Die neuen Eigentumsrechte, TRIPS (Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights)
Das Patentrecht macht die BäuerInnen zu Sklaven der Multis

Ende 1994 wurde nach langjährigen Verhandlungen die WTO gegründet. Diese neue Welthandelsorganisation hat sich die vollständige Liberalisierung des Weltmarkts zum Ziel gesetzt. Die Mitgliedsländer verpflichten sich, einen breit gefächerten Vereinbarungsrahmen über die Liberalisierung bzw. Abschaffung aller Handelsbarrieren in nationale Gesetze zu übernehmen. Mehr noch, die WTO kann ihre Mitgliedsländer dazu zwingen, die Vorschriften der WTO zu erfüllen, sonst werden die einzelnen Staaten empfindlich abgestraft. So wie bisher die Liberalisierungsvorschriften aussehen, dienen nahezu alle Vereinbarungen der Globalisierung der Märkte und bevorteilen einseitig die großen Transnationalen Konzerne. Die Interessen der ArbeiterInnen, BäuerInnen, der Armen fallen unter den Tisch.

Nahezu parallel zu dieser neuen mächtigen Welthandelsorganisation verabschiedete auf Druck der Industrieländer die WTO ein Gesetzeswerk, welches die Eigentumsrechte im Welthandel besser schützt. Es wird geschätzt, dass durch die bisherige Nichtexistenz den Konzernen und LizenzinhaberInnen der Industrieländer ein Verlust von 200 Milliarden $ jährlich entsteht und deshalb haben besonders die USA und die EU auf die Verabschiedung des TRIPS-Abkommens gedrängt. Mit Beginn des Jahres 2000 gilt das TRIPS-Abkommen nun auch für alle Trikontländer, die Mitglied der WTO sind.


1. Was sind die Hintergründe für das Zustandekommen von TRIPS?

Bevor ich das TRIPS-Abkommen näher erläutere, will ich kurz einige ökonomische Trends und Hintergründe darstellen, die für das transnationale Kapital den Schutz ‚ihres' geistigen Eigentums notwendig machten:
  1. Starkes Anwachsen der immateriellen Güterproduktion und des entsprechenden Warenhandels auf dem Weltmarkt in den 80er Jahren, vor allem zwischen den Triadenländern.
    Einhergehend mit der Globalisierung vollzieht sich seit 30 Jahren sowohl in den Ländern der Triade (Nordamerika, Westeuropa, Japan und die 4 Tigers) wie auf dem Weltmarkt ein einschneidender Umstrukturierungsprozess in den nationalen Ökonomien. War in der Hochzeit des Fordismus die materielle Güterproduktion deutlich im Übergewicht, so verlagert sich das Schwergewicht der Warenproduktion in den kapitalistischen Zentren immer mehr hin zum Dienstleistungssektor und zur Produktion immaterieller Güter. Mitte der 90 er Jahre hatte die klassische Industrieproduktion in GB nur noch einen Anteil von 30 %, in den USA von 40% und auch in der BRD liegt sie schon unter 50 % des BSP. Immaterielle Güter sind u.a. Finanzdienstleistungen, industrienahe Wissenschaft und Forschung, Softwareentwicklung, Rechtsbeistand, Tourismus, Medizin, Bildung und Ausbildung, Informations- und Datenverarbeitung, weite Teile der Telekommunikation.


  2. Aufkommen der Computer- und Informationstechnologie in den 80-ern und des Internets in den 90-ern .
    Die Computer- und Informationstechnologie hat sich in den USA an die 1. Stelle aller Industriezweige vor der Automobilindustrie und der Ölindustrie gesetzt (wenn wir den Banken- und Versicherungsbereich ausklammern, der vom Umsatz und vom Markteinfluß alle anderen Wirtschaftszweige überragt). Vom Börsenwert aus betrachtet, kommen die am teuersten gehandelten Konzerne aus der Computer- und Internetbranche. Microsoft hatte Mitte März 2000 einen Börsenwert von knapp 500 Milliarden $ beim einem realen Umsatz von gerade mal 20 Mrd. $ im Jahre 1999. In dieser Branche konzentriert sich das internationale Spekulationskapital und entsprechend stark ist auch die politische Macht dieser beiden Branchen. In diesen Bereichen wird eine Unmenge an Werten, die mit Copyrights versehen sind, produziert.


  3. Deregulierung des Finanzmarktes bzw. des Welthandels.
    Die Deregulierung des Welt-Finanzmarktes und des Welthandels, hier vor allem der Abbau der Zollschranken und der Abbau der Devisenverkehrskontrollen, hat zu einer ungeheueren Ausweitung des Devisenhandels und der Kreditausleihe geführt. Die aus den USA kommende share-holder-value Orientierung der Kapitalgesellschaften und Kreditgeber führt zu einer immer kurzfristigeren Investitionsstrategie bei einer Maximierung der Profite. Hierbei spielen einerseits die Banken und Versicherungen eine herausragende Rolle, andererseits gewinnen zunehmend Versicherungen und Pensionskassen an Einfluß auf das Wirtschaftsgeschehen, weil sie durch globale Kapital-Beteiligungen besonders bei den transnationalen Konzernen direkt auf die Firmenpolitik einwirken. Darüber hinaus haben die Finanzdienstleistungen (Investment-Banking, Kreditberatung u.a.) im globalen Handel mit Dienstleistungen einen hohen Anteil erreicht und hier wiederum geht es sehr viel um Handel mit Information, mit (Finanz-) Wissen.


