Drei Richter des 3. Bundeskreisberufungsgerichts in Philadelphia haben einstimmig entschieden, daß die Gefängnisbehörde Pennsylvanias die neun Jahre dauernde Isolationshaft von Russell Shoats, einem ehemaligen Mitglied einer militanten schwarzen Organisation, weiter fortsetzen dürfen.
In der Entscheidung sagte Kreisrichter Richard L. Nygaard, daß Shoats seit Juni 1991 im "Loch" ist, "weil er nach wohl überlegter Meinung aller Gefängnisfachleute, die ihn untersucht haben, eine ständige Sicherheitsbedrohung und eine Gefahr für andere Menschen darstellt."
Shoats ist in "administrativer Haft" in SCI Greene, Pennsylvania, wo er fünf Tage in der Woche 23 Stunden und am Wochenende 24 Stunden alleine in seiner Zelle verbringt. Seine Mahlzeiten verbringt er alleine, ihm wird seit acht Jahren kein Familienbesuch gewährt, er darf nicht an Gemeinschaftsveranstaltungen teilnehmen, hat kein Radio und keinen Fernsehen, darf nicht telefonieren, "außer in Notfällen oder mit seinem Anwalt", und er darf keine Bücher besitzen, außer juristische Unterlagen "und ein persönliches religiöses Buch". Gefängnisbeamte gaben während der Berufungsanhörung zu, daß sie sich im Allgemeinen nach 90 Tagen Dauer einer solcher Isolation über die psychologischen Schäden eines Gefangenen Sorgen machen würden und daher generell eine Verlegung in den normalen Vollzug empfehlen würden.
Shoats war zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden, weil er angeblich mit fünf weiteren Aktivisten an der Erschießung des Polizisten Frank Von Colin am 29. August, 1970, in Philadelpia, beteiligt gewesen sein soll. Shoats war Teil des Black Unity Movement, eine von mehreren paramilitärischen Gruppen, die in jener Zeit infolge des von FBIDirektor J. Edgar Hoover 1968 aufgebauten COINTELPRO entstanden, einem Programm, welches u.a. die Infiltrierung und Zerschlagung der Black Panther Party zum Ziel hatte. Infolge dieses Programmes wurden Dutzende von Mitgliedern der Partei ermordet, und vielen anderen wurden Straftaten angehängt. In der Entscheidung, Shoats Isolationshaft weiter fortzusetzen sagte Richter Nygaard: "Shoats nahm an dem Angriff als Mitglied einer schwarzen revolutionären Gruppe teil, die alle Autorität auszulöschen versuchte."
Im Sommer 1970 gab es in Philadelphia Spannungen, nachdem der Polizeichef Frank Rizzo im Vorfeld des Parteitages der Black Panther Party am 5. September ein scharfes Durchgreifen gegen militante Gruppen angeordnet hatte. Infolge der Erschießung von Von Colin gab es eine Razzia im Hauptbüro der Partei um 2 Uhr morgens. Nach der Razzia erlaubte die Polizei den Reportern erniedrigende Bilder von nackten Mitglieder der Partei auf offener Straße zu machen.
Nach gescheiterten Fluchtversuchen 1972 und 1976, war Shoats 1977, nach einem gelungenen Ausbruch aus dem Staatsgefängnis Huntingdon, 27 Tage auf der Flucht, und nachdem er 1980 aus der psychiatrischen Abteilung des Staatsgefängnisses Fairview entkam, nochmal für 3 Tage. Ein Gericht hatte seine Verlegung nach Fairview angeordnet, nachdem die Ärzte ParanoidSchizophrenie diagnostiziert hatten. Außer einem einjährigen Aufenthalt im Fairview, blieb Shoats nach dem Ausbruch von 1977 bis 1982 durchgehend im "Loch".
