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Vorbemerkung: Dieser Text ist ursprünglich für die cross-over-conference in Bremen verfasst worden, nimmt jedoch seinen Ausgang vom 3. + 4. Antirassistischen Grenzcamp. Das aber ist der Grund dafür, weshalb der Text gleichzeitig auch das theoretische Rückrat des jüngst in die Welt geschickten Textes "Trans-identitäre Organisierung & Hybridität - Heiliger Goldfisch, was ist denn das!?" darstellt, in welchem die Orts-, Organisations- und Identitäsdebatte rund um das diesjährige Antirassistische Grenzcamp aufgearbeitet wird. In diesem Sinne bilden beide Texte eine Einheit! Koloniale Bilderwelt und SubjektOder: whiteness, blackness & gender: Zur Verschränkung von Rassismus und SexismusVom 17. - 20. Januar 2002 findet in Bremen die 1. cross-over-conference statt - mit dem Untertitel: Machtnetze attackieren! Ziel dieser conference ist es, gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse auf ihre jeweiligen Verzahntheiten hin abzuklopfen, also mit einem Anspruch ernst zu machen, welcher zwar regelmässig formuliert, viel zu selten jedoch umgesetzt wird. Konkret heisst das: Geplant sind ausschliesslich workshops, die 2 oder mehr Herrschaftsverhältnisse miteinander verknüpfen, wie z.B. Heterosexismus und Kapitalismus oder Sexismus und Antisemitismus. In diesem Sinne soll im Folgenden anhand eines konkreten Verknüpfungsbeispieles veranschaulicht werden, worin denn theoretischer wie praktischer Nutzen eines solchen Vorgehens besteht.Vorspiel: Kolonialer GAU auf dem 3. + 4. antirassistischen GrenzcampWir für uns sind zu der Schlußfolgerung gekommen, dass es besser ist, auf dem Camp keine weißen Frauen anzusprechen, laufen wir doch andernfalls Gefahr, einmal mehr Sexismusvorwürfen ausgesetzt zu sein.' So in etwa lautete die Einschätzung zweier Männer von The Voice Africa Forum bzw. der Flüchtlinsinitiative Brandenburg, formuliert während einer überwiegend konstruktiven Sexismus-Rassismus-Diskussion, welche in den letzten 3-4 Stunden des ansonsten über weite Strecken grotesk verlaufenen Abschlußplenums auf dem diesjährigen antirassistischen Grenzcamp in Frankfurt/Main erfolgt ist.Hintergrund dieser fast schon, wie es schien, nüchtern-abgeklärt vorgetragenen Einschätzung sind weniger direkte Vorkommnisse auf dem Camp selbst gewesen, als vielmehr zahlreiche, mitunter nervenaufreibende Sexismusdiskussionen, die VertreterInnen von The Voice, der Flüchtlingsinitiative Brandenburg und anderer MigrantInnenorganisationen in den letzten 2-3 Jahren permanent geführt haben - auch und nicht zuletzt im Streit mit (deutschen) Weißen. Einer der diesbezüglich unrühmlichen Höhepunkte ist sicherlich das letztjährige Grenzcamp in Forst gewesen. Damals erreichte die Campöffentlichkeit eine von einigen TeilnehmerInnen eines Weimarer Antifacamps verfaßte e-mail: in dieser ist einerseits von einem sexistischen Übergriff die Rede, welcher seitens eines von The Voice für das Antifa-Camp mobilisierten Mannes begangen wurde; andererseits wird hieraus Weitreichendes geschlußfolgert: "Wir fordern von "The Voice" nicht nur eine Stellungsnahme, sondern dass sie innerhalb ihrer Gruppe und ihrem Umfeld eine Auseinandersetzung mit sexistischem Verhalten führen. Zudem fordern wir sie auf, dafür zu sorgen, dass solche Übergriffe in Zukunft unmöglich werden, um auch in Zukunft gemeinsam gegen den rassistischen Staat und die rassistische Bevölkerung agieren zu können." Diese direkt an The Voice gerichteten Forderungen hatten auf dem Camp erbitterte Debatten zur Folge, insbesondere, weil sich Vertreter von The Voice verletzt wie besorgt darüber zeigten, dass die