Die Traditionen der Devrimci Sol und die aktuellen Probleme der BewegungKurz nach ihrer Gründung führte die Devrimci Sol in Istanbul einen ihrer ersten großen Streiks und einen Überfall auf das faschistisch Zentrum in Gültepe (September 1978) als Protest gegen die zivilfaschistische Besetzung durch. In Gültepe lag ein Slumgebiet, in dem vor allem von ihren Dörfern abgewanderte Menschen lebten. Dieses Gebiet befand sich unter der Herrschaft der Zivilfaschisten. Militante der Devrimci Sol bombardierten das Gebäude der MHP, zerstörten die Arbeitsstätten der faschistischen Chefs und bestraften letztere. Diese Aktion war ein erstes Zeichen für die weitere Linie der Devrimci Sol im Kampf gegen den zivilfaschistischen Terror, das dringendste Problem dieser Zeit. Die Devrimci Sol hat dem Kampf gegen die vom Staat unterstützten zivilfaschistischen Kräfte -die in jener Zeit im Auftrag der Oligarchie das Volk und die Revolutionäre angriffen, um den revolutionären Kampf einzudämmen- nie getrennt vom Kampf gegen den staatlichen Terror. Im Gegenteil, sie betrachtete beide Kämpfe als miteinander verbunden.
Die Devrimci Sol führte einen breiten und effektiven Kampf gegen die zivilfaschistischen Kräfte mit den Mitteln der revolutionären Gewalt und entfaltete so eine breite Aufmerksamkeit und ein antifaschistisches Bewußtsein unter den Massen des Volkes.
Durch die Bestrafung von faschistischen Chefs und Mörder und durch Bombenanschläge auf mehr als hundert ihrer Firmen, Büros und Gebäude der MHP hat die Devrimci Sol diesen Kräften ihr "Existenzrecht" streitig gemacht und sie schrittweise aus den Schulen, Fabriken, Bezirken und Städten verdrängt. Wir haben 1980 mit dem Militärputsch eine Niederlage erlebt. Viele Genossen kamen ins Gefängnis, nicht nur von uns, sondern von allen linken Organisationen. Unser Kampf gegen den Militärputsch hat bis 1983 angedauert. Bis auf uns haben alle anderen linken Organisationen alle ihre Kader ins Ausland, nach Europa oder in den Nahen Osten, zurückgezogen. Sie hatten keinen Beschluß gefaßt, gegen den Militärputsch zu kämpfen, sondern sich zurückgezogen. Während wir alleine gegen den Militärputsch ankämpften, konnten wir der Bevölkerung nicht bewußt machen, welche Politik hinter dem Militärputsch steht. In dieser Zeit gab es in den Knästen Tausende politische Gefangene, und unser Kampf hat sich auch in den Gefängnissen ausgebreitet, er wurde dort weitergeführt, eine große Zahl unserer Kader und Sympathisanten war in den Gefängnissen. Es gab dort sehr großen Widerstand von uns, auch von den anderen Organisationen, gegen die Politik des Militärputschs, gegen ihre Verbote, gegen die Wahlen, die sie durchgesetzt haben. Eine der größten Widerstandsaktionen war das Todesfasten 1984, bei dem drei unserer Genossen und ein Genosse der TIKB ums Leben kamen. (die 4 Gefallenen des Todesfastens, Abdullah Meral, Hasan Telci, Haydar Rasbag (alle aus Devrimci Sol), und Fatih Öktülmüs (TIKB) Dieser Widerstand hatte die Moral der türkischen Linken, der Gefangenen und auch der Bevölkerung sehr gestärkt. Hiermit ist die Linke wieder zu einer politischen Kraft geworden. Durch das Todesfasten hatte sich der Widerstand in den Gefängnissen und in der gesamten Türkei verstärkt. Die Resignation hörte auf, und die Menschen begannen immer mehr, sich gegen das Militär zu wehren. Mit diesem Widerstand organisierten die politischen Gefangenen auch ihre Familien, die sich dann draußen am Kampf beteiligten.
Mit der Offensive der PKK, 1984 und der Massenbewegung 1986 kam es zur weiteren Stärkung der Linken Kräfte. In dieser Zeit reorganisierte sich unsere Bewegung im legalen Bereich, an den Universitäten und in den Stadtteilen, und begann damit, ihre legale Zeitschrift wieder herauszubringen. Damals organisierte sich auch die Untergrundbewegung wieder. Sie konnte zunächst nicht allzuviel machen, weil sie zuerst die Wunden des Militärputsches heilen mußte, um an Stabilität zu gewinnen. An der Erreichung dieses Ziels wurde eine gewisse Zeit gearbeitet. In dieser Zeit wurden einige wenige Genossen aus dem Gefängnis entlassen. Diese setzten sich gleich wieder im Kampf ein. Dies förderte den organisatorischen Aufbau. So wurden die erfahrenen und die neu hinzugewonnenen Kader zu einer Einheit. Gleichzeitig hatte unsere Organisation über die Arbeit an den Unis, in den Stadtteilen und in Vereinen einen Massencharakter gewonnen. Die Devrimci Sol hat dem Kampf gegen die vom Staat unterstützten zivilfaschistischen Kräfte -die in jener Zeit im Auftrag der Oligarchie das Volk und die Revolutionäre angriffen, um den revolutionären Kampf einzudämmen- nie getrennt vom Kampf gegen den staatlichen Terror. Im Gegenteil, sie betrachtete beide Kämpfe als miteinander verbunden. Die Devrimci Sol führte einen breiten und effektiven Kampf gegen die zivilfaschistischen Kräfte mit den Mitteln der revolutionären Gewalt und entfaltete so eine breite Aufmerksamkeit und ein antifaschistisches Bewußtsein unter den Massen des Volkes. Durch die Bestrafung von faschistischen Chefs und Mörder und durch Bombenanschläge auf mehr als hundert ihrer Firmen, Büros und Gebäude der MHP hat die Devrimci Sol diesen Kräften ihr "Existenzrecht" streitig gemacht und sie schrittweise aus den Schulen, Fabriken, Bezirken und Städten verdrängt. Kurz nach ihrer Gründung führte die Devrimci Sol in Istanbul einen ihrer ersten großen Streiks und einen Überfall auf das faschistisch Zentrum in Gültepe (September 1978) als Protest gegen die zivilfaschistische Besetzung durch. In Gültepe lag ein Slumgebiet, in dem vor allem von ihren Dörfern abgewanderte Menschen lebten. Dieses Gebiet befand sich unter der Herrschaft der Zivilfaschisten. Militante der Devrimci Sol bombardierten das Gebäude der MHP, zerstörten die Arbeitsstätten der faschistischen Chefs und bestraften letztere. Diese Aktion war ein erstes Zeichen für die weitere Linie der Devrimci Sol im Kampf gegen den zivilfaschistischen Terror, das dringendste Problem dieser Zeit. Nach den Entlassungen und nachdem viele Genossen aus dem Knast ausgebrochen waren, hat unsere Organisation nach 1989 einen gewissen Höhepunkt erreicht. Der bewaffnete Kampf gegen die Regierung, gegen die Folterer, gegen die Verräter wurde verstärkt. Die Organisation hatte in verschiedenen Gebieten Strukturen aufgebaut.
