Wasserstände (juristische Hintergründe)
Bundesweite Durchsuchungen Die Ereignisse am 13.6.: Am 13.6.1995 wurden auf Anordnung der Bundesanwaltschaft (BAW) bundesweit in zehn verschiedenen Städten 55 Privatwohnungen, Arbeitsplätze und Arbeitsräume verschiedener linker Einzelpersonen, Gruppen und Projekte durchsucht. In den meisten Fällen wurden die Leute mit auf sie gerichteter Waffe um sechs Uhr morgens von maskierten Sondereinsatzkommandos aus den Betten gerissen und zur erkennungsdienstlichen Behandlung in die örtlichen Polizeipräsidien gebracht. Währenddessen wurden die Räumlichkeiten durchsucht, wobei fast überall persönliche Aufzeichnungen, Fotos, Briefe, politische Broschüren und Papiere zu den unterschiedlichsten Themen und vor allem Computer und Disketten beschlagnahmt wurden. Die Bundesanwaltschaft begründete die Aktion mit vier verschiedenen Ermittlungsverfahren: - gegen angebliche HerstellerInnen und UnterstützerInnen der seit Jahren verdeckt hergestellten Zeitung radikal - gegen angebliche Mitglieder der Gruppe "DAS K.O.M.I.T.E.E." - gegen eine Frau aus Köln wegen angeblicher Mitgliedschaft in der RAF - gegen angebliche Mitglieder und UnterstützerInnen der AIZ Vier Männer wurden am 13.6. verhaftet und sitzen seitdem in Untersuchungshaft: Ralf aus Rendsburg, Andreas aus Lübeck, Werner aus Berlin und Rainer aus Münster. Ihnen wird die Herstellung und der Vertrieb der Zeitschrift "radikal" vorgeworfen. Tatvorwurf ist die "Bildung einer kriminellen Vereinigung" (§ 129 StGB) mit dem Ziel, für "terroristische Vereinigungen" (§129a StGB) zu werben. In diesem Zusammenhang werden noch vier weitere Personen, die bei der Durchsuchung nicht in ihren Wohnungen angetroffen worden waren, mit Haftbefehl gesucht: Jutta und Matthias aus Bremen, Frank aus Köln und Ulli aus Oldenburg entziehen sich seit dem 13.6. ihrer Verhaftung. Ulf aus Bremen sitzt seit dem 4. Juli in Beugehaft in Heimsheim. Er wurde direkt nach einem Zeugen-Vernehmungsversuch der BAW, bei dem er die Aussage verweigerte, zu 5 Monaten Beugehaft verurteilt. Mit der Beugehaft will die BAW eine Aussage über den Aufenthaltsort seines Mitbewohners Matthias erpressen. Zu den Verfahren gegen das K.O.M.I.T.E.E. In Berlin wurden mehrere Wohnungen im Zuge der 129a-Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder und UnterstützerInnen des "K.O.M.I.T.E.E." durchsucht. Ausgangspunkt der Ermittlungen ist ein Anschlag auf ein Gebäude der Bundeswehr in Bad Freienwalde (Berlin-Brandenburg) am 27.10.1994. Zu dieser Aktion bekannte sich "DAS K.O.M.I.T.E.E.", das in seiner Erklärung die deutsche Unterstützung der Türkei im Krieg gegen Kurdistan angriff. Am 11.4.1995 entdeckte ein Streifenwagen auf einem Parkplatz in Grünau (bei Berlin) zwei verdächtige Fahrzeuge und darin - nach Angaben der Polizei - eine selbst gebaute 120-Kilo-Sprengstoff-Bombe Warnschilder, auf denen "DAS K.O.M.I.T.E.E." die Sprengung des im Bau befindlichen Abschiebe- Knastes ankündigt, Autokennzeichen, persönliche Papiere, darunter Ausweise. Aufgrund dieser "Funde" wurde die Fahndung nach Bernhard, Thomas, Peter und dessen Schwester eingeleitet. Peters Schwester ist Halterin des einen PKWs. Sie stellte sich in Begleitung ihrer Anwältin. Sie wurde freigelassen, einige Wochen später verhaftet und dann