Im Folgenden ein kurzer Text zu richtigem Verhalten auf Demos und anderen
Aktionen, und eine Leitfaden zum Verhalten bei Hausdurchsuchungen und im Polizeilichen
Verhör.
Mehr dazu findet ihr auch auf www.rote-hilfe.de
Auf dem Weg zur Demo
Der Ermittlungsausschuss
Bei Übergriffen
Bei Verletzungen
Bei Festnahmen
Beim Abtransport
Auf der Wache
Im Verhör
Freilassen müssen sie Dich
Hausdurchsuchung
Auf dem Weg zur Demo:
Gehe nach Möglichkeit nie alleine auf eine Demo oder zu irgendeiner Aktion. Es ist nicht nur lustiger mit Menschen unterwegs zu sein, die Du kennst und denen Du vertraust, sondern auch sicherer. Am besten ist es, zusammen hinzugehen und zusammen den Ort des Geschehens wieder zu verlassen. Wichtig ist auch, in der Gruppe vorher das Verhalten in bestimmten Situationen abzusprechen. Während der Demo sollte die Gruppe möglichst zusammen bleiben.
Steck einen Stift und ein Stück Papier ein um wichtige Details zu notieren (Gedächtnisprotokoll). Nimm eine Telefonkarte und/oder paar €uros mit, die Polizei ist zwar nach einer Festnahme verpflichtet Dir 2 Telefonate zu gewähren, aber sicher ist sicher. Nimm Medikamente, die Du regelmäßig einnehmen musst, in ausreichender Menge mit. Besser Brille als Kontaktlinsen. Lass persönliche Aufzeichnungen, besonders Adressbücher zu Hause. Überleg gut, was Du unbedingt brauchst. Alles andere kann im Falle einer Festnahme der Polizei nützen. Drogen jeglicher Art sollten weder vorher konsumiert, noch auf die Demo mitgenommen werden; schliesslich musst Du einen klaren Kopf bewahren und jederzeit in der Lage sein können, Entscheidungen zu treffen. Einen Fotoapperat brauchst Du auch nicht, Deine Fotos helfen im Falle einer Festnahme nur der Gegenseite!
Der Ermittlungsausschuss:
Meist gibt es einen EA (Ermittlungsausschuss) dessen Telefonnummer durchgesagt oder per Handzettel verbreitet wird. Der EA kümmert sich vor allem um Festgenommene, besorgt für sie Anwält- Innen. Wenn jemand festgenommen wurde, sollte sie/er sich beim EA melden. Wenn Du ZeugIn einer Festnahme wirst, versuch den Namen der/des Festgenommenen zu erfahren. Melde die Festnahme dem EA, damit ihr/ihm geholfen werden kann. Menschen, die nach einer Festnahme wieder freigelassen werden, sollten sich sofort beim EA zurückmelden und ein Gedächtnisprotokoll anfertigen. So ein Gedächtnisprotokoll kann sehr nützlich sein, wenn nach einigen Monaten noch ein Verfahren eröffnet wird. (Auch die Polizei hält alles in ihren Unterlagen fest!) Auch ZeugInnen von Übergriffen sollten ein Gedächtnisprotokoll anfertigen. Beinhalten sollte ein Gedächtnisprotokoll auf jeden Fall: Ort, Zeit und Art (Festnahme, Prügelorgie, Wegtragen) des Übergriffs, Namen der/des Betroffenen, Zeug- Innen sowie Anzahl, Diensteinheit und Aussehen der Schläger (Oberlippenbart reicht nicht!). Dieses Gedächtnisprotokoll ist nur für den EA bestimmt, so es einen gibt, andernfalls erstmal sicher aufbewahren.
