Wenn sämtliche anderen Rechtsmittel ausgeschöpft sind, besteht als Möglichkeit die Verfassungsbeschwerde. Die Verfassungsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Will der Flüchtling nicht ausreisen, so muß er neben der Klage einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 VwGO stellen.
Die Verfassungsbeschwerde muß innerhalb einer Frist von einem Monat (gerechnet ab Zustellung des Ablehnungsbescheides) beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein. Die Verfassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn ein Verfassungsverstoß vorliegt und ein schwerwiegender Nachteil droht. In jedem Fall sollte ein Anwalt/eine Anwältin hinzugezogen werden.
Nach Grundgesetzartikel 17, "Petitionsrecht", hat jeder/jede das Recht, sich mit Bitten und Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretungen zu wenden. Petitionen können zum Beispiel an die Gemeindevertretung, den Bürgermeister/die Bürgermeisterin, den Kreistag, den Landtag oder den Bundestag gerichtet werden. Diese Stellen sind verpflichtet, die Eingaben zu prüfen und schriftlich zu beantworten. Auch Flüchtlinge haben das Petitionsrecht, aber es muß beachtet werden, daß in der Zeit kein ausdrücklicher Abschiebeschutz gewährt wird. Aus diesem Grund muß gleichzeitig mit der Petition auch an die verantwortlichen Stellen herangetreten, d.h. wenn möglich über Parteien/Fraktionen/Organisationen versucht werden, eine Zusicherung der Aussetzung der Abschiebung zu erreichen, bis über die Petition entschieden ist.
Wenn Petitionen eingereicht werden, dann sollten diese an die Oberbürgermeisterin oder Landrätin bzw. an deren männliche Pendants und an den Stadt- bzw. Gemeinderat gestellt werden. Bestehen Sie darauf, daß die Petition nicht in irgendwelchen Ausschüssen, sondern in deren Gremium selbst behandelt wird, welches mit der Petition direkt angesprochen wurde. Die Petition sollte in der "Ich-Form" formuliert werden und ausdrücklich per Unterschrift von zahlreichen Menschen, Organisationen, Gruppen und Parteien unterschrieben werden. Das erhöht das politische Gewicht der Petition. Presse, Funk und Fernsehen sollten informiert werden.
Verschiedene Aktionen, Veranstaltungen, Demonstrationen sollten besprochen und durchgeführt werden, Unterschriften und Stellungnahmen von Gruppen/Organisationen/Kirchengemeinden gesammelt und als Inserat veröffentlicht werden. Ist noch etwas Zeit bis zur Abschiebung, sollte über Parteien und Fraktionen versucht werden, die Abschiebung zum Gegenstand einer Stadtrats- bzw. Gemeinderatssitzung zu machen. Dazu muß der notwendige Kontakt aufgenommen werden. Die Fraktionen müssen genauestens informiert werden, damit die Formulierung eines Antrags im Rat möglich ist. Ziel ist eine Resolution des Rates gegen die Abschiebung. Aussicht auf Erfolg haben erfahrungsgemäß vor allem Petitionen, die einen zeitbefristeten Aufenthalt zum Ziel haben.
Es muß jedoch berücksichtigt werden, daß auch ein positiver Entscheid eines Petitionsausschusses rechtlich nicht bindend ist.
An den
Petitionsausschuß
Landtag von....
(Adresse)
Petition
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren,
ich/wir...reiche(n) hiermit eine Petition ein, da mir/uns bis zum.... die Abschiebung droht....
Es sollten folgen:
Name, Adresse, Asylantragstellung, Aufenthaltsdauer, Fluchtgründe, Stand des Verfahrens, politische Situation im Herkunftsland, individuelle Verfolgungsfurcht, Beschreibung des Lebens in der BRD, umfassende allgemeine und aktuelle politische Informationen....