Bis 1991 war es erstmal eine erfolgreiche Zeit. Durch die Vielzahl von Aktionen gegen Faschismus und Imperialismus wurde Devrimci Sol mit ihren Anschauungen eine Kraft im Bewußtsein der Völker der Türkei und in der ganzen Welt bekannt. Während die kurdischen Patrioten den bewaffneten Kampf in Kurdistan verstärkten, haben wir versucht, ihn in der gesamten Türkei zu fuhren. Genau davor hatte ja der Feind größte Angst, daß sich der bewaffnete Kampf, der von der PKK in Kurdistan gestärkt worden war, über die ganze Türkei ausbreitet. Und genau dies haben wir versucht.
Viele Menschen aus den Massen haben in dieser Zeit begriffen, daß die Befreiung nur auf der Grundlage der Völkerfreundschaft erkämpft werden kann, und Devrimci Sol wurde zu einer Organisation, die dies repräsentierte. Durch den Kampf gegen die Politik der Regierung in Kurdistan mit ihren Massakern, gegen die Folterer, gegen die Generäle und gegen die Stützpunkte des Imperialismus im Land wurde Devrimci Sol in den Augen der Bevölkerung zu einer Hoffnung.
Natürlich sind viele unserer GenossInnen während dieses Kampfes gefallen. Durch Fehler, die wir gemacht haben, war die Regierung in der Lage, Massaker anzurichten. In dieser Zeit wurde uns durch die vermehrten Aktionen der Oligarchie gegen uns immer bewußter, daß es sich hierbei um einen richtigen Krieg handelt. Wir wurden auf allen Ebenen angegriffen, unsere Vereine wurden gestürmt, GenossInnen von uns ermordet und viele Menschen von der Polizei verhaftet. Unsere Haltung gegenüber den Massakern der Oligarchie hat in den Massenbewegungen zu einer großen Sympathie geführt.
Obwohl wir in dieser Zeit durch die Angriffe der Oligarchie organisatorische Rückschläge erlitten, bestand in den Massen ein Vertrauen gegenüber unserer Organisation. In dieser Zeit war es natürlich die Aufgabe, diese Sympathie und Unterstützung von Seiten der Bevölkerung in eine organisierte Kraft umzusetzen.
Wenn wir zurückschauen, können wir sagen, daß wir dabei nicht sehr erfolgreich waren. Dies hat verschiedene Ursachen. Es liegt an innerorganisatorischen Fehlern und an den Angriffen der Oligarchie.
Zu dieser Zeit gab es zwei Organisationen, die den bewaffneten Kampf führten, einerseits die PKK, die ihren Kampf auf die Grundlage der nationalen Befreiung gestellt hatte, auf der anderen Seite Devrimci Sol, die ihren Kampf auf eine sozialistische Grundlage gestellt hat.
Die Aktionen anderer Organisationen waren damals kaum der Rede wert. In einer Zeit, in der die sozialistischen Werte allgemein angegriffen werden, haben wir mit unserem Kampf die marxistisch-leninistischen Überzeugungen verteidigt.
Der bewaffnete Kampf ist zu einer Tradition geworden. Für diese Tradition steht das Blut von Hunderten von Gefallenen. Obwohl wir viele Rückschläge erleiden mußten und viele Gefallene haben, und zur Zeit große Probleme in der Organisation haben, führen wir auch heute den Kampf gegen Faschismus und Imperialismus fort. Um die aktuellen Probleme in Devrimci Sol verstehen zu können, müssen wir kurz in die Vergangenheit, zurück bis 1970, gehen.
Dies deswegen, weil unsere historischen Wurzeln bis 1970 zurück reichen. Damals begann die THKP-C ihren bewaffneten Kampf auf anti-imperialistischer Grundlage. Er wurde von den Massen mit großer Sympathie angesehen. Dieser Kampf war von den Kämpfen in Vietnam und Kuba beeinflußt.
Dies heißt nicht, daß die Kämpfe in Vietnam und Kuba einfach auf die Türkei übertragen wurden, der Kampf der THKP-C hatte seinen eigenen Charakter. Sie stellte sich sowohl gegen den sowjetischen Revisionismus als auch gegen die Linie der chinesischen KP.
Für das Verständnis der gesamten Entwicklung muß man wissen, daß sich die THKP-C in dem Konflikt zwischen der sowjetischen und der chinesischen KP nicht auf eine der beiden Seiten schlug, wie viele der anderen Organisationen, sondern überhaupt gegen diesen Konflikt Stellung bezog. Auch später hat sich die THKP-C immer dagegen gewandt, daß sich sozialistische Organisationen militant bekämpfen, was während der folgenden Zeit unter türkischen linken Organisationen immer wieder vorkam.
Die THKP-C gewann innerhalb kürzester Zeit auf dem gesamten Gebiet der Türkei Einfluß bei den Massen, weil sich ihre Analysen auf die Bedingungen in der Türkei bezogen und für diese Situation Antworten bereithielten. Obwohl die THKP-C eine junge Organisation war und nicht sehr viel Erfahrung besaß, hat sie einen entschlossenen Kampf geführt. Aber bei dem Schlag 1972 erlebte sie eine physische Niederlage, als ihre höheren Kader in Kizildere ermordet wurden. In der Folgezeit war es anfangs sehr ruhig. Während die THKP-C zerschlagen war, besaß sie nach wie vor Tausende von Sympathisanten und Anhängern. Ab 1974 setzte in der Jugendbewegung eine Entwicklung ein, die THKP-C neu zu organisieren. Die Menschen, die damals in der Jugendbewegung aktiv waren, stellen heute führende Kader von Devrimci Sol.
