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Gerhard Feldbauer

Von Mussolini bis Fini

Die extreme Rechte in Italien

ELEFANTEN PRESS BERLIN


Antifa Edition

herausgegeben von Jens Mecklenburg

Copyright ©1996

by ELEFANTEN PRESS Verlag GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat Jakob Carl, Jens Mecklenburg

Umschlaggestaltung Holtfreter, Blank & Reschke

unter Verwendung eines Fotos

von ROPI/Granati

Gesetzt aus der Syntax

Agentur Marina Siegemund, Berlin

Druck und Bindung Norhaven A/S, Viborg

Printed in Denmark

ISBN 3-88520-575-0


Inhalt

7    Fini ante portas? Eine Einleitung

9    Der Faschismus unter Mussolini (1919-1945)

22     Der italienische Neofaschismus nach 1945

31     Movimento Sociale Italiano -Aktions- und Parlamentspartei

46    Neofaschismus innerhalb und außerhalb des MSI

57    Spannungsstrategie, NATO, CIA und Gladio

81     Bundesdeutsche Hilfe für schwarze Terroristen

94    Bis heute nicht aufgeklärt - Der Mord an Aldo Moro

117    Das Geflecht von Geheimloge, Neofaschisten,

Vatikan und Mafia

140    Berlusconi und die Forza Italia

167    Aus Movimento Sociale wird Alleanza Narzionale

198    Schlußbetrachtungen

204    Anmerkungen

205    Ausgewählte Literatur

209    Häufig verwendete Abkürzungen

211     Personenregister

218    Sachregister

223     Der Autor



Fini ante portas? Eine Einleitung

»Historische Vergleiche beginnen immer zu hinken, wenn man sie zu sehr ins einzelne verfolgt. Trotzdem, gewisse Parallelen sind nicht zu übersehen.«

Sebastian Haffner: Im Schatten der Geschichte. Historisch-politische Variationen (S. 25).

Das Frühjahr 1994 war für viele Italiener, die sich zum Antifaschismus bekennen, durch eine Reihe schockierender Ereignisse gekennzeichnet. Bei den Parlamentswahlen im April gewann eine aus der autoritären Führerpartei Forza Italia, dem neofaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI) und der separatistischen und rassistische Züge aufweisenden Lega Nord bestehende Koalition mit 42,7 Prozent der Wählerstimmen die Mehrheit. Die sich »Pol der Freiheit« nennende Allianz führte Silvio Berlusconi an, einer der reichsten Männer des Landes und Besitzer des mächtigsten italienischen Medienimperiums. Der Medienbeherrscher, dessen Forza mit 21 Prozent stärkste Partei wurde, bildete anschließend die Regierung. In Italien übernahm mit Berlusconi zum ersten Mal einer der großen Wirtschaftsführer die Leitung der politischen Exekutive.

Symbolträchtig war, daß Berlusconi am 11. Mai, nur wenige Tage nach dem 49. Jahrestag der Niederlage des Faschismus, den MSI, der sich immer noch offen zum Erbe Mussolinis bekennt, in die Regierung aufnahm. Mit 13,4 Prozent war die von Gianfranco Fini (Jahrgang 1952) geführte Sozialbewegung (MSI) bei den Wahlen drittstärkste Parlamentspartei geworden. In der Regierung stellte sie sechs Minister, darunter den stellvertretenden Ministerpräsidenten. Der MSI ist jene Bewegung, die bereits 1946 als Nachfolgerin der faschistischen Partei Mussolinis wiedergegründet wurde. Von kosmetischen Korrekturen abgesehen, hält die Sozialbewegung bis heute an Erbe und Tradition der von Mussolini 1919 gegründeten faschistischen Bewegung fest. Personell soll das unter anderem die führende Position verkörpern, die Alessandra Mussolini, die Enkelin des »Duce«, in der Partei innehat. Fini, der einen »modernen Faschismus« propagiert, brachte diesen am 28. Oktober 1992 anläßlich der Feiern zum 70. Jahrestag des Marsches Mussolinis auf Rom auf die kurze Formel: »Wir schauen vor-