in der e-mail indirekt an ihnen geübte Kritik zur Zerstörung von The Voice führen könnte, ja, dies möglicherweise auch beabsichtigen würde. In einer von der großen Mehrheit der CampteilnehmerInnen getragenen, nicht aber als offizielle Campresolution verabschiedeten Stellungsnahme wurden die mehrtägigen Campdebatten schließlich in zweierlei Richtung resümiert: nicht nur wird der sexistische Übergriff auf dem Antifa-Camp verurteilt und außerdem auf die etwaigen Folgen derartiger Übergriffe hingewiesen, nein, auch die e-mail aus Weimar wird harsch angegangen: Indem nämlich der Sexismus eines Einzelnen, und zwar eines einzelnen schwarzen Mannes markiert wird (nicht aber sexistische Verhältnisse im allgemeinen Markierung erfahren), und indem zweitens The Voice eine besondere Verantwortlichkeit hinsichtlich der Vermeidung sexistischer Übergriffe zugesprochen wird (nicht aber alle Männer in die antisexistische Pflicht genommen werden), erwecken die VerfasserInnen der Weimarer e-mail den Eindruck - ob gewollt oder nicht -, Sexismus sei ein Spezialproblem schwarzer bzw. migrantischer Männer. Das aber kommt einer rassistischen Ethnisierung des Problems gleich! Desweiteren wird kritisiert, dass in der Weimarer e-mail die entschlossene Bekämpfung sexistischer Verhältnisse zur Voraussetzung gemeinsamer antirassistischer Kämpfe erklärt wird. Denn das ist nichts anderes als ein Herrschaftsverhältnis gegen ein anderes auszuspielen, ein Verfahren, das zwangsläufig im Selbstwiderspruch endet, wie ja die Auseinandersetzungen auf dem Camp gezeigt haben. Zurück zum Frankfurter Camp: Läßt mensch die letztjährigen und andere, ähnlich gestrickte Debattenerfahrungen rund um Sexismus und Rassismus Revue passieren, dürfte um einiges verständlicher werden, weshalb die beiden Männer von The Voice bzw. der Flüchtlingsinitiative Brandenburg zu ihrer eingangs zitierten Einschätzung gekommen sind. Und trotzdem: Mensch sollte sich hiermit auf gar keinen Fall zufrieden geben. Denn die in jener Einschätzung artikulierte Befürchtung: "Wir als schwarze Männer laufen Gefahr, seitens Weißer des Sexismus' geziehen zu werden" ist mehr, sie ist die Wiederkehr eines der elementarsten Kolonial-Klassiker überhaupt, eines Klassikers, in dem Sexismus und Rassismus ununterscheidbar ineinandergreifen: Ob im kolonialen Alltag, ob in den tausendfachen Lynchmorden in der US-Post-Sklaverei-Ära oder ob 1992 beim rassistischen Mob vor einem Flüchtlichtsheim in Mannheim-Schönau, egal wo und wann, stets zirkulierten die kolonialen Bilderwelten, stets waren und sind die sexistisch-rassistischen Repräsentationsregime am Werk, wonach es der schwarze Mann ist - hypersexuell, gierig und gewalttätig -, vor dessen räuberischem Zugriff die weiße Frau - achtbar, schwach und asexuell - in Schutz zu nehmen ist, und zwar durch den weißen Mann, seinerseits vernünftig, stark und diszipliniert, während umgekehrt die schwarze Frau immer schon die moralisch Gefallene ist - animalisch, lasziv und bizarr -, dem männlich-weißen Verlangen grundsätzlich ausgeliefert, ja dienstbar. Diesen kolonialen Subtext einmal vor Augen geführt, wird indes offenbar, weshalb es ein politischer Super-GAU ist, artikulieren schwarze Männer auf einem überwiegend von weißen West-EuropäerInnen besuchten Grenzcamp die Befürchtung, sie könnten - in ihrer Eigenschaft als Schwarze - als Sexisten gebrandmarkt werden. Und daran ändert auch der Umstand nichts, dass die allermeisten Männer auf die eine oder andere Weise sehr wohl Sexisten sind. Denn in einer Gesellschaft, in welcher die verschiedendsten Herrschaftsverhältnisse immer schon ineinandergreifen, in welcher die