  4. Bio- und Gentechnologie als ein weiterer neuer Wachstumstechnologiesektor.
    In den 80 er Jahren zunächst in den USA und dann in den 90 er Jahren auch in Europa und Ostasien entwickelt sich die Gen- und Biotechnologie zur neuen Wachstumstechnologie, die am Ende des Jahrhunderts, (hoffentlich etwas vorschnell !) von der Politik als die "Technologie des 21. Jahrhunderts" apostrophiert wird. Wirtschaftlich betrachtet ist diese Technologie auch im Jahre 2000 immer noch ein ganz kleiner Fisch, vom Umsatz her reicht der Anteil der Biotechnologie in der Pharmabranche, ihrem derzeitigen Hauptanwendungsgebiet, gerade mal an die 10% ran, im Saatgutbereich liegt der Anteil gar nur bei 3%.
    Allerdings investieren die Life-Science-Industrie und die Staaten des Nordens derzeit Milliarden und aber Milliarden um nach der Entschlüsselung der menschlichen, pflanzlichen und tierischen Gensequenzen sich die Wachstumsmärkte der Zukunft zu sichern.


  5. Das Agrobusiness des Nordens erobert den Weltmarkt, "Grüne Revolution" war die erste Etappe
    In den USA gelang den Saatgutkonzernen in Zusammenarbeit mit Universitäten Anfang des 20. Jahrhunderts eine biotechnische Revolution, die Entwicklung von Hybridsorten. Hybridsorten entstehen, vereinfacht gesagt, durch die Kreuzung zweier Inzuchtlinien, um bestimmte erwünschte Eigenschaften in der Nachkommenschaft zu fördern und andere unerwünschte zu eliminieren. Dies wurde erstmals am Mais im Jahre 1905 erfolgreich erprobt und der sogenannte Hybridmais verbreitete sich rasend schnell, 1944 wurden bereits 90% der Maisanbaufläche in den USA mit Hybridmais bepflanzt. Die Erträge des Hybridmaises und anderer Hybrid-Getreidesorten stiegen erheblich. Allerdings erkauften sich die Farmer dies mit einer erhöhten Abhängigkeit von den Saatgut- und Düngemittelfirmen. Denn die Hybridsaatgutsorten ließen sich nicht mehr einfach von den Farmer selbst vermehren. Jedes Jahr mußte neues Saatgut von den Konzernen hinzugekauft werden. Die Saatgutmultis ihrerseits müssen die Hybridsorten mit artverwandten Sorten aus ihrem Genpool kreuzen, damit sie weiter ertragreich bleiben. Des weiteren stiegen in erheblichem Maße sowohl die Anfälligkeit der Hybridsorten gegen Schädlingsbefall wie auch die erforderlichen Düngemittel. Dies erhöhte noch mal die Abhängigkeit der US-Farmer von der Düngemittel- und Agrochemie. Die von der Weltbank in den 60 er Jahren eingeleitete "grüne Revolution" hat zu einer weltweiten Angleichung der Nahrungsmittelgewohnheiten und vor allem der industrialisierten Anbau- und Pflanzenzüchtungsmethoden geführt. Das Zurückdrängen der bäuerlichen Subsistenzwirtschaft, die unabhängig von den Gesetzen des Weltmarktes die lokale Versorgung organisierte, ist ebenfalls eine Folge der Förderung des Agrobusiness. Die BäuerInnen können ihre Produkte nicht mehr vermarkten, weil sie für den nationalen Markt oder den Weltmarkt die "falschen" Produkte anbieten. Dies hat den Verfall des Artenreichtums in der Landwirtschaft beschleunigt. Das Saatgut selbst ist zu einer Welthandelsware geworden, mit der sich Märkte und Politik beeinflussen lässt: "Saatgut ist heute eine strategische Aktivität, die weit über normale Zulieferfunktion hinausgeht", urteilte die niederländische "Rabobank" in einer Branchenstudie vor ein paar Jahren.


  6. Abbau der Biodiversität, Ausdehnung der Monokulturen, Biopiraterie des Nordens.
    Der tägliche (!) Artenverlust wird auf 50-300 Tier- und Pflanzenarten geschätzt. Die FAO hat 1993 eine Schätzungen vorgelegt, dass 75 % der pflanzlichen Genressourcen während der letzten Jahrzehnte verschwunden sind, in Indien sind von 30.000 bekannten Reissorten heute noch 20 übriggeblieben, in China kannten die Menschen 1949 noch 10.000 Weizensorten, heute sind davon noch 1000 übrig.
    Die Genressourcen sind auf dem Globus sehr ungleich verteilt. Mehr als 90% liegen auf der Südhalbkugel. Nicht zuletzt durch die Monokultur, Hybridsorten und Industrialisierung der Landwirtschaft ist der Norden arm an Ressourcen, dafür besitzt er jedoch 97 % der pflanzlichen Genpatente. Die Industrialisierung der Landwirtschaft und der Sortenzüchtung hat den Artenverlust stark beschleunigt. "Der Prozeß stellt ein Paradox sozialer und ökonomischer Entwicklung dar, indem das Produkt der Technologie (Züchtung auf hohen Ertrag und Einheitlichkeit) die Ressourcen zerstört, auf denen die Technologie aufbaut". (so die US Academy of Science, 1978)
    Universitäten, Konzerne betreiben seit Jahren eine systematische Biopiraterie aus den Ländern des Südens in die Genpools des Nordens, z.B. besitzt United Brants heute die Genstruktur von ¾ aller Bananensorten.


  7. Zunehmende Konzentrationsprozesse des Agrochemie-Kapitals, Marktmacht der Multis.
    Der Prozeß der Kapitalkonzentration und Zentralisation hat in den 90 er Jahren massiv auf die Saatgut- und Life-Science-Industrie übergegriffen. Je forschungsintensiver die neuentwickelten Produkte werden und je größer der Markt für die einzelnen Produkte wird, desto größer wird der Kapitalbedarf und daraus sich ableitend der Konzentrationsdruck. Gab es noch vor 10 Jahren in den Ländern der Triade ca. 300 Firmen, die am Saatguthandel beteiligt waren, so teilen sich heute die ersten 10 Konzerne wie Monsanto, Pioneer, Limagrain oder Kleinwanzlebener Saatzucht 75 % des Marktes auf.


