Sie haben Kapuzen über ihre Köpfe gestülpt wie Scharfrichter. Zwischen ihnen und den Angeklagten befindet sich eine halbverspiegelte Glasscheibe, und Mikrofone verzerren ihre Stimmen, damit sie auch wirklich nicht identifiziert werden können: Die "Richter ohne Gesicht", wie sie auch genannt werden, ziehen in ein oder zwei Tagen Schnellverhandlungen durch, bei es keine Möglichkeit zur Verteidigung gibt und die fast immer mit hohen Strafen enden. "Angeklagte beschrieben die Richter später als von ihrer Statur her massiv - alles andere als Schreibtischarbeit gewöhnte Juristen", sagt Ada Beraún. "Sie vermuten, daß es sich um Militärs handelt." Ada Beraún ist die Frau von Isaac Velazco, dem Europavertreter der MRTA aus Peru, sie ist Mitarbeiterin einer peruanischen Menschenrechtsorganisation und berichtete in Hamburg auf einer Veranstaltung der Roten Hilfe von der Situation der politischen Gefangenen in Peru.
Zunehmend sprächen
solche gesichts- und stimmlosen Richter nicht nur in politischen, sondern
auch in "normalen" Verfahren "Recht", füllten sich die Gefängnisse
massenweise mit VertreterInnen demokratischer
Basisorganisationen
und mit sozialen Gefangenen. Nicht wenige der Angeklagten "verschwinden"
einfach und werden nie mehr gesehen. Eine Politik der brutalen Repression
nicht nur gegen ideologische Kritiker und Gegner des Fujimori-Regimes also,
sondern auch als Reaktion des neoliberalen Staates auf Armut und soziale
Repression. Selbst internationale Proteste hätten bislang nur wenig
bewirkt. Aber, so Ada Beraún, sie seien dennoch eine der wichtigsten
Möglichkeiten, die Menschenrechtsorganisationen zu stärken und
das Regime zumindest zu kleineren Zugeständnissen zu zwingen.
So sei eine Lehrerin,
die wegen angeblicher Mitgliedschaft im "Leuchtenden Pfad" zu 20 Jahren
Haft verurteilt und im Gefängnis gefoltert und vergewaltigt worden
war, infolge eines Spruches des Menschenrechtsgerichtshofs der Organisation
amerikanischer Staaten (OAS) freigekommen, weil sie nachweisen konnte,
daß die Anklage falsch war. Oder der Fall von
Victor Polay Campos. Er habe nie seine Mitgliedschaft in
der MRTA bestritten
und sei auch immer bereit gewesen, die Konsequenzen dafür zu tragen.
Aber: Er verlange einen fairen Prozeß, den ihm das Fujimori-Regime
bis heute verweigert.
Nachdem der UNO-Menschenrechtsausschuß
die Eingabe bezüglich Victor Polay fünf Jahre lang unbearbeitet
ließ, ist er nun ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, daß Polays
Verfahren vor "Richtern ohne Gesicht" und seine brutalen und entwürdigenden
Haftbedingungen gegen die Menschenrechte verstoßen. Die UNO forderte
deshalb schon im vergangenen November, Polay entweder sofort freizulassen
oder ihm eben einen fairen Prozeß zu machen. Der diesbezügliche
Beschluß des UNO-Menschenrechtsausschusses ist übrigens bei
der Roten Hilfe Hamburg in deutscher Übersetzung zu haben. Und in
München gibt es eine Gruppe, die zusätzlich in Sachen Victor
Polay Druck machen will.
Die Frage der Menschenrechte
in Peru hat nicht zuletzt durch die Verurteilung von sieben Chilenen und
einer US-Amerikanerin - wegen Landesverrates (!) - in den letzten Jahren
zunehmend internationale Aufmerksamkeit erfahren. In den USA sorgen Einzelpersonen
wie Menschenrechtsorganisationen für Öffentlichkeit bezüglich
der Situation von Angeklagten und Gefangenen in Peru - und damit auch für
verstärkten öffentlichen Druck. Amnesty International zählt
Peru zu den lateinamerikanischen Ländern mit den meisten Menschenrechtsverletzungen
(was die Regierung 1979 überhaupt nicht davon abhalten konnte, die
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zu unterschreiben - übrigens
zwei Jahre nach Chile). Als Reaktion auf die Einschätzung von ai erklärte
das Fujimori-Regime die internationale Menschenrechtsorganisation kurzerhand
selbst zu einer "terroristischen".
Institutionen wie
die UNO oder die OAS könnte das Regime jedoch nicht so einfach als
"terroristisch" abtun, meinte Ada Beraún. Diese verurteilten aber
nicht nur die Prozesse mit "Richtern ohne Gesicht", sondern auch das
"Verschwindenlassen"
und die Situation in den Gefängnissen - insbesondere in denen mit
Totalisolation. In der Presse sind sie als die "Gräber für Lebende"
bekannt. Hinter teilweise 70 cm dicken Mauern werden z.B. auf einer Militärbasis
sieben politische Gefangene unter absolut unvorstellbar brutalen Bedingungen
festgehalten. Völlig isoliert von der Außenwelt und untereinander
"dürfen" sie 30 Minuten am Tag Hofgang machen - einzeln. Das
ist alles, was sie
tun dürfen.
In einem anderen Knast, der 4100 m hoch liegt, haben die Zellen lediglich Gitter vor scheibenlosen Fenstern. Die Kälte ist bestialisch, praktisch alle Gefangenen haben Erkrankungen, die Folge von Zugluft und Unterkühlung sind. Mehrere Inhaftierte sind in ihren Zellen erfroren. Es gäbe, so Ada Beraún, nunmehr eine Kampagne für die Abschaffung dieser Spezialknäste. Dabei müsse sich jede/r klarmachen, daß jegliche Kritik in Peru dazu führen kann, daß die KritikerInnen selbst in diesen Knästen landen. Und selbst in Deutschland werden MenschenrechtsaktivistInnen von Peru aus bedroht. Ada Beraún erhielt in der Vergangenheit mehrmals schriftliche Todesdrohungen der berüchtigten peruanischen Todesschwadron Colina.
Die Rote Hilfe Hamburg ist zu erreichen über Postfach 306 302, 20329 Hamburg oder Fax 040/4390812.
Obiger Artikel mit freundlicher Genehmigung des Angehörigen Info.