Menschen in Eins vergeschlechtlicht, ethnisiert, zu Angehörigen bestimmter Klassen etc. gemacht werden, ist jeder Sexismusvorwurf immer schon ethnisch aufgeladen bzw. durchkreuzt, ganz gleich, ob es um weiße, schwarze oder anderer Sexisten geht, ganz gleich ob diese sozial Deklassierte, konservative Bürger oder Angehörige welcher Klasse auch immer sind. Konkret heißt dies: Dass auf dem Frankfurter Grenzcamp (bestimmte) schwarze Männer es vorgezogen haben, weiße Frauen nicht oder nur defensiv anzusprechen, das ist einzig dem Umstand geschuldet, dass die gesellschaftlich grundlegenden Herrschaftsverhältnisse samt ihrer diskursiv fundierten Repräsentationsregime auch in Frankfurt intakt gewesen sind; ein Umstand, der sicherlich nicht überrascht und dennoch lohnt, verstanden zu sein. Kurz, wer nachvollziehen möchte, wie es zu besagtem Race-Gender-Super-GAU gekommen ist, die bzw. der muß einer ganzen Reihe grundlegender Fragen nachgehen, Fragen wie z.B.: Was heißt blackness, was whiteness, was heißt, dass Schwarzsein bzw. Weißsein historisch-kulturell produzierte Identitäten sind - so wie gender ja auch -, wie entstehen diese Identitäten, warum ist whiteness auf blackness angewiesen, was sind phantastisch-projektive Zuschreibungen (zwischen Lust, Begehren und Angst), wie und weshalb werden Zuschreibungen verinnerlicht und folglich Realität, wie verschränken sich blackness, whiteness und gender (sowie andere Herrschaftsverhältnisse), was meint schwarze, phallozentrische Hypermaskulinität, was weiße männliche Vorherrschaft (supremacy), inwieweit sind blackness und whiteness reduktionistische und deshalb auszudifferenzierende Polarisierungen (hinsichtlich asiatischer, arabischer, osteuropäischer... Identitäten) etc. etc. ? Freilich, dies sind eine Unzahl Fragen, auf die sorgfältig einzugehen noch nur sehr eingeschränkt möglich ist. Insofern mögen die jetzt noch ausstehenden Anmerkungen in 1. Linie als Streiflichter verstanden werden; als Streiflichter, deren Zweck es ist, anzudeuten, was passiert, sobald Rassismus nicht nur in einigen seiner Tiefendimensionen ausgeleuchtet wird (aus denen ihrerseits wiederum staatlicher Rassismus, Handlungen des rassistischen Mobs etc. hervorgehen), sondern auch Querverbindungen geschaffen werden, insbesondere zu Sexismus und Heterosexismus. blackness & whiteness: Zwischen Konstruktion und geronnener RealitätSo wie der Gender-Terminus auf das heterosexistische System patriarchaler Zweigeschlechtlichkeit abzielt, lenkt das begriffliche Doppel blackness & whiteness die Aufmerksamkeit darauf, dass in westlichen Gesellschaften eine Vielzahl ethnischer, aus Prozessen der Fremd- und Selbstethnisierung hervorgegangener Identitäten existieren - nicht zuletzt die des Schwarzseins und Weißseins, um welche es jetzt gehen soll.Analytischer Fluchtpunkt des blackness & whiteness-Konzeptes ist, dass Schwarzsein und Weißsein in keiner Form so etwas wie ein natürlicher Kern innewohnt, ganz ähnlich, wie sich ja auch die Rede natürlich gegebener, d.h. biologischer Geschlechtskörper als diskursiv produzierter Trugschluß erwiesen hat. Vielmehr ist festzuhalten, dass im Zuge historischer Prozesse (d.h. durch Kolonialismus und Sklaverei, durch Herausbildung kapitalistisch-patriarchaler Nationalstaaten, durch Apartheid und rassistische Diskriminierung, etc.) Hautfarbe und andere, ebenfalls physische Merkmale als vorgeblich bedeutsame Differenzierungskriterien nicht nur konstruiert, sondern auch markiert wurden, und dass es auf dieser Grundlage - unter Rückgriff auf weitere, tatsächliche wie zugeschriebene Merkmale und Eigenschaften - zur Bildung verschiedener, u.a. weißer