nach einem Haftprüfungstermin wieder freigelassen. Die anderen drei sind untergetaucht. Nach dem 11.4. gab es mehrere Durchsuchungen von Meldeadressen und vermuteten Aufenthaltsorten der direkt Beschuldigten, die Polizei erschien aber auch bei ihren Eltern und bei vermeintlichen FreundInnen zu Befragungen. Einen Hof in Neutrebbin, wo zwei der Beschuldigten zeitweise lebten, durchsuchten sie zweimal gründlich. Am 20.6. wurde dort auch noch der Nachbarhof durchsucht, begründet mit angeblich persönlicher Nähe der dort Wohnenden zu den Gesuchten. Bei der Autovermietung, von der eines der beiden gefundenen Fahrzeuge stammte, wurden Mietunterlagen für das Jahr 1994 beschlagnahmt. Das Ermittlungsverfahren läuft bisher gegen vier Beschuldigte, bei mindestens drei weiteren - in den Durchsuchungsbeschlüssen benannten - Personen hält sich die BAW offen, ob sie sie als ZeugInnen oder weitere Beschuldigte in das Verfahren aufnehmen wird. Wie in den anderen bekannten Verfahren werden den Verdächtigen und weiteren Leuten persönliche Kontakte zu wenigstens einem Beschuldigten vorgehalten und darüber eine "mögliche Einbindung" in Anschlagsvorbereitungen unterstellt. Ende Juli gab es erste ZeugInnenvorladungen vom Staatsschutz, allerdings ohne Benennung des Verfahrens, und mehrere telefonische und schriftliche Einladungen zu einem "informellen Gespräch". Akteneinsicht gibt es bisher - wie in allen Verfahren vom 13.6. - nicht. Am 6. September veröffentlichte das "K.O.M.I.T.E.E" mit dem Titel "Knapp daneben ist auch vorbei" eine sechs-seitige Erklärung zur gescheiterten Grünau-Aktion. In ihrem Schreiben geben sie ihre Auflösung bekannt und reflektieren selbstkritisch die gescheiterte Grünau-Aktion und ihre Fehler. (Erklärung ist nachzulesen in der interim Nr.344 vom 21.9.) Der Sinn militanter Politik wurde dadurch nicht in Frage gestellt. Am 29. Sept. durchsuchten Beamte des LKA sowie ein Staatsanwalt auf Anordnung des Ermittlungsrichters Dr. Beyer die Redaktionsräume der "jungen Welt", der "taz" sowie die Wohnungen zweier "taz"-RedakteurInnen. (Wie in der "jW" wurde auch in der "taz" über die Erklärung des K.O.M.I.T.E.E. berichtet) Die Polizei suchte die den Zeitungen zugesandten Originale der Erklärungen, fand bei der jW aber nur die Kopie einer Kopie der Originalkopie. Ein weiterer Versuch also, eine noch halbwegs kritische Presse einzuschüchtern und zu kriminalisieren. Zu den Verfahren gegen die Antiimperialistische Zelle (AIZ) Die AIZ trat zuerst 1002 auf den Plan, und zwar mit einem Kommunique, in dem sie auf die damals stattfindenden Diskussionen und Veränderungen in der "Roten Armee Fraktion" Bezug nahm. Die Gruppe bekannte sich zu der Politik der RAF bis 1992 und warf der RAF vor, den Anspruch auf revolutionäre Politik aufzugeben und kündigte vage eigene Aktionen an. Diese Ankündigung wurde dann auch in die Tat umgesetzt. Es gab seitdem eine ganze Reihe von militanten Aktionen, die sich sowohl gegen Personen als auch gegen Institutionen richteten. Von der politischen Zielrichtung ging es dabei vor allem um Personen oder Einrichtungen, die in irgendeiner Weise mit der Bonner Regierungskoalition verbunden sind. Darüber hinaus gab es noch eine Aktion im Zusammenhang mit der Ermordung von Wolfgang Grams, eine gegen das Rechtshaus der Uni Hamburg und eine gegen einen Arbeitgeberverband. 