Damals gab es vor allen Dingen zwei Probleme. Das erste war, die Analysen der THKP-C richtig zu verstehen, das zweite, die Organisation neu aufzubauen. Es gab zwar viele kleinere Organisationen, die die Thesen der THKP-C für sich reklamierten, aber keine von ihnen baute den bewaffneten Kampf auf, viele von ihnen erklärten ihn später sogar für falsch. Mancher dieser Gruppen, die die Thesen der THKP-C verteidigten, waren anfänglich sehr erfolgreich damit haben dies aber später nicht weiterentwickelt. Die heutigen Kader von Devrimci Sol organisierten sich damals unter dem Namen Devrimci Yol. Diese Bewegung hatte den Charakter einer Massenorganisation und existierte in der gesamten Türkei. Parallel zu unserer Organisierung hatte natürlich auch die Regierung begonnen, Vorkehrungen zu treffen. Sie förderte einerseits die Verbreitung zivilfaschistischer Organisationen, andererseits setzte sie die Programme des Weltwährungsfonds (WWF) in der Türkei durch. Natürlich konnte sie damit die Krise nicht lösen. Die linken Organisationen mußten gegen die Vorbereitung des Bürgerkrieges Antworten finden.
Aber leider unternahm Devrimci Yol in dieser Hinsicht keine Schritte. Devrimci Yol hatte nicht die Kraft entwickelt, die Probleme des Klassenkampfes und des Bürgerkrieges zu lösen. Die Regierung begann damals eine Politik, die Revolutionäre mit Hilfe der Faschisten aus den Stadtteilen, Schulen, Universitäten usw. zu vertreiben. Leben und Besitz der Menschen waren gefährdet, weil die Faschisten ihre Häuser stürmten, die Menschen herauswarfen und ihre Kinder ermordeten. In dieser Situation hätte entschlossen gehandelt werden müssen. Devrimci Yol aber entwickelte keine aktive Politik dagegen, sondern versuchte nur, das einmal erreichte zu verteidigen. Darüber gingen natürlich auch die Dinge, die wir erreicht hatten, wieder verloren. Die faschistische Bewegung fing an, langsam auch auf dem Land stärker zu werden. In dieser Zeit bildeten die Faschisten zusammen mit der konservativen Partei eine Koalitionsregierung. Ab 1976 gab es darüber eine Auseinandersetzung in Devrimci Yol. Der Istanbuler Flügel der Bewegung wollte den Thesen der THKP-C wieder zu ihrem Recht verhelfen. Außerdem wollte er eine aktive Linie gegen die faschistischen Angriffe und Besetzungen durchsetzen. Sie wollten, daß die Bewegung eine disziplinierte und kämpfende Organisation wird. Diese Auseinandersetzung dauerte bis 1978.
Damals war die Diskussion in eine Sackgasse gelangt. Der Ankara-Flügel der Bewegung erklärte sich selbst zur Zentrale und versuchte, den Istanbul-Flügel herauszudrängen. Die Ankara-Fraktion erkannte den bewaffneten Kampf zwar politisch an, hatte ihn aber praktisch nicht entwickelt. Die Kader und die Massen wurden belogen, wie sich 1978 schließlich herausstellte. Es gab nur folgende Alternativen: entweder zu den faschistischen Angriffen zu schweigen nach dem Motto "Solange die Schlange mir nichts tut, soll sie tausendmal leben" und nur die eigenen Stellungen verteidigen, oder aber den bewaffneten Kampf gegen den faschistischen Terror zu führen. 1978 haben wir uns von Devrimci Yol getrennt und angefangen, uns unter den Namen Devrimci Sol und Devrimci Genclik zu organisieren. Wir haben bewaffnete Kampfeinheiten gegen den faschistischen Terror gegründet. Wir haben den Kampf gegen diesen Terror verstärkt und uns hierzu zusammen mit der Arbeiterklasse und der Jugendbewegung organisiert. Wir haben damals angefangen, die Faschisten aus den Stadtteilen und den Schulen herauszuwerfen und haben dafür eine massenhafte Unterstützung erreicht. Diese Entwicklung vollzog sich in den meisten Städten Anatoliens. In der Zeit des Putsches 1980 hatten wir gerade eine zweijährige Geschichte. Unsere Erfahrungen im bewaffneten Kampf hatten wir vor allem in den Städten gemacht.
Wir waren leider noch keine Partei. Wir haben versucht, in verschiedenen Sektoren Strukturen aufzubauen, aber wir hatten erst den Stand einer Bewegung, noch nicht den einer Partei erreicht. In diesen zwei Jahren hatten wir uns bei Freund und Feind Anerkennung verschafft. Als wir uns von Devrimci Yol trennten, hatten wir nicht einmal eine einzige Waffe, aber in kürzester Zeit hatten wir eine massenhafte Organisierung erreicht und waren zum Ziel für die Oligarchie und die Zivilfaschisten geworden. In diesen zwei Jahren verdrängten wir die anderen linken Organisationen mit ihren revisionistischen und opportunistischen Anschauungen aus der politischen Landschaft.
In dieser Zeit versuchten wir auch, eine Landguerilla aufzubauen. Ein Teil der Niederlage der THKP-C war auch, daß sie nicht in der Lage gewesen war, eine Landguerilla aufzubauen. Obwohl Devrimci Sol zwischen 1978 und 1980 versuchte, dies zu tun, war die Arbeit daran noch nicht kontinuierlich genug. Es handelte sich vielmehr um erste Schritte, weil uns bewußt war, daß der Kampf in der Stadt nicht ausreichte. Um erfolgreich zu sein, mußte man sich sowohl in der Stadt als auch auf dem Land organisieren. 1980 gab es wieder einen Militärputsch. Inflation, Teuerung, Arbeitslosigkeit, Unterdrückung und Terror waren in dieser Zeit am größten. Im Gegensatz zu 1972 war die Bourgeoisie 1980 in einer noch tieferen Sackgasse angelangt. Die Auseinandersetzung zwischen der Bevölkerung und den Revolutionären auf der einen Seite und den Faschisten und der Regierung auf der anderen Seite verschärften sich zunehmend. Unsere Bewegung hatte schon Monate vor dem Putsch richtig analysiert, daß das Militär wieder die Macht übernehmen wurde. Obwohl wir dies schon Monate vorher wußten, konnten wir auf organisatorischer Ebene keine Vorkehrungen treffen, die ausgereicht hätten, uns gegen die Folgen des Putsches zu schützen.
Trotzdem, wir haben die Gefahr nicht ernst genug genommen, wir dachten, daß der Militärputsch keinen Unterschied zu der Regierung vorher bedeuten würde. Wir hatten uns beim Aufbau der bewaffneten Einheiten darauf konzentriert, die Zivilfaschisten zu bekämpfen. Diese Einheiten waren aber nicht in der Lage, dem Militärputsch etwas entgegenzusetzen, weil ihre Organisierung und Disziplin hierzu nicht ausreichte.