2. Welche Verhandlungen gingen dem TRIPS-Abkommen voraus?

Die Bedeutung des TRIPS-Abkommens werde ich im Folgenden am Beispiel des Patentrechts und seinen Auswirkungen auf die Landwirtschaft und das Gesundheitswesen darstellen.
Das erste Patent auf Leben wurde 1980 vom US-Patentamt erteilt, 1988 folgte das Patent auf die Genmaus in den USA. Besonders US-Konzerne und ihre westeuropäischen Konkurrenten drängten auf die Verabschiedung neuer Verträge im Rahmen der GATT-Verhandlungen, der sogenannten Uruguay-Runde, um für die Globalisierung eine gute Ausgangsposition einnehmen zu können.
1992 wurde in Rio die Konvention über biologische Vielfalt verabschiedet. Einerseits erkennt die Konvention den Beitrag der BäuerInnen aus dem Trikont zum Erhalt der biologischen Vielfalt ausdrücklich an und betont die Erhaltung der biologischen Ressourcen in situ (auf dem Feld, in der Natur), andererseits öffnet die Konvention die Tür zum weltweiten Handel mit Genressourcen, indem sie diese nicht zum "Welterbe" erklärt, sondern den Nationalstaaten das Verfügungsrecht und Verwertungsrecht zubilligt.
Dies war ein wichtiger Meilenstein für die Saatgutkonzerne.
Ein Jahr zuvor hatten sie mit Hilfe ihrer Politiker bei der Novellierung des Sortenschutzabkommens die Aushöhlung des "Züchtervorbehalts" und des "Landwirtvorbehalts" durchgesetzt. Der "Züchtervorbehalt" gewährte einem kommerziellen Züchter das Recht, mit anerkannten Sorten weiter zu züchten und daraus neue Sorten zu entwickeln; der "Landwirtevorbehalt" gewährte den Bauern das Recht einen Teil der Ernte als Saatgut für die nächste Erntesaison zu verwenden und im Rahmen der lokalen Ökonomie mit seinem Saatgut zu handeln. Beide Vorbehalte wurden zur Freude von Monsanto, Pioneer und Kleinwanzleben mit der neuen Novelle stark eingeschränkt. Darüber hinaus können die Sortenzüchter von den Bauern, die keine Lizenzgebühren beim eigenen Nachbau der Sorten gezahlt haben, Entschädigungszahlungen verlangen. Diese Bestimmung von 1991 findet sich ganz ähnlich im Trips-Abkommen von 1995 unter der Patentregulierung wieder.
Den Hintergrund für diese Bevorzugung der Saatgutkonzerne und Life-Science-Industrie stellt die zunehmende Kapitalmacht dieser Konzerne dar. Milliarden von Forschungsgeldern aus Staatshaushalten aber auch Milliarden $ aus der abgeschöpften Börsenspekulation drängen auf die Amortisation. Die Life-Science-Industrie und die Saatgutmultis versprechen neue genmanipulierte Nahrungsprodukte, die global angebaut und verkauft werden sollen. Die Herstellung von transgenen Pflanzen und Tieren, von gentechnologisch erzeugen Impfstoffen oder Medikamenten bis hin zum sogenannten Pharming, der Verwandlung der Nutztiere in Produktionsstätten für Medikamente und Nährsubstanzen inspirieren die Phantasie der Spekulanten an den Börsenplätzen und lassen die Manager von Milliardengewinnen träumen.
Schon vor Verabschiedung des TRIPS-Abkommens war also die Stellung der Multis entscheidend gestärkt worden. Im NAFTA-Abkommen von 1994 finden sich wesentliche Bestandteile des späteren TRIPS in Sachen Patentrecht wieder wie auch wesentliche Teile des 1999 erst mal gescheiterten MAI-Abkommens, in dem die Multis den Staaten als gleichwertige Rechtsubjekte gegenübertreten.


3. Woher kommen die Lobbyvertreter bei den Verhandlungen?

Angesichts dieser rasanten Machtverschiebung auf dem Weltmarkt zugunsten der transnationalen Konzerne ist es nicht verwunderlich, dass ihr politischer Druck auf die Regierungen sowohl der USA und der EU-Staaten wie auch auf kleinere OECD-Staaten, wie z.B. Brasilien, immer mehr zunimmt. Und dennoch ist es nahezu unglaublich, wie unverfroren und wie direkt die Einflussnahme der Lobbiisten in den USA und bei der EU in Brüssel auf die Gesetzgebungsverfahren und bei den internationalen Verträgen im Rahmen der WTO verläuft.
Beim TRIPS saßen für die USA als Lobbyvertreter mit am Verhandlungstisch: Pioneer, GE, General Motors, Bristol Myers, Hewlett Packard, IBM, Johnsons and Johnson, Merck, Monsanto, Pfizer, Time Warner u.a. Also die Creme de la Creme der Life-Science-Industrie, der Elektronik- und Informationstechnologie. Von den großen Bossen fehlten an sich nur Microsoft und Ford.
Diese Riege des US-Kapitals sorgte dafür, das Marktöffnung, Schutz des Privateigentums, Technologietransfer, Gen- und Informationstransfer im Rahmen von TRIPS zu ihren Gunsten geregelt wurden.