17 der bundesweit über 50 Durchsuchungen am 13.6. wurden im Zuge von Ermittlungsverfahren gegen - wie es heißt - Mitglieder der terroristischen Vereinigung AIZ durchgeführt. Zum RAF-Verfahren In Köln fand eine Durchsuchung wegen Mitgliedschaft in der RAF statt. Die Wohnung der betroffenen Frau wurde außerdem im Zusammenhang mit einem "radikal" - Beschuldigten durchsucht. Die Frau, eine ehemalige politische Gefangene, wird als sog. "Nahtstellenperson" bezeichnet. Dieser Begriff gehört zur alten Behauptung der BAW, es gäbe Mitglieder der RAF, die in der Legalität leben und die mit illegalen RAF-Mitgliedern in Kontakt stehen. Diese Konstruktion hat den Staatsschutzorganen bei der Kriminalisierung von Menschen aus antiimperialistischen Zusammenhängen schon so manchen Dienst erwiesen. Dabei ging es nicht immer um Verhaftungen, sondern oftmals auch nur um gezielte Einschüchterungen. Zum Verfahren gegen die " radikal" Die "radikal" existiert seit fast 20 Jahren und hat in dieser Zeit verschiedene Phasen durchlaufen, in denen sich ihr Charakter und die inhaltlichen Schwerpunkte jeweils stark verändert haben. Anfangs war die "radikal" ein Blatt für die linksradikale Szene in Berlin. In dem Maße , wie mit der HausbesetzterInnenbewegung Ende der 70er, Anfang der 80er Berlin immer stärker zum Bezugspunkt für die gesamte radikale Linke in der BRD wurde, erlangte auch die "radikal" bundesweite Bedeutung. Sie wurde in der gesamten BRD verkauft - und zwar ganz legal, per Abo und über linke Buchläden. Ungeachtet aller sonstigen Veränderungen ist von Anfang an gleichgeblieben, daß Erklärungen zu militanten Aktionen linker Gruppen abgedruckt wurden und eine solche Praxis auch bei aller Kritik im einzelnen grundsätzlich begrüßt wurde. Diese Haltung bot dann auch ständig Anlaß für Repression. Der erste große Einschnitt war hierbei 1984, als ein Herausgeber und ein Mitbegründer der Zeitung zu jeweils 21/2 Jahren Gefängnis verurteilt wurden. Die beiden konnten sich der Haft entziehen, indem sie als Abgeordnete der GRÜNEN ins Europaparlament einzogen und so Immunität genossen. Auf den Angriff von 1984 wurde insofern eine offensive Antwort gefunden, als die Zeitschrift nach einer kurzen Pause erneut mit einer veränderten Konzeption erschien: Die "radikal" bezog sich nun stärker als vorher thematisch auf die Diskussionen in der autonomen und antiimperialistischen Szene, wobei genau dieser Bezug ein Grund für die Kriminalisierung gewesen war. Zusätzlich wurde ab dem Zeitpunkt auch mehr darauf geachtet, daß die staatlichen Organe keinen Einblick in die redaktionellen Strukturen nehmen konnten. 1986 wurde deshalb stellvertretend die Vertriebsstruktur kriminalisiert. Es gab Durchsuchungen und 192 Ermittlungsverfahren gegen Buchläden und vermeintliche HandverkäuferInnen. Die meisten dieser Verfahren wurden jedoch eingestellt. Dies war sicherlich auch auf die breitere Solidarität einer damals stärkeren Linken zurückzuführen. Auch auf diesen Kriminalisierungsschritt fanden die MacherInnen eine Antwort: Der Vertrieb wurde völlig neu organisiert. Seit Mitte der 80er Jahre ist die Kontaktadresse im Ausland, und die "radikal" wird kaum noch offen verkauft. Bisher wurden von staatlicher Seite immer einzelne