Saufen und Bürgerkrieg spielen
Aachen (an-o). Immer wieder zieht es Neonazis aus dem Raum Aachen in jüngster Zeit nach Ostbelgien. Ziel ist ein stillgelegtes Kasernengelände in der Nähe von Eupen. Abseits der Öffentlichkeit leben Mitglieder der "Kameradschaft Aachener Land" hier ihre Gewaltphantasien aus, spielen Bürgerkrieg.
Mit Vorliebe übt die braune Truppe auf dem Areal das Stürmen von Häusern. Gleichzeitig proben die Neonazis Nahkampf. Ein Aussteiger erzählt, wozu diese "Wehrsportübungen" dienen sollen: "In der Gruppe ist mehrfach darüber gesprochen worden, türkische Imbissbuden anzugreifen, sie zu zerstören und abzufackeln". Umgesetzt hat der braune Mob diese Pläne bislang offenbar noch nicht. Zwar sollen sich einzelne Skins aus der Gruppe immer wieder "einen Spass daraus machen", nachts Ausländer zu verfolgen um ihnen Angst einzujagen.
Der Aachener Polizei liegen jedoch "keine Hinweise auf Gewalttaten vor, die eindeutig der Kameradschaft zuzuordnen sind". Auch von einem Anschlag auf eine türkische Hochzeits- gesellschaft im vergangenen Sommer in Eschweiler - damals sollen Neonazis mehrere Rauchbomben geworfen haben - ist der Kripo nichts bekannt. Gleichwohl hat der Staats- schutz bei der Gruppe ein gewisses Gewaltpotenzial ausgemacht. "Wir beobachten sie sehr genau", so Polizeisprecher Jürgen Robens.
Kritik an den "alten Säcken"
Hervorgegangen ist die "Kameradschaft Aachener Land" aus einem NPD-Gesprächskreis, der sich jeden Mittwoch auf dem Anwesen des Alt-Nazis Wolfgang Narath (72) in Stolberg-Büsbach traf. Unter Hakenkreuzfahne und Führerbild schwärmte die rechtsextreme Szene des Grenzlandes dort seit Jahren von "glorreichen deutschen Zeiten". Die Nostalgieveranstaltung des inzwischen als senil geltenden ehemaligen Wiking-Jugend-Führers muss seinen jugendlichen Parteigängern jedoch schnell zu langweilig geworden sein. Im Sommer 2001 gründeten sie die Kameradschaft.
Ihr Ziel: Nicht länger nur herumzufaseln wie die "alten Säcke", sondern endlich zu handeln. Die braunen Altvorderen wiederum sparten ebenfalls nicht mit Kritik am rechten Nachwuchs. Viele der exzessiv saufenden Kameraden seien für die nationale Revolution unbrauchbar, tönten sie zurück.
Werben in Jugendheimen
Zu einem Bruch zwischen NPD und Kameradschaft kam es trotzdem nicht. Die meisten Mitglieder des etwa dreißigköpfigen harten Kerns der Kameradschaft besitzen weiter ein NPD-Parteibuch. Das Verhältnis der beiden Flügel zueinander beschreibt ein Insider der Szene so: "Die NPD hat keinen Einfluss auf die Kameradschaft, aber die Kameradschaft großen Einfluß auf den Aachener Kreisverband der NPD." Mittlerweile ist die Kameradschaft zum Sammelbecken für rechtsorientierte Jugendliche in der Region Aachen/Düren geworden. Auf 120 bis 150 Personen beziffert die Gruppe ihr Mobilisierungspotenzial. Kenner halten das zwar für übertrieben, räumen aber ein, dass es der Gruppierung gelungen ist, im Raum Weisweiler/Langerwehe Cliquen von Jugendlichen um sich zu scharen.
Verantwortlich dafür zeichnet der 21jährige Rene Laube. Der grobschlächtige Skin, der in der Szene gerne kolportiert, er sei unehrenhaft aus der Bundeswehr entlassen worden, weil er sich mit einem dunkelhäutigen Vorgesetzten angelegt habe, soll in fast jedem Jugendzentrum der Orte ein und aus gehen. "Dank seiner erfolgreichen Nachwuchsarbeit hat er sich inzwischen zu einer Art Führungsfigur aufgeschwungen", sind sich Mitglieder des Antifa-Projekts an der Aachener Hochschule sicher. Laube gilt in der Szene als gewalttätig. Er soll - wie einige andere seiner Kameraden - meist eine Waffe tragen.
Neben Laube führen die Brüder Michael und Karsten Büttgen in der Kameradschaft das große Wort. Beide stellen häufig ihre Wohnung in Düren für Treffen zur Verfügung. Zudem versorgen sie die Szene im Grenzland mit Musik-CDs. Die Namen der Bands sagen alles über den widerlichen Inhalt der Tonträger: "Arisches Blut", "Macht und Ehre", "Blutrausch".
Um diesen "Blutrausch" ausleben zu können, müssen die Neonazis möglicherweise bald nicht mehr nach Belgien ausweichen. Das langjährige NPD-Mitglied Michael Schlee hat sich kürzlich im Eschweiler Stadtteil Hücheln ein Grundstück zugelegt, das zu einem großen Teil aus Wald besteht. Zudem soll der Kauf eines Hauses in der Eifel geplant sein. Beobachter der Szene glauben, dass die Kameradschaft künftig dort ihre "Wehrsportübungen" abhalten wird.

Selbstdarstellung im Internet: Noch vor wenigen Wochen zeigten Mitglieder der "Kameradschaft Aachener Land" auf ihrer Homepage den Hitlergruss. Inzwischen wurden die ausgestreckten Hände wegretuschiert. [Das Bild zeigt im übrigen Christian Malcoci (mit Ledermantel, stehend 4. von rechts), der an diesem Abend im Oktober 2001 Gastgeber der "Kameradschaft" war.]
