Neofaschismus
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Aus: Der Rechte RAND
Nr.71 Juli/Aug. 2001 Günther Pallaver Italiens „konservative Revolution" Silvio Berlusconis Rechts-Bündnis gewinnt die Parlamentswahlen Änderung des ersten Teils der Verfassung, um die Grundsätze der freien Konkurrenz und der Freiheit des Marktes einzuführen. Zurückdrängung der Gewerkschaften, Individualverträge statt Kollektivverträge. Liberalisierung des Arbeitsmarktes samt Freiheit der Arbeitgeber, Arbeitskräfte jederzeit zu entlassen. Abschaffung der staatlichen Rentenversicherungsanstalt, Erhöhung der Militärausgaben im Gleichschritt mit der Entwicklung des US-Raketenabwehrschildes. Realisierung von Großprojekten über ein verkürztes Verfahren, Ablehnung der Emissionseinschränkungen laut Protokoll von Kyoto. Die Trennung von Kirche und Staat soll zugunsten der Kirche und des Vatikans gelockert werden, besonders, was die konfessionellen Schulen betrifft. Das sind nur einige der Programmpunkte, die die Regierung von Silvio Berlusconi nach dem Wahlsieg am 13. Mai diesen Jahres in den nächsten fünf Jahren umsetzen will. Außerdem sollen der Einwanderung ein Riegel vorgeschoben und den Polizeikräften mehr Rechte im Kampf gegen die illegale Einwanderung eingeräumt werden. Der neue Kammerpräsident Pierferdinando Casini von der kleinen „Christdemokratischen Partei" (CCD) hatte vor nicht allzu langer Zeit schon einmal gefordert, gegen die illegalen Einwanderer, die zur See nach Italien geschleust werden, das Feuer zu eröffnen. Der Industriellenverband hat seine Rechnung für die Unterstützung Berlusconis bereits präsentiert. Der Vatikan steht dem um nichts nach, und die Kräfte, die nach Recht und Ordnung rufen, wie etwa die „Lega Nord", die in Istrien an der Grenze zu Slowenien und Kroatien einen Eisenzaun gegen die Einwanderer errichten will, lösen jetzt ihren politischen Scheck ein, den sie von Berlusconi vor den Wahlen erhalten haben. Der Wahlsieg Silvio Berlusconis bei den italienischen Parlamentswahlen leitet nun eine in vielerlei Hinsicht neue Ära ein und wird eine Reihe von Änderungen des italienischen politischen Systems und der Politikfelder nach sich ziehen. Berlusconis Sieg ist nämlich nicht nur, wie 1994, als er in einer überstürzten, aber erfolgreichen Marketing-Operation auf das politische Feld lief und kurzzeitig die Regierung übernahm, ein Überraschungssieg. Es ist auch nicht eine normale Alternanz, die Ablösung einer Mitte-Links-Koalition durch ein Rechts-Bündnis. Und es ist auch kein triumphaler Sieg im Sinne einer Deklassierung des politischen Gegners, besonders, wenn man daran denkt, dass zwei Wochen nach den Parlamentswahlen die wichtigsten Großstädte Italiens an das Mitte-Links Bündnis des „Ulivo" fielen. Vielmehr ist es ein Wahlsieg, der von weit her kommt und Berlusconis langen Atem unter Beweis stellt. Der Mann aus Arcore ist den Weg einer fast sechsjährigen Opposition gegangen und hat diese Zeit genutzt, um seiner Partei „Forza Italia" (FI) eine Struktur zu geben und organisatorisch zu stärken, die Instand- oder virtuelle Partei in eine auf dem Territorium verankerte Bewegung zu transformieren und die abtrünnige „Lega Nord" in einem neuen Bündnis wieder an sich zu binden. Auf europäischer Ebene hat er sich dank der Schützenhilfe von Deutschlands Helmuth Kohl und Spaniens Jose Aznar durch die Aufnahme seiner „Forza Italia" in die Reihen der Europäischen Volkspartei international legitimiert. Und schließlich hat er dank seines Medienimperiums, insbesondere dank seiner drei gesamtstaatlichen Fernsehanstalten, einen fünfjährigen Wahlkampf betrieben, der am 13. Mai seine Früchte getragen hat. Der Mitte- Links-Regierung ist ihre Politik des Wegschauens beim Interessenskonflikt Berlusconis jetzt auf den Kopf gefallen. Heute präsentiert sich die Rechte Italiens als eine starke politische Kraft mit einer relativ soliden, breiten sozialen Basis, die die künftige Regierung stellt. Mit scharfem Blick hatte Italiens Starschriftsteller Umberto Eco von einer „Ideologie des Spektakels und der Praxis der Zensur" gesprochen, von Berlusconis Anhängern als einer „faszinierten