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wärts, aber wir halten an unseren Wurzeln fest.« Die Festlichkeiten standen unter der Losung: »Es lebe die faschistische Revolution!« Auf dem Parteikongreß in Fiuggi bei Rom im Januar 1995 beschloß die Sozialbewegung, sich in Zukunft Alleanza Nazionale (AN) zu nennen. In seinem Referat stellte der AN-Chef Fini ausdrücklich klar, daß es sich »um keine Auflösung der Sozialbewegung« handle, sondern »um eine Fortentwicklung und Umwandlung«. Die praktische Politik der AN zeigt, daß es Fini, der auch als »perfekter Nadelstreifenfaschist« bezeichnet wird, um die »Umwandlung« des MSI in eine große Rechtspartei auf faschistischen Grundlagen geht. »Die Orientierung an der faschistischen Ideologie ist, wenn auch mit verbalen Abänderungen und Abschwächungen, de facto eine Konstante dieser Partei geblieben«, schätzte der liberale Rechtsphilosoph Mario G. Losano ein. Hinreichende Beweise dafür lieferte die Partei besonders während ihrer Zeit in der Regierung. Die MSI-Minister waren kaum vereidigt, da hielt Fini die Zeit für gekommen, die Partei Mussolinis zu rehabilitieren. In der Abgeordnetenkammer brachte er den Antrag ein, das in der Verfassung verankerte Verbot dieser Partei aufzuheben. Der MSI erhob ebenso die Forderung, die ehemaligen jugoslawischen Gebiete Istrien und Dalmatien »heim ins (italienische) Reich« zu holen. Als Chef einer Regierungspartei nutzte Fini den 50. Jahrestag der Befreiung Roms durch alliierte Truppen am 4. Juni 1994 dazu, Mussolini als den »größten Staatsmann dieses Jahrhunderts« zu rühmen und kundzutun, dieser habe bis 1938, das heißt bis zum Erlaß der Rassengesetze nach deutschem Vorbild, »viel Gutes« geleistet.

Die Regierung Berlusconi blieb nur 226 Tage im Amt. Im Dezember 1994 wurde sie im Ergebnis eines Generalstreiks von fünf Millionen Beschäftigten und Massendemonstrationen gegen ihren sozialen Crashkurs im Parlament durch ein Mißtrauensvotum zum Rücktritt gezwungen. Ausschlaggebend dafür war, daß der Separatistenführer Umberto Bossi Berlusconi die Gefolgschaft aufkündigte. Seine Lega Nord, die einflußreiche Kapitalgruppen hinter sich weiß, darunter den größten privaten Industriekonzern FIAT, stimmte gegen die Regierung. Trotz dieser Niederlage, für die seitens der AN Berlusconi verantwortlich gemacht wird, befinden sich die Neofaschisten weiter im Vormarsch. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im April 1996 steigerten sie sich weiter und erreichten 16,6 Prozent der Stimmen. Fini will an die Macht und Ministerpräsident werden.

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Der Faschismus unter Mussolini (1919-1945)

»Der Faschismus ist eine Ausgeburt des Kapitals, und um der Festigung seiner Macht willen ist er bereit, jedes beliebige Mittel einzusetzen - von grausamer Gewalt bis zu einer geschickten Betäubung der Massen ... mit einem giftigen ideologischen Betäubungsmittel.« Diese Worte schrieb Julius Fucik, kurz bevor ihn die Nazis hinrichteten.

Zur Entstehung des Faschismusbegriffes

Der Begriff des Faschismus entstand in Italien, wo Mussolini bereits ein Jahrzehnt vor Hitler die Macht ergriff. Nach dem Ersten Weltkrieg bildete der künftige »Duce« (Führer), der am Krieg teilgenommen hatte und verwundet worden war, mit ehemaligen Frontkämpfern Fasci (Bünde). Mussolini, der sich und seine spätere Diktatur gern als legitime Nachkommen des großen Römischen Reiches und seiner Cäsaren feiern ließ, griff bei der Taufe seiner Bewegung als Fasci auf die Fasces zurück, die Liktorenbündel, jene lederumschnürten Rutenbündel, aus denen ein Beil hervorragte und die von den altrömischen Liktoren als Zeichen der Gewalt über Leben und Tod den Konsuln vorangetragen wurden. Als Fasci hatten jedoch auch die Unterdrückten in den Kämpfen des 18. und 19. Jahrhunderts ihre Organisationen bezeichnet. So schlossen sich beispielsweise die armen Bauern, Tagelöhner und Arbeiter in Messina, Catania und Palermo 1889 im Kampf gegen ihre Unterdrücker in Fasci dei Lavoratori (Arbeiterbünden) zusammen, aus denen 1893 die Federazione Socialista Siciliana (Sizilianische Sozialistische Föderation) hervorging. Am 23. März 1919 berief Mussolini eine Landeskonferenz seiner in den Wochen vorher aufgestellten Fasci nach Mailand ein. Die Unternehmer der Industriemetropole stellten ihm als Tagungsort das Gebäude ihrer Industrie- und Handelskammer an der Piazza San Sepolcro zur Verfügung. Auf dem Kongreß proklamierte Mussolini die Fasci Italiani di Combattimento (Italienische Kampfbünde) als politische Bewegung. Ihre Mitglieder nannten sich Fascisti und die Bewegung bezeichnete sich als Fascismo (Faschismus). Die Fasci entstanden namentlich als terroristische Organisation gegen die Arbeiterbewegung und ihre Parteien. Es entsprach dieser Aufgabe, daß Mussolini als nächstes Squadre di Azione Fascista (SAF, Sturmabteilungen) als spezielle Formation des