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Trotz der Stadionverbote: Neonazis zieht es zum Tivoli
Aachen (an-o/jozi). Heimspiele der Aachener Alemannia ziehen tausende Fans an. Darunter sind einige Gestalten, denen es nicht nur um Fußball geht: Mitglieder der "Kameradschaft Aachener Land". Die Neonazis glauben, den Tivoli als Rekrutierungsfeld für Nachwuchs missbrauchen zu können.
Treffpunkt der Gruppe war lange Zeit der S-Block auf der Gegentribüne. Hier mischte sie sich in der Vergangenheit regelmäßig unter die Fans. Ihr Einfluss auf einen Teil der Hooligan-Szene war und ist bei Heimspielen unüberhörbar. Auch in der laufenden Saison kamen aus dieser Stadion-Ecke immer wieder rassistische und antisemitische Hetzparolen.
Postfach in Alsdorf
Dem Verein ist das Problem bewußt und mehr als peinlich. In den zurückliegenden Jahren wurden von der Alemannia verschiedenfach Stadionverbote ausgesprochen - unter anderem wegen des Absingens rechtsextremer Lieder. Betroffen davon waren auch mehrere Mitglieder der Kameradschaft. So zum Beispiel Marc Königs. Der schwergewichtige Würselener (27), der anders als viele seiner Mitstreiter nicht als Skin auftritt, unterhält für die Neonazis in Alsdorf ein Postfach.
Königs ist ein guter Bekannter von Sascha Wagner. Der gebürtige Merksteiner und langjährige Fußball-Hooligan hat es inzwischen zum Landesvorsitzenden der Jungen Nationaldemokraten in Rheinland-Pfalz gebracht. Seit Jahren treibt er sich im Umfeld der Alemannia herum. Die "Liebe" zu dem Verein geht soweit, dass Wagner selbst bei Neonazi-Aufmärschen im schwarz-gelben Trikot erschienen ist.
Neuer Standort im Stadion Obwohl ebenfalls mit Stadionverbot belegt, taucht Wagner weiter gerne zu den Spielen des Zweitligisten an der Krefelder Straße auf. Fraglich ist, wie weit die Stadionverbote und der zunehmende Druck von gemäßigten Fangruppen die braune Szene beeindruckt haben. Rechtsextreme Flugblätter und Aufkleber sind - anders als noch in den 80er Jahren - nach Auskunft des Alemannia-Fanbeauftragten Robert Jacobs in jüngster Vergangenheit nicht mehr am Tivoli aufgetaucht. Zudem sollen die Neonazis ihren Standort geändert haben. Statt im S-Block suchen sie offenbar jetzt auf dem Aachener Wall ihr Betätigungsfeld - direkt neben dem Gästeblock.
Kameradschaft ohne Grenzen
Aachen (an-o/jozi/sus). Trotz intensiver Bemühungen ist die "Kameradschaft Aachener Land" bisher kaum in überregionale deutsche Neonazi-Strukturen eingebunden. Dafür pflegt sie enge Kontakte zu Gesinnungsgenossen in den Niederlanden. Anlaufpunkt dort ist ein deutsches Skinhead-Paar, das vor Jahren seinen Wohnsitz aus dem Kreis Heinsberg nach Heerlen verlegt hat. Unter dem Namen "Mijnstreekoostskins" betreiben Bianca König und Harald Paulsen von der limburgischen Kleinstadt aus eine Inter- net-Seite. Neben rassistischen Pamphleten vertreiben sie die gesamte Palette einschlägiger Nazimusik. Gemeinsam mit zwei niederländischen Freunden tritt das Paar zudem als Organisator rechtsextremer Konzerte auf.
Treffpunkt deutscher und niederländischer Neonazis war in der Vergangenheit offenbar häufig die Kneipe "Mijnzicht" in der Nähe des alten Fußball-Stadions von Roda Kerkrade. Das Lokal wurde jedoch vor wenigen Monaten geschlossen. Über König und Paulsen steht die Kameradschaft in Kontakt mit einem gewissen Ed Polman. Er ist Führungskader der offen national-sozialistisch agitierenden "Nederlandse Volks Unie" (NVU). Mehrfach gab es in der Vergangenheit Gerüchte, dass sich die "Kameradschaft Aachener Land" über diese Verbindungen Waffen besorgt hat.
Für die NVU wird bei der niederländischen Kommunalwahl am Mittwoch der deutsche Rechtsextremist Christian Malcoci in Kerkrade antreten. "Rechtliche Hindernisse sind aus dem Weg geräumt", bestätigte die Kerkrader Stadtverwaltung gegenüber den "Nachrichten". Im vergangenen Frühjahr trat Malcoci als Organisator eines Neonazi-Auf- marsches erstmals im Grenzland größer öffentlich in Erscheinung.
Elitärer Einzelgänger
Seit Mitte der 80er Jahre bewegt sich der gelernte Schriftsetzer in der militanten deutschen Rechtsaußen-Szene. Der Hitler-Verehrer verfügt über beste Kontakte bis in deren Spitzen hinein. Deshalb ist Malcoci gern gesehener Gast der "Kameradschaft Aachener Land". Kenner der Szene bezweifeln allerdings, dass die Beziehung ungetrübt ist. Malcoci gilt als arroganter und elitärer Einzelgänger, der sich einem obskuren Heidenkult verschrieben hat. "Mit den gröhlenden Suffköpfen von der Kameradschaft kann er im Grunde nichts anfangen", so ein Insider.
(Aachener Nachrichten, 05. März 2002)
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