Bei Übergriffen:
Nicht in Panik geraten. Tief Luft holen, stehen bleiben und auch andere dazu auffordern. Spätestens jetzt heisst es, schnell Ketten zu bilden und wenn’s gar nicht anders geht, sich langsam und geschlossen zurückzuziehen. Oftmals können Übergriffe der Polizei allein durch das geordnete Kettenbilden und Stehenbleiben, das Spalten der Demo, Festnahmen und das Liegenbleiben von Verletzten verhindert werden.
Bei Verletzungen:
Kümmere Dich um Verletzte und hilf mit, deren Abtransport gegenüber Greiftrupps abzusichern. Wende Dich an die Demo- Sanis, soweit vorhanden, oder organisiere mit FreundInnen selbst den Abtransport oder die Versorgung der Verletzten. Wenn Ihr ein Krankenhaus aufsuchen müsst, dann möglichst eins, das nicht mit der Veranstaltung in Verbindung gebracht wird. Wichtig ist, auch dort keine Angaben zum Geschehen zu machen – oft schon haben Krankenhäuser mit der Polizei zusammengearbeitet und Daten weitergegeben. Deine Personalien musst Du, allein schon wegen der Krankenversicherung, korrekt angeben – aber darüberhinaus nix oder "Unfall im Haus" o.ä.
Bei Festnahmen:
Mache auf Dich aufmerksam, rufe Deinen Namen, ggf. den Ort, aus dem Du kommst, damit Deine Festnahme dem EA mitgeteilt werden kann. Wenn Du merkst, dass kein Entkommen mehr möglich ist, versuche möglichst bald die Ruhe wiederzugewinnen und vor allem: ab diesem Moment sagst Du keinen Ton mehr!Nach der Freilassung sofort beim EA melden. Wieder zuhause angekommen, schreib Dir so genau wie nur möglich die Umstände Deiner Festnahme auf und alles, an das Du Dich sonst in diesem Zusammenhang erinnern kannst, insbesondere mögliche ZeugInnen des Vorfalls. Nimm Kontakt auf zum EA, zu einer eventuellen Prozeßgruppe, einer Bunten Hilfe oder zur Roten Hilfe.
Beim Abtransport:
Auf der Fahrt zu Gefangenensammelplätzen oder Revieren sprich ggf. mit anderen Festgenommenen über Eure Rechte, aber mit keinem Wort über das, was Ihr oder Du gemacht habt/hast. Das wäre nun wirklich nicht das erste mal, dass da ein Spitzel unter Euch ist, auch wenn Du ein gutes Gefühl zu allen hast. Achte auf andere und zeige Dich verantwortlich, wenn sie mit der Situation noch schlechter klar kommen als Du, das beruhigt auch Dich. Redet darüber, dass es Sinn macht, ab sofort konsequent die Schnauze zu halten. Tausche mit Deinen Mitgefangenen Namen und Adressen aus, damit der/die zuerst Freigelassene den EA informieren kann.
Auf der Wache:
Gegenüber der Polizei bist Du nur verpflichtet, Angaben zu Deiner Person zu machen, das sind ausschliesslich:
Name, Vorname, ggf. Geburtsname
(Melde-)Adresse
allgem. Berufsbezeichnung (z.B. "Student", "Angestellte" o.ä.)
Geburtsdatum und Ort
Familienstand (z.B. "ledig"),
Und das war’s dann aber auch maximal! Keinen Ton mehr! Nichts über Eltern, Schule, Firma, Wetter…;
Nach der Festnahme hast Du das Recht, zwei Telefongespräche zu führen. Nerv die PolizistInnen so lange, bis sie Dich telefonieren lassen, droh mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde oder Anzeige. Bei Verletzungen einen Arzt verlangen, von diesem ein Attest fordern. Nach der Freilassung weiteren Arzt aufsuchen und ein zweites Attest anfertigen lassen. Bei beschädigten Sachen schriftliche Bestätigung verlangen. Bei erkennungsdienstlicher Behandlung (Fotos, Fingerabdrücke) Widerspruch einlegen und protokollieren lassen. Selbst aber nichts unterschreiben!