und schwarzer ethnischer Identitäten gekommen ist. Warum das so gewesen ist, d.h. welche Rolle solcherart ethnischer Identitäten gespielt haben bzw. spielen, z.B. bei der Herausbildung kapitalistisch-patriarchaler Nationalstaaten, darauf geht das blackness & whiteness-Konzept nur z.T. ein, ein Umstand, der nicht weiter ins Gewicht fällt, würde doch allein der Versuch einer diesbezüglichen Thematisierung den Rahmen des vorliegenden Artikels sprengen. Blackness & whiteness interessieren sich stattdessen für das Wie, also dafür, vermittels welcher, auch zirkulär verlaufenden Mechanismen ethnische Identitäten kreiert werden. Im Kern des Konzeptes steht folglich die Beschäftigung mit dem (auch aus Gender-Debatten bekannten) Sachverhalt, wonach zwar races bzw. Ethnizitäten nichts Natürliches sind, dafür jedoch Effekte, d.h. reale End- und Ausgangspunkte sozial regulierter Konstruktionsmechanismen. Oder anders: So wie races bzw. ethnische Identitäten keine bewußtseinseintrübenden Hirngespinste sind, also Schwarzsein und Weißsein als real geronnene Identitäten durchaus existieren (verstanden als je spezifische, immer auch körperliche Weisen des Denkens, Fühlens und Handelns), so gilt umgekehrt gleichfalls, dass der Umstand, permanent sich vollziehender Konstruktionsmechanismen nicht aus den Augen geraten darf. Konkret: Besagte Konstruktionsmechanismen zu begreifen, erfordert einerseits die Beschäftigung mit realer, sei es rassistischer Diskriminierung, sei es rassistischer Priviligierung - wobei klar sein dürfte, dass beide, Priviligierung wie Diskriminierung, je nach Klassen-, Geschlechts- etc. zugehörigkeit nicht nur unterschiedlich ausfallen, sondern auch unterschiedliche Effekte nach sich ziehen können. Andererseits gilt es - im direkten Gegenzug -, die diskursiv fundierten Repräsentationsregime auszuleuchten, also jene Bilderspeicher, in denen das Material versammelt ist, aus dessen Bestandteilen schwarze, weiße und andere Identitäten konstruiert werden; Material, welches sich der diskursiven Sphäre verdankt, d.h. welches sich aus visuellen Bildern (in Filmen und Printmedien, in der Werbung, etc.), aus Werten und Normen, aus sprachlichen und schriftlichen Äußerungen jeder Art, aus Musik etc. zusammensetzt. Die innerhalb der herrschenden Repräsentationsregime entworfenen Bilder von Schwarzsein und Weißsein sind direkt aufeinander bezogen, mehr noch: das Prinzip des negativen Spiegelbildes eint sie: das, was die einen nicht haben, zeichnet die anderen aus - und umgekehrt. Ausbalanciert geht das allerdings nicht zu. Es dominiert der koloniale Blick, die Bilder sind von einem weißen Standpunkt aus konstruiert, und das gilt selbst für einen erheblichen Teil des von Schwarzen stammenden Bildermaterials. Praktisch werden die Bilder von Schwarzsein und Weißsein (und somit rassistischer Differenz) mittels einer Vielzahl gegensätzlich strukturierter Begriffspaare entworfen (Begriffspaare, welche ihrerseits das Rückrad der diskursiven Sphäre, also auch der herrschenden Repräsentationsregime bilden): Demnach sind es die erwachsenen Weißen, welche sich durch Arbeit, Geist und Disziplin auszeichnen, welche aktiv und fleißig - die Dinge gerade und feste im Blick - Kultur, Moral und Zivilisation erschaffen, immer im Hellen und Sichtbaren, stets trocken, gemäßigt und sauber. Demgegenüber sind die Schwarzen infantil, ganz Körper, Gefühl und Müßiggang; sie sind passiv, lasterhaft und weich, der feuchten und dunklen Natur nahe, ohne Geschichte und Kultur, versunken in wilder Barbarei, schmutzig, faul und aggressiv. Das aber ist nicht alles, ist doch der Gegensatz zwischen Schwarzsein und