Erst in den 80er Jahren begann in der BRD eine grössere öffentliche Debatte über organisierte Kriminalität. Zwar nannte die Innenministerkonferenz (IMK) bereits in ihren Sicherheitsprogrammen von 1972 und 1974 die Wirtschaftskriminalität und die Rauschgiftkriminalität als "aktuelle Schwerpunkte" der Kriminalitätsbekämpfung, zwar hielt das BKA bereits 1974 eine Arbeitstagung über "OK" ab, doch fand das Thema weder in der allgemeinen noch in der polizeilichen Öffentlichkeit grössere Resonanz.
Die Existenz einer organisierten Kriminalität wurde auch in Polizeikreisen lange Zeit verneint. Noch in der Berliner Kriminalstatistik für 1982 heisst es unter dem Stichwort "Gruppenkriminalität und kriminelle Vereinigungen": "Die bodenständigen Kriminellen aus dem Bereich des Nachtlebens bilden keine kriminelle Organisation im engeren Sinne, lassen sich jedoch als zunehmend verfestigte Personenstruktur beschreiben. Vereinzelt auftretende ausländische Personengruppen ... konnten schnell zerschlagen werden."
Auch in Hamburg soll es bis Anfang der 80er Jahre noch keine "OK" gegeben haben. So jedenfalls die Studie des damaligen Kripochefs Zühlsdorf aus dem Jahre 1979, nach der es "eine disziplinierte, geschäftsmässig strukturierte Mafia an der Elbe nicht gibt" (SZ, 12.10.1979). Erst als Folge des um Zühlsdorf herumrankenden Polizeiskandals wurde 1983 in Hamburg das Phänomen OK entdeckt und entsprechende Abteilungen bei Justiz und Polizei geschaffen.
Inzwischen steht das Thema ganz oben auf der Liste von Polizeichefs und Sicherheitspolitikern. Rund 10 Milliarden DM wirtschaftlichen Schaden soll die OK jährlich in der BRD produzieren, wobei die Berechnungsgrundlage für diese Zahl nicht öffentlich erklärt wird.
Was aber OK ist, darüber sind sich die Diskutierenden nicht einig. Genauso formelhaft wie umstritten ist der Definitionsversuch der IMK, wonach OK "arbeitsteiliges, bewusstes und gewolltes auf Dauer angelegtes Zusammenwirken mehrerer Personen zur Begehung strafbarer Handlungen (ist), häufig unter Ausnutzung moderner Infrastrukturen, mit dem Ziel, möglichst schnell hohe Gewinne zu erzielen".
Eine Umfrage aus dem BKA unter OK-Sachbearbeitern in der bundesdeutschen Polizei hebt zwar hervor, dass von einer OK im Sinne feststrukturierter autoritärer Parallelgesellschaften wie in Italien und in den USA nicht die Rede sein könne. Hierzulande herrschten vielmehr lockere Geschäftsbeziehungen zwischen den illegalen Geschäftsleuten vor. Hierarchische Unterordnungen im eigentlichen Sinne gäbe es nur bei ausländischen Tätergruppen (Rebscher/ Vahlenkamp, Organisierte Kriminalität in der Bundesrepublik, BKA-Forschungsreihe, Wiesbaden 1988). Trotzdem werden Mafia und Camorra immer wieder als abschreckende Warnung für das angeführt, was auch hierzulande möglich sei. Keiner der Autoren will zwar im Ernst behaupten, wir seien auf diesem Wege, aber der Hinweis auf "Ruheräume" italienischer Mafiosi oder auf Investitionen von dieser Seite in der BRD wird trotzdem immer wieder herangezogen, und ein Innenpolitiker, der etwas auf sich hält, muss einen Ausflug nach Neapel oder nach Sizilien unternommen haben.
Die Tätigkeitsfelder der OK, so die Studie aus dem BKA, lägen nicht nur im Bereich des im Vordergrund der öffentlichen Diskussion stehenden Drogenhandels, sondern gingen quer durch das Strafgesetzbuch, weswegen auch nur schwer kriminalstatistische Informationen über das Ausmass der OK zu erstellen seien.
Trotz dieser vergleichsweise vorsichtigen Diagnose beziehen sich diejenigen unter den Polizeifürsten und Politikern, die mit dem Thema OK Politik machen wollen, derzeit vorzugsweise auf das Beispiel des Drogenhandels, insbesondere auf die kolumbianischen Drogenkartelle. Allein in den USA liegen die von kolumbianischen Kartellen erwirtschafteten Gewinne bei jährlich ca. 3-4 Mrd. Dollar (S. Kalmanovitz, in: Cien Dfas, Bogotá, Juni 1989). Weltweit belaufen sich die Gewinne aus der Drogenindustrie auf ca. 20 Mrd. Dollar (Zeit-Dossier, 2.3.1990). Nach dem Sinken der Preise in den USA bemühten sich die Kokainkartelle um neue Absatzmärkte in Europa. Laut BKA wurden 1988 in der BRD 452 kg Kokain beschlagnahmt, 66% mehr als 1987, aber allenfalls 3-5% des insgesamt eingeführten Kokains.
Die in der Polizei als Gegenmassnahmen gehandelten Vorschläge sind trotz der verschiedenen Begriffe von OK weitgehend die gleichen: eine allgemeine Verrechtlichung der bereits seit den 70ern in grösserem Umfang betriebenen verdeckten Ermittlungen - von den V-Leuten über Under-Cover-Agenten bis hin zu technischen Mitteln der Observation und Überwachung, eine stärkere Spezialisierung im Bereich OK und Drogenhandel, Zeugenschutz und weitere Kronzeugenregelungen, Massnahmen gegen die Geldwäsche, eine stärkere Zusammenarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaften und vor allem eine bessere internationale Zusammenarbeit der Polizeien. Die Konzeption des BKA zur Bekämpfung der OK und des Drogenhandels von 1989 sieht eine Verstärkung der Stellen um 202 Polizeivollzugsbeamte, darunter 78 in der Drogenabteilung vor. Die Zahl der Rauschgiftverbindungsbeamten im Ausland soll von derzeit 24 auf 37 erhöht werden. Auch in der internationalen Zusammenarbeit geht es vorrangig um die Verstärkung der operativen Tätigkeit, der geheimen Methoden, des Informationsaustauschs ohne die hinderlichen Formalien der Rechtshilfe. Im Prinzip gibt es unter den europäischen Polizeien weitgehende Einigkeit hierüber. Vieles wird auch schon praktiziert. Schwierigkeiten tun sich vor allem da auf, wo nationale Gesetze geändert werden sollen. Die informelle Zusammenarbeit ist längst im Gange.