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THEMA: GRAZER KONGRESS FÜR FRIEDENSERZIEHUNG

Gert Wagner

Mein ganz persönlicher Kongressbericht

Anfang September fragte ich den für Schulangelegenheiten zuständigen Journalisten der auflagenstärksten Zeitung Steiermarks, ob meine Einladungen zum Kongress die Zeitung nicht erreicht habe und wenn ja, warum überhaupt kein Bericht davon gekommen sei.

Seine Antwort: Das Thema "Gegen Gewalt" enthalte "nichts Griffiges", es enthalte "nichts Sensationelles", worüber zu berichten wäre.

Meine anschließende Frage:" Was wäre geschehen, wenn Sie folgenden anonymen Anruf erhalten hätten: "In der PÄDAK Eggenberg findet der Kongress der "Lehrer für Frieden" statt. In einer Stunde fliegt diese kommunistische Versammlung in die Luft" habe ich für mich behalten, denn ich wusste die Antwort.

Mit anderen Worten: Wir "Lehrerinnen und Lehrer für Frieden" sind weder durch anhaltende Trunksucht noch Drogenkonsum aufgefallen, haben keine Zigarren an die Kolleginnen ausgeteilt, nicht einmal eine Miss "Educators for Peace" gewählt, keine Flugshow inszeniert, geschweige denn eine Bombardierung Jugoslaviens als friedliche Konfliktlösung angeboten.

Dies ist unser Dilemma gegenüber der s.g. "öffentlichen Meinung", das wir zu überdenken haben

Doch wir wollen zum Kongress selbst kommen. Zuvor jedoch etwas über meine persönliche Beziehung zu dieser Bewegung:

Nach Absolvierung der Militärdienstzeit Anfang der 60-er Jahre war mir bewusst, dass eine Lösung persönlicher oder gesellschaftlicher Probleme hier nicht stattfindet, auch nicht stattfinden kann und dass mein Beitrag als politischer Mensch nur darin bestehen kann, für "den Frieden" einzutreten so gut ich kann. Ich habe dies durch die Jahre in Einzelaktionen, als Theatermensch und in diversen Bewegungen versucht. Im Jahre 1976 trat ich in den Schuldienst ein. Ich glaube, behaupten zu können, dass Anfang der 80-er Jahre Graz das Zentrum der "Lehrer für Frieden" in Österreich war.

Seit Budapest beim damaligen "Educators for Peace Congress" war ich bis auf Vermont bei allen Kongressen mehr oder weniger bewusst dabei. Das Faszinierende bei all diesen Kongressen war für mich immer die Vielfalt der Erfahrungen und Kontakte, die ich da bekommen habe. Und als übrig gebliebener Einzelkämpfer ist mir bewusst geworden, welche Bedeutung diese internationalen Treffen für mich und sicherlich für viele Kollegen hat.

Bis hin zu Lillehammer, wo die Chronik des "Grazer Kongresses" beginnt.

Soweit ich mich erinnern kann, waren sich dort nach heißen Diskussionen die Teilnehmer darin einig, jedes zweite Jahr einen europäischen Kongress durchzuführen. Russland und Weißrussland bewarben sich um die nächste Austragung und wir Österreicher erklärten uns bereit, falls es in den anderen Ländern nicht klappt, einzuspringen. Meine persönliche Befürchtung war und ist, dass die Bewegung national und international in die Bedeutungslosigkeit verschwindet, wenn nicht diese biennalen Treffen aufrecht erhalten bleiben.

Nachdem von Seite des Koordinationskommittees in Paris bis zum Sommer 97 keine Nachrichten ausgegeben wurden und nur "hinten herum" zu erfahren war, dass die erstgenannten Länder den Kongress nicht durchführen können, fassten während meines Aufenthaltes in Stockholm Ingrid
Inglander/Theo Fick als Vertreter der nordischen Staaten nach Rücksprache mit den deutschen KollegInnen und ich den Beschluss, nach Möglichkeiten einer Austragung des Kongresses in Graz zu suchen. Nach den Ferien fand ich einen Brief aus Paris vor, in dem auch dortigenorts die Austragung in Graz begrüßt wurde.

Nach Absprache mit dem Präsidenten des Landesschulrates für Steiermark, der mir infrastrukturelle Hilfe und dem "Grazer Büro für Frieden und Entwicklung", das mir hauptsächlich Hilfe im Know-how zusicherte, konnte ich (etwas blauäugig hinsichtlich der Finanzierung) grünes Licht geben.

Zwei Treffen zur Vorbereitung haben stattgefunden:

  1. Anfang November mit TeilnehmerInnenn aus 9 Ländern. Dabei wurden einerseits die Themenbereich des Kongresses festgelegt, andererseits die organisatorische und finanzielle Mitwirkung der anderen Länder eruiert.