Weißsein ein durchkreuzter; durchkreuzt nicht zuletzt vom System patriarchaler Zweigeschlechtlichkeit, was v.a. deshalb pikant ist, weil die Bilder von Frauen und Männern (und somit sexistischer Differenz) mittels genau derselben Begriffspaare entworfen werden wie die zwischen Schwarzsein und Weißsein, wobei Frauen die schwarze und Männer die weiße Position innehaben. Diese Kreuzung zweier Herrschaftsverhältnisse hat zur Konsequenz, dass es in der Gesamtbilanz nur einen Herrn gibt: den durchsetzungsstarken, überlegenen und stets wohltemperierten weißen Mann (white male supremacy). Die weiße Frau ist demgegenüber nur eingeschränkte Herrin: Sie steht zwar auf der Seite zivilisierter Kultur, ist gleichzeitig jedoch irritabel, sie ist weich, ist von Gefühlen bestimmt, ihre Grenzen sind unscharf, ja fließend. Das macht sie anfällig, läßt sie zur Seite des Natürlichen, des Schwarzseins neigen; Schutz hiervor ist nur seitens des weißen Mannes möglich. Auf der anderen Seite des Ufers stehen schließlich die schwarze Frau, der schwarze Mann. Wichtigste Differenz unter ihnen ist, dass der schwarze Mann, ausgestattet mit einem riesigen Penis, sinnenvergessen, ungezügelt und gefährlich ist, während die schwarze Frau hin- und herpendelt zwischen sexuell aufgeladener Animalität und fürsorglicher Mutter-Position. Die entscheidende Frage ist nunmehr, in welchem Verhältnis die in den herrschenden Repräsentationsregimen entworfenen Bilderwelten zum tatsächlichen Schwarzsein bzw. zum tatsächlichen Weißsein stehen. Denn die Tatsache, dass die Subjekte durch diese Bilderwelten hervorgebracht, d.h. in's Leben gerufen werden (immer im Zusammenspiel mit realen Existenzbedingungen, so wie sie sich aus den jeweiligen Klassen-, Geschlechts-, Ethnizitäts-, etc. positionen ergeben), heißt ja noch lange nicht, dass dies in einem 1:1-Verhältnis erfolgen würde. Indes: So zentral diese Frage ist, ihre wie auch immer knappe Beantwortung ist unmöglich. Ich möchte es deshalb einmal mehr mit Andeutungen versuchen. Gespaltenes Weissein: Zwischen kontrollierter Rationalität und verdrängter LustIch beginne mit Weißsein (nicht ohne darauf hinzuweisen, dass Weißsein seinerseits je nach Klasse, Geschlecht etc. zerklüftet ist): Natürlich ist reales Weißsein mehr als Arbeit, Geist und Disziplin. Denn so sehr die Repräsentationsregime es vorgaukeln (und so recht es weißer Identität wäre), Begehren, Gefühle und Impulse, kurz Körper bzw. Körperlichkeit, alles das kann verdrängt, kann moduliert bzw. in sozial regulierte Bahnen gelenkt, nicht aber aufgehoben, d.h. aus der Welt geschafft werden. Oder anders: Die Subjekte sind zwar das Produkt sozial regulierter Konstruktionsmechanismen, allein: das, was da konstruiert wird, ist keine Schaffung aus dem Nichts; ersteinmal, d.h. anfangs seines Lebens ist der Mensch ein vitales Bündel körperlich-affektiver Bedürfnisse, Impulse und Energien, nicht mehr und nicht weniger! Und weil das so ist, ist Subjektwerdung (in kapitalistisch-patriarchalen Nationalstaaten) ein prinzipiell schmerzhafter Prozeß. Oder in den Worten zweier Altmeister: "Furchtbares hat die Menschheit sich antun müssen, bis das Selbst, der identische, zweckgerichtete, männliche Charakter des Menschen geschaffen war, und etwas davon wird noch in jeder Kindheit wiederholt." (Adorno/Horkheimer) Dies vor Augen geführt erschließt sich auch die eigentliche Bedeutung des negativen Spielgelbildes: So wie innerhalb patriarchaler Logiken Frauen das Verdrängte verkörpern (gefährlich-süß wie es ist...), so sind Schwarze innerhalb rassistischer Logiken StatthalterInnen des Abgespaltenen, verkörpern aus weißer Sicht das, was