Verkürzte Kapitalismuskritik am Beispiel von Attac Deutschland |
- das Verhältnis zwischen Nationalstaaten und Transnationalen Konzernen und das Verhältnis zwischen Produktion und Spekulation Im
letzen Jahr (2000) haben sich verschiedenste Gruppen und Organisationen
zusammengeschlossen, um unter dem Namen Attac einige Auswirkungen von
Globalisierung zu kritisieren. Das Spektrum der von der französischen
Attac-Bewegung inspirierten Gruppen reicht von Organisationen, deren
Mitglieder vor wenigen Jahren noch radikale, kapitalismuskritische Positionen
vertreten haben und seitdem einen Etablierungsprozess durchgemacht haben (wie
der NGO Share) bis weit hinein ins bürgerliche Lager zu Gruppen wie Pax
Christi. Die Anzahl der beteiligten Gruppen ist enorm groß - fast alle größeren
zu in dem Bereich arbeitenden Organisationen finden sich hier wieder. Beim
Lesen der Texte und Protokolle von Attac sowie in Diskussionsveranstaltungen
wird deutlich, das es ihnen immer nur um Teilaspekte der Marktwirtschaft geht.
Die Systemfrage wird sehr bewusst nicht gestellt: die ehemals kritischeren
Gruppen wollen auf der einen Seite potentielle BündnispartnerInnen nicht
verschrecken und haben auf der anderen Seite im Zuge ihres
Etablierungsprozesses den glauben an grundlegende Veränderungen verloren -
der Großteil der beteiligten Gruppen hatte einen solchen Glauben jedoch nie
in ihren Strategien integriert gehabt - hier ging es schon immer um
Reformpolitik und Beteiligung an der Macht. Inhaltlich
wird durch diesen Weg, wie bei vielen anderen reformistischen Gruppen,
deutlich, wie eine Kritik an Globalisierung, die nicht den Kapitalismus
insgesamt kritisiert, die negativen Globalisierungsauswirkungen lediglich
verschoben werden, oder gar antisemitistischen Positionen eine zugespielt
wird. Spekulation
und Produktion “Rund
97 % dieses Betrags (der Devisenumsätze auf den Weltkapitalmärkten)
dienen nicht mehr produktiven, sondern rein spekulativen Zwecken, und haben
sich damit weitgehend von ihrer primären Funktion - der Finanzierung von
Handel mit Waren und Dienstleistungen - entfernt. (...) Internationale Finanzmärkte
müssen wieder ihrer primären Funktion, der Finanzierung von Investitionen
und Handel, zugeführt und angemessen besteuert werden, um eine weltweit
sozial gerechte und nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen.”2) Hier
versucht Attac, die Wirtschaft in zwei Bereiche zu trennen - Produktion und
Spekulation - und diese beiden Bereiche verschieden zu bewerten. Die
Produktion wird als der gut (schaffend) und die Spekulation als schlecht,
raffend, begriffen. Schon
die Trennung ist in dieser Form nicht haltbar. Aktiengesellschaften sind eine
Form, in der Konzerne heute existieren. Die Produktion wird hier ermöglicht,
indem Aktien dieser Firma gekauft werden und diese somit das nötige
Investitionskapital bekommt. Spekulation
und Produktion sind miteinander verwoben und zwei zusammengehörende Teile,
durch die Marktwirtschaft sich organisiert. Noch
unlogischer erscheint die unterschiedliche Wertung beide. Es gibt keinen Grund
dafür, anzunehmen, das Produktion immer etwas gutes wäre. Vielmehr gibt es
Waren, deren Produktion sehr schlecht ist (z.B. Kriegswaffen sowie welche,
deren Produktion sinnvoller ist (z.B.Nahrungsmittel). Sehr viele Waren, die
heute produziert werden, sind sinnlos oder schädlich. SpekulantInnen
werden genauso wie Menschen, die direkt in die Produktion investieren werden
beide dort investieren, wo sie am meisten Geld verdienen können. Wenn
Spekulation sehr stark besteuert werden würde, könnte es theoretisch in der
Tat passieren (wie von Attac erhofft), das wenige SpekulantInnen nun direkt
produzieren würde. In die Produkte, die die höchsten Gewinne versprechen.
Und das das ökologische Produkte sind, die die soziale Absicherung
verbessern, und eben nicht Kriegswaffen, ist mehr als unsicher. Somit geht die
Forderung nach Produktion statt Spekulation völlig ins leere. Was
das ganze jedoch noch schlimmer macht, ist, das diese Trennung nicht einfach
nur sinnlos ist, sondern ein antisemitistisches Wertemuster bedient.