4. Was beinhaltet das TRIPS-Abkommen?

Vorneweg ist zu sagen, dass wesentliche Bestimmungen des US-Patentrechts von 1987 sich im TRIPS wiederfinden, also die US-Lobby gut verhandelt hat.
In den ersten Artikeln wird festgelegt, dass die Unterzeichnerstaaten einander alle juristisch wie Inländer behandeln und es gilt die Meistbegünstigungsklausel, d.h. "Begünstigungen, Vorrechte und Befreiungen, die von einem Mitglied den Staatsangehörigen eines anderen Landes gewährt werden, unmittelbar und unbedingt den Staatsangehörigen aller anderen Mitglieder gewährt" werden. über die Zielsetzungen des Abkommens stehen im Artikel 7 hochtrabende Vorsätze oder mensch könnte besser sagen triefende ideologische Vorsätze: "Schutz und Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums sollen zur Förderung der technischen Innovation sowie zum Transfer und zur Verbreitung von Technologie beitragen, zum gegenseitigen Vorteil für Erzeuger und Nutzer technischen Wissens und auf eine für das gesellschaftliche und wirtschaftliche Wohl zuträgliche Art und Weise und zum Ausgleich zwischen Rechten und Pflichten".
Im nächsten Abschnitt geht es um die Bestimmung was alles "geistiges Eigentum" umfasst: Computerprogramme und Datensammlungen, Filmrechte, Copyright auf alle künstlerischen Produkte für 50 Jahre, Radio- und Fernsehsendungen, Tonaufnahmen, Handelsmarken, Industriedesign und last not least Patente.
Die Mitgliedsländer verpflichten sich alle Kontroversen vor einer Schiedskommission, einem von der WIPO organisierten Rat, auszutragen und sich gegenseitig über den Verstöße beim Handel mit rechtsverletzenden Waren anzuzeigen. Von dieser umfassenden Informationspflicht sind einzig die Waren ausgenommen, die Sicherheitsinteressen, also vor allem militärische Interessen der einzelnen Staaten berühren.
In der EU stößt das Abkommen bei einigen Unterzeichnerstaaten auf Widerstand, der heftigste Widerspruch kommt jedoch aus einigen Trikontländern wie Indien und von sehr vielen NGOs.
Besonders umstritten ist der Artikel 27, der das Patentrecht regelt. Einerseits soll der Artikel sicherstellen, dass alle Technologien, Verfahren und ihre Produkte u.a. aus dem medizinischen, pharmazeutischen und landwirtschaftlichen Bereich unter Patentschutz gestellt werden können, eben auch solche, die bisher nicht in vielen Ländern patentierfähig waren. Dazu gehören besonders medizinische Verfahren und ihre Produkte wie aber auch biologisches Ausgangsmaterial, aus denen patentierbare Gene gewonnen werden.
Hier streiten sich die Geister vor allem um den § 27, 3 b: ausgenommen von der Patentierbarkeit sind: "Pflanzen und Tiere, mit Ausnahme von Mikroorganismen, und wesentliche biologische Prozesse für die Produktion der Pflanzen oder Tiere außer nicht-biologische Verfahren. Die Mitglieder sehen jedoch den Schutz von Pflanzensorten entweder durch Patente oder durch ein wirksames System sui generis oder durch die Kombination beider vor." (eigene Übersetzung). Der Streitpunkt ist nun, was unter sui generis zu verstehen ist. Während einige damit die Möglichkeit sehen, wenigstens Pflanzen und Tiere von den Patentforderungen auszunehmen, wenn sie z.B. schon dem Sortenschutz unterliegen, sehen andere darin überhaupt keinen Vorteil, denn auch der Sortenschutz wurde ja 1991 weitgehend den Patentanforderungen des TRIPS-Abkommens quasi im vorauseilendem Gehorsam angeglichen.
Über den Artikel 27, 3 b wird es neue Revisionsverhandlungen geben, weil zu viele Länder Widerspruch in Seattle angemeldet haben. Im abgelaufenen Jahr 2000 hat es sehr viele neue Verhandlungen und schriftliche Stellungnahmen von NGOs und Trikontländern zu dem umstrittenen Artikel gegeben. Eine Einigung ist allerdings nicht in Sicht und die Zeit läuft. Denn bis zum Jahr 2005 müssen alle WTO-Mitgliedsländer das TRIPS-Abkommen in ihre nationales Gesetze übernommen haben!


5. Die drastische Ausweitung des Patentschutzes und seine Folgen

Das Patentrecht ist umfassend, es sichert nicht nur die Sorten, sondern auch die technischen Verfahren zur Entwicklung der Pflanzensorten oder von pharmazeutischen Produkten.
Darüber hinaus wird der Patentschutz auf die Entdeckung ausgedehnt, also nicht nur die Erfindung von technischen Innovationen sind rechtlich geschützt, sondern z.B. auch die Entdeckung der Genstrukturen des Bluts von indigenen Völkern im Amazonas durch die Entschlüsselung ist patentierbar.
Wie das Ausspielen der TrikontbäuerInnen durch die Agrarmultis läuft läßt sich an zwei Beispielen veranschaulichen:
"Die Food-Multis lassen sich schlichtweg jede Entwicklung patentieren", klagt Jorge Nieto vom Institut für Biotechnologie der Universität von Mexiko. "Die armen Länder machen sie dadurch zu "Sklaven der Multis", sobald deren genetisch veränderte Saat - zum Teil Weiterentwicklung von Arten, die in der Dritten Welt seit Jahrhunderten angebaut werden - auf den Markt kämen", schreibt die ‚FR' vom 13.8.99 . ähnlich argumentiert die Initiative ‚Kein Patent auf Leben': Die Life-Science-Industrie beansprucht "Patentschutz von geradezu abenteuerlichem Umfang, die Biopatente erstrecken sich nicht nur auf Verfahren und ihre Produkte, sondern auch auf die natürlich vorliegenden Ausgangsstoffe, wie Gene, Zellen etc., und allen möglichen denkbaren Anwendungsfeldern der Produkte. Das heißt: es sollen Großprojekte geschützt werden, eine kleine Manipulation soll ganze Forschungs- und Anwendungsfelder absichern." (Hintergrundbericht vom November 1999)