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Faschismus bildete. Erste Stützpunkte der Sturmabteilungen entstanden in der Nähe der revolutionären Zentren der Arbeiterbewegung, auf den Landsitzen der Großagrarier in der Emilia und der Toskana. Als Chefs der Squadre rekrutierten die Gutsherren demobilisierte Offiziere und Unteroffiziere, die Mannschaften kamen vorwiegend aus mittelständischen Schichten, Kreisen der Studenten und »Lumpenproletarier«, aber auch aus den Reihen der Arbeitslosen, deren Zahl von 150 000 im Jahre 1919 binnen zwei Jahren auf 600 000 anstieg. Im November 1921 fand in Rom der 3. Kongreß der Fasci di Combattimento statt, auf dem sich diese zur Nationalen Faschistischen Partei (Partito Nazionale Fascista, PNF) erklärten. Zu dieser Zeit zählte die Bewegung, die 1920 etwa 30000 Anhänger hatte, 320 000 eingeschriebene Mitglieder, die in 2 200 Fasci organisiert waren. Die Squadre wurden auf dem Parteitag in den PNF eingegliedert, alle Parteimitglieder verpflichtet, ihnen beizutreten. An die Spitze des PNF trat Mussolini, der sich von nun an »Duce del Fascismo« nennen ließ. Angelo Tasca gab in seinem Buch Glauben, gehorchen, kämpfen folgende soziale Schichtung an: 18 084 Grundbesitzer, 13 878 Kaufleute, 4 269 Industrielle, 9 981 Freiberufler, 7 209 Staatsbeamte, 14 988 Privatangestellte, 1 680 Lehrer, 19 783 Studenten, 36 847 Landarbeiter und Bauern, 23 418 Industriearbeiter, vor allem aus Staatsbetrieben (S. 195). Für die faschistische Bewegung waren von Anfang an zwei Wesensmerkmale besonders charakteristisch: soziale Demagogie und systematisch organisierter Terror. Die radikale Demagogie, die Mussolini bei der Gründung der Kampfbünde darlegte und die auch als »Programm von San Sepolcro« bezeichnet wurde, knüpfte an traditionelle Forderungen der Arbeiterklasse an. Das Programm verlangte den Achtstundentag, ein Verbot der Kinderarbeit unter 16 Jahren, eine besondere Besitzsteuer für Kriegsgewinne, Mitbestimmungsrecht der Arbeitenden und Beteiligung am Gewinn der Unternehmen, Wahlrecht für Frauen, die Beseitigung der Monarchie, die Ausrufung der Republik und die Abschaffung des Senats. Hinzu kam nationalistische Propaganda, in der die Frontkämpfer als Helden der Nation verherrlicht wurden und gefordert wurde, Italien für seinen Sieg im Ersten Weltkrieg territorial zu entschädigen. Emilio Lusso gibt in Marsch auf Rom wieder, wie Mussolini die Stimmungen anheizte: »Nieder mit den Blutsaugern, die das Volk aushungern! Revolte ist das oberste Gebot, um die Gier dieser Blutsauger zu treffen. Erhebt Euch!« (S. 12)

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Karriere eines Demagogen

Der 1883 in den einfachen Verhältnissen eines Dorfschmiedes geborene Mussolini hatte zunächst in der Sozialistischen Partei (Partito Socialista Italiano, PSI) Karriere gemacht und war 1912 Chefredakteur des Parteiblattes Avanti geworden. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges schlug er sich auf die Seite der Interventionisten, die Italiens Kriegseintritt als Verbündeter der Entente (Dreierbündnis Großbritannien, Frankreich und Rußland) forderten. Diese setzten sich unter den herrschenden Kreisen des Landes durch, und Italien trat im Mai 1915 in den Krieg gegen seine früheren Verbündeten im Dreibund (Deutschland und Österreich-Ungarn) ein.

Die Sozialistische Partei sprach sich jedoch bei Kriegsausbruch für eine bedingungslose Neutralität Italiens aus. Sie war die einzige westeuropäische Sektion der II. Internationale, die gegen die Kriegskredite stimmte und während des ganzen Weltkrieges öffentlich gegen den Krieg auftrat. Mussolini blieb in der Partei mit seiner interventionistischen Gruppierung in der Minderheit.

In der Sozialistischen Partei rief Mussolinis Kriegsposition eine Protestwelle unter der Mitgliedschaft hervor, die zu seinem Parteiausschluß führte.

