F: In den letzten Tagen haben Grenzcamp-Aktivisten an zahlreichen Stellen in der Innenstadt von Frankfurt am Main
gegen Ausgrenzung und Rassismus demonstriert. Am Mittwoch gab es einen sogenannten Innenstadttag - was ist damit
gemeint?
Diejenigen, denen es gelungen ist, durch die Maschen der deutschen Außengrenze zu schlüpfen, sind mit einem ganzen
Arsenal weiterer »innerer Grenzen« konfrontiert: Unterbringung in Lagern, Residenzpflicht, Arbeitsverbot, befristete
Duldung, Meldepflicht usw. Auch in der sogenannten Weltstadt Frankfurt gibt es diese inneren Grenzen mit
BGS-Kontrollen am Bahnhof, Videoüberwachungen, ständigen Paßkontrollen an der Hauptwache, Razzien in Bordellen
und auf Baustellen und vieles mehr.
Mit dem Innenstadttag haben wir diese »inneren Grenzen«, die Kontrollen, den alltäglichen und von Behörden
ausgehenden Rassismus thematisiert. Wir haben Kameras zugehängt und an verschiedenen Stellen, an einer Brücke am
Main und in der Nähe der Hauptwache, symbolische Grenzstationen aufgebaut.
F: Und Sie haben Leute dort dann auch kontrolliert?
Ja. Ziel der Aktion war es, das Ganze mal umzudrehen und Deutsche zu kontrollieren. Wir haben alle nach ihrer
Nationalität gefragt, und alle Nichtdeutschen durften passieren. Ansonsten haben wir noch ein paar Fragen gestellt.
F: Wie haben die Leute reagiert?
Es gab sehr unterschiedliche Reaktionen. Wir haben dort einen Fragebogen verteilt und viele haben tatsächlich die Frage,
wo sie hin wollen usw., beantwortet. Andere waren ungehalten oder verunsichert.
Interessant war: Die ausländischen Jugendlichen, die zufällig vorbeikamen, haben ziemlich gut verstanden, was da
passiert. Die konnten den anderen Leuten dann auch erklären, welchen Hintergrund diese Aktion hat. Und viele
ausländische Jugendliche, die überhaupt nichts mit dem Camp zu tun hatten, fanden die Aktion gut. Die konnten das
Ganze richtig einordnen, während viele Deutsche einfach verunsichert waren. Am Mittwoch abend haben dann nochmals
über 1 000 Menschen gegen rassistische Kontrollen auf den Bahnhöfen demonstriert und das Sicherheitskonzept der
Bahn AG - »Service, Sicherheit, Sauberkeit« - angeprangert.
F: Die Grenzcamp-Pressegruppe hatte den Betreiber des Rhein-Main-Flughafens, die Fraport AG, in einem offenen Brief
aufgefordert, öffentlich zu erklären, daß eine am Samstag geplante Demonstration wie geplant stattfinden kann. Hat
Fraport inzwischen reagiert?
Es gab am Mittwoch ein Gespräch mit der Polizei und Fraport-Vertretern zu der geplanten überregionalen
Demonstration. Da wollen wir in Terminal 1 unsere Kundgebung durchführen und nicht wieder ausgesperrt werden. Bei
diesen Gesprächen wurde uns zugesichert, daß sich die Fraport bei uns bis Donnerstag 12 Uhr meldet. Doch das ist nicht
geschehen. Deshalb werden wir ab jetzt immer wieder spontan am Flughafen auftauchen, und zwar im Terminal 1,
Bereich B - da, wo wir auch am Samstag demonstrieren wollen. Und wir sind gespannt, was da in den nächsten Tagen
noch passiert.
F: Die Demonstration ist der Abschluß des Grenzcamps?
Nicht ganz. Wir beteiligen uns auch noch am Sonntagsspaziergang der Bürgerinitiativen gegen Flughafenerweiterung und
für ein Nachtflugverbot. Die Veranstaltung am Samstag wird aber sicher schon deshalb von zentraler Bedeutung sein, weil
wir nochmals sehr viele Teilnehmer erwarten und wichtige Forderungen erhoben werden. Es dürfte ja mittlerweile
bekannt sein: Der Rhein- Main-Flughafen ist Deutschlands Abschiebe-Airport Nr.1. Mehr als 10 000 Menschen werden
jährlich von hier aus außer Landes geschafft.
Abschiebungen sind ein brutales Instrument rassistischer Flüchtlings- und Migrationspolitik. Sie stehen am Ende einer
systematischen Ausgrenzung von Flüchtlingen und Migranten. Und auch die derzeit manchmal eher liberalen Töne in der
aktuellen Einwanderungsdebatte ändern nichts an der Lage der von Abschiebungen Betroffenen.
Welche Folgen es haben kann, wenn sich Flüchtlinge gegen ihre Abschiebung oder gegen die Haftbedingungen im
Internierungslager wehren, zeigen die Beispiele von Kola Bankole und Aamir Ageeb. Ihr Widerstand während der
Abschiebung wurde von Staatsbediensteten so brutal gebrochen, daß sie den Flug nicht überlebten. Und Naimah Hadjar
nahm sich im Mai letzten Jahres nach 234 Tagen im Internierungslager des Frankfurter Flughafens das Leben. Unsere
Forderung lautet deshalb: Internierungslager auflösen, Abschiebungen stoppen. Und die werden wir auch vor Ort
vorbringen.