Damals stellte sich auch heraus, daß die Organisation immer noch Fehler aus der Zeit von Devrimci Yol mit sich herumschleppte. Wir waren während des Putsches nicht in der Lage, alternative Strukturen hervorzubringen, wenn eine Struktur zerstört wurde, konnte sie nicht mehr ersetzt werden. Obwohl wir in der Zeit vor dem Putsch sehr schnell an Zahl zugenommen hatten, hatten wir es versäumt, genügend Kader heranzubilden, weil wir die Wichtigkeit dieser Frage unterschätzt hatten.
Der andere Punkt ist, daß es uns nicht gelang, eine Aktionseinheit aller linken Kräfte gegen den Putsch zu bilden. Das Ergebnis war, daß unsere Organisation und die gesamte übrige Linke eine Niederlage erleben mußten. Seit dieser Zeit organisierte sich der Kampf mehr in Europa, im Nahen Osten und in den Gefängnissen. Die Exilpolitik widersprach unseren Anschauungen. Weil unsere Kader im Gegensatz zu den Kadern der anderen Organisationen nicht ins Ausland gegangen waren, waren wir die ersten, die wieder in der Lage waren, den Widerstand in den Gefängnissen und im Land selbst zu organisieren. Unsere Haltung führt zu großer Hochachtung bei den Massen. Unsere Organisation hat die Prüfung dieser schweren Tage bestanden, ist mit Erfolg aus dieser Phase herausgekommen und konnte sich neu organisieren. In ihrer späteren Phase hat Devrimci Yol die Thesen der THKP-C liquidiert. Zur Niederlage der THKP-C sagten sie dies: Es gab keine ideologische Einheit. Die THKP-C war nicht auf der Grundlage einer gemeinsamen Ideologie, sondern aufgrund der gemeinsamen Lebenssituation ihrer Kader zusammen. Es gab keine Verbindung zwischen den Organen der Partei. Und schließlich griff Devrimci Yol auch den Avantgarde-Gedanken der THKP-C an. Während die THKP-C den Aufbau einer Avantgarde-Organisation in den Vordergrund stellte, hielt Devrimci Yol im antifaschistischen Kampf folgende Punkte für die wichtigsten. Zum ersten die Gründung von antifaschistischen Widerstandskomitees, die vom Volk selbst organisiert werden. Hierbei vertrauten sie vollkommen auf die Selbstorganisierung der Massen und unternahmen keine eigenen Schritte, um den antifaschistischen Kampf voranzutreiben. Sie vertraten eine Strategie des passiven Widerstandes gegen den Faschismus und damit eine kleinbürgerliche Anschauung. Konsequenterweise ist die Organisation nach dem Putsch vollständig zerfallen. Während der Spaltung hat Devrimci Yol uns gegenüber zu den Waffen von Lügen und Demagogie gegriffen.
Vor allen Dingen führten sie eine Verleumdungskampagne gegen die führenden Kader von Devrimci Sol. In die Städte, in denen Devrimci Sol besonders stark war, schickte Dev Yol besonders radikale und militante Kader, um zu verhindern, daß Devrimci Sol an Einfluß gewinnt. In dieser Zeit gab es keine bewaffneten Auseinandersetzungen.
Allerdings kam es zu Prügeleien und mancherorts wurden Devrimci Sol-Anhänger angegriffen. Und es wurde von Devrimci Yol ein Quasi-Politikverbot gegen Kader von Devrimci Sol verhängt. In solchen Aktionen drückte sich die Kraftlosigkeit von Devrimci Yol aus. Damals kam es zu vereinzelten Austritten von Devrimci Sol Genossen, aber es wurde von uns niemals Gewalt angewendet. All dies, was damals passiert ist, hat auch eine Bedeutung für heute.Nach dem Todesfasten 1984 gab es 1989 im Gefängnis eine erste wichtige Auseinandersetzung in der Organisation. Sie fand unter den drei Mitgliedern eines Komitees statt, Bedri Yagan, Sinan Kukul und Dursun Karatas. Zu dieser Diskussion gab es natürlich eine Vorgeschichte.
Es gab damals Fehler auf der zentralen Ebene der Organisation. Es gab Auseinandersetzungen über den Widerstand in den Gefängnissen, über die Beurteilung der Kader und die Methode, diese bei Fehlern zu bestrafen. In den Gefängnissen haben sehr viele Genossen die Organisation verlassen. Auch die Gründe hierfür wurden diskutiert. Bei diesen Diskussionen hat Dursun Karatas immer wieder seine Meinung durchgesetzt und darauf bestanden, daß er alleine Entscheidungen bezüglich der Genossen treffen dürfe. Diese Entscheidungen waren nicht Ergebnis eines kollektiven Prozesses. Aber auch wenn sie nicht seiner Meinung waren, ließen Sinan Kukul und Bedri Yagan sie zu. Von Zeit zu Zeit gab es Widerstand von den beiden gegen Karatas-Beschlüsse. Die Vorwürfe, die unsere beiden Genossen gegen Karatas hatten, waren folgende: Daß er die Entscheidungen alleine treffe, daß er nicht auf sie höre, daß er eine kollektive Arbeit verhindere, daß er ein pragmatistisches Herangehen an die Probleme habe, daß er sie (gemeint sind seine Genossen im Komitee) immer falsch verstehe, zusammengefaßt, daß er sich immer in den Mittelpunkt stelle und eine Ein-Mann-Fünrung beanspruche. Diese Anschauung würde zu Problemen in der Organisation führen. Sinan Kukul vertrat in dieser Hinsicht kollektive Prinzipien. Bedri Yagan unterstützte Sinan in diesen Diskussionen. 1989 nahmen diese Auseinandersetzungen eine andere Form an.
Karatas hat damals Bedri Yagan und Sinan Kukul angegriffen. Er wollte die Anwälte, die Devrimci Sol in den Prozessen verteidigten, austauschen. Seiner Meinung nach verhielten sich die Anwälte ihm gegenüber nicht anständig. Bedri Yagan und Sinan Kukul hielten dem entgegen, daß die Anwälte sie seit Beginn des Prozesses vertraten und ihr Vertrauen besitzen. Sie sagten Karatas, daß er vielleicht zu nervös sei und deswegen Probleme mit den Anwälten bekommen hätte. Karatas erwiderte darauf: "Ihr verteidigt die Anwälte gegen mich. Ihr wollt mich fertigmachen. Was habt ihr vor?" Karatas konstruierte einen Zusammenhang zwischen der aktuellen Diskussion und den Auseinandersetzungen davor. Karatas bestrafte dann Sinan, indem er ihn zum Schweigen brachte, ihm seine Verantwortungsbereiche nahm und ihn aus dem Komitee herausdrängte.