In einem Interview mit Radio WQRO im Gerichtsgebäude von Huntingdon County 1982, wo ein Verfahren gegen ihn wegen Geiselnahme und Raub während seines Gefängnisausbruchs 1977 lief, sagte Shoats: "Ich fühle mich nicht im Sinne der Anklage schuldig... Daher habe ich immer die Hoffnung, irgendwann aus dem Gefängnis rauszukommen."
Fünf Mitglieder des Black Unity Movement wurden wegen vorsätzlichem Mord an Von Colin verurteilt. Der sechste, Richard Thomas, konnte entkommen und war 26 Jahre auf der Flucht, bevor er im März 1996 in einem Außenbezirk Chicagos verhaftet wurde. Der einzig belastende Beweis, welcher in seiner Wohnung 1970 gefunden worden war, war ein Kalender mit verschiedenen Namen, u.a. denen einiger Mitangeklagter.
Die Staatsanwaltschaft versuchte zwei der verurteilten Männer, Hugh Sinclair Williams and Alvin Joiner, zu überreden, gegen Thomas auszusagen und versprach ihnen als Gegenleistung eine Empfehlung der Staatsanwaltschaft für eine Haftverschonung. Die Männer lehnten ab. Thomas, der keine Aussage machte, behauptet daß er untertauchte, weil er Angst gehabt hätte, daß ihm die Polizei eine Straftat anhängen oder ihn erschießen würde, nachdem er als Verdächtiger identifiziert wurde. Am 3. November 1999 wurde Thomas von einer Geschworenenjuy freigesprochen. Der Geschworene, Bill Foreman, sagte: "Einige schwarze Geschworene konnten sich errinern, daß es für Schwarze schwierige Zeiten (1970) waren." Die Jury bestand aus sechs Schwarzen und sechs Weißen.
Isolationshaft hat in Pennsylvania eine lange Tradition. 1829 wurde die staatliche östliche Besserungsanstalt (Eastern State Penitentiary) in Philadelphia gebaut. Sie war ein Produkt der Philadelphia Gesellschaft für die Behebung der Misere staatlicher Gefängnisse (Philadelphia Society for Alleviating the Miseries of Public Prisons), einer Gruppe "Freidenker" und Quäker. Anstatt Folter, Verstümmelung und Todesstrafe als Strafmaßnahmen befürworteten sie Isolationshaft, wo die Gefangenen über ihre Sünden nachdenken könnten und ein besseres Leben zu führen beschließen sollten.
Bekannt als das "Pennsylvania System", wurde es als fortschrittlich angesehen, weil es Strafe und Hoffnung auf Besserung vereinigte. Die Gefängnistrakte waren um einen zentralen Rundbau gruppiert, der ein Maximum an Sicherheit und Überwachung gewährte. Die Insassen waren in Einzelzellen untergebracht, die mit einem Bett, einem Arbeitstisch, einem kleinen Hof, einem Dachfenster und einer Bibel ausgestattet waren. Kontakt zu anderen Menschen war auf das absolute Minimum reduziert. Die radikalen Maßnahmen der Besserungsanstalt wurden zum Modell für 300 ähnliche Gefängnisse in Europa, Asien und Südamerika. Gegen Ende des 19.Jahrhunderts wurde diese Praxis der Isolationshaft als gefängnisweite Politik abgeschafft, weil festgestellt wurde, daß sie die Insassen in den Wahnsinn trieb. Das Gefängnis wurde 1971 geschlossen und ist jetzt ein historisches Denkmal.
1842 verurteilte der englische Schriftsteller Charles Dickens die Isolationshaft nach einer Reise durch die Oststaaten und stellte fest: "Ich halte dieses langsame und tägliche Rumpfuschen in den Geheimnissen des Gehirns für wesentlich schlimmer als jegliche körperliche Folter." Siehe "Philadelphia and its Solitary prison" aus "American Notes" von Charles Dickens: http://www.bibliomania.com/Fiction/dickens/American/chap07.html
Quelle: WSWS http://www.wsws.org/articles/2000/jun2000/pennj03.shtml
Die Entscheidung des Gerichts:
http://vls.law.vill.edu/locator/3d/May2000/993603.txt