Artikel in der "radikal", z.B. die Veröffentlichung von Anschlagserklärungen, als Aufhänger für die Kriminalisierung genommen. Der § 129a ist seit seiner Schaffung 1976 ein wesentliches Instrument politischer Justiz, mit dem linke Gesinnung verfolgt und als terroristisch diffamiert wird. Angeblichen RedakteurInnen , etlichen BuchhänlerInnen und HandverkäuferInnen wurde "Werbung bzw. Unterstützung einer terroristischen Vereinigung" vorgeworfen. Der jetzige Versuch, mit dem § 129 das Herstellen einer Zeitung zur Tätigkeit einer kriminellen Vereinigung zu erklären, deren Zweck das Begehen von Straftaten sei - nämlich Werbung und Unterstützung für eine terroristische Vereinigung - ist neu. Neu ist wie gesagt nicht, daß die BAW innerhalb ihrer Repressionsstrategie den Vereinigungsvorwurf verwendet, um linke Zusammenhänge zu durchleuchten, einzuschüchtern und einzelne Menschen hinter Gitter zu bringen. Wenn die BAW mit diesem Konstrukt der kriminellen Vereinigung durchkommt, verschafft sie sich zum einen eine generelle Möglichkeit. linke Zeitungsprojekte und oppositionelle Presse zu kriminalisieren und würde sich darüber hinaus mit diesem Instrumentarium einen Zugriff auf solche Kommunikationsstrukturen eröffnen.Ausgangspunkt der Ermittlungen gegen die "radikal"-Beschuldigten ist nach Aussagen der BAW ein Treffen des angeblichen " radikal" - Redaktionskollektives in der Eiffel im Herbst ´93. Dieses Treffen in einer Hütte in Baar Wanderath, bei dem es um die Inhalte und Herstellung der Zeitung gegangen sein soll, wurde per Mikrosender durch das LKA Rheinland Pfalz abgehört. Dieser Lauschangriff war im Juni 93 vom Landgericht Mayen genehmigt worden aufgrund des Verdachts, daß sich in dieser Hütte Mitglieder der RAF und anderer "linksterroristischer" Gruppierungen träfen. Das Treffen der angeblichen "radikal" -RedakteurInnen wird von der BAW als "Zufallsfund" bezeichnet. Die Beschuldigten sollen im Zeitraum der letzten 2 Jahre weitere "konspirative" Treffen organisiert und an diesen teilgenommen haben. Überhaupt sieht die BAW in dem "hochkonspirativen Verhalten" der Beschuldigten, wie z.B. die Verwendung einer codierten Sprache, das versuchte "Abschütteln" von Observanten oder einfach die Benutzung von Handys, einen wesentlichen Beleg für die "Bildung einer kriminellen Vereinigung". Um denVereinigungsvorwurf zu untermauern, hebt die BAW hervor, daß sich innerhalb der "radikal" zur Erreichung eines gemeinsamen Zieles alle vermuteten Mitglieder Gruppenbeschlüssen unterordnen.Damit könnte die BAW - wie auch in jedem anderen §129/129a- Verfahren - jede von ihr zum Mitglied ernannte Person für alles verantwortlich machen, was durch die konstruierte Vereinigung zugeordnet wird, ohne daß den einzelnen ihre konkrete Beteiligung genauer nachgewiesen werden muß. Neben den 8 Haftbefehlen gibt es momentan 17 weitere Ermittlungsverfahren wegen "radikal", zumeist wegen angeblicher Unterstützung der "kriminellen Vereinigung". Die Verfahren werden hauptsächlich mit der "persönlichen Nähe" zu den Verhafteten oder Gesuchten begründet. Aktueller Stand Seit den Verhaftungen sind inzwischen 4 Monate vergangen. Wie es schon aus vielen § 129a- Ermittlungsverfahren bekannt ist, läßt sich die BAW auch in diesem Verfahren mit der Herausgabe von Akten viel