Über die Dimension des neuen Patentrechts, welches sich aus dem TRIPS-Abkommen ergibt, sind sich alle Politiker einig und doch sind sie zögerlich, es in die Rechtspraxis umzusetzen, weil es über weite Strecken einseitig die Interessen der Multis bevorzugt. Die EU-Kommission und das europäische Parlament haben sich jahrlang über die neue Patentrichtlinie, die sich stark am TRIPS orientiert, gestritten. Zwei Kernsätze aus dem 97 er Beschluß lauten:
Wie leicht zu ersehen, ist der Streit zugunsten der Gentechindustrie ausgegangen. Natur wird patentierbar!

Obwohl TRIPS in den meisten EU-Ländern noch nicht rechtskräftig ist, wendet das EPA in diesem Sinne genau das neue sehr weit gefasste Patentrecht an. Nach dreijähriger Unterbrechung nimmt das EPA damit eine zwischenzeitlich aufgegebene Rechtsprechung wieder auf, die Patentierung ganzer Saatgutgruppen: "1996 wurde am Europäischen Patentamt in München ein Patent für die Firma Monsanto erteilt, das sich sowohl auf die Zucht als auch den Anbau von "Mais, Weizen, Reis, Zuckerrüben, ölsaatenraps, Canola, Flachs, Sonnenblumen, Kartoffeln, Tabak, Tomaten, Luzerne, Pappeln, Kiefern, Apfel und Traube" erstreckt (Patentnummer EP 546090), so weit sie in bestimmter Weise gentechnisch verändert sind." (Christoph Then in 'FR' vom 30.6.97)

Die Folgen sind für die BäuerInnen sowohl in Europa wie im Trikont absehbar. Zukünftig kann kein Landwirt mehr ungestraft irgendwelche Pflanzensorten züchten oder anbauen, denn es gibt faktisch keine "Farmers Rights" mehr und alle landwirtschaftliche Ertragssorten werden innerhalb kürzester Zeit von den Saatgutkonzernen mit einem Patent belegt werden. Das Ende der bäuerlichen Subsistenzwirtschaft ist sehr nahe gekommen, denn woher sollen KleinbäuerInnen das Geld nehmen um die Lizenzen für das Saatgut zu bezahlen? Und sobald die afrikanischen BäuerInnen auf den Märkten erscheinen (in Afrika bearbeiten zu 75% Frauen das Land!) werden die Kontrolleure der Saatgutmultis auftauchen und nachforschen, ob für die Nahrungsmittelprodukte auch Lizenzen bezahlt worden sind. Noch hört sich das utopisch an, aber Monsanto lässt in Nordamerika viele Regionen schon aus der Luft überwachen, um genaustens zu kontrollieren, was die Farmer für welche Sorten anbauen!
Welche geradezu absurden Abhängigkeiten für die BäuerInnen diese Politik erzeugt, verdeutlicht am krassesten die Entwicklung der sogenannten Terminator-Pflanze durch Monsanto. Mit der Verwendung der Terminatorpflanze ist es den Bauern nicht mehr möglich, eigenes Saatgut herzustellen. Dafür sorgt ein eingebautes Gen, dass die Samen der Pflanzen sterilisiert. Monsanto hat jedoch aufgrund von massiven Protesten zunächst einmal die Terminatorpflanze vom Markt genommen.

Ich habe vorhin gesagt, die Akteure bei den TRIPS Verhandlungen kamen vor allem aus den Industrieländern. Das ist zwar einerseits richtig, aber andererseits sind viele Regierungen der Trikontländern keine unschuldigen Opfer. Sie werden zukünftig an dem durch den Norden organisierten Genklau, der Biopiraterie insofern partizipieren, indem gewisse Lizenzgelder an die Staaten ausgezahlt werden, wie es Merck vor 10 Jahren mit Costa Rica vorgemacht hat (die gesamten Genressourcen des Urwaldes privatisiert, für 1.5 Mio. $!).
Diese Biopiraterie durch Konzerne und Universitäten des Nordens wird durch TRIPS noch deutlich beschleunigt werden, weil heute einfach alles erlaubt ist, solange es marktfähig und damit verwertbar ist. Wenn alles patentierbar ist, gibt es für den neuen Bioimperialismus kein Halten mehr. Manche KritikerInnen kennzeichnen die Patente deshalb auch schon als die neue "Währung des 21. Jahrhunderts".