Im Verhör:
Lass Dich nicht einwickeln. Lass Dich weder von Brutalos einschüchtern, noch von verständnisvollen Onkel-Typen weichlabern. Glaube nicht, die Beamten austricksen zu können. Jede Situation ist günstiger, um sich was Schlaues zu überlegen, als die, wenn Du auf der Wache sitzt, und alles ist auch nach Absprache mit GenossInnen und AnwältIn noch möglich, auch wenn Dir die PolizistInnen erzählen, dass es besser für Dich wäre, jetzt sofort Aussagen zu machen: das ist gelogen! Auch keine "harmlosen" Plaudereien, "ausserhalb" des Verhörs, z.B. beim Warten auf dem Flur o.ä., keine "politischen Diskussionen" mit den Wachteln: Jedes Wort nach Deiner Festnahme ist eine Aussage!
Auch wenn Du meinst, Dir werden Sachen vorgeworfen, mit denen Du garnix zu tun hast, möglicherweise auch Sachen, die Du nie tun würdest – halte bitte trotzdem die Klappe. Was Dich entlastet, kann jemanden anderen belasten, hat von zwei Verdächtigen einer ein Alibi, bleibt einer übrig. Auch Informationen darüber, was Du nicht getan hast, helfen dem Staatsschutz, ein Gesamtbild gegen Dich und andere zu konstruieren. Es ist jedoch nicht nur ein Gebot der Solidarität gegenüber anderen und der Vernunft im Hinblick auf ein mögliches eigenes künftiges Strafverfahren, sondern darüberhinaus auch schlichtweg am einfachsten, am (relativ) "bequemsten", am (relativ) "schmerzlosesten" für Dich in dieser Situation, total und umfassend garnix zu sagen und von vorneherein den VernehmerInnen klar zu machen, dass Du umfassend die Aussage verweigerst. Nach den Fragen zur Person kommen oft erstmal ganz "unverfängliche" Fragen: "Wie lange wohnen Sie denn schon in…"; "Sind Sie mit dem Auto hergekommen?"; "Im wievielten Semester sind Sie?"... Und wenn sie merken, dass Du darauf, vielleicht auch widerwillig, noch eingehst und antwortest, werden sie ihre Chance wittern und gnadenlos weiterbohren….
Völlig anders ist die Situation in dem Augenblick, in dem Du unmissverständlich klar machst, und zwar so eindeutig und monoton wie möglich, daß es jeder Schimanski kapiert, dass Du die Aussage verweigerst: Auf jede, aber auch jede Frage, eintönig wie eine kaputte Schallplatte: "Ich verweigere die Aussage!". "Regnet es draussen?" – "Ich verweigere die Aussage!"; "Wollen Sie eine Zigarette/einen Kaffee?" – "Ich verweigere die Aussage!"; "Wollen Sie vielleicht mit jemandem anders sprechen?" – "Ich verweigere die Aussage!"
Freilassen müssen sie dich:
Hier kurz die Umstände der drei am häufigsten auf Polit-AktivistInnen angewendeten Arten der staatlichen Freiheitsberaubung:
- Identitätsfeststellung: nachdem Du Deine Personalien angegeben hast und wenn Du einen Ausweis dabei hast eigentlich sofort; um zu überprüfen, ob Deine Angaben auch stimmen, können sie Dich jedoch bis zu 12 Stunden festhalten.
- Festnahmen als Tatverdächtiger: spätestens um 24:00 Uhr des auf die Festnahme folgenden Tages (also maximal 48 Stunden), es sei denn, sie führen Dich einem Richter vor und dieser verhängt entweder Untersuchungshaft (nur bei schweren Straftaten und Flucht- oder Verdunklungsgefahr - bis zu 6 Monaten, aber auch länger) oder ordnet ein "Schnellverfahren" an (dazu mehr weiter unten, dann maximal eine Woche).