Bedri Yagan stellte sich dagegen, er sagte: "Das kannst du nicht machen. Wir werden die Kader zusammenrufen." Daraufhin kamen einige Kader zusammen, und das Problem wurde mit ihnen diskutiert. Auch hier wurden die gleichen Kritiken gegen Dursun Karatas vorgebracht. Die Kader äußerten sich dazu so: "Warum habt ihr dieses Problem vor uns gebracht? Löst eure Probleme unter euch selbst. Wir wollen daß es eine Lösung gibt." Daraufhin machte Karatas einen kleinen Rückzieher. Eigentlich war es eine Diskussion darüber, wie eine Organisation geführt werden sollte. Karatas sagte: "Ich habe diese Organisation bis heute so geführt und ich werde das auch weiterhin so tun. Ich habe nie andere Kader nach ihrer Meinung zu meinen Beschlüssen gefragt. Dies ist unsere Wahrheit, ob ihr es glaubt oder nicht. Ihr kennt unsere Wahrheit nicht. Auch vor 1980 habe ich diese Organisation so geführt, und das wird auch so weitergehen."
Sinan Kukul sagte, daß eine solche Anschauung zu schweren Problemen in der Organisation führen werde. Mit einer solchen Anschauungen könne eine revolutionär Organisation nicht geführt werden. Er sagte, daß die Organisation auf einer marxistisch-leninistischen Grundlage, das heißt kollektiv geführt werden müsse. Er sagte, daß es kaum möglich sei, seine Meinung zu äußern, die Menschen hätten Angst davor, falsch verstanden zu werden. Deswegen finde keine produktive Diskussion statt. Die Menschen würden unter Druck gesetzt, dies führe zu Bürokratie und Fäulnis innerhalb der Organisation. Das Ergebnis der Auseinandersetzung war, daß Karatas zwar einen Rückzieher machen mußte und Sinan Kukul und Bedri Yagan nicht ganz von ihren Funktionen entfernen konnte, allerdings hat er sie trotzdem bestraft.
Er stellte die Kader vor die Alternative: "Entweder die oder ich!"
Das war das Ende dieser Diskussion.
Wie wir oben schon erzählt haben, sind einige Genossen, vor 1989 aus dem Gefängnis entlassen worden. Das Leitungskormitee von Devrimci Sol außerhalb des Gefängnisses war an dieser Diskussion nicht beteiligt und hat daher auch keine Meinung dazu geäußert, sie haben geschwiegen. Außerhalb des Gefängnisses sich Devrimci Sol 1989 gestärkt. 1989 wurden die Massenfluchten aus den Gefängnissen organisiert. Ganz zu Anfang entkamen Dursun Karatas und Bedri Yagan. Mit der Zeit kamen alle führenden Kader bei den Fluchtaktionen aus dem Gefängnis. Direkt nachdem er aus dem Gefängnis entkommen war, versuchte Dursun Karatas, die Führung von Devrimci Sol ganz unter seine Kontrolle zu bringen. Das ZK sah an diesem Beschluß von Karatas nichts außergewöhnliches. Vor seiner Flucht gab es draußen ein dreiköpfiges Führungskomitee. Karatas hat dieses Komitee kritisiert und zwei Genossen aus diesem Komitee entfernt. Aber auch mit Niyazi Aydin, dem letzten aus dem alten Komitee, hatte Dursun Karatas noch ein Hühnchen zu rupfen. Auch ihn wollte er aus der Führung herausdrängen, allerdings mußte er sich dabei etwas Zeit lassen. Unmittelbar nach seiner Flucht konnte er noch nicht auf Niyazi Aydin verzichten. Niyazi Aydin stimmte mit Karatas nicht überein und war dagegen, das Dreier-Komitee aufzulösen. Er war der Meinung, daß die Kritik von Karatas nicht zu Recht bestünde. Karatas hatte die Genossen aus dem Komitee beschuldigt, daß sie nicht aktiv wären. Er beschuldigte sie, die alten Traditionen und Gewohnheiten, die zu den Fehlern von 1980 geführt hatten, zu verteidigen. Sie hätten der Organisation keine Struktur gegeben. Es herrschten keine Disziplin und keine Verbindlichkeit. Später ließ Karatas sich von allen Kadern eine persönliche Treueerklärung unterschreiben. Die Mehrzahl von ihnen kam dem auch nach. In dieser Zeit ging Bedri Yagan in den Nahen Osten, wo er zum Hauptverantwortlichen wurde. Doch bevor er dies wurde, mußte er eine Selbstkritik wegen der Auseinandersetzung 1989 leisten Das gleiche verlangte Karatas auch von Sinan Kukul. Er wurde drei Monate unter Hausarrest gestellt und durfte nichts machen. Auch von Sinan erzwang er so eine Selbstkritik.
Trotz all dieser Vorfälle haben die beiden ihre Aufgaben in der Folgezeit verantwortungsvoll wahrgenommen. Sie wollten der Organisation keine Probleme bereiten und eine Spaltung verhindern. Danach wurden Schritte unternommen, um der Organisation eine Struktur zu geben. Die meiste Arbeit lag auf den Schultern von Niyazi Aydin, weil er der Kader mit der meisten Erfahrung in der Untergrundarbeit war.
