GRENZCAMP 2001   FRANKFURT/M AIRPORT

 
4. antirassistisches Grenzcamp vom 27. Juli bis 5. August 2001 beim Flughafen Frankfurt/Main
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Nichts aus der Geschichte gelernt

Zur geplanten massenhaften Abschiebung von Roma-Flüchtlingen.
von JoachimBrenner, Förderverein Roma, Frankfurt am Main - - 24.07.2001 16:20

"Menschen, die zwar nicht als Asylsuchende nach Art. 16a GG oder ansonsten als Flüchtlinge anerkannt werden, aber Abschiebeschutz erhalten bzw. wegen fortdauernden Abschiebehindernissen in Deutschland bleiben werden, wollen wir einen Aufenthaltsstatus bieten, der ihnen eine Lebensplanung und-perspektive ermöglicht." Ein Eckpunkt der Süssmuth-Kommission, der auch für die Roma-Flüchtlinge aus Osteuropa nach Jahren der Ungewissheit
endlich Sicherheit bedeuten könnte. Familien, die zum Teil bereits seit1989 im Bundesgebiet leben hätten durch die Absicherung des Aufenthalts die Möglichkeit, eine Lebensperspektive aufzubauen. Die Wirklichkeit sieht jedoch völlig anders aus.

Die Situation der Roma-Flüchtlinge im
Rhein-Main-Gebiet verdeutlicht das exemplarisch.Die größte Gruppe der in
Frankfurt und Umgebung lebenden Roma-Flüchtlinge stammt aus Rumänien.
Pogrome, soziale und ökonomische Not veranlasste die Menschen Ende der
achtziger Jahre in den Westen zu flüchten. Ihr Asylantrag wurde regelhaft
abgelehnt, da der Informationsdienst des auswärtigen Amtes stets darauf
verwies, dass in Rumänien keine staatliche Verfolgung gegenüber Roma
existiere. Anderslautende Berichte von Betroffenen, von
Selbsthilfeverbänden oder von international renommierten Flüchtlings-und
Menschenrechtsorganisationen wie ai, UNHCR und helsinki watch waren in den
Augen der Einzelentscheider und Richter das Papier nicht Wert, auf dem die
nachweislichen Menschenrechtsverletzungen dokumentiert wurden. Als letzter
Ausweg blieb den Familien die Ausbürgerung aus der rumänischen
Staatsbürgerschaft, um als Staatenlose der Abschiebung zu entgehen.


Entsprechend des breiten Konsens in Politik und Bevölkerung, dass
"Zigeuner" hier nichts zu suchen haben, wurde 1992 ein
Rückübernahmeabkommen zwischen Rumänien und der BRD abgeschlossen. Die
zwischenzeitlich bewerkstelligten Aktualisierungen der Vereinbarung zeigen
nunmehr praktischen Erfolg. In einem ersten Schritt wurde mit Geld und
Druck die Ausreise in den Westen erschwert und Technik und Logistik der
rumänischen Grenzbehörden verbessert. Ein zweiter Schritt erleichterte die
Identifikation; d. h. das Zeugnis eines unbeteiligten Dritten reichte aus,
um an der deutschen Grenze zurückweisen zu können. Die nächste Stufe
bewirkte, dass denjenigen, denen die Flucht gelang und die sich in der
Bundesrepublik aufhielten, die Rechtmäßigkeit der Ausbürgerung
abgesprochen wurde. Die Urkunden wurden überprüft, das Personal der
rumänischen Botschaft in Bonn ausgewechselt und etwa 80 % der
Ausbürgerungsurkunden als rechtlich unwirksam eingestuft. In der
Konsequenz für die Betroffenen bedeutet das: Verlust des Reisedokumentes,
Verlust der Aufenthaltsbefugnis bzw. -erlaubnis und dadurch bedingt,
Verlust der Arbeit oder der Sozialhilfe, soweit diese überhaupt geleistet
wurde. Vor der Ausweisung wird nun eine Duldung, das heißt die Aussetzung
der Abschiebung oder eine Grenzübertrittsbescheinigung, ein Dokument, das
die Roma auffordert, innerhalb einer Frist von sechs Wochen freiwillig das
Land zu verlassen, erteilt.

Viele Familien sind nun an dem Punkt
angekommen, wo der Begriff Perspektive keine Bedeutung mehr hat. Um der
sprichwörtlichen deutschen Gründlichkeit vollends gerecht zu werden, hat
die letzte Vereinbarung zwischen Innenminister Schily und seinem
rumänischen Amtskollegen Illiescu zur Zielsetzung, dass auch die
rechtmäßig ausgebürgerten staatenlosen Roma von Rumänien zurückgenommen
werden, da die Ausbürgerung angeblich gegen geltendes Völkerrecht
verstoßen hätte. Eine Behauptung, die zumindest was die Ausbürgerungen bis
Mitte der 90er Jahre anbetrifft, verwaltungsgerichtlich keinen Bestand
hat. Dennoch, viel Geld - die Rede ist von Beträgen zwischen 60 und 100
Millionen DM - und die Inaussichtstellung EU-Land zu werden, öffnet Tür
und Tor für jeden politischen und rechtlichen Willkürakt gegenüber Roma.

Ein Aufbäumen seitens der demokratischen Öffentlichkeit hierzulande ist
nicht zu verzeichnen. Im Gegenteil, Pressekampagnen der Roma-Verbände und
Proteste der Betroffenen werden mehrheitlich ignoriert. Es interessiert
niemanden, was mit den Menschen passiert. Meinungsmachend ist die
Auflagenstärke der Zeitung, die Wählerstimme für die Partei, die
Einschaltquote und die Bedienung der ungeteilten Ablehnung von Roma in der
bundesdeutschen Bevölkerung. Es steht zu befürchten, dass in den nächsten
beiden Jahren allein im Frankfurter Raum zwischen 1500 und 2000 Roma aus
Rumänien abgeschoben werden. Dabei handelt es sich um Kinder, deren
Sprache romanes und deutsch und nicht rumänisch ist, um Kinder, die hier
geboren sind, es handelt sich um Erwachsene, bei denen die Erinnerung an
Verfolgung, Diskriminierung und Perspektivlosigkeit wach ist, es handelt
sich um Alte und Kranke, deren Versorgung in Rumänien nicht gewährleistet
ist. Doch ungeachtet dessen, handelt es sich vor allem um Menschen, die
ein Recht haben hier zu leben - jenseits der tagtäglichen Erfahrung von
behördlicher Ignoranz und gesellschaftlicher Ausgrenzung.