Jahrhunderten als Pflanze für religiöse Rituale und medizinische Zwecke verwendet. Miller klaute schlicht diese Pflanze und intervenierte beim Kongress in Washington, als man ihm von Seiten der COICA (Zusammenschluss indigener Organisationen des Amazonasbeckens) zum »Feind der indigenen Völker« mit einem Zutrittsverbot zu allen indigenen Territorien belegte. Seine Intervention hatte ein Förderprogrammstop zur Folge, das alle Organisationen, die Mitglied der COICA waren, betraf. Die Gründe solchen Handelns sind schlicht mit Zahlen begreiflich zu machen: Im Jahre 1995 (so die UNDP- Studie von den Vereinten Nationen) wurden die Entwicklungsländer durch Pharma und Nahrungsmittelkonzerne um rund 5,4 Milliarden US- Dollar gebracht, wobei gleichzeitig der Gewinn dieser Konzerne aus den Pflanzen bei 30 Milliarden (neuere Zahlen sprechen sogar von 43 Milliarden) US- Dollar liegen soll. Auch in diesem Fall sind hunderte anderer Fälle bekannt, die nicht so positiv vom Patentamt entschieden wurden.

Das die Gentechnik die Situation nicht gerade entschärft hat zeigt ein Beispiel, wo ein Patent auf transgene Baumwollpflanzen in den USA mit breiten Ausschließlichkeitsansprüchen auf Drängen des Landeswirtschaftsministeriums vom Patentamt zurückgenommen wurde, weil sonst sämtliche Forschungsaktivitäten in diesem Bereich beendet worden wären (wie immer man zu dieser Art der Forschung auch stehen mag).


4 Welche Auswirkungen haben die Patente

Wie oben bereits ausgeführt, wurde ein europäisches Patentrecht verabschiedet (in den meisten Ländern aber noch nicht rechtskräftig verabschiedet), das selbst biologisches Material als Gegenstand einer Erfindung anerkennt, wenn dieses nur mittels eines technischen Verfahrens aus seiner Umgebung isoliert wurde, selbst dann, wenn der Aufbau eines Bestandteils mit dem eines natürlichen Bestandteils identisch ist. Die für drei Jahre aufgegebene Rechtssprechung ganze Saatgutgruppen zu Patentieren wurde von der EPV zurückgenommen. Die Erweiterung der NAFTA auf ganz Nord- und Südamerika und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Bestimmungen für den Handel zeigen überdies eine Verschärfung gegenüber der bäuerlichen Subsistenzwirtschaft. Wer kann sich heute noch die Lizenzen für das Saatgut erlauben?
Heute decken nur noch drei Pflanzen (Reis, Mais und Weizen) über 60% der Weltbevölkerung. Es existieren aber bis zu 300.000 Pflanzenarten, von denen bis zu 50.000 essbar wären. Die menschliche Ernährung nutzt aber lediglich 150 bis 200 Arten. Das Sortenspektrum wurde durch die gezielte Auslese und Patentierung von Nutzpflanzen in erheblichem Maße reduziert. Früher gab es in Indien ca. 30.000 Reissorten, die regional angepasst waren (Fische fraßen die »Schädlinge« etc.). Heute werden dreiviertel der Reisanbaufläche von 10 Sorten Reis beherrscht.
Die Regeln des Patentrechts und die verschiedenen Verträge sind auf den Schutz einheitlicher, industriemäßiger Landwirtschaft ausgerichtet und entsprechen damit der Logik der WTO (u.a. der Handelsmaximierung). Verträge wie die UPOV weisen in diese Richtung und schützen somit nicht auf nachhaltige Landwirtschaft ausgerichtete Agrarpolitik. So befürchtet auch Carlos Correa (Patentfachmann von der Universität in Buenos Aires): "Die Einführung von Schutzrechten für geistiges Eigentum bei Pflanzensorten kann die besser angepassten Landsorten der Bauern verdrängen und die Sortenvielfalt und die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft beeinträchtigen". Diese Befürchtung wurde längst durch die realen Entwicklungen (s.o.) eingeholt. Weitere Argumente gegen den Sortenschutz nach UPOV-Muster zeigen GENE Compaign auf:
Diese Auflistung von Argumenten zeigt noch einmal deutlich wer durch einen Sortenschutzvertrag Vorteile aus diesem erzielen würde, sicherlich nicht bäuerliche Genossenschaften oder auf Subsistenzwirtschaft basierende Produktionsformen.


5. Nein zur Patentierung von Leben

Eine Antwort auf die anfangs gestellte Frage von Jeremy Rifkin, ob wir Gene, Zellen, Chromosomen, Organe und Gewebe patentieren dürfen, scheint durch das hier dokumentierte klar mit Nein beantwortet werden zu müssen. Aber welche Alternative wird von den PatentierungsgegnerInnen formuliert? Im wesentlichen sind dies Argumente die den bestehenden Artikel 27.3 des TRIPs Abkommens der WTO über handelsbezogene Rechte gegenüber geistigen Eigentum erweitert sehen wollen und nicht solche die diesen grundsätzlich negieren. Das »Statement indigener Gemeinschaften zu dem WTO- Abkommen« vom 25.07.1999 (ein Dokument das von 87 VertreterInnen von indigenen Völkern, NGOs und Netzwerken aus sog. Drittstaaten unterzeichnet wurde) formuliert so seine Forderungen zur Erweiterung dieses Artikels wie folgt:
Soweit der eine Teil des Statements, der das bestehende Rechtssytem verändern möchte, jedoch sei hier auch auf den anderen Teil hingewiesen der formuliert, das:
Die Fragen die sich mit diesen letzteren Argumenten ergeben sind in meinen Augen Fragen wie: was hier unter Natur verstanden wird oder wäre ein Abkommen das keine Diskriminierung von unseren (was meint hier unseren?) kulturellen und geistigen Erbe (etc.) beinhaltet wünschenswert? ...
Wünschenswert wäre sicherlich auch eine Analyse dieser Verträge auf dem Hintergrund der sich weiter entwickelnden Globalisierung und Liberalisierung des Marktes, in denen die gezielte Steuerung und Funktionalisierung des Menschen als ein antreibendes Moment der Verträge zum Ausdruck käme, in dem der Mensch, einer umfassenden Vermarktung, der Produktivmachung des Körpers und dessen Gene ausgesetzt wird (mehr dazu in der Veranstaltung Neoliberalismus und Globalisierung siehe auch das entsprechende Papier). Abschließend stimme ich mit der Forderung der indigenen Gemeinschaft überein: die Patentierung von Lebensformen sollte absolut verboten werden.


Literaturverzeichnis (geht aus den Zitaten direkt hervor)