Seit die Sturmabteilungen gebildet worden waren, bestimmte ihr systematischer Terror vor allem das Erscheinungsbild der faschistischen Bewegung. Er richtete sich in erster Linie gegen die seit Kriegsende erstarkende Arbeiterbewegung, gegen die Sozialisten und gegen die Kommunisten, die sich im Januar 1919 von den Sozialisten getrennt und ihre eigene Partei, den Partito Comunista Italiano (PCI), gegründet hatten. Die Sozialisten errangen im November 1919 bei den ersten Parlamentswahlen nach dem Krieg ihren bis dahin größten Erfolg. Sie erreichten 156 der 508 Abgeordnetensitze. Die Liberalen (Partito Liberale Italiano), die führende großbürgerliche Rechtspartei, verloren 52 Sitze, erreichten nur noch 252 Mandate und büßten die absolute Mehrheit ein. Die Anfang 1919 von dem Priester Don Luigi Sturzo gegründete Volkspartei (Partito Popolare Italiano), die sich als Partei der bürgerlichen Mitte verstand, gewann auf Anhieb 100 Sitze. Als im Oktober 1920 die Sozialisten bei den Kommunalwahlen erneut Stimmen dazugewannen und in Bologna eine rote Mehrheit die Stadtverwaltung übernahm, befahl Mussolini ein abschreckendes Beispiel zu schaffen. 500 seiner schwerbewaffneten Squadristen überfielen

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Bologna, beschossen das Rathaus, töteten neun Bürger, verwundeten über 100 und zwangen die Stadtverwaltung zum Rücktritt. Fast ganz Nord- und Mittelitalien wurde danach von derartigen Terrorakten heimgesucht. Die SAF überfielen Arbeiterviertel, steckten Versammlungslokale der Sozialisten, der Gewerkschaften und der Genossenschaften in Brand, mißhandelten Funktionäre auf offener Straße und in ihren Wohnungen, erschlugen sie auf den Feldern und stellten ihre Leichen in den Städten zur Schau. In Mailand und zahlreichen weiteren Städten und Gemeinden zwangen sie die linken Verwaltungen zurückzutreten.

Die Parlamentswahlen vom Mai 1921 brachten trotz des vorangegangenen faschistischen Terrors nicht den erwarteten Rechtsruck. Die Faschisten zogen zwar zum ersten Mal ins Parlament ein, aber nur mit 36 Abgeordneten.

Nach diesen Wahlen begann Mussolini, den Marsch auf Rom, die gewaltsame Machtergreifung, vorzubereiten. In diesem Plan bestärkten ihn zunehmend einflußreiche Kreise der Industrie als auch der Großagrarier sowie Vertreter der Staatsbürokratie und Teile der Militärs. Aus den Tresoren des im April 1920 gegründeten Industriellenverbandes (Confederazione dell'lndustria) und des danach im August gebildeten Agrarverbandes (Confederazione dell'Agricoltura) sowie auch aus einzelnen Unternehmerkassen flossen den Faschisten seit Anfang 1922 größere Geldsummen zu. Der im Januar als Pius XI. neu gewählte Papst ergriff zusammen mit seinem Kardinalstaatssekretär Casparri ebenfalls offen für die Faschisten Partei.

Marsch auf Rom -

Die Machtübergabe an die Faschisten

Der PNF-Kongreß, der am 22. Oktober 1922 in Neapel tagte, beschloß den Marsch auf Rom und dazu die totale Mobilisierung der SAF. Am 28. Oktober brachen 40000 Mann der Sturmabteilungen in drei Marschkolonnen zur Hauptstadt auf, die sie am 30. Oktober erreichten. Während die SAF mordend und plündernd das Arbeiterviertel San Lorenzo heimsuchten, empfing Vittorio Emanuele III. den »Duce del Fascismo« und beauftragte ihn, die Regierung zu bilden. Er übergab die Macht einer Partei, die im Parlament nur 36 Sitze belegte. Am nächsten Tag legitimierten Nationalisten, Liberale als auch die Volkspartei mit ihrem Eintritt in die faschistische Regierung den Putsch

