16.08.2002 - Kanak Attak
Seit der Abschaffung des Grundrechts auf Asyl 1993 rückte die "illegale Einwanderung" zunehmend in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatten, und zugleich auch der Diskurs über die Illegalen.
Mit den Diskussionen um das rot-grüne - und eigentlich schwarze - Einwanderungsgesetz fand dies seinen bisherigen Höhepunkt. In diesem noch ungeübten Diskurs markierten sich zugleich die Widersprüche des Migrationsregimes. Ökonomisch bedingte Einwanderung sollte es vor allem im unteren Dienstleistungsbereich, in dem schon verstärkt sans papiers arbeiten, geben. Das neue Gesetz hat die Aufgabe - effektiver als der Dschungel der alten Ausländergesetzgebung - die verschiedenen Gruppen der MigrantInnen für den hiesigen Arbeitsmarkt zu hierarchisieren und über den Kampfbegriff der Integration für die Multikultigesellschaft zu karnevalisieren. Zudem soll Einwanderung kontrolliert bzw. insgesamt deutlich reduziert werden.
Gleichzeitig - und das ist wichtig - bedeutet die Schaffung eines Einwanderungsgesetzes in gewisser Weise die faktische Anerkennung der weit über eine Million bereits hier lebende MigrantInnen ohne Papiere in diesem Land. Mit anderen Worten: Diese Menschen sind hier, sie überschreiten mit Hilfe unabhängiger Netzwerke trotz Schengen die Grenzen Europas. Damit unterlaufen sie täglich das Grenzregime. Was praktisch damit anerkannt wird, ist eine "Autonomie der Migration", d.h. der subjektive Faktor, den der Staat kontrollpolitisch nicht in den Griff bekommen kann.
An dieser Stelle glauben wir intervenieren zu können, um den Antirassismus nach der Krise der 90er Jahre offensiv zu wenden. Dabei glauben wir, dass es nicht um eine Skandalisierung der schlechten Lebensverhältnisse dieser Menschen gehen sollte - wir wollen uns nicht zu humanistischen FürsprecherInnen machen. Außerdem sind wir nicht weiter gewillt, uns sagen zu lassen, dass die Illegalisierten sich selbst zu organisieren hätten. Dieser sekundäre Paternalismus sichert nur Distinktionsgewinn im antirassistischen Geschäft. Vielmehr denken wir, dass der Status der Papierlosigkeit strukturell alle hier lebenden Menschen ohne deutschen Pass betrifft. Die meisten der sog. illegalen MigrantInnen kommen nicht rechtlos in dieses Land, sondern werden durch die Maschinerie des Migrationsregimes entrechtet - sind in der wahrsten Bedeutung des Begriffs illegalisiert worden. Etwa durch Scheidungen von ihren deutschen Ehepartnern, durch den Verlust verschiedener Aufenthaltsstatusse durch Inanspruchnahme sozialer Leistung wie Sozialhilfe, durch Vorstrafen, Verletzung der Residenzpflicht und anderer im Ausländerrecht festgeschriebenen rassistischen Sondergesetze.
Eine Tendenz, von der wir überzeugt sind, dass sie sich mit der Abschaffung des Titels der Duldung im neuen Einwanderungsgesetz sicherlich verschärfen wird. D.h. dass Illegalisierung alle hier lebenden Menschen ohne deutschen Pass betreffen kann und betrifft, unabhängig ob sie GastarbeiterInnen der ersten, zweiten oder x-ten Generation sind, Flüchtlinge, Greencardler etc. sind.
Mit der Forderung nach einem Recht auf Legalisierung hoffen wir, die Arbeitsteilung im Antirassismus zwischen migrantischen Communities, illegalen Netzwerken, Flüchtlingsgruppen und anderen Kanaken incl.ihrer deutschen Freunde und Unterstützerinnen zu überwinden und offensiv zu werden. Gegen Illegalisierung zu kämpfen bedeutet auch, Kämpfe um soziale und politische Rechte von MigrantInnen, die sowieso schon existieren, aufzunehmen. Ob es sich um die Residenzpflicht, die Kämpfe gegen Abschiebung, die Greencards für Sexarbeiterinnen, das Wahlrecht für Ausländer, die gleichen Löhne und Arbeitsbedingungen handelt - überall geht es gegen die Zurückdrängung erkämpfter sozialer und politischer Rechte. Es ist dieser Verlust an Rechten, der Schritt für Schritt die Lebensbereiche der Kanaken illegalisiert bis hin zur völligen Entrechtung in den Ausreiselagern oder eben in der Illegalität. Wir denken, dass es ein gemeinsamer Nenner für sehr viele Initiativen sein kann, eine konjunkturelle Stossrichtung, in der sich die unterschiedlichen Bewegungssplitter zusammenfinden können, ohne eine Hierarchisierung der einzelnen Teilbereiche zu erzeugen und ohne ein vorher festgelegtes kämpfendes Subjekt - etwa die Papierlosen selbst - vorstellen zu müssen. Nichtsdestotrotz geht es um den Alltag und die Lebensverhältnisse in der Illegalität.
Wir zielen mit diesem Vorschlag auf eine möglichst breite Zusammenarbeit für das Recht auf Legalisierung. Seit einiger Zeit sind wir mit zahlreichen Organisationen und Einzelpersonen im Gespräch, mit Teilen der Gewerkschaften, mit Flüchtlingsgruppen und antirassistischen Initiativen. In diesem Rahmen möchten wir auch weiterhin zu der Verbreitung dieser Zusammenarbeit einladen.