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Sozialraub
pur - der Angriff auf die ArbeiterInnenklasse
Anlässlich
des 1. Mai beschäftigen wir uns in dieser Ausgabe mit einem
Thema, das in den vergangenen Monaten viel zu kurz gekommen ist.
Während sich der Blick aller auf den Krieg nach außen
konzentrierte, konnte in aller Ruhe der Angriff nach innen
reibungslos über die Bühne gehen. Unser Schwerpunkt
beschäftigt sich deswegen ausführlich mit dem Abbau des
Sozialstaates, wie er durch die Hartz- und Rürup-Kommissionen
momentan vollzogen wird. Leider gibt es für zwei Seiten wieder
einmal viel zu viel zu sagen. Aus diesem Grund müssen wir uns in
diesem Beitrag auf die Fakten, die uns Hartz und Rürup liefern,
beschränken. Bei der Auseinandersetzung mit diesem Thema sind
jedoch einige Diskussionen aufgetaucht, die sich aus einer
linksradikalen Analyse der Thematik ergeben. All diejenigen, die eine
kritische Auseinandersetzung mit dem Sozialstaat, dem Fetisch Arbeit
und den Hintergründen neoliberaler Einsparungspolitik sowie dem
Aufzeigen konkreter Widerstandsformen beim Lesen hoffentlich
vermissen werden, möchten wir aus Platzgründen auf die
nächsten Ausgaben vertrösten.
Das
alte Spiel: Wer hat uns verraten
Die
sozialdemokratisch/grüne Regierung hat wieder einmal geschafft,
was für jede andere Partei in dieser Form ein Ding der
Unmöglichkeit gewesen wäre. Ebenso wie die Durchführung
des ersten bundesdeutschen Angriffskriegs auf Jugoslawien oder den
Ausbau des Überwachungsstaates durch die Verabschiedung der
Anti-Terrorgesetze konnte nur die SPD einen derartigen Angriff auf
die Klasse der Lohnabhängigen durchdrücken. Sie allein kann
sich der Hörigkeit ihrer gewerkschaftlichen Organisationen
gewiss sein und damit jeglichen massenhaften Widerstand vermeiden.
Die Agenda 2010 bestimmt nun die Debatte, mit der die SPD u.a.
massive Einschnitte im Kündigungsschutz, dem Arbeitslosengeld,
der Arbeitslosen- und Sozialhilfe, sowie im Renten- und
Gesundheitssystem gleichzeitig durchführen will. So rasant und
offensichtlich haben sich die Gewerkschaften den neoliberalen Angriff
wohl nicht vorgestellt, besser noch, sie werden nicht einmal noch
danach gefragt, die Veränderungen abzunicken. Während jetzt
Protestrufe laut werden, hatten sie bisher brav an den Reformen
mitgewirkt.
Die
Kommissionen
Die
Einrichtung der Hartz- und Rürup-Kommissionen war
ein strategisch schlaues Mittel der sozialdemokratisch/grünen
Regierung um einer innerparteilichen Diskussion beim Abbau des
Sozialstaates aus dem Weg zu gehen. Unter dem Zuzug von
VertreterInnen der Parteien, Wirtschaft und Gewerkschaften den
angeblichen ExpertInnen - wird hier hinter verschlossenen Türen
monatelang ausgearbeitet, was anschließend im Schnellverfahren
im Bundestag und Bundesrat gesetzlich verabschiedet wird. Alle
Verlautbarungen, die bereits vor der offiziellen Konzeptübergabe
nach außen dringen, sollen Verwirrung stiften und machen
jeglichen Widerstand im Vorfeld unmöglich. Schließlich
kann nicht auf jede Horrormeldung, die als Gedankenblitz verkauft
wird, reagiert werden.
Durch
den Einbezug der Gewerkschaften als offizielle Interessensvertretung
der ArbeiterInnen in das Entscheidungsgremium wird einem Protest
jegliche Grundlage entzogen. Wer kann sich schon hinterher beschweren
und auf die Straße gehen, wenn er vorher offiziell abgenickt
und die Scheiße sogar miterschaffen hat. In einigen
Gewerkschaften wurden wohl wesentliche Elemente der
Kommissionsvorschläge negativ bewertet. Zahlreiche
Untergliederungen forderten auch ihre Gewerkschaftsvorsitzenden auf,
politisch gegen das Hartz-Konzept vorzugehen. In einigen Fällen
war dies, wie z.B. bei der Durchsetzung des EqualPay-Grundsatzes
erfolgreich. Dennoch waren die Gewerkschaften nicht willens wirksam
gegen das vorgelegte Konzept zu mobilisieren:
1.