Der Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages entscheidet über Verfahrensfehler oder -mängel. Er behandelt nur Eingaben, die schriftlich eingereicht werden. Diese schriftlichen Eingaben können an folgende Adresse gerichtet werden:
Deutscher Bundestag - Petitionsausschuß
Bundeshaus
53113 Bonn
Tel.: 0228/16-2 27 67
Die Petitionsausschüsse der Landtage entscheiden über "humanitäre Abschiebungshindernisse". Die Anschriften:
Bundesland | Adresse Petitionsausschuß |
---|---|
Baden-Württemberg | Landtag von Baden-Württemberg Petitionsausschuß Haus des Landtages Konrad-Adenauer-Straße 3 70173 Stuttgart Tel.: 0711/20 63-5 25 |
Bayern | Bayerischer Landtag Ausschuß für Eingaben und Beschwerden Maximilianeum 81675 München Tel.: 089/41 26-22 27 |
Berlin | Abgeordnetenhaus von Berlin Petitionsausschuß 10111 Berlin Tel.: 030/23 25-14 70 |
Brandenburg | Landtag Brandenburg Petitionsausschuß Am Havelblick 8 14473 Potsdam Tel.: 0331/9 66-11 35 |
Bremen | Bremische Bürgerschaft Petitionsausschuß Haus der Bürgerschaft Am Markt 28195 Bremen Tel.: 0421/36 07-2 52 |
Hamburg | Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg Eingabenausschuß Rathaus 20006 Hamburg Tel.: 040/36 81-13 23 |
Hessen | Hessischer Landtag Petitionsausschuß Schloßplatz 65183 Wiesbaden Tel.: 0611/3 50-2 30 |
Mecklenburg-Vorpommern | Landtag Mecklenburg-Vorpommern Petitionsausschuß Lennestraße 1 19061 Schwerin Tel.: 0385/5 25-27 11 oder Bürgerbeauftragter des Landes Mecklenburg-Vorpommern Lennestraße 1 19053 Schwerin Tel.: 0385/5 25-27 18 |
Niedersachsen | Niedersächsischer Landtag H.-W.-Kopf-Platz 1 30159 Hannover Tel.: 0511/30 30-3 10 |
Nordrhein-Westfalen | Landtag Nordrhein-Westfalen Petitionsausschuß Platz des Landtages 40221 Düsseldorf Tel.: 0211/8 84-24 19 |
Rheinland-Pfalz | Landtag Rheinland-Pfalz Petitionsausschuß Deutschhausplatz 12 55116 Mainz Tel.: 06131/2 08-5 96 oder Bürgerbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz Kaiserstraße 32 55116 Mainz Tel.: 06131/2 89-99 43 |
Saarland | Landtag des Saarlandes Ausschuß für Eingaben Franz-Josef-Röder-Straße 7 66119 Saarbrücken Tel.: 0681/50 02-3 17 |
Sachsen | Sächsischer Landtag Petitionsausschuß Holländische Straße 2 01067 Dresden Tel.: 0351/49 35-2 15 |
Sachsen-Anhalt | Landtag Sachsen-Anhalt Petitionsausschuß Domplatz 6-9 39104 Magdeburg Tel.: 0391/56 00 |
Schleswig-Holstein | Schleswig-Holsteinischer Landtag Eingabenausschuß Landeshaus 24100 Kiel Tel.: 0431/56 09-3 24 oder Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein Adolfstraße 48 24105 Kiel Tel.: 0431/9 88-12 40 |
Thüringen | Thüringer Landtag Petitionsausschuß Arnstädter Straße 51 99096 Erfurt Tel.: 0361/3 77-20 50 |
Kirchenasyl kommt in Frage, wenn alle juristischen Mittel ausgeschöpft sind und die Behörden einen legalen Aufenthalt beenden wollen, die Abschiebung androhen und zur Ausreise auffordern.
Kirchenasyl ist die zeitlich befristete Aufnahme von Flüchtlingen in den Räumen einer Kirchengemeinde, dessen ausschließliche Absicht darin besteht,
Im ersten Fall handelt es sich darum, daß durch Abschiebung etwa Familien dauerhaft getrennt werden sollen, daß durch langjährigen Aufenthalt eine soziale Verfestigung und Integration stattgefunden hat, die für die hier geborenen Kinder nicht ohne schwere Schäden aufgelöst werden kann, oder daß bei schweren physischen und psychischen Erkrankungen nur in Deutschland eine erfolgversprechende medizinische Behandlung, Therapie oder Rehabilitation möglich erscheint.
Im zweiten Falle erstreckt sich die Gefährdung für Leib und Leben von der unmittelbaren Gefahr physischer Gewalt durch den Heimatstaat über Lebensgefährdung durch Kriegs- und Bürgerkriegseinwirkungen bis hin zu lebensbedrohlichen Gefährdung durch fehlende soziale und ökonomische Lebensgrundlagen.
Die Kirchengemeinde, die Kirchenasyl gewährt, will nichts anderes als einen Zeitaufschub, damit alle in Betracht zu ziehenden rechtlichen, sozialen und humanitären Gesichtspunkte geprüft und alle Informationen ausgewertet werden. Sie will also letztlich nichts anderes, als daß geltendes Verfassungsrecht, in dessen Mittelpunkt die Wahrung der Menschenwürde steht, zur vollen Durchsetzung gelangt. Soweit damit aus Gewissensgründen ein Verstoß gegen einzelne gesetzliche Bestimmungen verbunden ist, werden die für die Kirchengemeinde handelnden Personen bereit sein müssen, dafür die volle Verantwortung zu tragen. Dieses stellt das staatliche Gewaltmonopol nicht in Frage; es bedeutet auch keinen Anspruch auf rechtsfreie Räume im Bereich der Kirche; aber es ist eine Anfrage an das Verhältnis von Anspruch und Wirklichkeit staatlichen Vollzugshandelns.
Aus strafrechtlicher Sicht ist dazu zu sagen, daß das Grundrecht der Gewissensfreiheit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Wertmaßstäbe setzende Kraft entfaltet und daher von der Verfassung ein "Wohlwollensangebot" gegenüber Gewissenstätern besteht.
