Zur Position von Rainer Schmidt und Norbert Dworsky zur Besetzung des FixStern
In einem Schreiben an alle Vereinsmitglieder vom 23.12.03 behaupten Rainer Schmidt und Norbert Dworsky, Vorsitzender und Geschäftsführer von freiraum e.V., der Verein sei von den Besetzern des FixStern als „Faustpfand“ und „Geißel“ genommen worden. Geißel ist laut Duden eine "Plage, die das Land überzieht". Sollte das wirklich gemeint sein? Nicht einmal wir würden das unterstellen.
So ungenau wie die Sprache ist die Argumentation der beiden: "Es wäre sicherlich mutiger gewesen, wenn die Besetzer in alleiniger Eigenverantwortung eines der vielen städtischen Gebäude in der Schanze besetzt hätten, um der Forderung nach einem Fixerraum in der Schanze Nachdruck zu verleihen."Wie unten noch genauer ausgeführt, hat es uns nicht an Mut gefehlt, "eines der vielen städtischen Gebäude in der Schanze" zu besetzen, sondern uns ging und geht es um den Erhalt der Drogenhilfeeinrichtung FixStern, die wir deshalb gegen den Willen der Stadt und - wie sich jetzt herausstellt - auch gegen die Leitung von freiraum e.V. verteidigen.
Es ist richtig, dass wir den FixStern in den Räumen weiterführen, die von freiraum e.V. angemietet wurden und dass Vorstand und Geschäftsführung des Vereins der Behörde gegenüber vertraglich gebunden sind. Sind wir aber deshalb Geiselnehmer (mit s, so ist es wohl gemeint)? Diese Unterstellung macht Sinn, wenn wir die Frage stellen: Wem könnte eine solche Formulierung – noch dazu in dieser Zeit - wohl dienen?
Es ist nicht nachvollziehbar, dass sich Rainer Schmidt und Norbert Dworsky als Arbeitgeber derartig gegenüber ihren Beschäftigten äußern, für die sie eine Fürsorgeverpflichtung haben. Nachvollziehbar ist, dass die Geschäftsführer als Vertragspartner der Behörde in schwere Bedrängnis geraten, wenn der Betrieb FixStern nicht mehr finanziert wird. Auch ist nachvollziehbar, dass sie sich deshalb, auch um ihre eigene Existenz zu sichern, an den letzten verbliebenen Betrieb "Abrigado", die Drogenhilfeeinrichtung in Harburg, klammern. Dabei sollten sie nicht vergessen, dass die Arbeit seitens der Beschäftigten vor Ort gemacht wird und diese durchaus auch ohne sie auskämen, wie der bisherige einmonatige Weiterbetrieb des Fixstern in Selbstorganisation zeigt. Ohne Fachkräfte der Drogenhilfe kann allenfalls ein Senat weitermachen, der das Soziale und Humane bisheriger Drogenpolitik durch Verordnungen und polizeiliche Maßnahmen ersetzen will. So gesehen können sich Vorstand und Geschäftsführung von freiraum e.V. als Geiseln sehen, aber eben seitens des politisch verantwortlichen Senats, der einen wichtigen Bestandteil der Hamburger Drogenhilfe zerstört. Wir, das Stadtteilbündnis „FixStern bleibt!“, die wir uns noch wehren können und wollen, bleiben, auch wenn sie das nicht wahrhaben wollen, ihre Verbündeten im Kampf für eine humane Drogenpolitik in dieser Stadt . Aber wollen sie überhaupt kämpfen?
„Es wird kämpfen für die Sache des Feinds
Wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat.“ (Bertolt Brecht)
Die besetzenden Beschäftigten und zukünftigen Erwerbslosen, das Stadtteilbündnis „FixStern bleibt“ und die zahlreichen Unterstützerinnen handeln mit der Besetzung in dem Bewusstsein, dass die hier geleistete Drogenhilfearbeit politisch nicht mehr gewollt ist. Selbstverständlich wird dort weiter gearbeitet, wo bisher erfolgreiche Drogenhilfe geleistet wurde: Hier sind die Gäste und im Moment auch noch die Arbeitsmittel!
Obwohl auch von Regierungsseite vor nicht allzu langer Zeit die Arbeit im FixStern in den höchsten Tönen gelobt wurde, sollen die Beschäftigten jetzt in die Arbeitslosigkeit entlassen werden und zusehen, wie die bisherigen Gäste von Cafe und Konsumraum auf die Straße zurückgetrieben werden. Klar ist, dass wir nicht die einzigen sind, die von restriktiven Regierungsmaßnahmen betroffen sind. Schwarz/Schill sind mit der Abrissbirne gegen Einrichtungen und Projekte sozialer Arbeit vorgegangen, wie es die Stadt bis dahin noch nicht gesehen hatte. Dabei setzen sie auf Repression gegen Schwächere. Konkurrenz und Auslese statt Solidarität und Gleichheit sind Leitmotive der Regierenden in Hamburg und Berlin. Wer das Spiel nicht mitmacht oder mitmachen kann, gerät ins Abseits. Das gilt unisono für DrogenkonsumentInnen, Beschäftigte in der sozialen Arbeit und auch für Geschäftsführungen und Vorstände in der Drogen- und Sozialarbeit. Erkämpfte soziale und demokratische Rechte wie z.B. Konsumräume und HVV-Sozialticket, oder auch das Betriebsverfassungsrecht mit seiner Sozialplanregelung, werden verletzt und zerstört. Abhängig Beschäftigten bleibt nichts übrig, als mit möglichst allen in gleicher Interessenlage aufzustehen und laut NEIN zu sagen. Wohl wissend, dass die Schutzbefohlenen keine Lobby haben außer uns.