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Mussolinis und sprachen ihm mit 306 Stimmen das Vertrauen aus. Es gab nur 106 Gegenstimmen, vor allem aus den Arbeiterparteien. Mussolini hielt sich - von Einschränkungen abgesehen - an seine Zusage und tastete die Monarchie nicht an. Während Hitler zehn Jahre später nach der Machtergreifung seinen Steigbügelhalter Hindenburg als Präsidenten kaltstellte und die monarchistische Bewegung, die gehofft hatte, mit Hilfe der Nazis die Hohenzollerndynastie restaurieren zu können, ins Abseits schickte, konnte der italienische König seinen Thron, wenn auch mit eingeschränkten Machtbefugnissen, retten. Insgesamt kapitulierte der liberale, von Vertretern rechter, nationalistisch-großbürgerlicher Kreise geführte Staat ohne große Gegenwehr. Gegen den Faschismus an der Macht leisteten jedoch, wie sich bald zeigen sollte, neben den Linken in Italien auch die bürgerlichen Oppositionsparteien einen unvergleichlich stärkeren Widerstand als die entsprechenden Kräfte zehn Jahre später in Deutschland. Das erschwerte es dem italienischen Faschismus, sich zu konsolidieren. Während Hitler später seine Macht in ein paar Monaten festigte, brauchte der »Duce« dazu Jahre. Bis 1926 mußte er, wenn auch stark eingeschränkt, den Rahmen der parlamentarischen Demokratie beibehalten, was jedoch auch Ausdruck von Meinungsverschiedenheiten innerhalb der politischen Elite war, deren liberale Vertreter es zunächst bei einem »gemäßigten Faschismus« belassen wollten. Im Dezember ernannte der »Duce« den Großen Rat des Faschismus (Gran Consiglio del Fascismo), der Gesetzeskraft erhielt und das Parlament übergehen konnte. Die Sturmabteilungen benannte Mussolini in eine Freiwillige Miliz für die Nationale Sicherheit (Milizia Volontari per la Sicurezza Nazionale) um und gliederte sie in die bewaffneten Kräfte ein. Sie wurde auf ihn und den Gran Consiglio vereidigt.

Die ersten Regierungsdekrete verdeutlichten, welche Interessen der Faschismus tatsächlich wahrnahm. Mussolini befreite die Besitzenden von der Pflicht, alle Industrie- und Bankwerte zu versteuern, und widerrief ein Gesetz, das gestattet hatte, unbebautes Großgrundbesitzerland an landlose und landarme Bauern zu übereignen. Beseitigt wurde auch der Achtstundentag, für den die Faschisten sich einst ausgesprochen hatten. Die Löhne sanken um 13 Prozent und stagnierten danach. Die faschistische Diktatur ermöglichte dem italienischen Kapital eine bis dahin nicht gekannte Zentralisation und Konzentration.

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Matteottikrise und Lateranverträge

Nachdem im Parlament ein neues Wahlgesetz, das das Verhältniswahlrecht beseitigte, durchgesetzt worden war, organisierte Mussolini im April 1924 eine betrügerische Scheinwahl, die von einer neuen Welle blutigen Terrors begleitet wurde. Die Wahl brachte für die Faschisten eine erdrückende Mehrheit - auf der Regierungsliste zogen 374 Abgeordnete ins Parlament, darunter 275 Mitglieder der Faschistischen Partei -, aber nicht den erhofften Prestigegewinn. Er blieb aus, obwohl der Präsident des Industriellenverbandes, Alfano Benni, oder Gino Olivetti vom gleichnamigen Elektronikkonzern auf der Liste der Mussolini-Partei kandidiert hatten und für sie in die Abgeordnetenkammer einzogen. Der Terror hatte auch nicht vermocht, die Stimmen der Arbeiterbewegung zum Schweigen zu bringen. Sozialisten und Sozialdemokraten errangen 22 beziehungsweise 24 Parlamentssitze, die Kommunisten 19.

Nach der Wahl enthüllte der Sozialistenführer Giacomo Matteotti im Parlament und in der Öffentlichkeit unerschrocken die Verbrechen der Faschisten und forderte, die Wahl für ungültig zu erklären. Der Faschismus antwortete auf den erstarkenden Widerstand mit neuem Terror. Die Verfolgungswelle gipfelte im Mord an Matteotti, der am 10. Juni 1924 auf offener Straße in ein Auto gezerrt, verschleppt und dann erschlagen wurde. Den Leichnam verscharrten die Mörder in einem Vorort von Rom, wo ihn Passanten am 16. August fanden. Der Mord an dem Sozialistenführer stürzte die Diktatur in eine existenzielle Krise, die in die Geschichte als Matteottikrise einging. In Rom kam es zu spontanen Demonstrationen und zu Streiks. Die ehemaligen Ministerpräsidenten Giolitti, Orlando und Salandra traten offen gegen Mussolini auf und stimmten in der Abgeordnetenkammer gegen ihn. Die bürgerlichen Mitläufer traten scharenweise aus der Faschistischen Partei aus, deren Mitgliederzahl von 782 979 im Jahre 1923 auf 599 988 im Jahre 1925 sank.

