07.03.2002 - Hamburger Vorbereitungskreis
liebe leute,
einige richtigstellungen betreff eurer hamburger wahlanalyse:
insofern eine etwas andere gemengelage als behauptet.
mit besten grüßen
(anonymisiert)
12.3.2002
Lieber (anonymisiert),
du hast Recht, wenn du den FrankfurterInnen widersprichst, dass die Schill-WählerInnen nicht unbedingt aus den Stadtteilen kommen, wo jedes Haus eine Alarmanlage hat und die Kühlschränke gut gefüllt sind. In diesen Stadtteilen (Saasel, Wellingsbüttel, Popenbüttel, Sülldorf ...) hat Schill und durchschnittliche Wahlergebnisse erzielt.
Ganz so einfach, wie du es darstellst, war das Wahlergebnis der Schill-Partei aber auch nicht. Zwar stimmt es, dass sie in Wilhelmsburg ihr höchstes Wahlergenis einfahren konnten und dies der Stadtteil mit einem der höchsten MigrantInnenanteile (34 %) ist, aber im restlichen Stadtgebiet sieht die Sache viel komplizierter aus. Das zeigt schon ein kurzer Blick auf das Wahlergebnis in St. Pauli (MigrantInnenanteil 37,4 %), das in praktisch allen Sozialstrukturdaten mit Wilhelmsburg vergleichbar ist, wo die Schill-Partei aber eines der niedrigsten Ergebnisse verbucht hat. Im Süden und Osten Hamburgs erhielt Schill sowohl in den Stadtteilen mit hohem MigrantInnen-Anteil als auch in den (ländlichen) Stadtteilen, in denen fast überhaupt keine Menschen ohne deutschen Pass leben druchgängig überdurchschnittlich hohe Stimmenanteile über 20%. Die "niedrigsten" (immer noch um 10%) Ergebnisse erzielte Schill sowohl in den sehr wohlhabenden innerstädtischen Stadtteilen Rotherbaum und Harvesterhude als auch in den sehr armen Innenstadtteilen St. Georg und St. Pauli, während er in den wohlhabenden Vororten eher durchschnittliche Ergebnisse erzielte.
Auffällig ist, dass die Schill-Partei in den Stadtteilen ihre höchsten Ergebnisse hat, in denen sich seit Mitte der 1990er Jahre ein stabiles rechtsextremistisches WählerInnenpotenzial etabliert hat, wobei die Gewinne der Rechten mit in etwa gleichen Verlusten von SPD und CDU einher gingen. Schills WählerInnen kommen also sowohl aus den klassischen "Problemstadtteilen" als auch aus den relativ stabilen Umland-Stadtteilen, auf jeden Fall aber aus einem sich festigenden rechtsradikalen Milieu. Es spricht auch viel dafür, dass es nicht einfach die ModernisierungsverliererInnen sind, die Schill gewählt haben, sondern - ähnlich wie bei den rechtsradikalen Wahlerfolgen der 1980er Jahre - diejenigen, die noch etwas zu verlieren haben. Die hohen Stimmanteile der Schill-Partei auf dem Land sprechen zudem dafür, dass der Erfolg Schills auch auf die dort stärker verbreiteten autoritären Wertorientierungen zurückzuführen ist.
(ebenfalls anonymisiert)