Lehrer starten eine Kampagne zum Verbot der Plastikgeschosse:
Offener Brief

Am 13 Mai 1982 hat das Europäische Parlament sich mit überwältigender Mehrheit gegen die Verwendung von Plastikgeschossen in allen 10 EG Ländern ausgesprochen.Wir, die unterzeichnenden irischen Lehrer - wohnhaft im Nord-Teil unseres Landes -fordern hiermit die britische Regierung auf, diesen Beschluss zu verwirklichen. Der Umstand, dass bisher noch kein einziges Gerichtsverfahren eingeleitet worden ist, ungeachtet der Tatsache, dass 14 Unschuldige durch Gummi bzw. Plastikgeschosse getötet und mehr als 60 schwerverletzt wurden, erfüllt uns mit Besorgnis. Das Menschenrecht auf Leben wird hier zynisch missachtet. Da alle Versuche einer Wiedergutmachung durch englische Gerichte bisher fehlgeschlagen sind, erscheint es uns angebracht, diese Falle vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und die Vereinten Nationen zu bringen. Wir, die Unterzeichner, verurteilen die Ermordung von 14 Menschen durch diese tödliche Waffe auf das Entschiedenste, eben so wie jegliche Gewalt - von wem auch immer sie ausgeht. Als Lehrer empfinden wir besondere Betroffenheit darüber, dass unter den 14 Todesopfern 7 Kinder sind. Als verantwortungsbewusste Erwachsene ist es uns unmöglich, langer zu schweigen, vor allem angesichts der Tatsache, dass das einzige "Verbrechen" dieser Kinder dann bestand, zu diesem Zeitpunkt auf der Strasse gewesen zu sein.

Francis Rowntree 11 Jahre - wurde von dem Gummigeschoss eines Soldaten des Royal Anghcan Regiment am Kopf getroffen. Bis zur Unkenntlichkeit entstellt, starb er wenige Stunden später im Krankenhaus. Er war mit einem Freund spazierengegangen

Stephen Geddis 10 Jahre - Das erste Kind, das durch ein Plastikgeschoss getötet wurde und das zweite minderjährige Opfer des Royal Anglican Regiments. Er wurde in der Nahe seiner elterlichen Wohnung getroffen und starb drei Tage später im Krankenhaus. Nach Zeugenaussagen war er nicht aktiv an den gewaltsamen Auseinandersetzungen in seiner Nachbarschaft beteiligt. Das wird auch durch den Untersuchungsbefund des Krankenhauses bestätigt, der seine Hände frei von Schmutzspuren fand

Brian Stewart 13 Jahre - starb sechs Tage, nachdem er am Kopf von einem Plastikgeschoss getroffen wurde, gefeuert vom King's Own Scottish Borderer Regiment. Viele Zeugen bestätigen, dass der Bezirk zu der Zeit des Vorfalls völlig ruhig war Seit sechs Jahren kämpft seine Mutter um die Eröffnung eines Gerichtsverfahrens. Jetzt will sie den Fall vor den Europäischen Gerichtshof in Strassburg bringen

Paul Whitters 15 Jahre - wurde von einem RUC Polizisten (Royal Ulster Constabulary) aus einer Entfernung von ca. 4 m an den Kopf geschossen. Augenzeugen geben an, dass er sich zwar kurz zuvor an Steinwürfen beteiligt hatte, zum Zeitpunkt des Schusses aber gerade Ruhe eingetreten war. Er war allem, ihm gegenüber standen vier Polizisten. Einer der Polizisten lief auf ihn zu, zielte aus kürzester Entfernung auf seinen Kopf und druckte ab.

Julie Livingstone 14 Jahre - Sie starb einen Tag, nachdem sie von einem Plastikgeschoss am Kopf getroffen worden war. Zum Zeitpunkt des Schusses gab es keinerlei Auseinandersetzungen. Lediglich eine Gruppe Frauen schlug mit Mülltonnendeckeln auf den Boden bzw. blies auf Trillerpfeifen, um ihren Protest gegen den Tod von Francis Hughes auszudrucken, der gerade an den Folgen des Hungerstreikes gestorben war

Carol-Ann Kelly 11 Jahre - Sie wurde von einem Plastikgeschoss, abgefeuert aus der Hecktür eines britischen Armee Jeeps, am Kopf getroffen. Carol Ann befand sich mit einer Milchtüte für ihre Mutter auf dem Heimweg. Die gerichtliche Untersuchung, die auf Drängen der Mutter eingeleitet wurde, ergab, dass Carol Ann unschuldig war. Alle Zeugen widersprechen den Angaben der Armee, dass es zum Zeitpunkt des Schusses gewaltsame Auseinandersetzungen in der Gegend gegeben habe.

Stephen McConomy 11 Jahre - Er wurde von einem Plastikgeschoss am Kopf getroffen und starb am darauffolgenden Tag im Krankenhaus Sein Vater sagt "Ein britischer Soldat hat mein Kind ermordet " Unmittelbar vor seinem Tod meinte seine Mutter "Von Stephen ist nichts mehr übrig. Sein Gehirn ist zerstört. Er ist ein leeres Gehäuse. Ich möchte ihn nur noch nach Hause bringen " 20 Zeugen sagen aus, dass er nicht in einem " Unruhegebiet" war.

Die Liste der Todesopfer und die ungeschminkten Berichte der brutalen Vorgange dienten der amerikanischen Armee als Entscheidungsgrundlage für ihre Ablehnung dieser mörderischen Waffe. Sie unterstreichen auch die dringende Notwendigkeit, mit Hilfe der zivilisierten Welt moralischen Druck auf Grossbritannien auszuüben, um den Einsatz von Plastikgeschossen in Nord-Irland und andernorts zu stoppen. Daher fordern wir gesellschaftliche Gruppierungen und die Regierungen der demokratischen Welt auf, Grossbritannien in aller Öffentlichkeit zu zwingen, der Entscheidung des Europäischen Parlaments über die Nichtverwendung von Plastikgeschossen Folge zu leisten - was die britische Regierung erst kürzlich wieder abgelehnt hat. Mindestens sollte sie den Einsatz von Plastikgeschossen so lange unterbrechen, bis ein unabhängiges Gremium die tragischen Folgen untersucht hat, die sich aus deren Einsatz ergeben.

(Es folgen die Unterschriften von mehr als 300 nordirischen Lehrern Erstveröffentlichung in "The Irish News" vom 20 Juli 1982 Autorisierte Übersetzung Weitere Unterschriften sind erwünscht Kontakt über GAL-Fachgruppe Demokratie und Recht, Adresse im Impressum).