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Neofaschismus
in Italien

foto bahnhof bolonga 2.8.1980
Der Bahnhof von Bologna nach dem Bombenanschlag am 2. August 1980 Foto: dpa
aus: Neues Deutschland, vom Mittwoch, 3.August 2005


Ruf nach Wahrheit am Bahnhof Bolognas
25 Jahre nach dem schlimmsten Terroranschlag in Italien sind noch viele Fragen offen
Von Anna Maldini, Rom

Eine Uhr am Bahnhof von Bologna steht immer auf 10.25 Uhr. Um diese Zeit explodierte dort am 2. August 1980 ein Bombe vor dem Wartesaal Zweiter Klasse. 85 Menschen starben, über 200 wurden verletzt. Italien drohte, im Chaos zu versinken.


Heute, 25 Jahre später, sorgt dieser Terrorakt im Land immer noch für große Aufregung, da zumindest die Hintergründe nie genau geklärt wurden. Die Spannungen entluden sich am Dienstag bei den offiziellen Feierlichkeiten, an denen auch der stellvertretende Ministerpräsident Giulio Tremonti als Vertreter der Regierung teilnahm. Die Menge pfiff ihn aus und schrie immer wieder »Wahrheit, Wahrheit!«.


Tatsächlich gab es zu dem terroristischen Anschlag, dem furchtbarsten, den es in dem Mittelmeerland je gegeben hat, acht Prozesse. Drei Neofaschisten wurden als Bombenleger zu lebenslänglich beziehungsweise zu langen Haftstrafen verurteilt. Ebenfalls verurteilt wurden einige Funktionäre der Geheimdienste, die versucht haben sollen, die Untersuchungen auf andere Fährten zu lenken, und auch Licio Gelli, damals allmächtiger Vorsitzender der geheimen Freimaurerloge P 2, der sich ebenfalls schützend vor die Faschisten gestellt haben soll. Die These der Anklage war, dass es damals in Italien den Versuch gab, das Land durch Terroranschläge instabil zu machen, um die Rufe nach einem »starken Mann« anzuheizen und eine reaktionäre und autoritäre Regierung einzusetzen. Damit wollte man der »kommunistischen Gefahr« entgegenwirken. Diese Zeit der Bomben und Anschläge ist als »Spannungsstrategie« in die italie
nische Geschichte eingegangen. Die Haupttäter von damals haben ihre Unschuld immer beteuert, und auch die anderen Verurteilten wollen mit dem Anschlag nichts zu tun gehabt haben. Und jetzt, 25 Jahre danach, sorgt das Attentat weiter für Unruhe. So fordern mehrere konservative Politiker, darunter auch der ehemalige Staatspräsident Francesco Cossiga, eine neue Untersuchung. Man habe damals, so Cossiga, aus politischen Gründen die arabische und palästinensische Schiene vollkommen außer Acht gelassen, weil man den Bombenanschlag unbedingt den Rechtsextremen anhängen wollte.

Die Bürger Bolognas, die am Dienstag »Wahrheit, Wahrheit« riefen, sind indes der Ansicht, dass gerade die jetzige Regierung überhaupt kein Interesse hat, die wahren Hintergründe und Hintermänner der »Spannungsstrategie« auszumachen, besonders wenn man bedenkt, dass viele einflussreiche Politiker von heute (darunter Ministerpräsident Silvio Berlusconi) zu jener Zeit der P 2-Loge angehörten. Bologna will nicht vergessen. An der Gedenkfeier nahmen - wie jedes Jahr - Tausende Menschen teil. Darunter waren sicherlich auch die unzähligen anonymen Helfer, die im Schutt nach Überlebenden suchten, Blut spendeten oder die Straßen absperrten, damit die Krankenwagen mit den Verletzten schnell die Krankenhäuser erreichen konnten. Der Bahnhof ist längst wieder aufgebaut. Aber die eine Uhr wird immer auf 10.25 Uhr stehen.