Die anderen waren erst kürzlich aus dem Gefängnis geflohen, und sie hatten Probleme, mit der Zeit Schritt zu halten. Ein Militärkomitee wurde gegründet. Es wurde beschlossen, die Bewaffneten Revolutionären Einheiten (Silahli Devrimci Birlikleri SDB) zu erweitern. Um dies zu erreichen, wurden viele Kämpfer aus den Stadtteilen und aus der Jugendbewegung in den Untergrund gebracht. Die Untergrundarbeit beschleunigte sich. In verschiedenen Städten Anatoliens wurden SDB's aufgebaut. Damals begann auch die Arbeit am Aufbau der Landguerilla. Der Kampf der Stadtguerilla verstärkte sich. Diese Entwicklung setzte sich bis zum 12. Juli 1991 fort. Bis dahin erlitt die Organisation keine schweren Rückschläge, und verfolgte in der Praxis eine erfolgreiche Linie. Den ersten schweren Rückschlag erlitten wir am 12. Juli. Bis auf Dursun Karatas verloren wir alle Kader der damaligen Führung. Die Hintergründe dieser Operation sind leider noch nicht aufgeklärt. Karatas war damals in Istanbul, er hatte keine direkte Verbindung zu den gefallenen GenossInnen. Deswegen kam die Polizei nicht an ihn heran. Nach diesem Rückschlag wurde Karatas zu seiner Sicherheit ins Ausland gebracht. Dies sollte nur vorübergehend sein. Wir mußten einen neuen Führungsmechanismus aufbauen. Hierfür trugen Sabahat Karatas, Sinan Kukul und Fazil Ercüment die Verantwortung. Zur 12. Juli-Operation kann man einiges sagen. Es gibt GenossInnen, die diese Operation überlebt haben. In ihren Erklärungen zum 12. Juli weisen sie darauf hin, daß die Operation durch die Benutzung von Telefonen herbeigeführt worden sein könnten. Da Karatas selbst einen ähnlichen Verdacht hatte, benutzte er in der folgenden Zeit sein Mobiltelefon nicht mehr.
Bei dieser Operation verloren wir 12 Genossen und Genossinnen. Es hatte bei dieser Operation eigentlich zu gleicher Zeit in Istanbul an fünf verschiedenen Stellen Aktionen der Polizei gegeben. Es kann sich bei dieser Operation um einen Zufallserfolg für den Staat handeln, der dadurch verursacht wurde, daß von einem Telefon aus mit den fünf Orten telefoniert wurde, an denen die Polizei dann unmittelbar zugriff. Sie wußten nämlich auch unmittelbar nach der Operation noch nicht, wen genau sie da eigentlich umgebracht hatten.
Allerdings hatten verschiedene Leute auch Zweifel an einem Zufallserfolg der Staatskräfte, weil so viele führende Kader zur gleichen Zeit umgebracht oder festgenommen wurden. Allerdings passierte den Strukturen, für die die Gefallenen verantwortlich waren, nichts. Dies weist darauf hin, daß der Zugriff nicht auf erfolgreiche Observationen der nachgeordneten Strukturen durch den Staatsschutz zurückzuführen ist. Obwohl es darauf auch keine Hinweise gegeben hat, beschuldigt Karatas heute Genossen, sie hätten das Massaker durch Unvorsichtigkeit verursacht.
Es ist so, daß Karatas für eine gewisse Zeit nach den Operationen die Verbindung zu unseren GenossInnen gekappt hatte. Sie dachten zunächst, daß er auch verhaftet worden oder ums Leben gekommen wäre. Karatas machte für den Rückschlag die 'alte Kultur und Disziplinlosigkeit' verantwortlich.
Nach einer kurzen Zeit, in der wir keine Aktionen unternahmen, begannen wir wieder mit bewaffneten Angriffen. Dies dauerte bis zum 16./17. April 1992 an. Dursun Karatas war in dieser Zeit im Ausland. Am 16./17. April 1992 kam es zu einer ähnlichen Operation der Staatskräfte gegen uns wie im Juli 1991. Bei dieser Operation wurden elf unserer Genossen und Genossinnen ermordet. Neben anderen waren auch alle aus der damaligen Führung im Lande dabei. Auch die Hintergründe dieser Operation wurden nicht aufgeklärt. Es gab bei dieser Operation zwar keine Überlebenden in den Wohnungen, die die Sonderkommandos gestürmt hatten, aber es gab Leute, die am selben Tag noch Kontakt zu den Gefallenen hatten. Nach der Überzeugung dieser Genossen handelte es sich wahrscheinlich um einen ähnlich günstigen Zufall für die Staatskräfte, wie er schon 1991 vermutet worden war, bei dem sie über einen Knoten Leute an verschiedenen Orten ausmachen konnten. Auch diesmal passierte den nachgeordneten Strukturen nichts. Deswegen konnte das Massaker auch sofort mit Aktionen beantwortet werden, am gleichen Tag und in den folgenden Tagen wurden zahlreiche Bestrafungsaktionen und Bombenattentate verübt. Auch das Telefonat, daß die bei der Operation gefallene Sabahat Karatas während der Aktion geführt hat, ist für die Hintergründe interessant. Für Sabahat war die Operation völlig überraschend, weil sie selber nicht observiert worden und 'sauber' war. Auch die Verbindungen der anderen GenossInnen waren "sauber". Hier müssen wir etwas dazu sagen, wie Karatas seine Verbindungen zur Türkei unterhielt. Genau wie 1991 führte er die Organisation auch zu diesem Zeitpunkt über Mobiltelefon, und es wurde eine ungeheure Zahl von Faxen verschickt. An dieser Stelle wollen wir nicht näher ins Detail gehen. Denn das allein ist schon aufschlußreich genug. Kurz nach dieser Operation erlitten wir wieder einen zentralen Rückschlag, den Gepze-Bayramoglu-Rückschlag.
Bei diesem Vorfall wurden fünf Genossen verhaftet, wobei sie gerade noch dem Tode entkamen. Der Grund dafür war, daß die Polizei von Gepze eingegriffen hat, noch bevor die Anti-Terror-Einheiten zur Stelle waren, weil sie befürchtete, sonst zu spät zu kommen. Hätten die Anti-Terror-Einheiten die Aktion durchgeführt, wäre keiner der fünf mehr am Leben. Außer diesen zentralen Verlusten gab es noch weitere bei den Bewaffneten Kämpfenden Einheiten (SDB). Immer mehr GenossInnen wurden "verschwinden" gelassen. Dies alles wurde versucht, in der Organisation zu diskutieren. Nach jedem Rückschlag versuchte Bedri Yagan, mit Karatas darüber zu sprechen. Sein Grund war, daß die Operationen eine demoralisierende Wirkung auf die Organisation hatten und ihre Hintergründe nicht aufgeklärt werden konnten. So konnten natürlich auch keine Vorkehrungen gegen weitere Rückschläge getroffen werden.
Die Polizei kannte unsere Methode, über Telefon zu kommunizieren, und hatte darüber einen Zugang. In dieser Hinsicht hatte sie Fortschritte gemacht. Dies zeigt, daß neben den technischen auch organisatorische Fehler gemacht wurden. Es gab keine Organe in der Bewegung. Dursun Karatas faßte seine Beschlüsse alleine und hielt Kontakt nur zu einzelnen Personen. In dieser Hinsicht war alles an ihn gebunden.
Weil keine Organe aufgebaut worden waren, mußten alle Arbeiten von Einzelpersonen erledigt werden. Hieran kann man sehen, wie sich organisatorische Fehler rächen.
