19.08.2002 - Anonym
Das Camp ist ein soziales Labor, und wir sind unser eigenes Experiment. Die TeilnehmerInnen sind auch die Experimentierenden und als solche aufgefordert, den Versuchsverlauf zu begleiten, zu reflektieren und zu kommentieren. Drum hier im Folgenden einige Beobachtungen zu Veranstaltungsformen und Redeverhalten, die zumindest dieser Teilnehmerin bemerkenswert scheinen. Bemerkenswert vor allem auf Grund des Kontrasts im Redeverhalten auf zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Veranstaltungen, die sich sogar zum Großteil aus denselben TeilnehmerInnen zusammengesetzt haben.
Am Samstagabend auf dem ersten Aktionsplenum entspannen sich einige interessante Diskussionen über gelaufene Aktionen, ihre Zielsetzung und Durchführung. Auf diesem Plenum haben viele geredet, und auch auf den Punkt hin geredet, um den es jeweils ging. Dieses Plenum wurde von zwei Frauen moderiert, und viele Frauen haben sich an den Diskussionen beteiligt. Um 21.00 wird das Plenum beendet und die Veranstaltung zu Rechtspopulismus in Europa beginnt. Der eingeladene Experte ist ein Mann (solche Expertenveranstaltungen hatten wir doch eigentlich vermeiden wollen, oder?), ein Mann moderiert und auf der ganzen Veranstaltung meldet sich kaum eine Frau zu Wort. Auf einer so krass männerdominierten Veranstaltung bin ich (falls jemals) ewig nicht mehr gewesen. Es bildet sich eine Art Podium aus drei Männern. Es gibt weniger eine Diskussion als eine Frontalveranstaltung. Es gibt eine Menge (und gar nicht uninteressante) Statements über Erscheinungsformen autoritärer Formierung, und in der Art und Weise, wie auf dieser Veranstaltung gesprochen wird, reproduziert sich eine autoritaere Formation in Reinkultur. Hier stellen sich nun einige interessante Fragen: 1)Wundern wir uns darueber? 2)Gibt es einen Zusammenhang zwischen Moderation und Diskussionsbeteiligung? Wenn ja: welchen? Ist eine Frauenmoderation evtl. eher dazu geeignet, viele zum Mitdiskutieren zu bewegen? 3)Oder ist es so, dass 'Rechtspopulismus' ein 'Männerthema' ist, wie eine Frau bemerkte, an dessen Diskussion sich 'traditionell' fast ausschließlich Männer beteiligen? Wieder stellt sich die Warum-Frage.
Eine Diskussion mit anderen ForscherInnen in unserem sozialen Labor über diese Fragen wäre schön. Da wir ja unseren Vergesellschaftungsprozess auch politisch begleiten wollten, wäre das Schlussplenum am Mittwoch der geeignete Ort. Vielleicht gibt's ja bestätigende oder widersprechende Beobachtungen, über die wir uns austauschen können.