GRENZCAMP 2001   FRANKFURT/M AIRPORT

 
4. antirassistisches Grenzcamp vom 27. Juli bis 5. August 2001 beim Flughafen Frankfurt/Main
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Zwischen Fracht und Flucht

Money makes the world go round
von campzeitung - - 24.07.2001 16:05

Wenn frühmorgens FlughafenanwohnerInnen aus dem Schlaf gerissen werden,
könnte dies der Lärm einer Frachtmaschine sein, die am Abend zuvor, mit
Schnittblumen vollgeladen, in Nairobi losgeflogen ist. Auf Nelkenplantagen, z.B. in Kenia, schuften vor allem Frauen zu Hungerlöhnen für den europäischen Markt.

Endlich Urlaub! Pauschalreise nach Kenia. Die gestreßte Familie Schmidt stellt den Flugzeugsitz bequem und läßt sich von
der Flugbegleiterin mal so richtig bedienen. Unter Schmidts, im Bauch des Flugzeugs, ist das Gepäck und einiges mehr an Fracht. Denn 60% der gesamten Luftfracht wird in Passagiermaschinen transportiert - "alles was der Markt hergibt", wie die Luftfrachtmanager sagen. Es sind Maschinenteile für eine deutsche Firmenniederlassung, Computersoftware, Luxusgüter für die Oberklasse in Kenia, erlesene Spirituosen für die Touristenhotels, Pestizide, für Schnittblumenfelder von internationalen Unternehmen.

Zwei Wochen später. Die Schmidts hatten einen schönen Urlaub.
Sie haben im Hotelpool gebadet, der mit von Einheimischen so dringend benötigten Trinkwasser gefüllt war. Sie haben am Strand die Spezialitäten des Landes serviert bekommen und sitzen nun -beim Rückflug- auf einigen hundert Kilo Barsch aus dem Victoriasee: Frischfisch aus Afrika, der in Kühlboxen nach Europa exportiert wird. Außerdem im Flugzeugbauch: Dutzende von Kühlcontainern mit Schnittblumen, Nelken in allen Farben. Die Nelken
werden für einen Tageslohn, der nicht zum Überleben reicht, vor allem von afrikanischen Frauen bearbeitet und geerntet, auf riesigen Plantagen, die dringender für den Lebensmittelanbau benötigt würden. Uneingeschränkter Pestizideinsatz macht die Arbeiterinnen krank, die besten Böden werden ausgelaugt und auf Dauer vergiftet, das Grundwasser gesenkt. Entwicklungshilfe nennt sich diese Zurichtung auf den "freien" Markt.

Und es lohnt sich: für die Plantagenbesitzer und Blumengroßhändler, die Flughafengesellschaften und die Airlines, gerade auch in Deutschland. Wenn frühmorgens Flughafenanwohner aus dem Schlaf gerissen werden, könnte dies der Lärm einer Lufthansa-Frachtmaschine sein, die am Abend zuvor, mit Schnittblumen und Edelfisch vollgeladen, in Nairobi losgeflogen ist.
Immerhin über 5 % der jährlichen Fracht auf Rhein-Main dient allein
solchen Blumentransporten. Eine der Wachstumssparten, die Frankfurt zum größten Frachtflughafen Europas machen, und unter anderem deshalb gilt der weitere Ausbau als unverzichtbar!? Der Flughafen Frankfurt verdient gut am Blumengeschäft, so gut, daß sich Fraport sogar direkt am Bau neuester Frachtgebäude am Flughafen in Nairobi beteiligt. Schließlich muß die Kühlkette für die profitable, aber leicht verderbliche Frischware dort wohlorganisiert beginnen. In Frankfurt gelandet steht für die Blumen und das exotische Obst, die Wintererdbeeren, Hummer und Fisch das sogenannte Perishable-Center (für verderbliche Waren) bereit. Dies ist ein Kühl- und Logistikzentrum, in dem, wie in weiten Teilen des Frachtbereichs, miserable Arbeitsbedingungen vorherrschen und extrem niedrige Löhne gezahlt werden. Kein Wunder, denn gewerkschaftliche Ansätze oder Betriebsräte werden hier systematisch herausgedrängt. So schließt sich der Kreis globaler Marktlogik, Ausbeutung an beiden Enden der Blumenkette, in
Afrika um ein Vielfaches brutaler. Angesichts der Hungerlöhne, der totalen Marktabhängigkeit der Anbauländer bis zur Bodenvergiftung, folgt aus diesen Produktionsbedingungen und ihrer Fracht nicht selten Flucht. Wenn dann Menschen aus diesen Ländern fliehen, um nach besseren Überlebensperspektiven zu suchen, werden sie in Politik, Medien und an Stammtischen als unwillkommene "Wirtschaftsflüchtlinge" behandelt. Doch hier gibt es immerhin billige Nelken zum Valentinstag.

Was riefen tausende DemonstrantInnen unlängst in Genua den dort versammelten Regierungschefs der reichsten Länder zu: "Eine andere Welt ist möglich!" Sonst wäre es auch nicht zum Aushalten.