Weil versäumt worden war, Strukturen aufzubauen, hatte niemand den Überblick, was in der Organisation passierte, und die Fehler, die im Einzelnen gemacht wurden, konnten von niemand aufgeklärt werden. Wenn Personen verhaftet wurden, konnte ihre Arbeit von niemand fortgeführt werden. Dieser Arbeitsstil führte zu einem Schrumpfen der Organisation. In den Köpfen der Menschen entstand Mißtrauen. Viele Kader verließen die Organisation. Die Probleme gelangten schließlich zu diesem Punkt. Unsere Politik hat zwar äußerlich dem Feind geschadet, uns aber innerlich verbrannt. Unsere Organisierung ging auf allen Gebieten zurück. In den SDB kam es zu Disziplin- und Prinzipienlosigkeiten und zu einem Sinken der Moral. Kurz gesagt, an dem Punkt, an dem wir heute angelangt sind, müssen wir folgendes bemerken: Die Leitung einer Organisation, die den bewaffneten Kampf führt, kann nicht im Ausland sitzen, sie muß sich in unserem Land befinden. Ungefähr anderthalb Jahre lang hat Dursun Karatas unsere Organisation aus dem Ausland geführt. Er hatte auch damit angefangen, den Rest der im Land verbliebenen Führung ins Ausland zu holen. Dies verteidigt er heute. Beim letzten Rückschlag in Gepze-Bayramoglu ist die zentrale Struktur unserer Organisation zerfallen. Jetzt war die Aufgabe, eine neue zentrale Führung aufzubauen. Über diesen Punkt wollte Bedri Yagan wieder mit Karatas diskutieren. Zum ersten wollte er die Hintergründe für die Rückschläge endlich aufklären. Hierzu wollte er eine Untersuchungskommission. Er wollte, daß auch das Handeln von Dursun Karatas von dieser Kommission untersucht würde. Er war der Überzeugung, daß diese Rückschläge auch durch die nichtkollektive Führung der Organisation verursacht worden wären. Außerdem wollte er zurück ins Land, um den Kampf dort voranzubringen. Dursun Karatas antwortete darauf: "Bleib bei mir. Ich werde dir einige Aufgaben übertragen. Es ist falsch, daß du ins Land zurückgehst."
Zum Aufbau der Organisation sagte Karatas dies: "Du fängst wieder an, mich zu diskutieren. Ich lasse mich nicht noch einmal von dir in eine Diskussion mit den Kadern hineinziehen. Du kannst nicht einfach nach Belieben zu den Kadern gehen. Ich habe dir diese Chance 1989 gegeben. Wenn du Kritik hast, dann schreib sie auf und gib sie mir. Du hast einen Monat Zeit, setz dich hin und überlege es dir." Die Genossinnen und Genossen in der Türkei wollten, daß entweder Karatas oder Bedri Yagan ins Land kommen sollten. Bedri Yagan stellte sich gegen das, was Karatas gesagt hatte. Er sagte, daß es wichtig sei, daß sich die Organisation wieder erneuere. Daran müsse sich jeder beteiligen. Alle Verbindungen müßten gründlich überprüft und neu organisiert werden. Ohne dies könnte sich die Organisation nicht vor neuen Rückschlägen schützen. Die Auseinandersetzung hatte diese Ergebnisse: Bedri Yagan wurde alle Verantwortung entzogen. Er wurde daran gehindert, seine Kritik weiter zu verbreiten, um eine Diskussion in der Organisation zu verhindern. Bedri Yagan hatte folgende Möglichkeiten.
Erstens, er hätte die Organisation verlassen können, er hätte sich beugen und die bisherige Führung anerkennen können oder er würde sich dagegen stellen. Aber auch hierzu blieben ihm nicht viele Möglichkeiten.
Entweder, er hätte Karatas überzeugt und eine Kaderplattform zusammenbekommen, oder er müßte gegen Dursun Karatas intervenieren und die Kader zusammenbringen. Karatas hatte sich von Anfang an gegen eine Diskussion gestellt und konnte nicht überzeugt werden. Er sagte, daß er sich in keiner Weise diskutieren lassen werde.
Die Auseinandersetzung war in einer Sackgasse, und aus dieser mußte herausgefunden werden. Außer Bedri Yagan gab es keinen, der dazu in der Lage gewesen wäre, weil er neben Dursun Karatas die einzige Person war, die den Überblick über die gesamte Organisation hatte. Bedri Yagan und zwei weitere Genossen intervenierten am 13. September gegen Karatas und setzten ihn fest. Karatas erhielt schriftlich die Gründe für diese Intervention. Es waren folgende: 1) Die unklare Rolle, die Karatas bei den Rückschlägen gespielt hatte; 2) Die in der Organisation aufgetretene Ein-Mann-Führung; 3) Die persönliche Disziplinlosigkeit von Karatas und seine Art, sich jeder Kontrolle der eigenen Person zu entziehen; 4) Der Zerfall der Kaderstruktur; 5) Das allgemeine Mißtrauen in die Organisation. Bei dieser Intervention wurde zusammen mit Karatas eine Vereinbarung unterschrieben. In kürzester Zeit sollte ein Treffen der führenden Kader stattfinden, bei dem diese Probleme diskutiert werden sollten. Bis zu diesem Treffen sollte es keine öffentliche Diskussion dieser Probleme geben. Bis zu dem Treffen sollten die drei Genossen, die die Intervention durchgeführt hatten, die Organisation leiten.
Diese Führung sollte rein vorübergehenden Charakter haben. Nur in Notfällen sollte die vorübergehende Führung Aufgaben von Kadern neu bestimmen, z.B. bei Verhaftungen, ansonsten sollte sie nicht in die Organisationsstruktur eingreifen. Dursun Karatas war insgesamt 45 Tage in Hausarrest. In dieser Zeit erhielt er alles, was er brauchte. Es wurde keine Gewalt gegen ihn gebraucht. Die führenden Kader in der Türkei wurden benachrichtigt, ins Ausland zu kommen. Dies brauchte allerdings wegen der Bedingungen der Illegalität etwas Zeit. In diesem Zeitraum machte Dursun Karatas immer wieder Probleme. Entgegen der Vereinbarungen wandte er sich selbst an Kader in der Türkei und verlangte von den Genossen, ihm Telefonnummern von Verbindungen in der Türkei zu geben, um die Kader selbst zu informieren und davon zu überzeugen, daß er wieder die Führung erhalten müsse. Weiterhin sagte er, daß er die Führung der Genossen, die die Intervention durchgeführt hatten, nicht anerkenne. Nach dem Eintreffen von Kadern aus der Türkei und dem Nahen Osten wurde Karatas freigelassen. Seitdem sind die Auseinandersetzungen immer mehr in eine Sackgasse geraten. Karatas sah die Intervention als Putsch an und nahm eine feindliche Haltung gegen die Genossen ein, die sie durchgeführt hatten. Zu Anfang wurde mit den Kadern, die aus der Türkei und dem Nahen Osten gekommen waren, eine dreiköpfige Kommission gebildet, die die Gründe für die Rückschläge untersuchen sollte.
