GRENZCAMP 2001   FRANKFURT/M AIRPORT

 
4. antirassistisches Grenzcamp vom 27. Juli bis 5. August 2001 beim Flughafen Frankfurt/Main
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Your not from Ghana, you are from Kelsterbach

über den fehlgeschlagenen Versuch eine Öffentlichkeit im Internierungslager C183 herzustellen
von Kwame Paniing - - 01.08.2001 20:03

Am Freitag den 27.7.01 wurde der Versuch gestartet als Asylantragstellender in das Internierungslager C183 am Frankfurter Flughafen zu gelangen. Ziel war es ausführliche Interviews mit den Flüchtlingen zu führen, und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich ungekürzt in der Öffentlichkeit zu äußern.

"You are not from Ghana, you are from Kelsterbach"
Über den fehlgeschlagenen Versuch eine Gegenöffentlichkeit im Frankfurter Internierungslager herzustellen.

Close down Internation Camp C183
Rassismus als Teil einer Dominazkultur in Deutschland macht sich in den meisten Fällen wohl nicht in rassistischen Übergriffen bemerkbar, sondern vielmehr in der alltäglichen Abwertung und Ausgrenzung bzw. dem Unsichtbarmachen rassistisch markierter Personen.
Es ist daher kein Zufall, dass sich Flüchtlingsunterkünfte auf Schiffen (Hamburg), tief in den Wäldern (Brandenburg) oder in abgelegenen Gebäuden befinden. Als direkte Folge der Abschaffung des Asylrechts 1993 befindet sich seit 1994 im Gebäude C183 des Frankfurter Flughafens ein Internierungslager für Menschen, die ohne gültige Einreisepapiere am Grenzübertritt in die brd gehindert werden. Zum Teil für mehrere Monate sind hier Menschen interniert, ohne das Gebiet der brd betreten zu dürfen. Die einzige Abwechslung stellt ein Hofgang dar, zu dem die Flüchtlinge mit einem Bus zu einem umzäunten Gelände am Rande des Flughafens gefahren werden. Mit einer Reihe von Hungerstreiken, und Selbstmordversuchen versuchten sich die Internierten in den vergangenen Jahren gegen diese Zustände zur Wehr zu setzen. Im vergangegen Jahr forderte dieser Widerstand mit Naima H. aus Algerien das erste Menschenleben - sie hatte sich nach mehr als acht Monaten Internierung in der Dusche erhängt.
Nur selten dringen Informationen über die Verhältnisse in solchen Einrichtungen nach draußen. Wenn doch, dann zummeist als Berichte deutscher Initiativen oder JournalistInnen. Mit dem, leider gescheiterten,
Versuch, ungekürzte, ausführliche Interviews aus dem Internierungslager C183 am Fraport zu senden, wollten wir die Grabesstille diese Ortes durchbrechen .?
Dafür war es notwendig, eine Person für einen längeren Zeitraum in das Internierungslager C183 einzuschleusen, um genügend Zeit zu haben, auch längere Gespräche ohne BGS-Beobachtung zu führen.