6. Life-Sciene-Industrie

Zunächst wollen will ich die quantitativen Aspekte kurz skizzieren: Dabei hat die Größe und Bedeutung eines Konzerns nicht nur mit Geschwindigkeit und Logik des (ökonomischen) Wachstums zu tun, sondern um die Multis in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung beurteilen zu können sind auch Vergleichszahlen zu anderen Branchen notwendig:
Vor 100 Jahren galten als alte Branchen die Eisen/Stahl- und die Textilindustrie und als neue Branchen die Elektroindustrie, die Ölgewinnung, der Fahrzeugbau, die Chemieindustrie. Heute hingegen sind diese wiederum als alte Branchen anzusehen. Als neue hingegen, "zukunftsorientierte" Branchen werden eingestuft die Mikroelektronik, die Informationstechnologie, die Solar-Energie-Gewinnung und die Bio-Gen-Technologie.
In den Umsatz- und Größenverhältnissen spielen allerdings die heutigen neuen Branchen bisher kaum eine Rolle. In der 'Fortune'-Liste der 500 größten Global Players des Jahres 1999 reichen die Umsätze vom über 176 Milliarden $ (General Motors) bis 9.7 Mrd.$ der US-Firma Limited als Nr. 500. Unter den ersten 500 finden sich nur ganz wenige aus der neuen Branche.
Die Life-Science-Industrie hat sich in der zweiten Hälfte der 90 er herausgeschält. Dabei sind aus der alten chemischen Industrie die beiden Sparten Agrarchemie (Pestizide, Düngemittel u.a.) und Pharma zusammengelegt worden.
Wer hat mit wem fusioniert? In Europa sind u.a. Sandoz und Ciba Geigy zu Novartis fusioniert, Aventis ist aus Hoechst und Rhone Poulenc hervorgegangen. Dabei haben sich die neuen Life-Science-Konzerne umsatzmäßig zunächst deutlich verkleinert, dafür deutlich mehr Kapitalmacht für Aufkäufe besonders von kleinen Biotech-Firmen oder Patentinhabern angesammelt.
Merck ist der größte Life Science-Konzern und liegt mit 33 Mrd.$ an 100. Stelle auf der Fortune-Weltrangliste, gefolgt von den klassischen Chemiekonzernen BASF, Bayer und Du Pont. Der Life-Science-Konzern Novartis liegt mit 21 Mrd. $ an 192.Stelle, Aventis liegt mit 13.4 Mrd. $ Umsatz erst an 362. Stelle.
Die wirtschaftliche Bedeutung der grünen Bio-Gen-Tech-Branche ist weltweit gesehen noch äußerst gering. In einem Artikel ('Blätter für deutsche und internationale Politik' 11/99) gibt Ulrich Dolata Zahlen für den Welt-Agro-Markt an: insgesamt 50 Mrd. $, davon 30 Mrd. $ für Pflanzenschutzmittel und 20 Mrd. $ für Saatgut. Auf Produkte der Biotechnologie (transgenes Saatgut, Biopestizide, tierische Wachstumshormone und sonstige Produkte) entfallen aber bisher insgesamt lediglich 0.875 Mrd. $!!
Zur Zeit ist die Zukunft im landwirtschaftlichen Bereich für die Biotech-Firmen und Life-Science Industrie derzeit recht ungewiss. Einfach weil die VerbraucherInnen bisher den Genfraß in den Metropolen ablehnen. Die noch vor 3 Jahren ausgegebenen hohen Wachstumsprognosen und Gewinnerwartungen mußten in jüngster Zeit deutlich revidiert werden. An den Weltbörsen sind die Aktienwerte der Life-Science-Konzerne in den Keller gerutscht. Deshalb wird in den Vorstandsetagen darüber nachgedacht, die Agrosparte in selbstständige Konzernen auszugliedern. Der Novartis-Konzern hat dies schon vorgemacht und Aventis verhandelt derzeit über eine Ausgliederung. Der Hintergrund sind die deutlich gesunkenen Gewinne und Umsatzerwartungen in der Agrochemiesparte der Life-Science-Konzerne. Für 1999 meldet die "Aventis Crop-Science" (die gemeinsame Tochter von Aventis und Schering, Nachfolgerin von AgrEvo) einen Verlust von 165 -195 Mio. Euro! Zudem lastet auf der Branche ein erheblicher Schuldenberg. Allein Monsanto hatte mehr als 6 Mrd. $ Schulden aufgehäuft und wurde zwangsfusioniert mit dem US-Pharmariesen "Pharmacia & Upjohn".

Zwar ist in Europa ist der Absatz von genmanipulierten Lebensmitteln wie Soja und Mais ins Stocken geraten. Doch wird in Nordamerika und in einigen Ländern Lateinamerikas weiterhin in großen Maßstab genmanipuliertes Saatgut angebaut. Und bei den Agrarexporten agieren die großen Industriestaaten mit offenem politischen Druck um ihren Genfraß loszuwerden, so z.B. die USA, die u.a. Ägypten dazu gezwungen haben, genmanipulierten Weizen abzunehmen. Und was jetzt nach der Aufdeckung der neusten BSE-Skandale und dem Tiermehlverfütterungsverbot sich ankündigt, ist voll im Interesse der Agrochemieindustrie: Mehr Importe von Gensoja als Ersatz für das tierische Eiweiß - das heißt in Zukunft, statt BSE-verseuchtes Rindfleisch nun gensoja-verseuchter Rinderbraten. Was für eine Alternative!
Es droht eine neue Spaltung zwischen Arm und Reich, diesmal auf dem Ernährungssektor: Die Armen in den Länder der Metropolen essen das billige Genjunkfood. Nur die Reichen können sich die teurere Bionahrung leisten. ähnlich könnte die Spaltung zwischen den reichen Länder des Nordens und den armen des Südens und Osteuropas laufen. Genmanipuliertes Soja oder Getreide wird im Süden bzw. Osteuropa angebaut, dort z.T. konsumiert oder zu Viehfutter verarbeitet. Die möglichen Risiken verbleiben fern ab der Industrieländer.


7. Inwertsetzung

Die drohende Patentierung allen tierischen, pflanzlichen und menschlichen Lebens ist der neue Kulminationspunkt in der ökonomischen Entwicklung des Kapitalismus. Die schrankenlose "Verwertung des Werts" macht nun auch vor menschlichen Organen nicht mehr halt, Menschenzüchtung selbst wird zu einem kapitalistischen Verwertungszweck. Die Eugenik kommt auf leisen Füßen zurück, schrieb Jeremy Rifken vor ein paar Jahren. Mit den "leisen Füße" meint er die scheinbar unangreifbaren Marktmächte. Noch sind dies nur (Horror-) Visionen, die Klonierung gelingt den Wissenschaftlern bisher am erfolgreichsten nur bei Schafen. Wie lange es noch dauert, bis der erste menschliche Alien der Weltpresse vorgestellt wird, darüber streiten sich die Geister, 5 oder 10 Jahre? Sicher ist nur, dass hier eine ganz neue milliardenschwere Gesundheitsindustriesparte am Entstehen ist.