Juristisch stellt Kirchenasyl unter Umständen Beihilfe zu einem Verstoß gegen das Ausländergesetz dar. Trotz vielhundertfachen Kirchenasyls in den zurückliegenden zehn Jahren hat es bisher in keinem Fall eine rechtskräftige Verurteilung deswegen gegeben, jedoch in Einzelfällen die gewaltsame Festnahme von Flüchtlingen in Kirchenräumen sowie die Androhung von Geldbußen.
Von 1989 bis Februar 1998 wurde in Bayern in 36 Gemeinden oder Klöstern um Schutz gebeten und Kirchenasyl gewährt (19 ev., 12 kath. Gemeinden, 4 Klöster, 1 Freikirche). 22 Kirchenasyle wurden öffentlich bekannt gegeben, 14 Kirchenasyle wurden "still" durchgeführt. 106 Menschen wurden aufgenommen (57 Kurden/Kurdinnen, 12 Togolesen/Togolesinnen, 10 Christen/Christinnen aus der Türkei, 5 Türken/Türkinnen, 8 Bengalen/Bengalinnen 6 Mazedonier/Mazedonierinnen, 6 Kosovo-Albaner/Kosovo-Albanerinnen, 1 Äthiopierin, 1 Inder).
Von diesen 106 Menschen sind 6 abgeschoben worden, bei 100 konnte die Abschiebung verhindert werden: 3 erhielten dauerhaftes Aufenthaltsrecht, 4 konnten durch Heirat dauerhaft bleiben, 25 erhielten eine Duldung, 4 wichen in andere Bundesländer aus, 14 reisten in einen sog. Drittstaat aus, 7 kehrten "freiwillig" zurück, 7 Flüchtlinge verschwanden unauffindbar. 37 Menschen warten im Kirchenasyl noch auf eine bessere Zukunft (25 Kurden/Kurdinnen, 10 10 Christen/Christinnen aus der Türkei, 1 Äthiopierin, 1 Inder). Derzeit (Februar 1998) gibt es 9 Kirchenasyle in Bayern.
(aus: Rundbrief des Bayerischen Flüchtlingsrats Febr. 98, Nr. 59)
Aus einem Kirchenasyl wird oft ein langer, halblegaler Aufenthalt (häufig länger als ein halbes Jahr), in dem immer noch nach neuen, anderen Wegen für rechtliche Aufenthaltsmöglichkeiten gesucht werden muß, und wo es noch weniger Gewißheit gibt als mit einer eigenständigen Duldung. Bei der Entscheidung, welche Flüchtlinge überhaupt ins Kirchenasyl kommen, spielen politisches Engagement und Courage der Gemeindemitglieder sowie religiöse und konfessionelle Vorzüge gegenüber den Flüchtlingen eine Rolle. Das politische Engagement hängt von den individuellen Erfahrungen einzelner Pfarrer, Pastoren/Pastorinnen und Gemeindemitglieder und von deren Vernetzung mit Flüchtlingsinitiativen und "Dritte-Welt-Arbeit" ab.
Wie die Zahlen zeigen (etwa 100 Flüchtige in knapp 10 Jahren bayrischem Kirchenasyl, im Norden Westdeutschlands ist die Lage etwas besser), herrscht Zurückhaltung und Vorsicht bei der deutschen Kirche beider Konfessionen, aus Angst, mit dem Staat in Konflikt zu geraten. Es kann aber sein, daß Beispiele aus Gemeinden der USA und der Niederlande sowie der Kirche in Frankreich, wo kirchlicher Widerstand besser organisiert ist, auch in Deutschland zunehmend Schule machen.
Härtefallkommissionen gibt es in Berlin und in Nordrhein-Westfalen. Sie sind behördenunabhängige Beratungsgremien. Inhaltlich bearbeitet die Kommission Anträge von Menschen, denen aufenthaltsbeendende Maßnahmen drohen. Sie darf keine Weisungen erteilen sondern lediglich Empfehlungen an die zuständige Ausländerbehörde aussprechen. Ein Antrag bei der Härtefallkommission hat keine aufschiebende Wirkung. Ein Erlaß des Innenministers beinhaltet jedoch die Bitte an die Ausländerbehörden, bis zur Entscheidung der HFK abzuwarten. Die Kompetenz über die Abschiebung liegt jedoch weiterhin bei der Ausländerbehörde, die Empfehlung der HFK ist nicht bindend.
Ein wichtiges Kriterium für die Härte des "Falls" ist beispielsweise der Grad der Integration. Als Gradmesser für die Integration gelten Sprachkenntnisse, Schulbesuch der Kinder, eigenständige Arbeit, eigene Wohnung, Teilnahme am politischen oder sozialen Leben.
Insgesamt wurden 598 Anträge an die HFK Nordrhein-Westfalens gestellt. Positive Empfehlungen gab es bei 18,7 % der beratenen Fälle.
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