faszinierend und begehrenswert ist, was Lust macht, aber auch Angst, was mit Haß und Ekel verfolgt wird; denn das Abgespaltene ist verführerisch wie gefährlich, droht es doch die eigene Kontrolliertheit zu sprengen: die mühsam errichtete Heterosexualität, ja Geschlechtlichkeit überhaupt, die Selbstdiszipliniertheit zum Zwecke der Lohnarbeit etc.. Mit anderen Worten: Wer die weiße Ambivalenz, ihre Bereitschaft zur konsumistisch-lustvollen Einverleibung schwarzer Kultur (incl. fetischistischer Verherrlichung glänzend-schwarzer Haut) verstehen möchte, bei gleichzeitiger Nicht-Problematisierung eigener Weißheit, der bzw. die sei auf die Gespaltenheit weißer Identität verwiesen, also darauf, dass das weiße Subjekt in seinem Innersten kontrollierte Rationalität zu sein wünscht, und dennoch seinem Körper nicht zu entfliehen vermag, mit der Konsequenz, immer wieder ängstlich-lustvoll auf das durch blackness Verkörperte zuzutaumeln.Allein: Das weiße Subjekt will hiervon nichts wissen, es möchte innerhalb der Repräsentationsregime unsichtbar bleiben, so wie ja auch das Abgespaltene zur Unsichtbarkeit verdammt ist. In seinem Selbstverständnis ist die eigene Weißheit das Normale, das Universelle, das, was keiner eigenenständigen Thematisierung bedarf. In's Rampenlicht gehört stattdessen die zur Andersheit erklärte blackness, als solche Andersheit soll sie thematisiert sein, und das zu nichts anderem als zur identitären Bekräftigung der eigenen, d.h. weißen Identität. Ich möchte Zwischenbilanz ziehen: Bezüglich realem Weißsein haben sich die innerhalb der herrschenden Repräsentationsregime entworfenen Bilder als vieldeutig erwiesen: Sie scheinen einerseits Körperlichkeit und Affektivität auszublenden und deshalb eine Fehlrepräsentation darzustellen. Andererseits sind sie der Stoff, aus dem reales Weißsein gemacht ist. Denn die Spaltung weißer Identität ist keine Fiktion, sie ist real! Weißsein heißt tatsächlich Kontrolle eigener Körperlichkeit und Vitalität, genau so wie Zwangsheterosexualisierung, Zwangsvergeschlechtlichung etc.. Und auch heißt Weißsein, mittels phantastisch-projektiver Zuschreibungen nicht nur (eins auf's neue) rassistische Differenz zu stiften, sondern auch über ein Ventil zum inneren Spannungsabbau zu verfügen; schließlich ist, mit Toni Morrison gesprochen, die blackness-Seite innerhalb der herrschenden Repräsentationsregime in erster Linie ein Traum, ein Traum, der, wie jeder Traum, ausschließlich Auskunft über seine TräumerInnen gibt, in diesem Fall: seine weißen TräumerInnen! Gespaltenes Schwarzsein: Zwischen Unterordnung, Selbsthass und WiderstandEs versteht sich von selbst: Unter diesen Bedingungen ist das Verhältnis zwischen realem Schwarzsein und den innerhalb der Repräsentationsregime entworfenen Bildern von blackness ungeheuer schwierig. Genausowenig wie Weiße nur kontrollierte Rationalität sind, gehen Schwarze in purer Körperlichkeit auf; und auch gilt, dass Schwarze genauso wie Weiße den Erfordernissen kapitalistisch-patriarchaler Nationalstaaten unterworfen sind, also ebenfalls Körperlichkeit und Vitalität kontrollieren, Heterosexualität und Geschlechtlichkeit herausbilden müssen, etc..Das aber heißt: Auch die schwarze Identität ist (strukturell) gespalten: Einerseits sind die als schwarz markierten Menschen den Subjektivierungsimperativen unterworfen, die innerhalb der herrschenden Repräsentationsregime der weißen Subjektposition zugeschrieben werden. Andererseits ist es den als schwarz markierten Menschen nicht möglich, der rassistischen Markierung zu entgehen. Sie werden, ob sie wollen oder nicht, als schwarze Menschen subjektiviert, so wie