Das Mussoliniregime versuchte, der Krise mit einer neuen Verhaftungswelle Herr zu werden. Sie richtete sich nun in erster Linie gegen die Kommunisten, die zunehmend die Initiative im Widerstand ergriffen. Unter Antonio Gramsci entwickelte sich die Idee eines christlichkommunistischen Dialogs sowie eines »Historischer Block« genannten Bündnisses aller sozialen Klassen und Schichten gegen den Faschismus. Das Regime kerkerte über 2 000 Kommunisten ein, darunter Gramsci,

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den es im November 1926 verhaftete und dabei seine Immunität als Abgeordneter brach. Im Mai begann gegen führende PCI-Funktionäre vor dem Sondertribunal ein Prozeß wegen »bewaffneten Aufstandes und Organisation des Bürgerkrieges«. Palmiro Togliatti, der nach Gramscis Verhaftung die Leitung der Partei übernommen hatte, konnte fliehen. 1928 fällte das Sondertribunal gegen 37 kommunistische Funktionäre Urteile von insgesamt 238 Jahren Kerker, darunter gegen die führenden Köpfe Gramsci, Terracini und Scoccimarro je 20 Jahre. Insgesamt verurteilte das Gericht in den folgenden Jahren 4 671 Antifaschisten, von denen 4 030 dem PCI angehörten. Den todkranken Gramsci ließ das Regime 1937 nach internationalen Protesten frei. Er verstarb kurz nach seiner Freilassung an den Folgen der elfjährigen Haft. Auch viele bürgerliche Parlamentarier, die gegen die Diktatur protestierten, wurden umgebracht, landeten im Zuchthaus oder mußten emigrieren.

Über die Matteottikrise halfen Mussolini führende Kreise des Industrie-und Finanzkapitals und der Vatikan hinweg. Auf einem Treffen im Juni 1924 in Genua versicherten führende Unternehmer dem »Duce« ihre »unwandelbaren Treue« und diffamierten den antifaschistischen Widerstand als »intrigante Opposition«. Der Heilige Stuhl würdigte bereits eine Woche nach dem Mord die »feste Haltung« des »Duce« und erteilte dem antifaschistischen Widerstand eine deutliche Absage. In besonderem Maß stabilisierten die 1927 aufgenommenen Konkordatsverhandlungen das faschistische Regime innenpolitisch und werteten es außenpolitisch auf. Die 1929 abgeschlossenen Lateranverträge schwächten die antifaschistische Bewegung und schadeten der italienischen Demokratie noch über die Zeit des Faschismus hinaus. Sie schränkten wesentliche Ergebnisse der revolutionären Bewegung des Risorgimento ein und ermöglichten dem Papst, seine weltliche Herrschaft wiederzuerrichten. Pius XI. geizte nicht mit Dank an den »Duce«, dessen persönliche Verdienste am Zustandekommen des Konkordats er ausdrücklich hervorhob. Dietmar Stübler gibt in seiner Geschichte Italiens wieder, wie der Papst den Diktator in seiner Rede an der Katholischen Universität als »einen Mann, mit dem Uns die Vorsehung zusammenführte« würdigte. Mussolini habe »nicht die Vorbehalte der liberalen Schule«, führte Pius XI. aus und stellte sich damit öffentlich gegen die in Opposition stehenden bürgerlichen Parteien und ihre Politiker (S. 127 ff.).

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Zur Jahreswende 1926/27 endete die parlamentarisch verschleierte Etappe des Faschismus, er trat in seine offen terroristische Diktatur ein. Auf Antrag Mussolinis annullierte das Parlament im November 1926 die letzten 123 Mandate der Opposition. Die Polizei verhaftete alle kommunistischen Abgeordneten, derer sie habhaft werden konnte. Der »Duce« verbot ebenso alle Parteien und Organisationen außer den faschistischen. Das gleiche Schicksal erfuhren ihre Zeitungen. Mit Beginn der offenen Diktatur gelang es der Faschistischen Partei, ihren Mitgliederrückgang aufzuhalten. Der erneut einsetzende Zulauf vornehmlich aus der Beamtenschaft führte bereits 1927 zu über einer Million Mitglieder. Vor Beginn des Zweiten Weltkrieges zählte die Partei dann über zwei Millionen. 1925 gründete die Faschistische Partei das Nationalwerk für Freizeit (Opera Nazionale Dopolavoro), dessen Mitgliederzahl von 1926 knapp 300 000 auf etwa 1,8 Millionen 1931 und 1939 schließlich auf mehr als vier Millionen anwuchs. Mit dieser Organisation, die ihren Mitgliedern viele materielle Vorteile bot, gelang es dem Faschismus, eine wirksame Massenorganisation aufzubauen, mit der er auch unter den Arbeitern Fuß faßte.