Wollte man sich bewusst nicht einem der wenigen vermeintlichen
Wahlkampfschlager der SPD in den Weg stellen und damit
Edmund den Weg bereiten.
2.
Die Gewerkschafter in der Kommission waren nicht von ihren
Organisationen sondern vom Bundeskanzleramt benannt worden.
3.
Vieles was die Hartz-Kommission hervorbrachte, wurde bereits unter
der Billigung der Gewerkschaften experimentell am bundesdeutschen
Arbeitsmarkt entwickelt. (z.B. Einführung der Leiharbeit) und
damit bereits Realität.
Wäre
es da nicht endgültig an der Zeit, dass die Gewerkschaften
endlich anfangen sich autonom zu positionieren und den
außerparlamentarischen Widerstand organisieren, ihre Mitwirkung
in Kommissionen oder Bündnissen, wo sie nur die Interessen der
Arbeitenden verraten werden, zu überdenken? Doch aus dem
angekündigten heissen Mai wird wohl nichts werden,
denn wer heute immer noch dem Slogan Reformen ja
Sozialabbau nein hinterher rennt, um (prekäre)
Arbeitsplätze für seine Mitglieder zu schaffen, wird wohl
nie kapieren, dass das Zeitalter der Vollbeschäftigung längst
abgeschlossen ist und von einer Reformierbarkeit des Systems nur noch
VertreterInnen des Kapitals ausgehen.
Die
derzeitige Diskussion über die Senkung der Lohnnebenkosten,
Kündigungsschutz und paritätische Sozialversicherungen ist
nur die Weiterführung einer Grundlage von Veränderungen,
die die Gewerkschaften seit dem Amtsantritt Schröders
mitgetragen haben.
Die
beiden Reformer Hartz und Rürup sind
inzwischen allen ein Begriff. Was sich insgesamt dahinter verbirgt,
ist den wenigsten bekannt, da immer nur gezielt einzelne Bruchstücke
in den Medien diskutiert werden.
Die
Hartz-Reform
Die
Umsetzung des Hartz-Konzeptes soll in drei Phasen bzw. Stufen
erfolgen. In den folgenden Ausführungen geht es vor allem um die
erste Stufe: Dem ersten Gesetz (Leiharbeit per PSA, Quickvermittlung,
Neuausrichtung der beruflichen Weiterbildung, Stärkung des
Dienstleistungscharakters der Bundesanstalt für Arbeit,
Zumutbarkeit) und zweiten Gesetz (Grundlagen für Änderungen
im Leistungsrecht, Zusammenführung von
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Strukturanpassungsmaßnahmen,
Aktionsbudget, Wirtschaftsförderung) für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, das seit dem 1.1. bzw. 1.4.03 in
Kraft ist. In einer zweiten Stufe soll der Umbau der Bundesanstalt
für Arbeit erfolgen, die 3. Stufe soll zum 1.1.2004 die geplante
Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
realisieren.
1.
Flexibilisierungsstrategien
Aufbau
von PersonalServiceAgenturen (PSA)
Das
Gesetz schreibt vor, in jedem Arbeitsamtsbezirk im Laufe dieses
Jahres eine PSA einzurichten. Wo keine privaten Verleihunternehmen
vor Ort sind, soll die Arbeitsverwaltung selbst aktiv werden.
Erwerbslose sind zur PSA-Leiharbeit verpflichtet und können bis
zu 6 Wochen in Höhe des Arbeitslosengeldes (ALG) zur Probe
an Unternehmen ausgeliehen werden. Ansonsten errechnet sich der Lohn
des PSA-Beschäftigten aus der Vergütung während der
Verleihzeit und der verleihfreien Zeit. Der Durchschnittslohn wird
sich somit häufiger auf dem Niveau des ALG einpendeln. Bis zum
Januar 2004 gelten noch die derzeitigen
Arbeitnehmerüberlassungsgesetze (AÜG). Bis dahin sollen
durch einen zügigen Abschluss tarifvertraglicher Regelungen die
Arbeitsbedingungen der LeiharbeitnehmerInnen neu geordnet werden. Als
eine neue Form vermittlungsorientierter
Arbeitnehmerüberlassung sollen für die PSA alle
gesetzlichen Beschränkungen von Leiharbeit aufgehoben werden.