Zeit. Das heißt im Klartext, daß nach über 4 Monaten Haft nicht mehr vorliegt, als 2 Ordner mit kopierten "radikal"-Artikeln, ein Stimmgutachten zur angeblichen Identifizierung der Beschuldigten und seit kurzem das Abhörprotokoll von dem Eiffel-Treffen. Am 21.9.95 hat bei Andreas, der in Lübeck einsitzt, die 2. Haftprüfung stattgefunden. Andreas wurde von Lübeck zum Polizeipräsidium nach Hamburg transportiert. Schon vor dem Transport wurde er in der JVA an Händen und Füßen gefesselt. Im Polizeiwagen wurden Hände und Füße zusammengebunden, so daß er nur gebückt sitzen konnte. Vorne saß ein Mitglied einer Polizeisondereinheit mit MP neben ihm einer mit Tonfa. Der Transportwagen wurde von zwei weiteren begleitet. Sowohl vor der Haftprüfung als auch danach wurde Andreas einer vollständigen Leibesvisitation unterzogen. Auch die Anwältin wurde kontrolliert. Während der gesamten Zeit hatten Andreas und seine Anwältin keine Gelegenheit, unüberwacht miteinander zu sprechen. Die Haftprüfung endete, wie kaum anders zu erwarten war, mit der Aufrechterhaltung der Haft.Die erste Haftprüfung hat bei Andreas, Ralf und Werner Ende Juni bzw. Anfang Juli stattgefunden. Dabei wurde die Haft in erster Linie mit der "hochkonspirativen" Arbeits -weise der angeblich kriminell Vereinigten und der sich daraus ergebenden Verdunklungsgefahr begründet. Damals war darauf verwiesen worden, daß z.B. Disketten, die bei der Durchsuchung beschlagnahmt wurden, noch nicht entschlüsselt seien. Nach Angaben von Ermittlungsrichter Beyer und BAW bei Andreas' Haftprüfung sind inzwischen Disketten entschlüsselt, die den Gefangenen zugeordnet werden. Jetzt ist die Argumentation, daß der Beschuldigte ja nicht an der Entschlüsselung mitgewirkt habe, deshalb bestehe nach wie vor Verdunklungsgefahr. Beyer wies diesmal auch nochmal ausdrücklich auf die angeblich bestehende Fluchtgefahr hin. Dieses begründete er damit, daß sich vier Personen trotz fester Arbeit/Studium und sozialer Bindung ihrer Verhaftung entziehen würden. radikal - "Vereinsblatt" aller "terroristischen Vereinigungen"? Die Ausführungen von Richter Beyer und dem Staatsanwalt der BAW während der Haftprüfung und einige andere Kernsätze aus verschiedenen Beschlüssen haben nochmal deutlich gemacht, in welche Richtung das Konstrukt gegen die "radikal" laufen soll. Am Anfang wurde vielfach die Einschätzung vertreten, daß die Verfahren vom 13.6., also gegen die "radikal". Das "K.O.M.I.T.E.E." , die AIZ und RAF, vier verschiedene und voneinander unabhängige Verfahren darstellen, die eventuell aus propagandistischen und praktischen Erwägungen und zur Stärkedemonstration staatlicherseits bei der Durchsuchungswelle zusammengelegt wurden. Der gemeinsame Nenner bestand auf der juristischen Ebene erstmal scheinbar nur darin, daß die "radikal" mit dem Abdruck von Anschlagserklärungen u.a. von AIZ und K.O.M.I.T.E.E. für diese Gruppen geworben haben soll. Nach dem jetzigen Erkenntnisstand versucht die BAW radikale Widerstandspresse und militante Aktionen auch organisatorisch zu vermengen. Für BAW und BGH ist die "radikal" keine Zeitung. Vielmehr sei sie als Untergrunddruckschrift das Werk einer kriminellen Vereinigung, durch die die Kommunikation zwischen sämtlichen bundesweit agierenden sogenannten "linksterroristischen