Teilnehmende Beobachtungen
Am Freitag den 27.7.01 gegen 22°° meldete ich mich bei einer BGS - Passkontrollstelle, um politisches Asyl zu beantragen. Von den ersten BeamtInnen mißverständlicherweise zur Toilette verwiesen, gelang es mir einige Minuten danach eine weitere Beamtin von meinem Anliegen zu überzeugen.
Bis etwa 0.30 wurde dann mein Fall im Büro des BGS am Terminal B aufgenommen.Zu dieser Zeit befanden sich dort auch mehrere andere Personen, die jedoch nicht um, Asyl ersuchten,sondern schlicht vom BGS an einer Weiterreise gehindert wurden. Sei es der indonesische Automobilfan der zum Formel 1 Rennen nach Hockenheim wollte und keinVisum hatte, oder eine Gruppe mittelamerikanischer Reisegäste die ihren Anschlußflug verpasst hatten, und ein Visum zur Übernachtung in einem Hotel wollten (was sie jedoch nicht bekamen). Auffallend bei der Behandlung der Einreisewilligen war der krasse Unterschied des Umganges mit ihnen zum Umgang mit Angehörigen von Fluglinien. Wurde letzteren in kollegialem Ton weitergeholfen, mußten sich erstere zumeist sehr kurze englische Befehlsformeln? anhören, wobei die Schärfe der Anweisungen im umgekehreten Verhältniss zu den Englischkenntnissen der jeweiligen BeamtInnen stand, und sich Männer unangenehm von ihren Kolleginnen abhoben. Davon ausdgehend, daß alle Anwesenden AusländerInnen kein Deutsch sprachen, unterhielten sich Beamten recht freizügig. In einer nur als Jagdeifer zu bezeichnenden Stimmung tauschten sie sich über die Anzahl der bereits in dieser Schicht abgewiesenen MigrantInnen und die spektakulärsten Visafälschungen aus. Zitat:"Und, mal wieder Chinesen jagen gewesen?" - "Jau allein XXX gefälschte Visa und ein gefälschtesTicket in der Maschine aus XXX". In diesem, exemplarischen Satz, spiegelt sich jenes Subjekt / Objekt Verhältnis wieder, das sich durch meinen weiteren Aufenthalt im BGS - Gewahrsam ziehen sollte, die Reduktion individuelle Migrationsbiografien auf einen asylrechtlichen Fall, den es schlicht abzuarbeiten gilt.
Gegen 0 Uhr wurde ich dann in eine Zelle im unteren Stockwerk des Terminals geführt, durchsucht, und mußte mich komplett entkleiden. Kurze Zeit später erfolgte dann der Transfer ins Internierungslager C183. Auf dieser Fahrt zu dritt in einem riesigen Gelenkbus, unterhielt sich die mich begleitende Beamtin angeregt mit dem Busfahrer über erhrenhafte Politiker, darüber, daß diese heute keine Rolle mehr in der deutschen Politik spielen würden sondern nur "Kakerlaken wie Schily und Fischer"(Zitat des Busfahrers), und die Existenz des Grenzcampes , das man niemals hätte zulassen sollen.
Im Internierungslager gegen 0.30 angekommen wurde ich von einer vergleichsweise netten Beamtin und ihrem Kollegen auf die Toiletten hingewiesen, bekam Essen und etwas zu trinken angeboten. Der Schlafsaal, in dem ich mich alleine befand war mit einem Tisch und vier über die Jahre hinweg vollbeschriebenen Doppelstockbetten spartanisch ausgestattet. Auch die Kunststoffummantelten Matratze und die aufgestapelten Felddecken machten eher den Eindruck einer Zelleneinrichtung.
Am nächsten Tag um 8°° folgte dann die nächste Etappe des Flughafenasylverfahrens, die Reisewegsanhörung durch den BGS. Wie bei jeder neu ankommenden Person wurden auch bei mir Fingerabdrücke genommen, Photos gemacht, und eine Durchsuchung durchgeführt, bei der ich mich erneut ausziehen mußte. Dazwischen fand ein Gespräch mit einem Dolmetscher statt um zu klären woher ich komme, und vor allem welchen Weg ich auf meiner "Flucht" genommen hatte. An dieser Stelle kamen den Beamten erste Zweifel bezüglich meiner Herkunft. Die schließlich durch den Übersetzer bestätigt wurden, da ich keiner der üblichen westafrikanischen Sprachen mächtig bin. Zunächste stellte dies kein größeres Hindernis für die Aktion dar, da es nicht selten vorkommt, daß Flüchtlinge im Asylverfahren eine andere Nationalität angeben, da ihre ursprüngliche aufgrund der herrschenden Asylpraxis nur wenig Aussicht auf Erfolg im hat. Die Vermutung eines Beamten `You are not from Ghana, you are from Kelsterbach" ließ sich nur anhand der von mir genommen Fingerabdrücke bestätigen, die daher mit größter Eile durch ein Trio junger BGS Beamten zur Auswertung gebracht wurden. Drei Stunden später herrschte dann Gewissheit , bei der hier antragstellenden Person handelt es sich um einen polizeibekannten deutschenn Aktivisten, und nicht um einen ghanesischen Studenten. Der Versuch Gespräche mit Menschen im Internierungslager zu führen war gescheitert. Im Rahmen der Anhörung durch das Bundesamt zur Anerkennung Asylsuchender im Terminal zwei, wurde mir diese Erkenntnis dann vermittelt. Mit den den Worten" Sie können jetzt gehen, sie sind ein freier Mann, sie hätten ja die ganze Zeit gehen können` wurde ich dannach entlassen. Worte die angesichst der zahlreichen Selbstmordversuche von Menschen ohne deutschen Pass im Transitlager nur als zynisch bezeichnet werden können.

Die Banalität des Bösen
Als abschließender Eindruck bleibt, daß es für den Betrieb der Abscheibemaschinerie am Frankfurter Flughafen keiner Gewaltexesse oder faschistischer Orientierung bedarf(Obgleich Gewalt bei Abschiebungen üblich ist). Auch jene nette Beamtin, die sich einen Morgen lang um meine Reisewegsbefragung kümmerte, und mir ein Frühstück besorgen wollte, trägt ihren Teil zur Abschiebung von ca. 10000 Menschen jährlich am Frankfurter Flughafen bei. Und während sich ihr Kollege stolz brüstet, einer Unbekannten, die ihm in den Wagen fuhr, bei einem kleinen Lackschaden 100 Mark aus den Rippen geleiert zu haben, schenken sich beide einen Kaffee ein, nur um im nächsten Moment mit der Aufnahme meines Falles fortzufahren. Die Banalität des Bösen wie es Hanna Arendt nannte spiegelt sich gerade im freundlich, kollegialen Ton der BeamtInnen untereinander wieder, und nicht zuletzt im sportiven Eifer einiger Männer, kuriose Fälle zu enttarnen , als ginge es um ein Räuber und Gendarmespiel. Daß sie durch ihre Tätigkeit über einzelne Lebensläufe entscheiden, und dies in nahezu 100% entgegen dem Willen der Betroffenen entscheiden, taucht in ihren Gesprächen mit keiner Silbe auf. Sie tun eben nur ihre Pflicht, exekutieren ` Gesetze , folgen den Anordnungen ihrer Vorgesetzten - ein Haltung die in Deutschland lange Tradition hat.

Kwame Paniing, Safo (bei Kelsterbach)