- Vorbeugehaft("Unterbindungsgewahrsam"): wenn nach Auffassung der Polizei die Gefahr besteht, Du könntest Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begehen: bis zum Ende der Aktion, zu der Du wolltest (Demo, Widerstandstage,...), maximal je nach Bundesland zwischen 24 Stunden und 2 Wochen (Bayern, Sachsen…). Da die Polizeigesetze, in denen das festgelegt ist, ständig verschärft werden, solltest Du Dich vor einer Aktion in einem anderen Bundesland immer kundig machen, um keine Überraschungen zu erleben.
Hausdurchsuchung:
Nicht ungewöhnlich sind im Zusammenhang mit grösseren Aktionen,nach Festnahmen oder im Rahmen offensiver staatlicher Repression Hausdurchsuchungen. Auf die eigentlich notwendige richterliche Durchsuchungsanordnung wird oft wegen behaupteter "Gefahr im Verzug" verzichtet.
Hausdurchsuchungen gehören zu den gemeinsten Übergriffen des Staatsapperats: neben dem vordergründigen Ziel, etwas zu finden, mit dem sie Dir was anhängen können, ist das Eindringen in Deine Wohnung auch immer ein Versuch, Dich zu demütigen, zu demoralisieren und "Allmacht" über Dich zu demonstrieren. Dem kannst Du am besten widerstehen, wenn Du einen ruhigen Kopf bewahrst! Wenn sie Dich morgens geweckt haben, werde erstmal richtig wach, setz Dir einen Kaffee auf, geh erstmal aufs Klo...
Wenn sie erst einmal in Deiner Wohnung stehen, kannst Du die Durchsuchung nicht mehr verhindern. Aber Du kannst einiges tun, damit sie nicht zur Katastrophe wird:
Das Wichtigste: Keine Aussage, kein Wort von Dir, z.B. zu dem Vorwurf, aufgrund dessen die Durchsuchung stattfindet. Du solltest ja ohnehin nie mehrere Exemplare von "brisanten" Flugblättern im Haus haben (Dir könnte "Verbreitung" vorgeworfen werden), vor Demos oder grösseren Ereignissen, z.B. Revolutionen, räumst Du Deine Bude ohnehin gründlich auf (auch das Piece und die Quittung vom letzten Versicherungsbetrug!) – falls sie trotzdem was "belastendes" bei Dir finden: kein Wort von Dir dazu! Auch nicht: "Das gehört mir nicht" o.ä., einfach garnix!
ersuche ZeugInnen herbeizuholen, rufe FreundInnen an und lass den Hörer daneben liegen, damit der/die Angerufene so ungefähr mitbekommt, was abgeht. Wenn möglich, informiere Deine RechtsanwältIn. Lass Dir die Durchsuchungsanordnung zeigen, verlange eine Kopie; bei "Gefahr im Verzug" lass Dir zumindest den Grund der Durchsuchung genau sagen und die Sachen, nach denen gesucht wird und schreib Dir das auf. Schreib Dir Namen und Dienstnummern der Beamten auf. Verlange, dass Deine Beschwerde (ohne inhaltliche Begründung!) zu Protokoll genommen wird. Du hast das Recht, bei jedem einzelnen durchsuchten Raum dabeizusein, verlange deshalb, dass ein Raum nach dem anderen durchsucht wird. Wird etwas mitgenommen, Beschlagnahmeverzeichnis verlangen, aber nicht unterschreiben! Wenn nichts beschlagnahmt wurde, lass Dir das bescheinigen.
Wenn sie wieder weg sind, detailliertes Gedächtnisprotokoll anfertigen, EA, Prozessgruppe, Bunte Hilfe oder Rote Hilfe und die AnwältIn informieren. Dann lade Dir Deine beste Freundin, Deinen besten Freund ein, denn nach einer solchen Sache bist Du mit den Nerven erstmal fertig und hast jedes Recht, Dich auszuquatschen, auszuheulen und/oder verwöhnt zu werden!