GRENZCAMP 2001   FRANKFURT/M AIRPORT

 
4. antirassistisches Grenzcamp vom 27. Juli bis 5. August 2001 beim Flughafen Frankfurt/Main
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Zwangsarbeit ausgezahlt?

Veranstaltung & Aktionstag
von Anonym - - 12.07.2001 15:55

Veranstaltung am Montag, 30. Juli 2001, 19:00 im Cafe KOZ Frankfurt/Main und
Aktionstag während des antirassistischen Grenzcamps am Dienstag, 31. Juli 2001


Während des Zweiten Weltkrieges wurden 10-12 Millionen Menschen - zwei Drittel von ihnen Frauen - nach Deutschland verschleppt. Die meisten kamen aus osteuropäischen Ländern. Sie mussten in der Industrie, aber auch in Handwerksbetrieben, auf Bauernhöfen, in öffentlichen Einrichtungen, Kirchen oder privaten Haushalten Zwangsarbeit leisten. Viele von ihnen sind bereits kurz nach dem Krieg an den Folgen der Zwangsarbeit gestorben. Heute, 56 Jahre später, leben nur noch die wenigsten. All die Jahre hat es in Deutschland kaum jemanden gestört, dass diese Frauen, Männer und sogar Kinder für ihre Arbeit keinen Pfennig erhalten haben. Erst als es für die deutsche Regierung und die deutsche Wirtschaft darum ging, wirtschaftliche Nachteile auf internationaler Ebene, speziell dem US-amerikanischen Markt, zu vermeiden, kam die Debatte um "Entschädigung" in Gang.
Als "Schlussstrich" wertete Bundeskanzler Schröder Ende Mai den Beschluss des Bundestages, mit dem die “Rechtssicherheit” für deutsche Unternehmen - sprich: ihr Schutz vor weiteren Entschädigungs- und Lohnansprüchen ehemaliger NS-ZwangsarbeiterInnen festgestellt wurde. Damit war der Weg für eine erste Auszahlung frei. Die zugesagten Beträge sind keine "Entschädigung" für die brutale Ausbeutung der Arbeitskraft bis hin zur Vernichtung durch Arbeit, den alltäglichen Rassismus und Sexismus, das heißt Vergewaltigungen, Misshandlungen, Demütigungen und Hunger. Und sie sind Peanuts im Vergleich zu den Gewinnen, die mit der Zwangsarbeit erwirtschaftet wurden. Dennoch stellen sie für die ZwangsarbeiterInnen eine reale Unterstützung dar, da die meisten in ärmsten Verhältnissen leben und dieses Geld z.B. dringend für Medikamente brauchen.
Das Stiftungsgesetz schließt ansonsten Rechtsansprüche ausdrücklich aus und macht aus Menschen mit Lohn- und Entschädigungsansprüchen AlmosenempfängerInnen. Wohl gemerkt, es geht bislang nur um eine erste Auszahlungsrate! Denn vor einer zweiten Rate soll abgewartet werden, wie viele Anträge von ehemaligen ZwangsarbeiterInnen letzten Endes gestellt werden. Sind dies mehr als erwartet - und das war von Anfang an absehbar - wird die zweite Rate gekürzt und es werden insgesamt noch geringere Beträge als die genannten ausgezahlt werden!
Was bedeutet das alles? Geld bekommen nur die, die als sehr junge Menschen Zwangsarbeit geleistet haben, alle älteren sind bereits verstorben. Für ihre Arbeitskraft haben Wirtschaft und Staat also nie etwas bezahlt und werden dies auch nicht mehr tun müssen. Von den Auszahlungen werden überdies ganze Gruppen ausgeschlossen, wie z.B. die italienischen Militärinternierten. Dann werden noch all die von Zahlungen ausgeschlossen, denen es nicht gelingt, ihre Zwangsarbeitszeit nachzuweisen, denn die Nachweispflicht liegt bei den Betroffenen. Viele haben aber keine Dokumente oder haben diese z.B. in der Sowjetunion vernichtet, da sie unter Stalin befürchten mussten, wegen Kollaboration mit den Nazis verfolgt zu werden. Ersatzdokumente können nur schwer oder gar nicht besorgt werden, da auch die meisten Firmen nicht bereit sind, ihre Archive zu öffnen.
Auch die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft geht davon aus, dass die erwähnte zweite Rate nicht voll ausgezahlt werden kann: Mindestens 300.000 mehr als die erwarteten 1,2 Millionen Anträge auf Entschädigung werden gestellt. Damit würde aber der von Bundesregierung und Wirtschaft bereitgestellte Betrag nicht mehr ausreichen. Diese Unverfrorenheit kommt nicht von ungefähr, schließlich handelt die deutsche Wirtschaft aus einer Machtposition heraus - vor allem gegenüber den ost- und südosteuropäischen Ländern, aus denen ja die meisten ZwangsarbeiterInnen verschleppt wurden. Ausdruck dessen ist auch der Stichtag, an dem die ersten Gelder nach Polen überwiesen wurden: Es war - guter Plan! - der Tag, an dem die DM gegenüber dem polnischen Zloty besonders schwach war, somit verlieren die ZahlungsempfängerInnen in Polen nochmals viel von dem, was ihnen zusteht. Während diese Politik der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft in Polen, Tschechien oder anderen mittel- und osteuropäischen Ländern Empörung auslöst, ist der Protest in Deutschland bisher marginal. Dabei geht es mehr denn je um die Solidarität mit den ehemaligen ZwangsarbeiterInnen:


Berücksichtigung aller ZwangsarbeiterInnen bei den Entschädigungszahlungen!

Der Gesamtbetrag muss erhöht und die aufgelaufenen Zinsen müssen den
Überlebenden ausgezahlt werden!

Alle Archive, auch die der Firmen, müssen geöffnet werden!

Kein Schlußstrich unter die NS-Verbrechen!


Veranstaltung am Montag, 30.7.2001 um 19:00 im Cafe im KOZ (StudentInnenhaus/Uni-Campus), Mertonstr. 26-28, Frankfurt am Main, zur Bedeutung der Zwangsarbeit für das nationalsozialistische Deutschland und ihre Auswirkungen auf das "Wirtschaftswunder" sowie zur aktuellen Situation. Beiträge von Elisabeth Timm (Historikerin), Peter Gingold (Auschwitz-Komitee) und einer ehemaligen Zwangsarbeiterin im Daimler-Benz-Werk von Genshagen.

Am Dienstag, 31.7.2001, findet im Rahmen des antirassistischen Grenzcamps ein Aktionstag zum Thema Entschädigung/Zwangsarbeit statt. Haltet Euch den Dienstag frei und achtet auf Ankündigungen, wo Aktionen/Veranstaltungen stattfinden werden!