Presseerklärung vom 12.12.01

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Presseerklärung im Rahmen der Aktionstage gegen das Grenzregime der EU in Aachen

vom 12.12.2001

 

Linienbus vom BGS gekapert –

Einstündige Buskontrolle führt zu nichts

 

Ein Großaufgebot von Bundesgrenzschutz und der örtlichen Polizei hat am heutigen Vormittag einen Bus der Linie 24 an der Lütticher Straße eine Stunde lang aufgehalten. Ohne Angabe von Gründen haben BGS-Beamte sämtliche Ausweise von 17 „verdächtig aussehenden“ Personen im Bus eingesammelt und kontrolliert. Für die Dauer der Kontrolle wurden die betreffenden Personen im Bus festgehalten. Eine Person wurde gewaltsam aus dem Bus geschleppt, mit der Begründung, gegen ihn werde nun ein Ausreiseverbot ausgesprochen.

 

Während der weiteren Überprüfung der Daten konnte der Beschuldigte über Polizeifunk mithören, dass die Annahme bestünde, er werde an gewalttätigen Ausschreitungen gegen den EU-Gipfel in Brüssel teilnehmen. Kurze Zeit später kam der Einsatzleiter vor Ort (Herr Intorp vom BGS Aachen) zu dem Beschuldigten und teilte ihm mit, dass er zwar sehr häufig bei Demonstrationen negativ aufgefallen sei, er aber heute nach Belgien ausreisen dürfe. Er sagte weiterhin, dies könne sich jedoch morgen oder Freitag ändern. Daraufhin durfte der Beschuldigte seinen Weg mit der Gruppe – der Bus war nach ca. einer Stunde weitergefahren – zu Fuß fortsetzen.

 

Der Beschuldigte wurde bereits im Sommer an der Einreise nach Italien gehindert, mit der Begründung, dass sein Name auf der „deutschen Liste“ gespeichert sei. Gegen den Beschuldigten liegen ausschließlich eingestellte Verfahren und Freisprüche vor. Ein Ausreiseverbot gegen ihn hätte nach geltendem Recht ohnehin zurückgenommen werden müssen, da offensichtlich war, daß es sich nicht um eine Reise nach Brüssel handelte, sondern um einen Ausflug zur Grenze im Rahmen der Aktionstage. Die Linie 24 endet in Kelmis an der Grenze. Die TeilnehmerInnen des Ausflugs sind nach dem Grenzausflug wieder wie geplant nach Aachen zurückgekehrt, um an weiteren Workshops teilzunehmen. Der Verdacht der Teilnahme an gewalttätigen Aktionen in Brüssel bietet daher juristisch keine Grundlage für ein Ausreiseverbot. Darüber hinaus hat ein Urteil eines Berliner Verwaltungsgerichtes gestern die Verfügung von drei Ausreiseverboten für widerrechtlich erklärt und diese aufgehoben.

 

Der Vorfall verdeutlicht unserer Meinung nach zweierlei:

1.      Die Konzeptlosigkeit, mit der die Polizei willkürlich herausgegriffene AktivistInnen mit Ausreiseverboten belegt und diese nach 15 Minuten wieder aufhebt.

2.      Die Unverhältnismäßigkeit der Mittel, mit der eine knappe Hundertschaft hochgerüsteter Grenzschützer einen harmlosen Grenzspaziergang gewaltsam unterbindet. 3000 Beamte werden gegen einige Dutzend EU-KritikerInnen eingesetzt, um ein Klima der Angst zu erzeugen und die Kriminalisierung einer außerparlamentarischen politischen Opposition voranzutreiben. Diese Kriminalisierung bereitet den Boden für den willkürlichen Entzug der Grundrechte politisch unliebsamer Personen. Auf den willkürlichen Verdacht des BGS hin werden Menschen daran gehindert, ihre Rechte auf Bewegungsfreiheit und Versammlungsfreiheit wahrzunehmen.

 

Gerade seit dem 11. September fällt es den Befürwortern eines autoritären Staates in der BRD immer leichter, Freiheitseinschränkungen gegen BürgerInnen durchzusetzen, indem sie sich auf ein behauptetes „Sicherheitsbedürfnis“ ebendieser BürgerInnen berufen. Robert Faxen, Sprecher des Bündnisses „OpenUp“, kommentiert diese Entwicklung wie folgt: „Wenn Menschen, die sich kritisch und ohne Schere im Kopf mit den gesellschaftlichen Verhältnissen auseinandersetzen, vom Staat als Sicherheitsrisiko empfunden werden, dann wird deutlich, in welche politische Richtung die Reise geht: 1984 ist heute nicht mehr ganz so weit entfernt wie letztes Jahr.“

 

Ungeachtet des Vorgehens der Polizei haben sich die mittlerweile knapp 100 TeilnehmerInnen aus dem ganzen Bundesgebiet heute zu zahlreichen Workshops zusammengefunden, um sich mit inhaltlichen Themen wie EU-Politik, Rasterfahndung und Residenzpflicht für Flüchtlinge zu beschäftigen. Morgen soll nach einer Präsentation der Ergebnisse auf dem Abschlussplenum (12 Uhr, FO 7, Kármán-Auditorium) eine öffentliche Kundgebung am Kugelbrunnen stattfinden, gefolgt von einer Demonstration um 17 Uhr unter dem Motto „Für das Recht auf Bewegungsfreiheit“. Um 16 Uhr 30 wird am Infostand (ebenfalls am Kugelbrunnen) ein Pressegespräch stattfinden. Ein weiterer Pressetermin wird der kollektive Grenzübertritt am Freitagmorgen um 8 Uhr sein. Der genaue Ort wird ab Freitagmorgen 6 Uhr 30 unter der Telefonnummer 0173/14211611 und unter 0160/92010646 bekannt gegeben.