Dies würde bedeuten, dass Leiharbeit zukünftig auch
zumutbar ist, wenn beispielsweise gegen Arbeitsschutzbestimmungen
verstoßen wird, die Arbeitskräfte als StreikbrecherInnen
eingesetzt werden, keine muttersprachlichen Arbeitsverträge
vorliegen oder Lohndumping eingesetzt wird. Spätestens ab dem
1.1.2004 bedeutet dies konkret:
- Die Aufhebung des Synchronisationsverbots: die Beschäftigung in
einer Leihfirma darf mit dem Arbeitseinsatz in einem Entleihbetrieb
zeitlich übereinstimmen.
- Aufhebung der Überlassungsdauer (ursprünglich 2 Jahre)
- Streichung des besonderen Befristungsverbots: eine wiederholte
Befristung des Leiharbeitsverhältnisses ist entsprechend der
befristeten Beschäftigung im Entleihbetrieb möglich.
- Aufhebung des Wiedereinstellungsverbots: der Verleiher darf dem/der
LeiharbeitnehmerIn kündigen und bei neuer
Beschäftigungsmöglichkeit erneut einstellen
- Quickvermittlung
Ab
Mitte diesen Jahres haben sich ArbeiterInnen bereits während der
Kündigungsfrist, bzw. bei befristeten Verträgen vor
Vertragsende beim Arbeitsamt zu melden und neu zu bewerben, wollen
sie eine Kürzung des Arbeitslosengeldes vermeiden. Die
Abzugspauschale orientiert sich am bisherigen Bruttolohn und variiert
zwischen 7 50 Euro pro Tag Verspätung (begrenzt auf 30
Tage und das halbe ALG). Oberste Priorität bei der Vermittlung
erhalten männliche Familienernährer und allein
Erziehende. Zur neuen Arbeitsplatzsuche soll der/die Gekündigte
selbstverständlich bei entsprechendem Lohnabzug
von der Arbeit freigestellt werden.
- Neue Zumutbarkeit
Bundesweite
Mobilität ist nach 7 Monaten (bei Alleinstehenden u.U. auch ab
Beginn) Erwerbslosigkeit ebenso zumutbar wie ein 2,5Std.
Pendelbereich täglich(bei einer täglichen Arbeitszeit von 6
Stunden, darunter sind 2 Stunden Pendeln zumutbar). Dies gilt auch
für Verheiratete oder Familien, wenn die Beschäftigung
lediglich bis zu 6 Monaten einen getrennten Haushalt erforderlich
macht. Ein Umzug in eine Vollzeitdauerbeschäftigung ist generell
zumutbar. Jugendliche haben eine Ausbildung und/oder Qualifizierung
in anderen Regionen Deutschlands oder Europas anzunehmen. Ebenso
zumutbar sind Jobs mit einem geringeren Lohn als bisher (20-30% unter
dem bisherigen Bruttoentgelt, je nach Länge der
Erwerbslosigkeit), genauso wie die Vermittlung in einen
unterqualifizierten (Billig-)Job. Die Zumutbarkeit erhöht
sich übrigens mit der Dauer der Erwerbslosigkeit. Die Beweislast
liegt generell beim Erwerbslosen.
Die
Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe beträgt 12 Wochen. Sie verkürzt
sich auf 3/bzw. 6 Wochen, wenn der Job 6/bzw. 12 Wochen später
zu Ende gegangen wäre. Die Sperrzeit bei Arbeitsablehnung,
Ablehnung oder Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme beträgt
je nach Länge der Maßnahme, Häufigkeit des Abbruchs
zwischen 3 - 6 Wochen. Ein Anspruch auf Leistungen entfällt nach
einer Ansammlung von Sperrzeiten auf 21 Wochen.
- Brückengeld und Entgeltsicherung
Arbeitgeber,
die ältere Menschen einstellen, erhalten eine Beitragssenkung.