Die beabsichtigte FixStern-Schließung ist paradox, denn die Zahl der versorgungsbedürftigen Menschen nimmt tendenziell zu, da Massenarbeitslosigkeit und zunehmender Drogenkonsum zwei Seiten einer Medaille sind. Fachliche und drogenpolitische Kompetenz ist nicht mehr gefragt. Das Instrument der Ausschreibung wird vom Senat benutzt, um Trägerkonkurrenz zu schüren und die Arbeitskraft der Beschäftigen zu entwerten. Konkurrenz ist nicht unsere Sache. Sie schadet allen und insbesondere auch Gästen des FixStern. Dennoch trägt der Arbeitgeber in der Not der Abwicklung des FixStern, wie übrigens bei jeder anderen Betriebsschließung auch, mit jeder Kündigung die Konkurrenz in die Belegschaft. Obwohl es keinen gerechten Plan zur Umsetzung der Schließungs-Ungerechtigkeit gibt, führt der Betriebsrat Sozialplanverhandlungen. Nicht nur dass die Rechtsmittel vor dem Verwaltungsgericht gegen die FixStern Schließung nicht hinlänglich ausgeschöpft wurden, noch nicht einmal rechtsprechungsübliche Vergleichs- bzw. Abfindungsangebote sind bisher unterbreitet worden. Die Behörde will kein Geld bereitstellen und die Geschäftsleitung bzw. Vorstand proklamiert, der letzte verbliebene Betrieb dürfe nicht gefährdet werden. Was bleibt in dieser Situation außer Gegenwehr? Viele der hier eingegangenen Solidaritätsbekundungen sehen gerade in dem unbotsamen Akt der Betriebsbesetzung eine Möglichkeit, sich entgegen der Ohnmacht angesichts des sozialen Kahlschlags, zu wehren und ein positives Zeichen zu setzen.
Jahrelang haben die Beschäftigen über das übliche Maß hinaus engagiert im Fixstern gearbeitet. Viele Menschen in der Stadt haben gemerkt, dass die geleistete Arbeit wichtig ist, auch wenn Rechtssenat und Medien weiterhin nach dem Motto „Haltet den Dieb“ versuchen, Menschen in Notsituationen zu stigmatisieren, auszugrenzen oder wegzusperren.
Wir erfahren breite Solidarität von NachbarInnen, KünstlerInnen, Kirchen, politisch Progressiven, Gewerbetreibenden, KollegInnen anderer Hilfseinrichtungen, Gästen und von vielen Menschen, die uns nach ihren Möglichkeiten unterstützen. Sie helfen uns bei der Aufrechterhaltung des Betriebes jetzt und über den 31.12.03 hinaus.
Sollte sich die Geschäftsführung aufgrund behördlichen Drucks zu drastischen Maßnahmen veranlasst sehen, dann wird uns das nicht daran hindern, weiterhin zusammenzubleiben und deutlich und laut „FixStern bleibt“ zu skandieren, sprich: einen Konsumraum mit Cafe und Wärmestube für das Schanzenviertel einzufordern. Ohnehin wird es darauf ankommen, dass die Beschäftigten im sozialen Bereich, ob bei Behörde, Landesbetrieb oder freien Trägern, gemeinsam für eine soziale Stadt aktiv bleiben.
Unsere Forderungen an den jetzigen und zukünftigen Senat:
· Erhalt und Ausbau des Hamburger Drogenhilfesystems, in seiner Pluralität mit dem akzeptierenden Ansatz,
· Fixstern bleibt! Einrichtung von Konsumraum, Cafe und Wärmestube im Schanzenviertel, z.B. im schon längst beschlossenen Alternativstandort an der Lagerstr.
· Sofortige Etablierung einer Übergangslösung, z.B. dreimonatige Verlängerung aller Verträge zum Erhalt des gegenwärtigen Status quo oder sofortige Einrichtung eines provisorischen Druckraums in der geplanten Beratungsstelle auf der Brammerfläche,
· Weiterbeschäftigung der Fixstern-KollegInnen
· Keine weiteren Kürzungen in der Drogenhilfe (geplant 2,5 Mill. bis 2006)
In Zukunft werden wir es allerdings vorziehen, unsere Power wieder in Auseinandersetzungen mit den Positionen von Senat/Behörde zu verausgaben. In dieser Form von internem Hickhack sehen wir wenig positives Potential für das Erreichen unserer letztendlich möglicherweise doch noch gemeinsamen Ziele.
PS: die bei Schmidt/Dworsky erwähnte Quelle lautet nicht www.joergl.net , der Text ist vielmehr zu finden auf unserer Website www.fixstern-bleibt.de.vu bzw. steht unter http://www.nadir.org/nadir/kampagnen/fixstern/Position.htm und ist daher auch keineswegs anonym, sondern die offizielle Reaktion der BesetzerInnen auf das in der HWP beim „Ratschlag“ am 17.12. vom Vereinsvorsitzenden persönlich verteilte Papier.
Kontakt:
Stadtteilbündnis „Fixstern bleibt!“ Tel.: 430 87 78 / Fax: 430 87 91
SPENDENKONTO: Rolf Becker - "FixStern bleibt", Bank: HASPA (20050550), Kto.-Nr. 1230 459 297
Email: fixstern-bleibt@gmx.de Homepage: www.fixstern-bleibt.de.vu