19.08.2002 - Pressegruppe
Die AktivistInnen wollen in Hamburg-Harburgs Fußgängerzone den mörderischen Anti-Terror-Diskurs aufgreifen und waren sich einig, dass die Ironie in dem Motto "Harburg wird bombadiert" für alle verständlich ist. Auch den Harburgern wird klar sein, dass dies nicht erst gemeint ist. In Sinne der Kommunikationsguerilla soll Verwirrung gestiftet werden. Abschließen wird diese Aktion zum Anti-Kriegs-Montag eine Kundgebung am scheuslichen Kriegerdenkmal in HH-Harburg.
Verteiltes Flugblatt: Achtung! Achtung! Achtung! Hamburg-Harburg wird bombardiert! Kollateralschäden vermeiden! Bitte verlassen Sie ihre Wohnungen und Geschäfte! Vermeiden Sie Panik! Sonst könnten Sie ohne Vorwarnung unbeabsichtigt Opfer von humanitären und chirurgisch durchgeführten US-Militärschlägen werden.
"Wenn jemand einem Terroristen Unterschlupf gewährt, ist er ein Terrorist.” US-Präsident George W. Bush in einer `Rede an die Nation` im November 2001
Ein paar in Hamburg-Harburg wohnende Studenten aus Saudi Arabien sollen am 11. September 2001 in den USA mörderische Terroranschläge verübt haben. Dafür wird nun mit Beteiligung der Deutschen Bundeswehr Afghanistan angegriffen. Tausende von toten afghanischen Zivilisten gelten hierbei als Kollateralschaden. Die Rechtfertigung hierfür ergibt sich aus einer außerordentlich weit gesteckten Anti-Terror-Argumentation des obersten westlichen Kriegsherren George W. (s.o.). Falls tatsächlich Vorbereitungen der Angriffe auf die USA von Hamburg - Harburg aus getätigt worden sind, dann ist leider die einzig logische Konsequenz: Hamburg - Harburg muss bombardiert werden! Absurd?
Besorgte AktivistInnen des Land - in - Sicht Camps
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"Wenn Sie eine Kundgebung machen ist das in Ordnung"
Wir waren etwa 20 Camp-TeilnehmerInnen mit einem Megaphon, Transparenten, Sprühdosen und einem Stapel Flugblätter (dokumentiert in der gestrigen Ausgabe), die gestern nach Hamburg-Harburg fuhren. In Anwesenheit der Presse gingen wir in die Läden der FußgängerInnenzone, informierten mit Transparent und vor allem mit Megaphondurchsagen über die Bedrohung einer Bombardierung des Stadtteils.
Häufig sah man insbesondere bei nicht-deutsch-aussehenden Menschen spontanes Lächeln. Viele zeigten durch ihren Gesichtsausdruck, dass wir eine nette Abwechslung in ihrem tristen Alltag boten. Sofort hatten wir die Aufmerksamkeit der Anwesenden, der LadenbesitzerInnen und AnwohnerInnen. Offenbar war es uns gelungen, Fragezeichen zu produzieren. Diskussionen begannen am Straßenrand, weit über die Hälfte der Leute nahm und las in dem Flugblatt. Manche fragten nach, Jugendliche und Bürger schlossen sich - aus unterschiedlichen und widersprüchlichen Interessen - unserem Zug an.
Auch in Harburg zeigte sich, dass die Menschen hier aufgeschlossener sind, viel häufiger als in den Orten aus denen wir kommen, nachfragen und Interesse an geäußertem Protest zeigen. Noch eine Besonderheit überraschte einige von uns: Die Polizei war sehr überrascht und hatte überhaupt nicht mit uns gerechnet, obwohl die Aktion breit diskutiert und sogar im Internet angekündigt war.
Zu denen, die sich unserem Zug anschlossen gehörten auch pöpelnde Aktivbürger, die die Polizei zum einschreiten aufforderten. In Diskussionen mit ihnen räumten sie ein, dass sie sehr wohl verstanden haben, dass der Satz auf dem Transparent und unsere Demonstration ironisch gemeint ist. Gleich danach wendeten sie das Argumentationsmuster "Es könnte ja Menschen geben, die..." an; sprich: Es wird für Dritte gesprochen, die es unmittelbar nicht gibt. Nach dem Aktivbürger könne es nämlich ältere Menschen geben, die unsere Aktion für bare Münze nehmen und Angst bekommen und sogar schockiert sterben. Nebenbei: dieses Argumentationsmuster ist auch unter CamperInnen verbreitet. Beispielsweise wurde auf einem Plenum gesagt, dass es ja auch TeilnehmerInnen geben könne, die sich nicht trauen zu sagen, dass sie mangels Deutschkenntnissen nichts verstehen. Deswegen solle man vor Plenumsbeginn immer erst einmal Fragen. Mit diesem Argumentationsmuster spricht man niemals autonom und für sich selbst, sondern macht sich stets Sorgen um andere, die möglicherweise existieren oder vielleicht eben auch nicht.
Erst ein, dann kamen drei Polizisten. Wir waren inzwischen auf dem Weg zum Kriegerdenkmal, wo unsere Abschlußkundgebung stattfinden sollte. Die Polizisten akzeptierten zunächst nicht die Anmeldung einer spontanen Kundgebung. Es kam zu regen Diskussionen auch mit der Polizei. Ein Polizist berichtete empörend: "Zwei Bürger sind auf uns zu gekommen und gefragt, ob dies denn stimme." "Sie haben die völlig verwirrt", war ein Vorwurf. In den von der laufenden Kamera dokumentierten Gesprächen blamierten sich die Ordnungshüter reichlich. Erst als ein hoher Beamter kam, auch eine Beamtin der Wasserschutzpolizei traf ein, wurde deeskaliert: "Wenn Sie eine Kundgebung machen, ist das in Ordnung". Die anwesende Teilnehmerzahl rechtfertige allerdings nicht die Benutzung des Megaphons, das schließlich beschlagnahmt wurde. Die Kundgebung wurde mit einem elektronisch unverstärkten Beitrag und dem Sprühen eines "Nicht" hinter die Transpi-Parole schließlich beendet. Das reichte nach Einschätzung von Teilnehmern nicht aus, die eigentliche Idee mit Auflösung zu Ende zu führen.
Verschiedene Menschen aus der Camp-Vorbereitung hatten mit einem Veto erfolgreich verhindert, dass für diese Aktion im Camp-Programm mobilisiert wurde. Bedauerlich. Viel mehr hätten die Erfahrung dieser Kommunikationsguerilla machen sollen.