Befristete Einstellungen sind ab 52 Jahren ohne sachlichen Grund und
ohne zeitliche Höchstgrenze möglich (zunächst gültig
bis Ende 2006). Zur Erinnerung: im Moment wird die Erhöhung des
Rentenalters auf 67 Jahre diskutiert! Älteren Menschen soll die
Annahme eines Billig-Jobs dadurch schmackhaft gemacht werden, dass
sie einen Zuschuss (50% der Entgeltdifferenz) vom Arbeitsamt
erhalten. Voraussetzung der Entgeltsicherung ist, dass es
sich um eine versicherungspflichtige, tarifliche bzw. ortsüblich
bezahlte Beschäftigung handelt, dass ein Anspruch auf ALG von
mind. 180 Tagen besteht und die Arbeit weder beim früheren
Arbeitgeber noch bei einer PSA vorgenommen wird. Die
Entgeltsicherung gibt es nur für Restanspruchszeitraum auf ALG.
Sie
können auch aus der Betreuung durch das JobCenter aussteigen,
indem sie ihren 12monatigen Anspruch auf Arbeitslosengeld auf bis zu
5 Jahre (bis zur Frührente ab 60 Jahren) strecken lassen (=
Bridge-System). Um kleinere Zusatzverdienste zu ermöglichen,
soll durch die PSA die Vermittlung einer Praktikumstelle angestrebt
werden. Ansonsten sollen die PSA zu ehrenamtlichen und
zivilgesellschaftliche Arbeiten von monatlich 40 60
Stunden auffordern.
- Jugendliche Erwerbslose
Wie
bereits im Bündnis für Arbeit vereinbart, sollen hier
arbeitsmarktfähige Ausbildungsberufe kreiert werden.
Gemeint ist damit die Schaffung von Einfacharbeitsplätzen
und Übungswerkstätten besonders für benachteiligte
Jugendliche, die weniger komplexen Anforderungen
genügen sollen. Zeit- und Leiharbeit bieten die Möglichkeit
zur sog. Mini-Ausbildung, indem Jugendliche verschiedene
Stellen ausprobieren, bzw. bei unterschiedlichen
Arbeitgebern bundesweit einzelne
Qualifizierungsbausteine erlernen. Wer es sich leisten
kann, hat über ein von den Großeltern, Eltern oder
sonstigen GönnerInnen spendiertes Ausbildungszeit-Wertpapier
die Möglichkeit einen Ausbildungsplatz bei einer Firma käuflich
zu erwerben. Die AZWP werden bei lokalen oder regionalen Stiftungen
verkauft, die gleichzeitig Garant für einen Ausbildungsplatz
sind. Die Anzahl dieser Ausbildungsplätze wird zukünftig
50% betragen.
2.
Ausbau des Niedriglohnsektors
Ich-AG,
Familien-AG (befristet bis 2005) und Mini/Midi-Job
(seit 01.04.2003)
Diese
Modelle ersetzen die bisherige Scheinselbständigkeit. Wer
innerhalb seiner Ich-AG noch Familienmitglieder
beschäftigt, gründet eine Familien-AG. Die
Ich/Familien-AG unterliegt der
Rentenversicherungspflicht. Erwerbslose können zur Gründung
einen Zuschuss beantragen (wird jeweils für ein Jahr bewilligt
und längstens für 3 Jahre erbracht), die sie für ihre
Beiträge zur Sozialversicherung verwenden sollen. Die Einnahmen
dürfen im Jahr 25.000 Euro nicht überschreiten, ansonsten
muss ein normales Gewerbe angemeldet werden. Alle
Einnahmen müssen mit 10% pauschal versteuert werden. Die
Familien-AG bedeutet in den meisten Fällen nichts
anderes als die unentlohnte Mithilfe der Ehefrau bei Aufgaben für
den Mann. Unternehmer, die eine solche Kümmerexistenz
für sich arbeiten lassen, sparen Urlaubs-, Krankengeld und
brauchen keinen Kündigungsschutz.
Seit
dem 1.4. wurde die Grenze für geringfügig Beschäftigte
von 325 auf 400 Euro angehoben. Die Begrenzung auf 15 Stunden
entfällt. Oberhalb der 400 Euro wird eine Gleitzone geschaffen,
in der die ArbeiterInnen geringere, mit dem Verdienst ansteigende
Sozialversicherungsbeiträge zahlen, bis sie bei 800 Euro den
vollen Beitragssatz erreichen (Midi-Job). Ab 400,01 Euro zahlt der
Arbeitgeber seinen vollen Anteil zur Sozialversicherung,
bis 400 Euro eine Pauschale von 25% (12% RV, 11% KV, 2% Steuer).
