Neonazis in der Region Aachen - ein kurzer Abriß
Von 1991 bis 1994, zur Zeit der rassistischen Morde und Pogrome in Hoyerswerda, Solingen, Mölln, Rostock und fast jeder anderen deutschen Stadt, ist es auch in und um Aachen zu zahlreichen Übergriffen von Neonazis gekommen. So sind in Eschweiler, Alsdorf und Würselen Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte verübt worden. In Herzogenrath-Kohlscheid haben rechtsextreme Skinheads am hellichten Tag ein Asylbewerberheim überfallen. Während die offen auftretende Naziszene in der Stadt Aachen auf massiven Widerstand getroffen war und sich letztendlich aus dem Straßenbild zurückziehen mußte, existierten in fast allen Orten des Kreises Aachen entsprechende Gruppen, meist aus jugendlichen Skinheads und ihrem Umfeld, die in einzelnen Ortsteilen das Straßenbild deutlich prägten, z.B. in Baesweiler-Setterich, Herzogenrath-Kohlscheid, Alsdorf-Ofden, Stolberg-Breinig und anderen. Immer wieder gab es verbale und tätliche Angriffe gegen Nicht-Deutsche und Andersdenkende.
Es ist klar, daß es sich dabei nicht nur um Einzelfälle handelte. Auch wenn bei weitem die wenigsten dieser Straßennazis irgendwelchen Organisationen angehörten, so gab es dennoch eine politisch organisierte Ebene im Hintergrund, die z.B. die Jugendlichen mit Propagandamaterial und ähnlichem versorgte.
Als erstes zu nennen ist hier der heute 25-jährige Sascha Wagner aus Herzogenrath-Merkstein, der schon als Jugendlicher die meisten Neonazi-Organisationen durchlaufen hat und in den letzten Jahren zu einem bundesweit führender Kopf der Jungen Nationaldemokraten geworden ist. Da er selber der rechtsextremen Skinhead-Subkultur und der anpolitisierten örtlichen Hooligan-Szene angehört, war es für ihn immer wieder ein leichtes, Zugang zu entsprechend gesinnten Jugendlichen zu finden, die Szene zu vernetzen und einzelne Jungnazis an überörtliche Strukturen heranzuführen.
Im Umfeld der inzwischen verbotenen Wiking Jugend mit Sitz auf dem Brockenberg in Stolberg-Büsbach unter Führung von Wolfgang Narath sind immer wieder auch örtliche Jungnazis aufgetaucht.
Zwischen den Neonazis und pseudodemokratischen Organisationen wie DVU oder Republikanern gab es auf örtlicher Ebene zahlreiche Kontakte und personelle Überschneidungen. Hier spielt Michael Schlee aus Eschweiler eine entscheidende Rolle. In seiner Heimatstadt ist der Kopierladenbesitzer vor allem als biederer Geschäftsmann bekannt, von seinen Vorstrafen wegen gefährlicher Körperverletzungen im Zusammenhang mit Nazi-Überfällen wissen die wenigsten. Dabei hat Schlee noch im letzten Sommer ein Wehrsportcamp mit jugendlichen Neonazis in der Nähe von Stolberg veranstaltet.
Das wiederum ist typisch für die Entwicklung der hiesigen rechtsextremen Szene in den letzten Jahren. Die offen auftretenden Gruppen haben sich zwar - nicht zuletzt in Folge der staatlichen Repressionswelle Mitte der Neunziger - weitgehend aufgelöst, aber die beteiligten Personen sind nach wie vor aktiv, treten nur zurückhaltender und nicht selten konspirativ auf, was sie nicht weniger gefährlich macht.
Ein wichtiges Rekrutierungsfeld für junge Neonazis ist nach wie vor die sehr vielschichtige Fan- und Hooliganszene von Alemannia Aachen. Personen wie Wagner, Schlee und vermutlich mehr als genug andere dienen nach wie vor als Kontaktleute zu Nazi-Organisationen. Die so aktivierten Neonazis verlagern ihre Tätigkeit in legale und halblegale Bereiche wie die Agitation an Schulen, Verbreitung von rechtsextremer Musik, die Organisation von überregionalen Aufmärschen oder Aktionen.
Nicht vergessen werden darf aber auch, daß die scheinbare Schwächung der Neonazis stark damit zusammenhängt, daß ein großer Teil ihrer rassistischen Forderungen von vor zehn Jahren inzwischen durch die Bundespolitik umgesetzt worden ist, z.B. durch die faktische Abschaffung des Asylrechts.
Das macht die Nazis jedoch keineswegs wirklich ungefährlicher, sondern bestärkt sie eher in ihrem Vorgehen, auch wenn sie gelegentlich das Mittel der Ruhe vor dem Sturm wählen müssen. Um sie in ihren Entfaltungsmöglichkeiten so weit wie möglich zu behindern, ist es dringend nötig, ihnen keine Stützpunkte zu gewähren. Es ist in den letzten Jahren z.B. in Aachen, Jülich und Alsdorf gelungen, geplante Anlaufstellen der Neonazis rechtzeitig zu zerschlagen - das sollte genauso in Eschweiler-Dürwiß möglich sein.