Wählerschaft", die sich in einer „wunderbaren Glitzerschow" verdichtet. Der angesehene Rechtsphilosoph und Senator auf Lebenszeit, Norberto Bobbio, geht einen Schritt weiter und findet starke Ähnlichkeiten zwischen „Forza Italia" und der „Faschistischen Partei Italiens" in der Zwischenkriegszeit. Der „Ulivo" und die Gewerkschaften haben angekündigt, gegen die Vorhaben der Rechten, den Sozialstaat abzubauen, Widerstand zu leisten. Cavalier Berlusconi hat nicht allein gewonnen, sondern im Bündnis mit „Alleanza Nazionale" und der „Lega Nord". Berlusconi hat die Postfaschisten ins politische System hereingeholt, die sezessionistische und rassistische „Lega" gezähmt und das christdemokratische und sozialistische Erbe assimiliert. All diese Gruppierungen hätten nicht einen neuen Rechts-Block abgegeben, wenn Berlusconi als Tele-Leader nicht zu der gesamten Bewegung seinen ganz persönlichen Mehrwert beigesteuert hätte. Die Ära des „Comitato di liberazione", des „Nationalen Befreiungskomitees" im Kampf gegen Faschismus und Nationalsozialismus ist beendet. Die Republik Italien und ihre Verfassung, die auf dem Geist des Antifaschismus aufgebaut ist, ist am 13. Mai endgültig der Vergangenheit übergeben worden. Die gemeinsame Kultur der „Resistenza", des antifaschistischen und antinazistischen Widerstandes, hatte trotz aller politisch-ideologischen Gegensätzen unter den Parteien den demokratischen Grundkonsens der Ersten Republik gebildet. Den Parteien des Verfassungsbogens standen jene Parteien gegenüber, die davon ausgeschlossen waren, namentlich der neofaschistische „Movimento Sociale Italiano" (MSI, seit 1995 „Alleanza Nazionale"-AN). Heute sind die historischen Parteien des Verfassungsbogens verschwunden oder haben ihre Identität und ihren Namen geändert, während „Alleanza Nazionale" an der Regierung beteiligt sein wird. Die Möglichkeit, dass es wie im Falle Österreichs zu Sanktionen kommen könnte, weil sich an der Regierung auch die Postfaschisten beteiligen, sind auszuschließen. Schon im Februar 2000 hatten sich sowohl Staatspräsident Carlo Azelio Ciampi als auch der damaligen Regierungschef Massimo D'Alema von den Linksdemokraten gegen die Aussagen von Bundeskanzler Gerhard Schröder gestellt, der im Falle einer Regierungsbeteiligung von „Alleanza Nazionale" eine analoge Vorgangsweise der EU wie im Falle Österreichs einforderte. Dabei wird immer wieder vergessen, dass hinter dem ruhigen und telegenen Auftreten von AN-Chef Gianfranco Fini eine Partei zum Vorschein kommt, die ihren Transformationsprozeß vom MSI zu „Alleanza Nazionale" noch lange nicht abgeschlossen hat. So hat eine Umfrage unter den Delegierten des Parteitags von Verona 1998 unter anderem ergeben, dass ein Großteil des politischen Personals der Partei noch immer starke Identifikationsstränge zum Faschismus aufweist. Immerhin waren 61,1% der Befragten der Meinung, dass der Faschismus, von wenigen Fehlentscheidungen abgesehen, ein im großen und ganzen gutes Regime gewesen sei. Die Studie kommt zum Schluß, dass die Bejahung des faschistischen Regimes über das Ritual hinaus zu stärkeren Sympathien für Nationalismus und Autoritarismus führe. Italien geht einer Zeit mit einer stabilen Regierung, nicht unbedingt einer Zeit mit stabilen sozialen Verhältnissen entgegen. Und wenn Berlusconi für die Reform der Institutionen notwendige Schritte einleiten will, wird er auch auf die Mitarbeit der Opposition angewiesen sein. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird Berlusconi merken, dass der Staat nicht wie ein privates Unternehmen geführt werden kann. Parlamentswahlen 2001 Mandatsverteilung in der Kammer (630 Abgeordnete) Parteien und Wahlbündnisse Sitze Casa delle libertá 368 L'Ulivo 242 Rifondazione Comunista 11 Südtiroler Volkspartei-Ulivo 8 Andere 1 Mandatsverteilung im Senat (315 plus derzeit 9 Senatoren auf Lebenszeit) Parteien und Wahlbündnisse Sitze Casa delle libertá 17 L'Ulivo 125 Lista Di Pietro 1 Rifondazione Comunista 3 Democrazia Europea 2 Südtiroler Volkspartet - Ulivo 3 Südtiroler Volkspartei 3 Andere 1 Quelle: Ministero degli Interni 2001 |
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