Der/die ArbeiterIn kann den Rentenbeitrag auf den vollen Beitragssatz
aufstocken. Die geringfügige Beschäftigung kann als
Nebenjob ausgeführt werden (ohne Zusammenrechnung mit der
Hauptbeschäftigung). Die Absicherung durch die
Sozialversicherung ist jedoch keinesfalls ausreichend.
Eine
Sonderform der Mini-Jobs entsteht in Privathaushalten. Aufgaben, die
normalerweise von Mitgliedern des Privathaushaltes erledigt werden.
Die Sozialversicherungspauschale für Arbeitgeber
liegt hier bei nur 12% (5% RV, 5% KV, 2% Steuer). Die Differenz zum
aktuellen RV von 19,5% kann der/die Arbeiter/in alleine aufstocken.
Aufwendungen für Haushaltsdienstleistungen können
steuerlich abgesetzt werden.
Zusammenführung
von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ab 1.1.2004
Höhe
und maximale Bezugsdauer des Arbeitslosengeld I (ALG I) soll zunächst
weiterhin der bisherigen Regelung entsprechen. Es wird nach dem
Durchschnittslohn der letzten 12 Monate errechnet. Künftig wird
der Grundsatz der Dynamisierung von Entgeltersatzleistungen
(jährliche Anpassung des Bemessungsentgelts an die
Lohnentwicklung) aufgegeben. Zur Diskussion steht momentan die
Reduzierung des Anspruchszeitraum bei älteren Menschen auf 18
Monate, für alle unter 55 Jahren auf 12 Monate.
Die
heutige Arbeitslosenhilfe (Alhi) wird es ab 2004 nicht mehr geben.
Was sich dennoch bei Alhi geändert hat, ist eine erhöhte
Anrechnung des Partnereinkommens bei der Bedürftigkeitsprüfung
und die Senkung des Vermögensfreibetrages von 520 auf 200 Euro.
Der Vorschlag für die Zukunft ist ein ALG II, das es im
Anschluss an das ALG I oder bei Nichterfüllen der
Anspruchsvoraussetzung für das ALG I gibt. Das ALG II erhält,
wer den ärztlichen Nachweis seiner Arbeitsfähigkeit
liefert und der Bereitschaft zur Mitwirkung zeigt. Die
Höhe des ALG II wird sich an der bisherigen Sozialhilfe
orientieren.
Was sich entscheidend verschärft sind die
Spielräume für das Absenken des Arbeitslosengeldes. Die
Bundesanstalt für Arbeit hat inzwischen ein ganzes
Maßnahmenbündel ausgearbeitet, um geringere Ausgaben in
Form von Leistungsstreichungen durch provozierte Pflichtverletzungen
von Erwerbslosen zu erzielen, z.B. durch Säumniszeiten,
Kündigung einer Arbeitsstelle ohne wichtigen Grund, Ablehnung
einer zumutbaren Stelle, etc. Wer als arbeitsunfähig
eingestuft wird, dem bleibt nur noch Sozialgeld zu beantragen, das
unter der bisherigen Sozialhilfe liegen wird. Wer die Bereitschaft
zur Mitwirkung an Integrationsmaßnahmen verweigert,
jedoch das Prädikat arbeitsfähig zugewiesen
bekam, fliegt aus allen sozialen Grundsicherungen!
3.
Weiterbildung und Politik der Bundesanstalt
Weiterbildung
funktioniert zukünftig über ein Gutscheinsystem, das
innerhalb von 3 Monaten bei freien Bildungsträgern eingelöst
werden muss. Die Zeit, in der man Unterhaltsgeld bezieht, wird zur
Hälfte auf den Restanspruch auf ALG angerechnet.
Trotz
gestiegener Erwerbslosigkeit sieht der Bundeshaushalt zum ersten Mal
seit 1987 keinen Bundeszuschuss für die Bundesanstalt vor. Dies
zieht eine grundlegende Veränderung der Struktur des
Leistungsangebotes und der Trägerstruktur im Bereich der sog.
