Aktionsbündnis droht Platzbesetzung bei Kelsterbach an
von lis -
- 22.07.2001 12:35
Frankfurter Rundschau 20.07.2001
Zum vierten antirassistischen Grenzcamp erwartet das Bündnis "Kein Mensch ist illegal" am Freitag, 27. Juli, für eine Woche mindestens 600 Teilnehmer aus der gesamten Bundesrepublik. Allerdings ist unklar, wo die Zelte aufgeschlagen werden, weil der Kreis Groß-Gerau bislang die Genehmigung für das anvisierte Gelände versagt. Sollten sie den gewünschten Platz in Mörfelden-Walldorf nicht bekommen, werde ein Gelände bei Kelsterbach besetzt, heißt es im Internet.
MÖRFELDEN-WALLDORF. Die Kampagne
"Kein Mensch ist illegal" wurde im Juni 1997 auf der documenta X in Kassel gestartet. Dem Bündnis gehören nach eigenen Angaben 200 Gruppen sowie tausende von Einzelpersonen an. Nun möchten die Organisatoren mit einem Camp über die Abschiebepolitik am Frankfurter Flughafen informieren. Auch Protestaktionen sind geplant. Die Teilnehmer sollen auf einem Freigelände der mitten im Feld zwischen Mörfelden und Walldorf stehenden Gesamtschule zelten. Doch der Kreis, als Schulträger die zuständige Behörde, hat das Ansinnen Anfang Juni abgelehnt: Das Gelände werde nicht für außerschulische Zwecke vergeben. Bedenken gebe es wegen der Hygiene und der Frage, wer die Kosten für die Reinigung der Sanitäranlagen in der Schulsporthalle übernimmt.
Als Standort fürs Camp schlug der Kreis das Freizeitgelände Wildpark an der B 44 bei Groß-Gerau vor, das allerdings zum gewünschten Termin anderweitig belegt ist und für das Bündnis wegen der größeren Entfernung zum Flughafen nicht in Frage kommt. Die Organisatoren haben den Eindruck, der Kreis wolle die Veranstaltung nicht. Dabei hätten sie dem Kreis deutlich erklärt, dass keine Infrastruktur benötigt werde, weil die Veranstalter zum Beispiel Chemietoiletten bereitstellen, sagt ihr Sprecher Hagen Kopp (Hanau).
Nach der Absage vom Kreis wandte sich das Bündnis, dem auch autonome Gruppen zugerechnet werden, ans Regierungspräsidium Darmstadt. Das habe ihnen mitgeteilt, es gebe weder polizeiliche noch versammlungsrechtliche Gründe, die gegen die Gesamtschule als Veranstaltungsort sprechen, berichtete Kopp. Das Bündnis möge sich wieder an den Kreis wenden. Dort wird inzwischen "eingehend beraten", wie eine Lösung aussehen kann, sagt Kreis-Pressesprecher Jochem Kahl.
Im Internet wird dazu aufgerufen, dass sich Teilnehmer am 27. Juli um 17 Uhr am Parkplatz Mainstraße / Schloßweg in Kelsterbach treffen. Von dort aus soll es eine Platzbesetzung der Wiesen am Mainufer nahe der B 43 bei Kelsterbach geben und das Camp aufgebaut werden. "Wir wissen offiziell von alledem nichts", sagt Stadt-Pressesprecher Hartmut Blaum.
Die Grenzcamps der vergangenen drei Jahre protestierten an der deutsch-polnischen Grenze gegen inhumane Einwanderungspolitik. Auch geht es um den Austausch unterschiedlicher antirassistischer Gruppen. Diesmal steht der Frankfurter Airport im Blickpunkt, der Deutschlands Abschiebeflughafen Nummer eins sei, von dem täglich 30 bis 40 Menschen abgeschoben würden - mehr als 10 000 im Jahr.
Die Kritik gilt auch dem Transitgebäude C 182, das seit 1993 als Internierungslager diene. Da nach Einführung des Schengener Abkommens ein Ring so genannter sicherer Drittstaaten um Deutschlands Außengrenze gezogen wurde, sei der Luftweg die einzige Möglichkeit, in die Bundesrepublik zu kommen. Doch nach einer Schnellprüfung werde ein Teil der Asylsuchenden sofort wieder abgeschoben, seien sie im juristischen Sinn nie eingereist. Das gelte selbst für Asylsuchende, die vorübergehend in 50 Kilometer entfernten Krankenhäusern untergebracht wurden.
Die Bedingungen im "Grenzgefängnis" am Flughafen seien katastrophal, "sind von der Willkür und Gewalt der BGS-Beamten, wenig Aussicht auf Unterstützung und juristische Beratung und nicht zuletzt unerträglich lange Aufenthaltszeiten geprägt", heißt es im Internet. Das Bündnis, an dem laut Kopp auch das Frankfurter Aktionsbündnis gegen Abschiebung mitwirkt, fordert die uneingeschränkte Einwanderung in die Europäische Union.
Die Aktion Toleranz, die sich in Mörfelden-Walldorf gegen Fremdenhass und Rassismus engagiert, hat Landrat Enno Siehr (SPD) in einem offenen Brief aufgefordert zu verhindern, dass das geplante Camp im Bermuda-Dreieck der Zuständigkeiten untergeht und die Teilnehmenden ihre Zelte auf rechtlich unklarem Terrain aufschlagen müssen. "Sorgen Sie dafür, dass das Engagement für Illegale und gegen Illegalität nicht in dieselbe führt."
lis
Internetadressen: http://www.aktivgegenabschiebung.de und http://www.nadir.org/camp01.