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Klassisch zelten
Am 12. Juli beginnt das fünfte Antirassistische Grenzcamp in Jena
aus: jungle World, 10.7.2002 Es war mit 1 500 TeilnehmerInnen das bislang größte Camp, was auch daran lag, dass sich immer mehr Menschen aus verschiedenen Spektren und Flüchtlingsorganisationen beteiligten. Von ihnen, vor allem vom Africa Refugee Forum von The Voice, stammte der Vorschlag, in diesem Jahr wieder im ländlichen Osten, nämlich in Thüringen, zu zelten. The Voice ist dort besonders stark vertreten und tritt seit Jahren an die Öffentlichkeit, um die prekäre Situation von Flüchtlingen bekannt zu machen. Der Schwerpunkt des Jenaer Camps wird die Thematisierung der alltäglichen Isolation und der Ausgrenzung von Flüchtlingen, sowie der ständigen rassistischen Kontrollen sein, zumeist auf Grundlage der so genannten Residenzpflicht. Ziele unserer Interventionen werden die Verweigerung grundlegender Menschenrechte wie z.B. des freedom of movement und des Rechtes auf politische Betä tigung sein. Thematisiert werden auch der Ausschluss vom gesellschaftlichen Reichtum und die alltägliche psychische, verbale und physische Gewalt gegen Flüchtlinge und MigrantInnen. Wir hoffen, die Selbstorganisierung von Flüchtlingen und die Zusammenarbeit zwischen Flüchtlingen und anderen AntirassistInnen unterstützen zu können und eine Basis für inhaltliche Auseinandersetzungen und praktische Politik auf der Straße herzustellen. Die Entscheidung, das Camp dieses Jahr in Jena stattfinden zu lassen, ist als Schritt zu verstehen, die Dominanz von weißen, mehrheitlich deutschen AntirassistInnen zu brechen, um in Kooperation mit selbst organisierten Flüchtlings- und MigrantInnengruppen eine antirassistische transidentitäre Organisierung voranzutreiben. Einerseits wollen wir somit die unterschiedlichen Erfahrungshintergründe nicht aus den Augen verlieren, andererseits wollen wir die unterschiedlichen Identitäten, die sich hierdurch herausbilden, nicht einfach als gegeben akzeptieren. Worum es geht, ist also, identitäre Zuschreibungen anzugreifen, Schnittmengen auszuloten, zu schauen, wo eine gemeinsame politische Arbeit Räume eröffnen kann - und das jenseits aller Instrumentalisierungen. Der Wunsch, unterschiedlichen Bedürfnissen Ausdruck zu verleihen, und die Bereitschaft, dafür auch linke Standards in Frage zu stellen, wurde in den Vorbereitungstreffen für Jena zum Beispiel bei der Planung des Essens deutlich. Anders als bisher ist die Aufteilung der Volxküchen in eine vegetarisch/vegane und eine mit Fleisch vorgesehen. Im diesjährigen Camp soll auch ein Schwerpunkt auf einer gemeinsamen Kommunikation anstelle des vielfach beklagten Nebeneinanders einzelner Gruppen oder Teilszenen liegen. Wir schlagen außerdem Englisch als Campsprache vor, um Verständigungsschwierigkeiten und die dadurch entstehenden Wissens- und Machthierarchien abzubauen. Trotzdem wollen wir nach unseren Möglichkeiten für alle vertretenen Sprachen Übersetzungen organisieren. Zudem bietet und bildet das Camp vielfältige Räume, sich untereinander und nach außen mitzuteilen: beim Planen gemeinsamer Aktionen, fast jederzeit im Plenumszelt, bei Reclaims in den Städten, bei Pink-Silver-Happenings, bei öffentlichen Veranstaltungen und Workshops, beim Chillen in der Camp-Bar, beim Köpfen von Gartenzwergen etc. Anders als im Vorjahr in Frankfurt / Main, als - aus Angst, in der Großstadt nicht aufzufallen - das Hauptaugenmerk auf öffentlichkeitswirksamen Aktionen (Flughafen, Börse, Innenstadt) lag, werden wir in Thüringen mitten im Sommerloch wohl allein durch unsere Anwesenheit auffallen. Mit dem Anspruch, eine transidentitäre Organisierung voranzutreiben, entsteht ein Bedürfnis nach offenen Räumen, nach einer gemeinsamen Aktionsvor- und -nachbereitung, Zeit, um sich zu erklären und um unterschiedliche und gemeinsame Standpunkte, Sicht- und Verhaltensweisen zu verstehen. Orte, an denen wir uns in Thüringen einmischen wollen, sind die beiden Jenaer Rüstungszuliefererfirmen Jenoptik und Zeiss Optronik, die Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung für AsylbewerberInnen (Zast), die Friedrich-Schiller-Universität (mit einer faschistischen Tradition der Menschenforschung im Nationalsozialismus und einer von weltweit vier Standorten der menschlichen Genom-Entschlüsselung), Treffpunkte neofaschistischer Organisationen, wie der Kameradschaft Gera, sowie der Innenstadtbereich, Vorgärten, Schwimmbäder und andere Orte, an denen man nicht mit uns rechnet. Wir wünschen uns, dass wieder viele Linke aus unterschiedlichen Bereichen kommen, ob Organisierte oder Einzelpersonen, aus Großstädten oder vom Lande; Menschen, die sich kritisch mit Rassismus, Sexismus und anderen Herrschaftsformen auseinandersetzen wollen, sowie Betroffene aus den Flüchtlingsheimen. Der gemeinsame Campalltag und der Versuch der Selbstorganisierung aller ist für uns ebenso ein wichtiger Schritt zur Emanzipation von Herrschaftsstrukturen wie die verschiedenen praktischen Aktionen auf Straßen und Plätzen oder die Gespräche mit Interessierten. |
11.07.2002 |