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HIV im Strafvollzug Medizinische Versorgung im Strafvollzug Fast 15 Jahre nach der Einführung- des Strafvollzugsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland bedeutet der Strafvollzug immer noch Isolation und Stagnation. Es wird die alte Vollstreckungsarbeit in den Gefängnissen geleistet und die Gefangenen werden mehr verwahrt als betreut. Gefängnis heißt auch heute noch Isolation, Unterdrückung, Ausbeutung und Stigmatisierung. Wer durch den sogenannten humanen Strafvollzug hindurchgegangen ist, hat oft psychische und physische Schäden davongetragen, die ihn lebensuntüchtig machen. Die Rolle, die in diesem so geschlossenen System die medizinische Versorgung spielt, ist merkwürdig. Der Eid des Hypokrates, die Gesundheit zu erhalten, scheint hier oft nicht zu gelten. Auch in der medizinischen Versorgung der Gefangenen ist nicht das Wohlergehen des Patienten, sondern die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung oberster Grundsatz könnte man manchmal meinen. AIDS im Strafvollzug ist ein Thema, dem wir nach Meinung mancher Kritiker ein allzu großes Gewicht beimessen. Wenn bei ca. 60.000 Gefangenen 1000 positiv sind, dann - so besagte Kritiker - sei diese Zahl viel zu gering, als daß ihr eine so umfangreiche Aufmerksamkeit und derart vielfältige Aktivitäten seitens der AIDS-Hilfe zuteil werden müßten. Wir setzen dem entgegen: Jeder, der sich im Strafvollzug mit HIV ansteckt, ist ein Infizierter zuviel. Genaue Daten über die Menschen, die sich im Strafvollzug durch "needle sharing" infizieren, liegen in wissenschaftlichen Untersuchungen nicht vor. Gerade in den letzten Monaten treten jedoch immer mehr Menschen ans Licht der Öffentlichkeit und berichten darüber, sich im Vollzug der Freiheitsstrafe mit HIV infiziert zu haben 1987 wurde in den meisten deutschen Vollzugsanstalten die Verteilung von Kondomen und Gleitmitteln als sinnvolle AIDS-Prophylaxe für den Übertragungsweg Sexualverkehr genehmigt. Die Vergabe von sterilen Spritzbestecken dagegen wurde und wird immer wieder mit teilweise "abenteuerlichen" Begründungen verweigert. Einige Justizministerien argumentierten, daß eine Vergabe von sterilen Spritzbestecken Beihilfe zum Drogengebrauch gemäß §29 Betäubungsmittelgesetz sei. Obwohl die AIDS-Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages bereits 1988 empfohlen hatte, den Gefangenen sterile Spritzbestecke zur Verfügung zu stellen, ist diese präventive Maßnahme bis zum heutigen Tage nicht möglich. Gegen den Widerstand einiger ihrer Mitglieder hatte sich die Enquete-Kommission zu dieser generellen Empfehlung durchgerungen, weil sie schon damals die Bedeutung dieser Prophylaxemöglichkeit erkannt hatte. Auch der Kommentator des Betäubungsmittelgesetzes, Harald Hans Körner, hielt die Vergabe von sterilen Spritzbestecken für eine sinnvolle AIDS-Prophylaxe und nur im Strafvollzug noch für "umstritten". Zusätzlich zur Vermeidung von HIV-Infektionen ist es auch zum Schutze vor Hepatitis A, B und C dringend notwendig, daß die Justizministerien der einzelnen Bundesländer endlich sterile Spritzbestecke verteilen lassen Es kann nicht angehen, daß aus Gründen angeblicher Staatsräson billigend in Kauf genommen wird, daß sich Menschen mit HIV infizieren. Inzwischen geben alle Justizministerien der Länder zu, daß die Vollzugsanstalten keine drogenfreien Räume sind. Jeder sechste Gefangene hat bei einer 1991 erfolgten Befragung angegeben, er habe sich im Strafvollzug mit HIV infiziert. Diese Zahlen sind erschreckend. Die Justizministrien tragen die Verantwortung für die Gesunderhaltung der Gefangenen. Wer die Spritzenvergabe verweigert, ist mit dafür verantwortlich, daß sich Gefangene infizieren. Michael Gähner Deutsche AIDS-Hilfe e.V. Referent für Menschen mit HIV/AIDS in Haft (Quelle: radikale Zeiten Nr. 1, November 1995)
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kombo(p) | kombo@riffraff.ohz.north.de | 01.07.1997