Das Flüchtlings-Transitheim auf dem Forst
von Campzeitung - 12.07.2002 16:19
Die Zustände in der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) auf dem Forst können kaum als menschenwürdig bezeichnet werden. Zwar stellt sie das erste „Heim“ für Flüchtlinge dar, die in Thüringen untergebracht werden, doch „zu Hause“ fühlen können die Flüchtlinge sich dort kaum. Impressionen.
Die EAE liegt gerahmt von Wald, fernab der Stadt. Die scheinbare Idylle ist jedoch keine. Das passendere Bild zur Beschreibung der EAE ist der sie umgebende Stacheldraht. Isolation ist allgegenwärtig und findet auf verschiedenen Ebenen statt.
Eine Fahrt in die Stadt müssen sich die Flüchtlinge mit ihrem zweiwöchigen „Taschengeld“ von 20 Euro (wovon der Großteil für Anwaltskosten im Asylverfahren gebraucht wird) jedes Mal gut überlegen. Hin und zurück kostet 1 Euro, nach 18 Uhr fährt nur ein Kleinbus auf Anfrage, für den, egal ob ein oder fünf Leute mitfahren wollen, 5 Euro bezahlt werden müssen. Manche der Busfahrer lassen schwarze Fahrgäste bewusst zuletzt einsteigen.
Zwischen dem Telefonat mit Verwandten oder Freunden liegt ein langer Fußmarsch oder eine Extrafahrt nach Jena – auf dem Forst herrscht ein Mangel an Telefonzellen.
Die Kommunikation zwischen der Leitung der Unterkunft und den Asylbewerbern ist mangelhaft. Letztere wissen meist nicht, was erstere in ihrem Namen tun. Wenn Asylbewerber um Informationen zu spezifischen Fragen bitten, werden ihnen diese in der Regel verwehrt. Der Großteil der Heimangestellten verfügt nur über unzureichende Fremdsprachenkenntnisse.
Laut Gesetz ist die EAE so konzipiert, dass einE AsylbewerberIn sich nicht länger als drei Monate in ihr aufhält, bevor er oder sie in ein richtiges Flüchtlingsheim umverteilt wird. Viele „leben“ länger hier, manche Flüchtlinge haben bis zu zehn Monate auf dem Forst verbracht.
Flüchtlinge auf dem Forst beschweren sich regelmäßig über die Verpflegung. Den besseren Teil davon gibt es nur an den Verkaufsständen, und die sind teuer. Das reguläre Essen ist schlecht, sowohl was den Nährstoffgehalt als auch was den Geschmack betrifft. „Irgendwas mit Reis und Sauce“ ist die beste Bezeichnung dafür. Manchmal werden auch verdorbene Lebensmittel ausgegeben. Das abgelaufene Haltbarkeitsdatum wird dann einfach übermalt. Es ist verboten, eigenes Essen zu kochen. Werden Kochutensilien benutzt, so beschlagnahmt sie der Sicherheitsdienst.
Die medizinische Betreuung und die hygienischen Zustände sind nicht besser und nicht schlechter als in anderen Einrichtungen dieser Art – unterstes Niveau. Geschichten gäbe es viele zu erzählen, von tropfenden Wasserhähnen, verstopften Klos ohne Brille und zu spät gerufenen Ärzten.
Schließlich noch der Sicherheitsdienst MSD, der völlig willkürlich mit den Flüchtlingen umgehen kann. Treffen, die von Leuten außerhalb des Heims organisiert werden, sind verboten; ein Aktivist von „The VOICE Africa Forum“, der einige Bewohner für ein Gespräch über ihre gesetzmäßigen Rechte besuchte, bekam schlicht und einfach Hausverbot. Das antirassistische Transparent, das ein Insasse der EAE im Heim aufhängen wollte, wurde verbrannt. Namensschilder zur späteren Identifikation tragen die Angestellten der Sicherheitsfirma nicht. Auch nicht im Fall einer Frau, die sich aus Angst vor der dortigen
Naziszene gegen ihre Umverteilung nach Gera wehrte. Unter rassistischen Beleidigungen, Schlägen und Tritten wurde sie dennoch in ein Auto gesteckt. Oder wenn sie drohen „Wenn du nicht ruhig bist, wirst du abgeschoben“. Doch Beschwerden sind ohnedies nicht angeraten: Wer sich als„Störenfried“ unbeliebt macht, wird oft zur Strafe in ein noch isolierteres Heim umverteilt.
Alles in allem kaum ein Ort, an dem mensch wohnen möchte, für Flüchtlinge in der BRD allerdings „ihr Zuhause“.