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Sonntag: Go-In ins Flüchtlingslager Markersdorf

von Pseudocamper - 16.07.2002 15:36

Am Sonntag den 14. Juli statteten 150 AntirassistInnen vom Grenzcamp in Jena dem Flüchtlingslager Markersdorf bei Gera einen Besuch ab. Das zuständige Landratsamt Greiz verursachte mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruchs einen längeren Polizeieinsatz.

Auf einer Wiese in direkter Nachbarschaft zum Flüchtlingslager fand eine angemeldete Kundgebung statt. Dort blieb jedoch niemand lange. Ein innerer Drang ließ die Leute direkt vor das Lager ziehen. Dabei kam es zu einer kurzen Blockade der davor liegenden Straße.
Die Flüchtlinge aus dem Heim luden die Leute vor dem Tor ein sich selbst ein Bild von den Zuständen drinnen zu machen. Da weder Hausmeister/Pförtner noch die handvoll Polizisten etwas dagegen sagten begaben sich die Leute in das Lager.
Nach einer kurzen, mehrsprachigen Kundgebung, die alle Flüchtlinge über den Grund des Besuches informierte, wurde der Rundgang durch das Lager fortgesetzt. Wer eine Kamera bei sich trug wurde von Flüchtlingen aus dem Lager bereitwillig rumgeführt. Die sanitären Anlagen waren komplett im katastrophalem Zustand. Oft kein fließend Wasser an Wasserhähnen, Duschen und Toiletten. Dusche waren einfache Rohre in der Wand. Alles war dreckig und versifft. Klobrillen fehlten, Spülungen ließen sich nicht betätigen. Erbrochenes konnte nicht weggespült werden, da aus den Wasserhähnen kein Wasser floß. In einigen Zimmern gab es keine Betten und die Leute müssen auf dem Fußboden schlafen.
Der Laden im Lager für den es Gutscheine im Wert von 128 Euro pro Monat gibt ist doppelt so teuer wie Läden außerhalb des Lagers. Der nächste kleine Ort und die zuständige Ausländerbehörde in Gera liegen in einem anderen Landkreis. Will ein Flüchtling nicht gegen die Residenpflicht verstoßen und eine Bestrafung riskieren, so muß er oder sie einen Urlaubsschein beantragen. Wird dieser verweigert können die Leute nicht zur Ausländerbehörde um dort ihre Sachen zu klären. 14 Euro gibt es pro Monat bar. Um die an anderer Stelle als dem Zigarettenautomaten im Lager auszugeben ist erneut ein Urlaubsschein nötig um den nächstgelegenen Laden außerhalb des Lagers zu erreichen.
Der Lagerleitung und Landkreis gefiel der spontane Besuch nicht. Es wurde eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs gestellt. Massive Polizeikräfte fuhren vor dem Lager auf und versperrten den Ein- und Ausgang. Nach einer kurzen Ansprache einiger Beamten und kurzen Verhandlungen hieß es das Lager könnte ohne die Abgabe von Personalien verlassen werden. Geschlossen gingen die Leute zum Ausgang. Dieser war wie nicht anders zu erwarten gesperrt. Die Polizei wollte alle Personalien haben. Schließlich läge eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs vor. Nach über einer Stunde (vor dem Tor standen einige Leute und zeigten ihre Solidarität u.a. durch Sprechchöre) zäher Verhandlungen und mehreren Deligiertenplena gab es den Vorschlag, dass 5 Leute stellvertrenend ihre Personalien abgeben und der Rest so gehen könnte. Nachdem 5 Leute gefunden waren, die Bereit waren ihre Personalien abzugeben, wurde der Vorschlag angenommen.
Die Polizei sorgte jedoch für einen weiteren Vertrauensverlust ihr gegenüber. Als die Leute aus dem Lager gingen griffen sie sich zwei mutmaßliche Flüchtinge raus und nahmen zusätzlich die Personalien von 3 weiteren Leuten auf (wohl Widerstand oder ähnliches). Dadurch kam das Rausgehen etwas ins Stocken. Ging jedoch nach einiger Zeit weiter. Vor allem einige Beamten des BGS fielen hier und später durch plumpe und rassistische Sprüche auf.
Wie froh die Flüchtlinge im Lager über den Besuch waren zeigte sich nochmal deutlich als sie den aufgehaltenen Besuchern von ihren spärlichen Vorräten Kekse und Trinken brachten. Zu frühreren Veranstaltungen über das Grenzcamp hatten sich keine Flüchtlinge aus Angst vor der Lagerleitung hingetraut. Als die Leute sie besuchen kamen, schienen diese Ängste wie verflogen zu sein und die Besucher wurden freundlich aufgenommen und durch das Lager geführt.
Draußen auf der Straße gab es noch eine Kleinigkeit zu Essen und auf der Wiese ging die Kundgebung zu Ende. Etliche Leute fuhren nun weiter nach Gera zur Antifa-Demo.