Eingliederungsmaßnahmen nach sich. Es wird weniger und kürzere
beschäftigungsschaffende Maßnahmen geben, kürzere und
nur für TeilnehmerInnen mit hoher unmittelbarer
Vermittlungswahrscheinlichkeit konzipierte Maßnahmen der
beruflichen Weiterbildung.
Die
Rürup-Reform
Während
Hartz bereits verabschiedet wurde, wird bei Rürup
noch heiß diskutiert. Nachdem sich bei Hartz
herausgestellt hat, dass selbst die katastrophalsten Meldungen in
irgendeiner Form im endgültigen Konzept enthalten waren, wollen
wir auch wenn noch nichts entschieden ist und
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ein umfassendes Konzept im Mai
vorlegen wird auch bei Rürup kurz die
Vorschläge vorstellen, die zur Zeit Schlagzeilen machen.
Kassenbeitrag
und Zuzahlungen: Der Krankenkassenbeitrag von durchschnittlich 14,4%
soll um 2% gedrückt werden. Gleichzeitig müssen sich
gesetzlich Versicherte auf deutliche Zuzahlungen einstellen. Zum
einen sollen nicht verschreibungspflichtige Medikamente zukünftig
selbst finanziert, zum anderen die Zuzahlungen für billige
Ersatzpräparate deutlich erhöht werden. Außerdem
haben PatientInnen beim Arztbesuch eine Praxisgebühr (etwa 15
Euro) zu entrichten.
Private
Zusatzversicherungen: Die Versicherten sollen sich gegen Unfälle
im Haushalt, Sport und Straßenverkehr privat versichern. Ebenso
sollen die Krankenkassen kein Krankengeld mehr zahlen, sondern durch
Privatversicherungen abgedeckt werden.
Rente:
Die zum 1. Juli anstehende Rentenerhöhung wird voraussichtlich
ausgesetzt oder zumindest verschoben. Die Rentenformel könnte so
geändert werden, dass die Rentenzuwächse stärker
gebremst werden. Es ist davon auszugehen, dass nur Besserverdienende
eine Rente über dem Sozialhilfeniveau zukünftig beziehen
werden. Nachdem nur wenige Lohnabhängige freiwillig einen
Vertrag über die staatlich geförderte
Riesterrente abgeschlossen haben, gibt es Überlegungen diese
verpflichtend zu machen.
Fazit
Bei
beiden Reformen gibt es auf Seite der Lohnabhängigen
nur VerliererInnen. Einziger Gewinner ist das Kapital. Die
derzeitigen Umstrukturierungen bedeuten den umfassensten Angriff in
der Geschichte des Sozialstaates auf alle Lohnabhängigen (egal
ob sie einen Job besitzen oder nicht). Die strategische Ausrichtung
des ganzen Konzeptes läuft auf eine Entwertung der
Lebensverhältnisse aller hinaus. Die Lohnarbeit als Fetisch wird
noch mehr in den Lebensmittelpunkt gerückt als bisher, das Leben
jedes/jeder einzelnen vollständig der Verwertungslogik des
Kapitals untergeordnet.
Die
allgemeinen Konsequenzen sind
- der
Abbau früher erkämpfter Rechte
- der
Austausch regulärer Arbeitsverhältnisse durch
entgarantierte, prekäre Lohnarbeit
- der
Ausbau des Billiglohnsektors und die damit verbundene Senkung des
Lohnniveaus
- die
Privatisierung sozialer Risiken
- der
Ausstieg der Arbeitgeber aus den paritätischen
Sozialversicherungen
- eine
verschärfte Konkurrenz unter ArbeiterInnen
- die
Einschränkung der Persönlichkeitsrechte und der freien
Berufswahl
- die
Vermarktung von Ausbildungs- und Studienplätzen als Ware
- die
Abschaffung der Chancengleichheit und Heranzüchtung
eines Billiglohnarbeiterheeres
- die
offizielle Wiedereinführung des Sklavenhandels durch
Leiharbeit
- eine
Verschärfung des entwürdigenden Zwangs zur Lohnarbeit
- die
Einführung der Mehrfach-Jobverhältnisse
- die
Umverteilung der Lasten und Kosten der Armut auf die Armen
- die
Zunahme privater Zusatzversicherungen aufgrund geringerer
Einzahlungen in die gesetzlichen Kassen.
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