  2. Anfang Februar wurden bei einem "deutschsprachigen" Treffen den einzelnen Bereichen Leben eingehaucht, wofür ich Dorothea Ihme und Bernhard Nolz besonders danken möchte.

Am Gelingen des Kongress selbst haben etwa 260 TeilnehmerInnen aus 26 europäischen Ländern beigetragen. Dies zur Chronik.

Die innere Organisation: Allgemeines

Im Vorwort des ersten Programmes schrieb ich: "Der Kongress wird so gut wie wir selbst sind." in Anlehnung an "Die Schule ist so gut wie seine Gesellschaft" (oder so ähnlich). Ich halte daran fest.

"Educator for Peace" ist eine Bewegung, wird und soll eine Bewegung bleiben.

Darüber später. Hier möchte ich nur festhalten, dass eine Bewegung das Zusammenwirken der einzelnen nationalen (oder regionalen) Gruppierungen beinhaltet. Sei es durch direkte Unterstützung, sei es durch empathische Anteilnahme (gerade sie halte ich für äußerst wichtig). So waren die Schreiben aus Norwegen vor und nach dem Kongress besonders herzlich.

Die Finanzierung möchte ich hier an vorderster Stelle anführen, da sie ja kein kleiner Bestandteil eines Kongresses ist. Auf Steirisch sagt man: "Wo ka Göd, do ka Musi." Dieser Sound ist sicherlich global anwendbar.

Da ich bzw. der österreichische Verein auf keinerlei Mittel zurückgreifen konnte, war ich vollkommen auf Unterstützungen angewiesen. Dank verschiedenster österreichischer Institutionen von Ministerien bis zur Bank und Wirtschaftskammer war es möglich, im Rahmen der veranschlagten Kosten von ATS 800.000,- (etwa DM 115.000,-) zu bleiben. Dieser Kongress war deshalb so billig, weil seitens der Organisation niemand fest angestellt werden konnte und die Honorare für organisatorische Mitarbeit nur teilweise ausbezahlt wurden.

Als die KollegInnen zum ersten Vorbereitungstreffen gekommen sind, war klar, dass dies nicht einer schönen Reise wegen geschah, sondern auch, um die Seriosität der Organisation zu prüfen Hier wurden finanzielle Unterstützungen zugesichert, die später nicht gehalten werden konnten. Eine große Hilfe waren auch hier die deutschen KollegInnen und ganz unerwartet kam auch eine finanzielle Unterstützung aus Dänemark.

Einen wesentlichen Beitrag machten auch die Teilnahmegebühren aus. Erst nach Einzahlung dieser kann z.B. kalkuliert werden, wieviele finanzschwache KollegInnen eingeladen werden können. Hier kam es, möglicherweise aus Überforderung, Nonchalance oder Nachlässigkeit von mir bzw. mangelnder Empathie mancher Teilnehmer zu großen Unregelmäßigkeiten. Eine Lösung dieses Problems liegt sicherlich in mehr Selbstdisziplin aller Beteiligten.

Die Rahmenbedingungen

Es war mir von Anfang an bewusst, dass der Zeitraum von 9 Monaten zur Vorbereitung äußerst knapp bemessen ist, insbesondere, wenn man keine Erfahrung im Organisieren einer derartigen Veranstaltung hat. Dies gilt dem Fundrising _ wo gibt es geeignete Geldtöpfe? Vor allem müssten sämtliche Geldansuchen teilweise bereits im Oktober für das nächste Jahr abgegeben werden. Vielleicht ist das aber eine innerstaatliche Feinheit. Das Büro konnte ich erst im März zeitweise beziehen. Damit verbunden war freier Zugang zu Telefon und Fax. Auf Grund spezieller österreichischer Sozialgebungen war es trotz allem Bemühen nicht möglich, eine/n z.B. arbeitslosen LehrerIn anzu
stellen. Erst etwa zwei Monate vor dem Kongress bekam ich mit Andrea Janisch einen Halbtag wöchentlich Hilfe auf Honorarbasis. 14 Tage vor Beginn übernahm meine Frau den finanziellen Bereich.

Die Zeit des Kongresses

Leider fand ich während des Kongresses nicht die Zeit, nachzusehen, ob für alle Workshop-Teilnehmer die äußeren Bedingungen gestimmt haben. Entsprechend den Rückmeldungen, die ich jedoch bekommen habe, glaube ich, dass der größte Teil der Teilnehmer zufrieden war. Dennoch möchte ich auf einige Probleme eingehen, die ich/wir unterschätzt haben:

  1. Die Registrierung. Eine vorangegangene Einteilung in Teilnehmer, die bereits alles bezahlt haben, Teilnehmer, die noch zu zahlen haben und Teilnehmer in Gruppen hätten die Prozedur beschleunigt.