Ohne aber eine Untersuchung durchzuführen und ohne einen Bericht abzuliefern, stellten sich zwei Genossen auf die Seite von Karatas. Nur die Verantwortliche für die Türkei stellte sich auf die Seite von Bedri Yagan. Seit dieser Zeit sind die Versuche, die Probleme in der Organisation zu lösen, ohne Erfolg geblieben. Dursun Karatas nahm folgende Position ein: 'Es handelt sich hier um einen Putsch. Die Führung muß wieder mir übergeben werden. Die Rückschläge können unter meiner Führung untersucht werden. Es könnte eine Kaderversammlung geben, aber zuerst muß ich wieder die volle Kontrolle erhalten, und die Putschisten müssen verurteilt werden.' Dies konnte natürlich nicht akzeptiert werden. Wie kann der Angeklagte den Vorsitz des Gerichts führen? Am 23. Dezember begann Karatas, seine Sicht der Dinge einseitig in der Türkei zu verbreiten. Die Auslandsorganisation, die Untergrundorganisation und die Organisation im Nahen Osten bezog Position gegen Karatas. Sie wollten, daß das Problem organisationsintern diskutiert werde. Sie sagten, daß es gute Gründe für die Intervention gegeben habe. Seitdem ist die Diskussion auf allen Ebenen im Gange. Karatas versuchte, über seine Beziehungen zur legalen Plattform (dies sind die legal arbeitenden Vereine, Zeitungen usw.), die Kader in allen Gebieten zu erreichen. Dadurch brachte er die Genossen und Genossinnen, die illegal arbeiteten, in große Gefahr. In der Folge versuchte er, alle, die Position gegen ihn bezogen hatten, von den Strukturen zu isolieren. Aufgrund all dieser Sachen haben wir Dutzende GenossInnen verloren. Diese Fahrlässigkeit führte auch zu der Operation vom 6. März, bei der Bedri Yagan und andere Genossen ermordet wurden. Noch davor, am 3. März, veröffentlichte Karatas verschiedene Ultimaten. Er setzte die Personen, die er als Putschisten bezeichnete, auf Todeslisten. Er erließ ein Diskussionsverbot, alle Verbindungen zu den sogenannten Putschisten sollten abgebrochen werden, wo immer sie auftauchten, sollten sie angegriffen werden. Seitdem kam es zu folgendem: Am 6. März war die Operation, bei der Bedri Yagan und andere Genossen ermordet wurden. Wir denken, daß Karatas dafür zumindest teilweise verantwortlich ist.
Ein großer Teil der Verluste in dieser Zeit hängt damit zusammen, daß Karatas die legale Plattform dazu benutzt hatte, illegal lebende Kader von Devrimci Sol in seinem Sinne zu informieren und zu beeinflussen. Diese in der illegalen Arbeit unerfahrenen Menschen brachten die Polizei auf die Spur von vielen unserer GenossInnen. Dies hat bei vielen dieser Menschen zu Demoralisierung, Schuldgefühlen und psychischen Zerstörungen geführt. Des weiteren kam es zur Stürmung und Besetzung von Wohnungen und Häusern durch die Anhänger von Karatas, Leute wurden von ihnen verprügelt, und es ist auch zu Morden gekommen. Das hat bis heute nicht aufgehört. Bis jetzt wurden neun unserer Genossen von ihnen ermordet. Bei einem Problem innerhalb der Organisation wenden sie Gewalt an. Solche Methoden haben wir bis heute weder verteidigt noch gebraucht. Es ist keine revolutionäre Haltung, solche Methoden zu verteidigen. Wer Revolutionäre umbringt, hat keine Zukunft. Wir selber haben keine derartige Angriffspolitik verfolgt. Allerdings vertreten wir die Ansicht, daß wir uns selbst verteidigen müssen. Alles, was wir bisher unternommen haben, war durch diese Haltung gerechtfertigt. Bis heute war es so, daß die Oligarchie es war, die Kader von Devrimci Sol ermordete, jetzt aber tun dies Dursun Karatas und seine Anhänger. Damit dienen sie nicht der Revolution sondern der Konterrevolution.Wir möchten unsere Freunde jetzt aufrufen: Laßt uns das Feuer löschen! Wenden wir uns gegen die Auffassung, die Angriffe gegen Revolutionäre legitimiert und dies in ihren Zeitungen veröffentlicht. Dies ist nicht nur ein Problem von Devrimci Sol, sondern ein Problem aller Revolutionäre.
Unser oberstes Interesse ist der Fortschritt der Revolution. Wir als Devrimci Sol stehen nicht gerne mit einem solchen Problem vor unseren Freunden. Devrimci Sol ist eine Bewegung, die bis heute immer wieder ihre Schwierigkeiten überwunden und sich erneuert hat.
Devrimci Sol hat immer wieder ihre geschichtliche Dynamik bewiesen und Anziehungskraft für die Massen entwickelt.
Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Einheit der Organisation wieder herzustellen und sie zu stärken. Vor allen Dingen muß die Ideologie der Ein-Mann-Führung verurteilt werden. Die Organisation muß eine kollektive Führung erreichen. Dies muß eine Organisierung auf leninistischer Grundlage sein. In dieser Hinsicht muß die Organisation von kleinbürgerlichem Denken und kleinbürgerlichem Ballast befreit werden.
Das war das Ziel der Initiative vom 13. September. Die Genossen, die für diese Initiative verantwortlich waren vertreten den wahren Geist und die Traditionen von Devrimci Sol. Der Kampf von Devrimci Sol wird auch jetzt fortgeführt.
Einige Zeit wird es noch Probleme innerhalb der Organisation geben. Hier müssen auch unsere Freunde die Wahrheit verteidigen. Zuschauer zu bleiben und unparteiisch zu sein, wird dies Feuer noch weiter anheizen. Die Freunde von Devrimci Sol werden keine solche Haltung einnehmen, davon sind wir überzeugt.