Gruppierungen" erst hergestellt würde. Die "radikal" würde diese Strukturen aufrechterhalten und außerdem neue Mitglieder anwerben. Die BAW versucht, direkte Verbindungen zwischen den angegriffenen Gruppen herzustellen. Dafür kurz einige Beispiele: - Die RAF und die "radikal"-Redaktion würden angeblich gleiche Treffpunkte benutzen, wie z.B. die Hütte in der Eiffel. - In Bremen werden zwei Personen sowohl der "Mitgliedschaft in der "kriminellen Vereinigung radikal" als auch in der "terroristischen Vereinigung AIZ" beschuldigt. - Auf einer der kürzlich entschlüsselten Disketten befände sich ein Text zu Kurdistan, und damit ließe sich die Verbindung zum K.O.M.I.T.E.E. erkennen. Die Schärfe des Verfahrens wird also zunehmend deutlicher. Weitergehender noch als die Darstellung der "radikal" als "Vereinsblatt" aller sog. terroristischen Vereinigungen, ist die Behauptung der BAW, von der Zeitung gehe "eine Gefahr für Leib und Leben" aus, indem die "radikal" nahezu mitverantwortlich für jeden Anschlag gemacht wird, der einer als terroristisch definierten Gruppe zugeordnet wird. Damit zeichnet die BAW letztlich das Bild einer großen "Vereinigung", die arbeitsteilig und mit unterschiedlichen Schwerpunkten agiert. Die konkrete Durchführung von Anschlägen wird mit deren Dokumentation in einer Zeitung gleichgesetzt. Zur Situation der Gefangenen Die Schärfe des Angriffs durch den Staatsapparat wird auch an der Situation der Gefangenen besonders deutlich. Alle vier unterliegen seit ihrer Inhaftierung am 13.6 verschärften Haftbedingungen: Sie befinden sich 23 Stunden am Tag in Einzelhaft, eine Stunde täglich haben sie alleine Hofgang. Sie sind von allen Gemeinschaftsveranstaltungen ausgeschlossen und werden von anderen Gefangenen streng isoliert. Das Haftstatut enthält außerdem die Anordnung, die Gefangenen in einem "besonders gesicherten Haftraum" unterzubringen. Andreas in Lübeck wird deshalb z. B. unter dem Vorwand, die dortige JVA entspräche baulich nicht den Vorschriften, alle paar Wochen in eine andere Zelle verlegt.Die Gefangenen haben zweimal im Monat jeweils eine Stunde Besuch, der unter LKA-Überwachung und mit Trennscheibe (außer bei Angehörigen) stattfindet. Unter dem Vorwand der möglichen "verdeckten Kontaktaufnahme" und "illegaler Nachrichtenübermittlung" werden Besuchsanträge von FreundInnen und GenossInnen abgelehnt. Sämtliche Post der vier geht über den Ermittlungsrichter in Karlsruhe. Dort wird sie gelesen, gegebenenfalls zensiert, angehalten oder beschlagnahmt. Das massenhafte Anhalten von Briefen in der Postzensur macht nochmal ganz deutlich, daß es darum geht, jeden Kontakt nach draußen zu erschweren und vor allem jede politische Information und Diskussion zu verhindern. Werner wird es zudem verwehrt, die "taz" und die "junge Welt" im Abo zu erhalten. Es wird versucht, die soziale und politische Isolierung der Gefangenen auf allen ebenen durchzusetzen. Diese Behandlung der Gefangenen soll der Einschüchterung und Abschreckung dienen. Darüber hinaus liegt darin der Versuch und die Gefahr einer Vorverurteilung, indem an den Gefangenen ein Bedrohungsszenario aufgezogen wird, das sie zu "besonders gefährlichen" Gefangenen hochstilisiert. (Quelle: radikale Zeiten; Nr.0)
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