Antifaschistischer Widerstand und Sturz Mussolinis

In den 30er Jahren wuchs Schritt um Schritt der antifaschistische Widerstand an und erreichte schließlich jene Stärke, die im Juli 1943 zum Sturz Mussolinis führte. Die wachsenden Lasten der auch Italien erfassenden Weltwirtschaftskrise riefen, wenn auch nur sporadisch, den Widerstand der Arbeiter hervor, der 1931 in Streiks auf den Reisfeldern in den Provinzen Vercelli und Novara sowie in Unruhen der Arbeitslosen im Winter 1931/32 mündete. Die aggressive Außenpolitik des faschistischen Regimes - der Kolonialkrieg 1930/31 in Libyen, der Überfall auf Äthiopien und die Annexion Abessiniens, die Teilnahme mehrerer italienischer Divisionen an der Niederschlagung der Spanischen Republik 1936-1939-brachten viele Italiener zum Nachdenken. Besonderen Auftrieb erhielt der Widerstand durch das Aktionseinheitsabkommen, das Sozialisten und Kommunisten im August 1934 in Paris, vertreten durch Luigi Longo und Pietro Nenni, unterzeichneten. Die Sozialisten, die sich im Juli 1930 mit den Sozialdemokraten zu einer einheitlichen Partei vereinigt hatten, bekannten sich mit den Kommunisten zum Klassenkampf gegen Faschismus und Krieg. Die einheitlich handelnde Arbeiterbewegung zog erhebliche kleinbürgerliche Schich-

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ten sowie Angehörige der Intelligenz auf ihre Seite, beeinflußte die Haltung des bürgerlichen oppositionellen Lagers und mit der 1942 beginnenden Krise des Faschismus auch herrschende Kreise des Landes. Nachdem das faschistische Regime, das 1939 bereits Albanien überfallen hatte, am 10. Juni 1940 an der Seite Hitlerdeutschlands in den Zweiten Weltkrieg eingetreten war und sich an den Aggressionen gegen Griechenland, Jugoslawien, die UdSSR und an den Operationen in Nordafrika beteiligte, bildeten Kommunisten, Sozialisten und die kleinbürgerliche Gruppe Gerechtigkeit und Freiheit (Giustizia e Libertà) im September 1941 ein Antikriegskomitee. Vom wachsenden Widerstand zeugten die ersten großen Antikriegsstreiks, die im März 1943 in der Industriemetropole Turin (Sitz des FIAT-Konzerns) mit über 100000 Teilnehmern begannen und von da auf weitere norditalienische Städte übergriffen.

Die vernichtenden Niederlagen der Wehrmacht bei Stalingrad und Kursk-Belgorod, die das Scheitern der deutschen Aggressionspläne verdeutlichten, und der Sieg der anglo-amerikanischen Truppen über Rommel bei El Alamein spitzten die Krise des italienischen Faschismus weiter zu. Als dann am 10. Juli 1943 die Alliierten auf Sizilien landeten und die italienischen Verbände sich dort ergaben, erreichte die Antikriegsstimmung einen neuen Höhepunkt, und die innere Schwäche der Mussolinidiktatur trat offen zutage.

In dieser Situation inszenierten einflußreiche Kreise des Großkapitals, des Klerus, der Generalität und der Monarchie eine Palastrevolte und stürzten am 25. Juli Mussolini. Das faschistische Regime brach politisch und militärisch zusammen. Im Auftrag des Königs bildete Marschall Pietro Badoglio eine neue Regierung, die Verhandlungen mit den Alliierten aufnahm und mit ihnen am 3. September in Casibile auf Sizilien einen Waffenstillstand unterzeichneten. Am 13. Oktober folgte die Kriegserklärung an Hitlerdeutschland.

Einmarsch der Wehrmacht und Resistenza

Unter Resistenza ist in der Geschichte des italienischen antifaschistischen Widerstandes der bewaffnete Kampf zu verstehen, der am 8. September 1943, dem Tag des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf Nord- und Mittelitalien, begann.

Der Überfall kam nicht überraschend, die Vorbereitungen darauf waren dem italienischen Generalstab wie auch den Alliierten nicht verbor-

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gen geblieben. Bei den Waffenstillstandsverhandlungen hatte der italienische Vertreter, General Castelani, darüber informiert, daß die italienischen Streitkräfte bereit seien, an der Seite der Alliierten gegen die Wehrmacht zu kämpfen. Das entsprach durchaus der Stimmung unter einem großen Teil der Soldaten und Offiziere.

