Der Wendepunkt der
Weltpolitik hin zu mehr Gewalt
Erste Einschätzung der
Terroranschläge in den USA
1. Die
Mega-Anschläge und die Opfer: Die brutalen Flugzeug-Anschläge bzw.
Mega-Attentate (keines dieser Worte trifft die riesige Tragödie richtig) auf das World Trade Center, das Pentagon
etc. in den USA am 11. September 2001 sind aufs Schärfste zu verurteilen. Es
hat wohl Tausende Tote gegeben. Es ist entsetzlich. In diesen Tagen und Stunden
sind unsere Gedanken und Mitgefühle bei den Toten, den Ermordeten, den Verletzten
und ihren Angehörigen und Freund/innen. Die Anschläge und ihre Folgen
hinterlassen einen in Fassungs- , Rat- und Sprachlosigkeit. Wer meint, solche Mega-Morde
politisch begründen zu können, irrt total. Jegliche Rechtfertigung, Genugtuung
oder Freude ist völlig fehl am Platz. Solche Anschläge sind ausschließlich
menschenverachtend und barbarisch.
2. Die möglichen Täter: Zum derzeitigen
Zeitpunkt (12.09.2001, 12.00 Uhr) ist noch völligungeklärt, wer diese
Mega-Anschläge auf Symbole der US-Macht verübt hat oder verübt haben könnte.
Für eine Durchführung dieser unvorstellbaren Anschläge sind umfassendes Know-how
(als Piloten, als Techniker etc.) genaue Koordination, Logistik und totale
Skrupellosigkeit erforderlich. Wer ist dazu in der Lage? Derzeit wird in den
Medien über die "üblichen Verdächtigen" spekuliert. Zuerst waren
"die Palästinenser" im Blickfeld. Es ist fatal ganze Gruppen von
Menschen bestimmter Herkunft für diese Mordanschläge verantwortlich machen zu
wollen oder sie zu verdächtigen. Die Form der Spekulationen in einigen Medien
ist zum Teil hochproblematisch. Es ist dringend vor Vorverurteilung zu warnen. Dann
tauchte der Name Osama bin Laden auf und wird bisher immer wiedergenannt. Was
bisher fehlt sind Fakten und Hintergründe. Die Frage, was jemanden oder eine
Gruppe dazu bringt, solche Mega-Anschläge durchzuführen, muss gestellt werden.
Auch muss die Frage erlaubt sein, warum gerade die USA (und dort gerade das
World Trade Center und das Pentagon) Ziel dieser Mega-Anschläge geworden sind. Sollte
Osama Bin Laden hinter diesen Anschlägen stecken, muss kritisch angemerkt
werden: Die US-Regierung haben über Jahre ihn und seine Komplizen finanziert und
aufgebaut, als er nützlich erschien, um in Afghanistan gegen die Invasion der
Roten Armee der Sowjetunion zu kämpfen. Ähnliches gilt für die Unterstützung
von Saddam Hussein durch die USA und für andere Gruppen, die einst
"nützlich" erschienen. Jetzt zeigt sich der Effekt, dass die
herbeigerufenen Zauberlehrlinge nicht mehr beherrschbar sind und sich gegen
ihre einstigen Ziehväter wenden. Es muss endlich Schluß sein mit einer
doppelbödigen Moral in der internationalen Politik, die die Attribute
"gut" und "böse" je nach aktueller Weltlage oder Opportunität
verteilt.
3. Die mögliche
Reaktion der US-Regierung: Die weltpolitische Lage hat sich nun grundlegend geändert. Der
11.September 2001 ist wohl der Wendepunkt der Weltpolitik hin zu mehr Gewalt.
Eine zentrale Frage lautet nun: Wie wird die US-Regierung reagieren? Es ist zu
befürchten, dass sie in heftigster Form Rache üben wird. Die außen- und
friedenspolitischen Implikationen dieser Mega-Anschläge könnten furchtbar sein.
Die Außen- und Wirtschaftspolitik, aber insbesondere auch die Militärpolitik der
Administration des derzeitigen US-Präsidenten George W. Bush waren schon bisher
so, dass sie selten nach den Folgen ihrer Politik für Menschen außerhalb der
USA, insbesondere in Gebieten außerhalb der westlichen Staaten fragte. Die
Schwelle für die Anwendung von (militärischer)Gewalt war für die(se) Regierung
der USA bisher immer sehr niedrig. Es ist zu befürchten, dass sich die
Militärpolitik der USA weiterverschärfen wird. Weitere und direktere Kriege der
US-Regierung gegenvermeintliche oder tatsächliche Gegner, staatlicher oder nichtstaatlicher
Art, sind nach den brutalen Mega-Anschlägen leider sehr viel wahrscheinlicher
geworden.
4. Verwundbarkeit
der hochtechnisierten Welt: Die Mega-Anschläge zeigen die Verwundbarkeit der
hochtechnisierten Welt. Der zivile und militärische Flugverkehr werden nach dem
11. September2001 nicht mehr so durchgeführt werden können wie zuvor. Kommunikation,
Mobilität und Finanzverkehr - drei zentrale Momente der westlichen Weltwaren
und sind durch diese Mega-Anschläge deutlich beeinträchtigt(Telefonverkehr und
Internet waren und sind wegen Überlastung zum Teilzusammengebrochen, die Finanzmärkte
spielen verrückt - nein, sie folgen ihrer eigenen immanent makabren Logik: die
Kurse der Rüstungsfirmen undder Ölmultis steigen!) .
5. Die
innenpolitischen Implikationen der Mega-Anschläge: Die
innenpolitische Situation in den USA wird sich stark verschlechtern. Aber auch
das innenpolitische Klima in Deutschland könnte sich enorm verschärfen.
Repressionen gegen Menschen bestimmter Herkunft und gegen alle die berechtigte
Kritik an der Politik der US-Regierung haben, sind zu befürchten. Jetzt werden
viele diese Mega-Anschläge für ihre Politikinstrumentalisieren, z.b. für eine
verstärkte innen- und aussenpolitische Aufrüstung. Für eine weitere Stärkung
von Polizei und Militär, die Militarisierung wird wieder weiter vorangetrieben werden.
Nein, es sind keine militärischen Reaktionen vonnöten, notwendig ist der Abbau
wirtschaftlicher Ungleichheiten in der Welt. Statt repressiver und militärischer
Reaktionen ist eine Veränderung von politischen Strukturen hin zu mehr
Gerechtigkeit vonnöten. Die groß erklärte Freiheit, die Globalisierung, ist
zumeist nur eine Freiheit, eine Globalisierung, des Handels, nicht der Menschen
und dieser Handel, diese Globalisierung hat seine/ihre Opfer.
Es ist Gerhard Schröder und Joschka Fischer entschieden zu widersprechen: Nein, es geht nicht um Solidarität mit dem
Staat USA, umSolidarität mit der Regierung der USA, um Solidarität der
"zivilisiertenWelt". Nein, es geht um Solidarität mit den Menschen,
die von den Mega-Anschlägen betroffen sind.
Text: Tobias Pflüger u.a. nach Diskussion mit einigen IMI-Vertreter/innen,
12.09.2001Der Text kann weiter verbreitet werden, wie üblich bei
Quellenangabe( http://www.imi-online.de).Rückmeldungen wären interessant
(mailto: imi@imi-online.de).