Auch für das Klonen bzw. den Organnachbau sind das Patentrecht und die damit legalisierte Biopiraterie ein wichtiger Baustein. Angefangen hat es im Bereich der Medizin mit einem schon länger zurückliegenden Vorfall aus Kalifornien, von dem die Europaabgeordnete Hiltrud Breyer 1997 berichtete: "Dem an einer seltenen Krebserkrankung leidende John Moore wurde die Milz entfernt. Sein Arzt, Dr. Gold, experimentierte mit dem Organ und entwickelte, ohne dass Moore etwas von dem Experiment wusste, eine ‚Mo-Zellinie'. Dr. Gold meldete diese genetische Goldgrube zum Patent an und verkaufte die Nutzungsrechte mit Millionengewinnen an verschiednen Konzerne. Als Moore durch Zufall von der Sache erfuhr, verklagte er Dr. Gold wegen des Raubes an seiner menschlichen Essenz. Die Klage wurde mit der Begründungen abgewiesen, das dem menschlichen Körper entfernte Organ sei nicht mehr Eigentum der Person. Dr. Gold ‚Erfindung' war schlicht, Zellen in einer Nährlösung zu vermehren. Für Moore war das, was ihm angetan wurde, ‚eine totale Invasion,(....) wie eine Vergewaltigung'."
Mit der wachsenden Macht der Pharmamultis und der Ausweitung des Patentrechts entscheiden diese zunehmend über Leben und Tod.
Wenn wir uns vor Augen halten, dass der Weltpharmamarkt zu 2/3 von nur 20 Pharmamultis beherrscht wird und zugleich vier Fünftel der Ausgaben für Gesundheit nur einem Fünftel der Weltbevölkerung zugute kommt, wird ersichtlich wie ungleich die Verteilung medizinischer Präparate auf dem Erdball geregelt ist. Afrika, besonders Südafrika, leidet unter einer verheerenden AIDS-Epidemie. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO wird die Zahl derer, die an AIDS in Afrika gestorben sind, bald die 20 Millionengrenze überschreiten! Das sind mehr als in Europa im 14. Jahrhundert an der Pest gestorben sind. Während in den Krankenhäuser und Laboratorien des Nordens die AIDS-Erkrankung und Sterblichkeit durch erhebliche Forschungsaufwendungen und Entwicklung entsprechender Präparate zurückgeht, haben die Länder Afrikas schlicht nicht das Geld die teuren medizinischen Präparate aus dem Norden zu bezahlen, bzw. der Nachbau ist ihnen untersagt, weil Patente dies verhindern. Südafrika hat es 1997 trotzdem gemacht, daraufhin verklagten große US-Konzerne das Land. Nur aufgrund des internationalen Drucks sah bisher die Regierung Clinton/Gore von Vergeltungsmaßnahmen ab.
Anders verhielt sie sich hingegen gegenüber Thailand. Dort wurde ein AIDS-Therapeutikum nachgebaut, was nur ein Drittel so teuer war wie das vom US-Konzern ‚Pfizer' weltweit vertriebene Präparat mit dem Markennamen "Fluconazol". ‚Pfizer' intervenierte erfolgreich bei der US-Regierung, die drohte Thailand mit Strafzöllen für die Exporte von Holz oder Mikroprozessoren in die USA und schon verschwand der thailändische Nachbau vom dortigen Markt.
Wenn Indien endgültig das TRIPS-Abkommen ratifiziert, wird es gezwungen seine billigen medizinischen Präparate ( diese sind häufig Nachbau von Pharmazeutika aus den Ländern des Nordens zu einem Preis von 1/10 des Weltmarktpreises) abzuschaffen. Dann würde in Indien ein Großteil des Gesundheitsmarktes zusammenbrechen, weil dann Milliarden von Dollars an Patenten und Lizenzgebühren durch die Bevölkerung zu zahlen wäre, die große Mehrheit der indischen Bevölkerung dieses Geld aber nicht zur Verfügung hat. Auch dort wird Gesundheit durch den Weltmarkt und die Herrschaft der Patente endgültig zur Ware.