auch umgekehrt Weiße. Sie sind deshalb unweigerlich all den Zuschreibungen ausgeliefert, welche die herrschenden Repräsentationsregime für schwarze (d.h. als solche markierte) Menschen bereithalten. Das und die strukturell notwendige Unterwerfung unter die weiße Subjektposition hat zweierlei zur Folge: Einerseits den vielzitierten schwarzen Selbsthaß: "Und sie griffen nach der Häßlichkeit, warfen sie sich wie einen Mantel um und gingen so durch die Welt." (Toni Morrison) Andererseits den Wunsch, dem von außen auferlegten Selbsthaß etwas Eigenes entgegenzusetzen, der Fremdethnisierung selbstbewußt und subversiv zu begegnen. Dass dies eine widersprüchliche und nicht immer in emanzipatorische Entwürfe einmündende Praxis ist, soll jetzt noch am Beispiel einer bestimmten Variante schwarzer Männlichkeit gezeigt werden. Eine ganze Reihe schwarzer Männer in den USA und GB (welche nicht den immer noch seltenen Sprung in die Mittelklasse geschafft haben) hat im Laufe der letzen 200 Jahre eine heterosexistische, phallozentrisch geformte Hypermaskulinität herausgebildet, d.h. ein derart in's Extrem gesteigertes Männlichkeitskonzept, dass selbst die schwarze Kulturtheoretikerin bell hooks von einem "lebensgefährlichen Würgegriff patriarchaler Maskulinität" spricht, in welchem eine Vielzahl schwarzer Männer verstrickt sei. Losgetreten wurde diese Entwicklung bereits im Zeitalter der Sklaverei, damals durch die demütigende Erfahrung schwarzer Männer, in jedweder Hinsicht degradiert und unterworfen zu sein, also auch keinen Zugang zu solchen Attributen zu haben, welche gemeinhin, d.h. im Rahmen patriarchaler Verhältnisse mit selbstbewußter Männlichkeit verknüpft werden, wie z.B. Autorität, familiäre Versorgertätigkeit oder Privateigentum. Diese Demütigungserfahrung (deren Zustandkommen allerdings nur vor dem Hintergrund eines patriarchalen Ehrenkodex Sinn macht) ist durch personellen und strukturellen Rassismus bis auf den heutigen Tag fortgeschrieben worden. Damals wie heute haben sich schwarze Männer durch die Herausbildung besagter Hypermaskulinität zur Wehr gesetzt, haben Gewalt und Diskriminierung durch einen eigenen Kultus der Stärke beantwortet. Dies umfaßt auch die Nicht-Bereitschaft vieler schwarzer Männer, den Mythos ihrer vorgeblich übergroßen Potenz (wozu auch die weiße Phantasie des schwarzen monströsen Phallus gehört) zu demystifizieren. Im Gegenteil: Die rassistischen Stereotype werden oftmals absorbiert, die Mythen fortgeschrieben. Ob im Sport oder im Rap, an der eigenen Körperlichkeit wird gearbeitet und gefeilt. Pulsierende Lebendigkeit, Intensität und offensiv zur Schau getragene Lebensfreude sind Programm - wider den rassistischen Alltag! Endgültig eskaliert ist dies in den 80-er und 90-er Jahren. Die politischen Freiheitsvorstellungen der 60-er und 70-er Jahre sind in dieser Zeit zunehmend durch eine "Biopolitik des Fickens" (Paul Gilroy) ersetzt worden, die Artikulation von Freiheit, Autonomie und Handlungsfähigkeit wurde mehr und mehr mit hetero-sexuellem Begehren und expressiver Körperlichkeit in eins gesetzt, mit der Konsequenz, dass die schwarze community mitunter zu einem Ort gemacht wurde, welcher Repräsentanz vor allem durch herausragende (heterosexuell markierte) Körper wie den von Michael Jordan erfahren hat. Diese Entwicklungen sind (insbesondere von schwarzer Seite aus) oft problematisiert worden, nicht zuletzt aus zwei Gründen: Erstens ob der immer wieder massiven Gewalt innerhalb der schwarzen Community selbst, sei es direkte Gewalt unter heterosexuellen Männern oder sei es frauenfeindliche bzw. homophobe Gewalt. (Dass Homosexualität ^Âthe white men's