    Es wäre aber auch wünschenswert, wenn die Teilnehmer rechtzeitig bezahlen und ihre Wünsche bekannt geben. Als ideelle Organisation ist das Bemühen selbstverständlich, seine Gäste zufrieden zu stellen.

    Anders herum: Denken Sie an den Zahnarzt, wo wir geduldigst Stunden mit Warten verbringen können, um zu leiden und dafür noch jede Menge bezahlen für etwas, was wir am übernächsten Tag schon vergessen haben. Lars Åsbrink sagte zu mir: "Gib den Leuten bei der Ankunft etwas zu essen, zu trinken und ein Bett - sie werden alle zufrieden sein."

  2. Die Moderation. Beim zweiten Vorbereitungstreffen wurde besprochen, inwieweit und in welchem Ausmaß ein Bericht von den Workshops sinnvoll und den Zuhörern zumutbar ist. Da im "Report" ohnehin die "Abstracts" der einzelnen Workshops nachzulesen sind, sollen am Schluss des Kongresses die Zuhörer nicht allzu be- und überlastet werden, abgesehen davon, dass man ohnehin nach einiger Zeit abschaltet. Daher möchte ich hier nochmals das Modell beschreiben, an das wir gedacht haben und das mir nach wie vor als das Beste erscheint:

    Der Grundgedanke war, dass von den Workshops Eindrücke wiedergegeben werden: Inhalt in einem Satz; kurzes Resultat; Stimmung, persönliche Erfahrung, usw. Dazu sollte jeder Leiter einen aus der Gruppe wählen - "Reporter" genannt. Die Workshops waren vier Bereichen zugeteilt. Für jeden Bereich gab es einen "Moderator". Diese vier "Moderatoren" hören sich die Eindrücke der "Reporter" an und geben ihre persönlichen Eindrücke davon im Plenum wieder. Leider ist dieses System nicht so verstanden worden wie zumindest ich es mir gewünscht hätte.

  3. Der "Report". Schon vor dem Kongress wurde ich von Ingrid Inglander darauf aufmerksam gemacht, rechtzeitig die "Abstacts" für den Report einzusammeln. Dies habe ich übersehen und die Folge ist nun eine mühsame Kleinarbeit. Meine Empfehlung: Jeder WS-Leiter soll/muss sein "Abstract" auf Diskette (System beachten!) und in englischer Sprache mitbringen.

    Andere aufgeschienene Probleme möchte ich meinerseits unter "human touch" einordnen. Mancher Teilnehmer kann den positiven Schluss ziehen, um eine Erfahrung reicher geworden zu sein oder zu sich sagen: " Das werde ich aber ganz anders machen."

Zusammenfassung

"Kultur des Friedens - eine persönliche Herausforderung" Ein Workshop mit etwa diesem Titel hat mir am meisten gefehlt. Vielleicht ein zu schwieriges Thema?

In etwa 45 Workshops wurden Teilbereiche seziert und analysiert. Mein Misstrauen, dass die gewonnenen Erkenntnisse für "die anderen" und nicht für sich selbst gelten, wurde nicht abgebaut.

Selbst möchte ich sie, grob umrissen, mit dem Begriff "Empathie" ersetzen.

Jeder Stratege weiß, dass er den Kampf verlieren wird, wenn er sich nicht vorstellt, wie die andere Seite denken und handeln könnte. Jeder Schach- oder Go-Spieler wird nicht einmal mittelmäßig sein, wenn er nicht in seine Gedanken die nächsten Züge des Partners mit einbezieht. Dasselbe gilt im Sport.

Ich bin überzeugt, dass viele Kolleginnen und Kollegen intuitiv ebenso agieren, aber bei den "Educators for Peace" soll dieser Begriff und das Handeln danach durchaus seinen würdigen Platz finden.

Bleibt zum Abschluss nur noch die Frage: "Wie solls weitergehen?"

  1. Grundsätzlich bin ich überzeugt, dass "Educators for Peace" als europäische Bewegung etwas
    Wunderbares ist und in seinem 2-Jahres Rhythmus erhalten bleiben soll.

  2. Um diese Bewegung herum eine feste Struktur aufbauen zu wollen, halte ich aus finanziellen und organisatorischen Gründen für eine Illusion.

  3. Auf Grund meiner Erfahrungen muss ich annehmen, dass das provisorische Sekretariat in Paris überbelastet ist. Dasselbe scheint mir bei einigen Mitgliedern des Exekutivkommittees der Fall zu sein. Als großen Fortschritt möchte ich daher die Wahl von Horst Bethge bezeichnen, der eine zentrale Informationsstelle für Europa sein wird. Es ist dies der Weg in die richtige Richtung.


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