Spekulation ist ein Bereich, der häufig mit einem Konstrukt des Judentums
einhergeht. In Antisemitistischen Denkmustern wird die Judenverfolgung unter
anderem damit zu legitimieren versucht, das Juden ein raffendes Bild des Geldhändlers
zugeschrieben wird. Diese Bilder sind bei vielen Menschen im Kopf und werden
in rechtsradikalen Positionen auch heute verwendet. Wer diese falsche Wertung
von Produktion gegenüber Spekulation aufgreift, spielt, egal ob gewollt oder
ungewollt, diesen Positionen einen Ball zu, den sie gerne annehmen und
benutzen, um ihren Antisemitismus zu legitimieren. Das
Verhältnis zwischen Transnationalen Konzernen und dem Nationalstaat “Mit
der Drohung, auf einen anderen “Standort” (...) auszuweichen, verfügen
internationale Finanzkonzerne und KapitalbesitzerInnen über ein
Erpressungspotential, mit dem sie die Politik auch demokratisch gewählter
Regierungen ihrer Disziplin unterwerfen” 1) Diese
Position, die den Nationalstaat als eine Art Gremium begriffen, das die
Aufgabe hätte, die “Volksinteressen” gegen die Interessen der
Finanzkonzerne zu vertreten, lässt sich sehr häufig in bürgerlichen
Argumentationslinien wiederfinden. Historisch
lässt sich jedoch aufzeigen, das Neoliberalismus und Globalisierung
keineswegs gegen den Willen von Regierungen westlicher Staaten geschah,
sondern mindestens mit deren Duldung erfolgten, wenn nicht sogar an einigen
Stellen bewusst so gesteuert. So
ist z.B. die Gründung von Organisationen zur Handelsliberalisierung wie der
WTO oder Staatenzusammenschlüssen wie der EU ein von Regierungen bewusst
initiierter Prozess gewesen. Auch Neoliberale Theoretiker wie Milton Friedmann
wurden noch von keiner Regierung westlicher Staaten als Staatsfeinde
begriffen. Das es auch einen Druck großer Konzerne, die ihren Einflussbereich
vergrößern wollten, in die
gegangene Richtung zu gehen, ist jedoch auch klar. Auch
bei einem Blick in die politische Gegenwart wird schnell deutlich, das die
Rolle von Nationalstaaten in der zitierten Position verkannt wird. Selbst ein
sozialdemokratischer Politiker wie Gerhard Schröder hat sich die Bezeichnung
“Kanzler der Wirtschaft” geerntet und vertritt wirtschaftsfreundliche
Positionen. Und die PolitikerInnen, deren Machtverlust hier beklagt wird
selbst, bestürzt die neoliberale Umstrukturierung sehr wenig. Wer
an dieser Stelle entgegnet, das der Kanzler ja gar keine Politik gegen den
Willen der Wir5tachaft machen kann und deshalb so handeln muss (wie sozialen
Forderungen häufig entgegnet wird), vereinfacht die Situation zwar stark, ist
dem realen Verhältnis zwischen Konzerninteressen und Nationalstaaten schon
ein Stück weit näher. Und genau das ist dann auch der Punkt, an dem deutlich
wird, das eine Kritik, die soziale Forderungen ernst nimmt, den kapitalistisch
organisierten Nationalstaat in Frage stellen muss. Der
Nationalstaat als einheitliches Gebilde Zurück
zum Beispiel Attac: Aus der Kritik an Spekulation wird dort die Forderung
einer “Steuer auf internationale Finanztransaktionen” (=Tobin-Tax)
abgeleitet. Interessant ist in diesem Zusammenhang, das Attac dieser Forderung
die Analyse, das die Spekulation “die Bedrohliche Instabilität und
Volatilität (Schwankungsintensität) des heutigen Finanzsystems verursacht”2),
vorausgeht. Hier
stellt sich die Frage, ob GlobalisierungsgegnerInnen hier nicht genau das tun,
was sich eigentlich IWF und Weltbank zur Aufgabe gesetzt haben - den
Nationalstaat und das globale
Finanzsystem lebensfähig zu erhalten und vor einem potentiellen Zusammenbruch
zu schützen Was
jedoch auch klar wird, da die Forderung nach Besteuerung im Grundsatzpapier
nicht mit sozialen Umverteilungsforderungen einhergeht, ist, das der
Nationalstaat hier als Einheit von den Menschen gesehen wird und das der
Glaube vorherrscht, das ein positive Bilanz der Volkswirtschaft mit einem
Wohlergehen aller Individuen gleichgesetzt wird. “Durch Finanzkrisen werden
jahrelange Anstrengungen ganzer Volkswirtschaften zunichte gemacht” 1),
wird im Grundsatzpapier getrauert. Auch
das diese These falsch ist, wird schon beim kurzen Blick auf
Börsenvorgänge deutlich: Des öfteren lässt sich hier beobachten,
wie die Androhung von Konzernen, ArbeiterInnen zu entlassen, mit einem Anstieg
seines Aktienkurses einhergeht. Viele Konzerne haben seit Jahren einen durchgängig
steigenden Umsatz, der bei den Menschen nicht ankommt. In Nationalstaaten gibt
es Interessengegensätze und eine soziale Politik muss daran ausgerichtet
sein, die Interessen der ärmeren Bevölkerungsgruppen entgegenzukommen.
Einfach das Bruttosozialprodukt steigern zu wollen, hilft wenig 1)
aus der “Erklärung zur demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte”, dem
Grundsatzpapier des Attac-Bündnisses (siehe www.share-online.de) 2)aus
dem “Diskussionspapier zum ersten Ratschlag am 22.1.01” (www.share-online.de)
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