Migration und Arbeit: Die guten ins Töpfchen ...
von Campzeitung - 12.07.2002 16:21
Migration war schon immer zum Teil, aber niemals vollständig steuerbar. Das Vorhaben, bestimmte MigrantInnen für begrenzte bzw. unbegrenzte Zeit in die EU zu lassen kann nur für neu halten, wer die europäische Einwanderungsgeschichte auf diejenigen ImmigrantInnen reduziert, die als politische Flüchtlinge oder auf illegalem Weg hierher gekommen sind.
Neben diesen hat es immer eine Minderheit akzeptierter, zum Teil aber auch privilegierter MigrantInnen gegeben. Bereits die bis heute gültige, seit 1974 mehrfach aktualisierte Anwerbestoppausnahmeverordnung listet einzelne Qualifikationen auf, die zu Aufenthalt- und Arbeitserlaubnis führen können, u.a. in der Landwirtschaft, der Gastronomie und der Wissenschaft. Anwendung finden diese Öffnungsklauseln in genau den Bereichen, für die Zuwanderungswünsche bestehen: Erstens bei Höchstqualifizierten. Zweitens im Billiglohnbereich, etwa beim Ernteeinsatz. Wer ”wirtschaftlich” verwertbar ist, kam bisher rein und wird weiter rein kommen.
Das neue Zuwanderungsgesetz der rot-grünen Bundesregierung sieht lediglich die partielle Öffnung der Grenzen für ökonomisch nützliche EinwandererInnen vor. Im Kern bedeutet das "Reformwerk" Erleichterungen für Hochqualifizierte, Studierende und sonstige Fachkräfte, deren Beschäftigung im Interesse des Wirtschaftsstandorts Deutschland liegt. Gleichzeitig erfolgt durch das Gesetz die Ausgrenzung und Diskriminierung von MigrantInnen, die nicht in dieses Raster passen. Mit den ausländerrechtlichen Verschärfungen, wird EU-weit der Schritt unternommen, die grenzpolizeiliche Abschottung, die durch das Schengener Abkommen geregelt ist, voranzutreiben. Diese Trennung zwischen "gewollten" und "geduldeten" MigrantInnen ist Konsens in allen EU-Staaten, strittig sind nur einige Kleinigkeiten. Eine Integration von ArbeitsmigrantInnen ist nicht erwünscht, die Menschen sollen nach Ausnutzung ihrer Arbeitskraft wieder in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden. Um von vornherein eine Einwanderung auf Dauer auszuschließen werden restriktive Massnahmen ergriffen, wie die Begrenzung des Familiennachzugs auf Jugendliche unter 18 Jahren, was nicht einmal EU-Standard entspricht.
Mit der in der EU proklamierten Zielsetzung, "die Integration dauerhaft aufhältiger Ausländer" zu
verbessern, sind Flüchtlinge und unerwünschte MigrantInnen offensichtlich nicht gemeint. Das Ziel der neuen "Migrationspolitik" ist die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen, insbesondere der deutschen Wirtschaft zu sichern. Migration und Arbeit. Wer Arbeit sagt, muss aktuellerweise steigende Arbeitslosigkeit denken. Für die nächste Bundestagswahl wird dieser Faktor zum Casus knacktus für die bestehende Regierung. Wie immer in diesem Zusammenhang werden gerne allgemeine Ausländer-feindliche Ressentiments bemüht: "Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg". Diese Haltung ist immun gegen aktuelle Realitäten wie allgemeiner Mangel an Arbeitsplätzen, wirtschaftliche Rezession, eingeschränkte Arbeitserlaubnis für Asylsuchende, verzweifelte Suche nach Greencard-Spezialisten. Es steht zu befürchten, dass die Fremdenfeindlichkeit mit der zunehmenden Armut weiter anwachsen wird. Diese betrifft alle sozialen Schichten, denn Rassismus ist gerade nicht nur ein Problem von Arbeitslosen und sozial Unterprivilegierten.
Die Zuspitzung der sozialen Lage für alle in der BRD lebenden Menschen wird unter anderem an der Diskussion zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe deutlich, die beschönigend als Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe verhandelt wird. Der Berufsschutz spielt keine Rolle mehr. Die neuen Modellversuche sind nichts anderes als eine Förderung von Dumpinglöhnen und die Verschärfung des Zwangs zur Arbeit auch unter unzumutbaren Bedingungen.
Beispiele für MigrantInnen und ihre Illegalisierung und Entrechtung sind Niedrigstlöhne ohne Sozialleistungen, die alltägliche Bedrohung durch Abschiebung und die Gefahr sexueller Ausbeutung, sowie eine allgemeine Rechtlosigkeit. Es kommt regelmäßig vor, dass Arbeitgeber die Behörden verständigen, wenn MigrantInnen bei ihnen gearbeitet haben, um mit der Abschiebung einer Auszahlung der Löhne zu entgehen. Trotz regionaler Unterschiede ist die Situation von Flüchtlingen und MigrantInnen europaweit in etwa gleich, das betrifft auch die Abschottung gegen “unerwünschte” Migration. Dafür war Deutschland Vorreiter. Es installierte in den weniger begüterten Anrainer-Staaten technisch hochentwickelte Überwachungssysteme und intensivierte Schulung und Zusammenarbeit von Polizei und Behörden. So entstehen seit Jahren um die Festung Europa immer mehr Lager, in denen aufgegriffene Flüchtlinge meist ohne ausreichende medizinische und materielle Versorgung festgehalten werden.
Die Frage der Verwertbarkeit ist eine, der sich alle Menschen in verstärktem Maße stellen müssen. Nichts desto Trotz darf man nicht vergessen, dass ein geringerer “Marktwert” für MigrantInnen ungleich härtere Konsequenzen nach sich zieht.