8. BRD-Regierung: Milliarden für die Biotechnologie

Ohne massive staatliche Subventionen könnte auch heute noch der Großteil der Biotechfirmen nicht leben. Die Prognosen über die wirtschaftliche Bedeutung der Biotechnologie waren auch eher von Wunschdenken geleitet, denn von nüchterner Analyse: 1996 war vom Bundesforschungsministerium von 40.000 Arbeitsplätzen im Bereich der Biotechnologie in der BRD die Rede, 1998 von über 100.000 Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2000. Das weltweite Marktvolumen wurde vom BMBF für das Jahr 2000 auf 150 Milliarden US-Dollar geschätzt. Tatsächlich sind heute laut Ulrich Dolata kaum mehr als 6000 (!) neue Arbeitsplätze unter dem Strich entstanden, denn gerade im Pharmabereich haben die biotechnologisch hergestellten Produkte herkömmlich erzeugte Präparate ersetzt und somit auch Arbeitsplätze wegrationalisiert. Der prognostizierte Umsatz blieb auch sehr weit hinter den Erwartungen zurück.
Auf der anderen Seite sind nicht zuletzt aufgrund der sehr optimistischen Prognosen aus den 90 er Jahren in erheblichem Umfang staatliche Subventionen geflossen, Jahr für Jahr mehr als 2 Milliarden DM! In Berlin-Brandenburg hat nicht zuletzt dadurch ein Boom in der Gründung von kleinen und mittleren Biotech-Firmen stattgefunden. Im Zuge des bundesweiten BioRegio-Wettbewerbs stellte der Bund Millionen von Subventionen zur Verfügung. Die Länder Berlin und Brandenburg haben der Bio- und Gentechnologie bis zum Jahr 2004 Subventionen in der Höhe von 480 Millionen versprochen! Am Rande von München, in Martinsried, hat die CSU für mehr als 1 Milliarde DM das größte deutsche Bio- und Genforschungszentrum hinstellen lassen.
In Zuge des Human-Genom-Projekts schmiss Forschungsministerin Bullmann den Universitäten und Konzernen noch mal zusätzlich mehrer hundert Millionen in den Rachen, damit "Deutschland keinen Standortnachteil" erleidet.
Im Bundeskabinett tobt derzeit der Streit um die Übernahme des neuen europäischen Patentrechts. Justizministerin Däubler-Gmelin will das europäische (und damit TRIPS) zum deutschen Patentrecht machen, stößt aber noch auf gewissen Widerstand bei Bullmann. Im Forschungsministerium wird durch die Übernahme eine Einschränkung der Forschungsfreiheit befürchtet, weil dann u.a. die Wissenschaft im Bereich der Gentechnologie häufiger Lizenzgebühren für ihre Ausgangsstoffe bezahlen müsste. Es drohen sogar faktische Forschungsverbote, wie der britische Labour-Abgeordnete Alan Simpson schreibt: "Die Jagd nach Patenten zerstört die Forschung. Die Zusammenarbeit der Wissenschaftler untereinander geht zurück, weil sie Angst davor haben, ihre Ideen zu teilen. Jeder fürchtet, dass der andere zuerst am Ziel sein könnte. Das ist neu. Der oder diejenige, der das Patent erhält, kontrolliert die weitere Forschung. Lizenzgebühren und -einnahmen bestimmen darüber, wer im Spiel bleibt. Dies ist zutiefst antidemokratisch."


9. Widerstand

Nicht zuletzt aufgrund des massiven, internationalistischen Widerstands konnte die letzte WTO-Konferenz im Dezember 1999 in Seattle nicht zu Ende geführt werden, demzufolge scheiterte auch die Überarbeitung des TRIPS-Abkommens. BäuerInnen in Europa, Nordamerika, aber besonders in der 3. Welt wehren sich immer mehr gegen diese Bevormundung durch das Agrobusiness. Jetzt kommen auch noch die Konsumentinnen hinzu. Das Jahr 1999 war sowohl für Monsanto mit seinen Gensojafeldern in den USA wie für Novartis in Europa ein Desaster. Zuerst in England, dann in Deutschland mußten immer mehr Lebensmittelkonzerne wie Aldi oder Edeka ihren Genfraß aus den Regalen nehmen, weil der öffentliche Konsumentendruck zu groß geworden ist. Der Widerstand gegen die Anwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft ist mittlerweile weltweit; auch in den USA wurden in diesem Jahr mehr als 20 Aktionen gegen die Gentechnikindustrie durchgeführt. Dazu gehörten vorzeitige Ernteaktionen auf Genfeldern wie Zerstörungen von Forschungslabors.
Neben dem Widerstand gegen die gentechnischen Freilandversuche, wie hier nahe Berlin im Landkreis Barnim und dem weltweiten Widerstand der BäuerInnen oder dem Polieren von Mc-Donaldsläden wie kürzlich in Prag sind das Hoffnungszeichen im Kampf gegen die Gen- und Biotechnologie. Am Beginn des neuen Jahrtausend haben wir mehr Gründe zu der Annahme, daß die grüne Gentechnologie auch im wirtschaftlichen Sinne eine ähnliche Sackgassentechnologie wie die Atomtechnologie darstellt. "In Europa wehrt uns derzeit der Wind von vorn entgegen", sagte vor ein paar Monaten ein führender Manager von Aventis.
Wir haben es mit Gegnern zu tun, die eine ungeheure Weltmarktmacht innehaben, die die Regierungen auf ihrer Seite wissen und die alle Mittel, notfalls Krieg und Vertreibung einzusetzen wissen.
Wenn es augenblicklich in den Verhandlungen über die Veränderung des Artikel 27,3 des TRIPS vor allem um den Schutz der Rechte der indigenen und bäuerlichen Bevölkerung des Südens geht, so geht es zugleich dabei auch für die verhandelnden Regierungsdelegationen der Trikontländer um eine Umkehr des Ressourcenflusses. Wie es scheint sind viele Regierungen schon damit zufrieden, wenn sie in Zukunft besser teilhaben am Technologietransfer und besser materiell entschädigt werden für den Genklau der Multis aus dem Norden. Das aber wäre die endgültige globale Anerkennung der geistigen Eigentumsrechte auf Leben, das wäre die endgültige Unterwerfung der Länder des Südens unter die Eigentums- und Verwertungsgesetze des kapitalistischen Nordens.
Es wird nicht leicht, TRIPS und das Patent als Ware wieder zurückzudrängen. Neben dem "Hunger als Waffe" ist im 21. Jahrhundert die Patentierung des Lebens als neue Machtform des Agrobusiness getreten.
Aber was den Widerstand zu Beginn des 21. Jahrhunderts von dem des vergangenen Jahrhunderts positiv unterscheidet, ist sein wesentliches höheres Bewusstsein von der Globalität des Angriffs und der Einsicht in die Notwendigkeit der Entwicklung einer Globalität des Widerstandes.


überarbeitetes Referat für den BUKO-Kongreß im Oktober 2000 an der Humboldt-Uni
Hauke Benner, Berlin, im Spätherbst 2000