disease' wäre, das ist unter manchen Schwarzen bis heute ein geflügeltes Wort.) Zweitens ob eines verhängnisvollen Zirkels: Die körperbezogene und zudem sexuell aufgeladene Hypermaskulinität unter schwarzen Männer, welche ja immer schon eine Antwort auf rassistische Unterdrückung dargestellt hat, ist ihrerseits oftmals als wirklichkeitsverbürgende Bestätigung weißer Projektionen wahrgenommen worden, mehr noch: sie hat die rassistische Fiktion bis zu einem bestimmten Punkt real gemacht - ablesbar z.B. an der Vorherrschaft schwarzer Männer in bestimmten Sportarten. Welche dramatischen Konsequenzen ein derartiger Zirkel zwischen Realität und diskursiv fundiertem Repräsentationsregime haben kann, das wiederum - Bogen zurück! - hat der koloniale Gau auf dem 3. und 4. Grenzcamp gezeigt (d.h. die koloniale Leichtfertigkeit, mit der The Voice in der Weimarer e-mail attackiert wurde). Deshalb sei mit allem Nachdruck darauf hingewiesen: Männlichkeit hat viele Gesichter, zwei habe ich (andeutungsweise) erwähnt: white male supremacy sowie schwarze phallozentrische Hypermaskulinität. Was sie und weitere (weisse, schwarze und andere) Männlichkeiten eint, ist, dass sie alle personelle und strukturelle Gewalt ausüben, dass also keine besser ist als die andere und dass sie deshalb zusammen bekämpft gehören (ohne dass hierbei jedoch die je unterschiedlichen Entstehungsbedingungen aus den Augen verloren werden sollten). Ein Aspekt sei noch kurz erwähnt: Eingangs hieß es, dass blackness & whiteness reduktionistische und deshalb auszudifferenzierende Polarisierungen seien. Dies gilt es, auf jeden Fall zu beherzigen. Wer Rassismus ernsthaft analysieren möchte, die bzw. der muß sehr viel genauer vorgehen als im vorliegenden Artikel, die bzw. der muß bereits in Europa unterschiedlichste Differenzierungen machen, z.B. die zwischen ost-, west-, süd- sowie südosteuropäischen Identitäten - und selbst das dürfte nicht reichen... Allein: Ganz gleich welches rassistische Verhältnis untersucht wird, oft ist das Strickmuster insofern ein ähnliches, als es immer gegensätzlich strukturierte Begriffspaare sind, entlang derer Ethnisierung erfolgt. Wie das konkret funktioniert konnte jüngst nach den Terroranschlägen in den USA beobachtet werden, als einmal mehr westlich-christliche Zivilisation gegen arabisch-muslimische Barbarei in Stellung gebracht wurde. Schlussfolgerung: cross-over-conference in BremenZweierlei hoffe ich, einigermaßen plausibel gemacht zu haben: 1. Rassismus steckt strukturell in jedem als weiß markierten Menschen. Weiße AntirassistInnen dürfen sich deshalb nicht darauf beschränken, vor allem staatlichen Rassismus zu attackieren. Sie müssen immer auch den gesellschaftlichen Rassismus und somit sich selbst im Auge behalten. Konkret: Eine der zentralen Zielsetzungen weißer antirassistischer Politik hat in diesem Sinne die bewußt herbeigeführte Zerschlagung weisser Identität zu sein! Nur so besteht im übrigen auch eine reelle Chance, dass antirassistische Grenzcamps langfristig nicht mehr nur eine überwiegend weiße Angelegenheit bleiben. 2. Sexismus, Heterosexismus und Rassismus sind derart ineinander verschränkt, dass sie nur zusammen begreifbar und bekämpfbar sind - oder gar nicht! Dies gilt es theoretisch wie praktisch zu beherzigen. Ein Ort, diese und viele weitere Fragen zu diskutieren, ist hoffentlich die 1. cross-over-conference vom 17.-20. Januar 2002 in Bremen.Literatur:Abseits der üblichen Verdächtigen (von J. Butler über S. Hall bis hin zu M. Foucault) sind für vorstehenden Artikel v.a. 4 Quellen wichtig gewesen:
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05.05.2002 |