Die Historiker Roberto Battaglia und Giuseppe Garritano legen in ihrem Buch Der italienische Widerstandskampf dar, wie zu diesem Wandel in der Armee die vernichtenden Niederlagen der Wehrmacht an der Ostfront beitrugen. Da der »Duce« Hitler ein Hilfskorps geschickt hatte, waren die Italiener direkt betroffen. Die 120 000 Soldaten zählende italienische Ostarmee war in den schweren Kämpfen am Don bis auf wenige Tausend völlig aufgerieben worden. Ein Rapport des Generalstabes besagte, daß die Wehrmacht die Italiener während des Rückzuges in der verschneiten Steppe ihrem Schicksal überließ. Es hieß, daß die deutschen »Verbündeten« den »Italienern stets jegliche Hilfe versagten, sich aller verfügbaren Kraftfahrzeuge bemächtigten, unsere Verwundeten ohne Transportmittel, ohne Nahrungsmittel und ohne erforderliche Versorgung zurückließen« (S. 15). Der Bericht, der unter Offizieren und Soldaten publik wurde, steigerte die in der italienischen Armee immer latent vorhanden gewesenen antideutschen Ressentiments zum regelrechten Haß gegen die deutschen »Verbündeten« und gab antifaschistischen Stimmungen Auftrieb. Die Alliierten nutzten jedoch diese günstigen Bedingungen nicht. Sie fürchteten, ein rasches Vorrücken ihrer Truppen würde einen allgemeinen Volksaufstand auslösen (wie er später bei ihrer Landung in Neapel und an anderen Orten auch ausbrach) und hauptsächlich den Kommunisten und Sozialisten Auftrieb geben, ihnen vor allem Einfluß auf Teile der Streitkräfte verschaffen. Als die Wehrmacht nach Bekanntgabe des Waffenstillstandes über Radio am 8. September schlagartig Nord- und Mittelitalien besetzte und die italienische Armee entwaffnete, sahen die Alliierten tatenlos zu. Am 12. September befreite ein SS-Kommando Mussolini vom Gran Sasso, auf dem er gefangengehalten wurde. Völlig dem Willen Hitlers unterworfen, proklamierte Mussolini unter der Herrschaft der Wehrmacht in Salò am Gardasee die sogenannte Repubblica Sociale Italiana (Italienische Sozialrepublik, RSI). Nicht einmal die faschistischen Regimes in Spanien und Portugal anerkannten die RSI. Selbst der Vatikan verzichtete darauf, einen Nuntius zu entsenden.

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Am 9. September konstituierte sich in Rom das Komitee der Nationalen Befreiung (Comitato di Liberazione Nazionale, CLN), dem Kommunisten, Sozialisten, Christdemokraten, Liberale sowie die Aktionspartei (Partito d'Azione) angehörten. Die Christdemokratische Partei (Partito Democratico Cristiano), kurz Democrazia Cristiana (DC) genannt, war 1943 aus der Volkspartei hervorgegangen. Die Aktionspartei entstand im Januar 1943 aus der Gruppe Gerechtigkeit und Freiheit. Das CLN rief alle Italiener zum Kampf gegen den Faschismus für ein freies Italien auf. Der Appell formulierte: »Heute gibt es für die Italiener nur noch eine Front: Gegen die Deutschen und gegen die fünfte faschistische Kolonne. Zu den Waffen!«

Nach dem Aufruf entstanden erste Partisaneneinheiten. Starken Widerhall fand der Appell unter Soldaten und Offizieren der Streitkräfte. Etwa 200 000 Mann, darunter Teile einer Armee und über 10 Divisionen, leisteten der Wehrmacht in Italien sowie auf dem Balkan und auf Korsika zum Teil über zwei Monate erbitterten Widerstand. In Rom bezogen noch am 8. September vier Divisionen Stellungen gegen die Wehrmacht. Ihr Korpskommandeur, General Carboni, folgte einem Vorschlag Luigi Longos und ließ Waffen an Freiwillige verteilen, die zusammen mit der Division Granatieri an der Porta San Paolo ins Gefecht zogen.

Nach dem Ende der Kämpfe nahmen die Hitlertruppen vielerorts schreckliche Rache. Sie ermordeten Tausende gefangene Soldaten und Offiziere, darunter zahlreiche Generale. Ein »Führerbefehl« wies an, »aufständische Offiziere« unverzüglich »standrechtlich zu erschießen«. Der Befehlshaber Süd (Italien und Mittelmeer), Generalfeldmarschall Kesselring, befahl »rücksichtsloses Vorgehen« und »gegen Verräter keine Schonung«.

Unter dem Okkupationsregime der Wehrmacht begann für Italien die barbarischste Etappe der faschistischen Herrschaft. Die Wehrmacht, SS, SD, Gestapo und Sicherheitspolizei mit ihren italienischen Komplizen, den in der RSI neu aufgestellten Schwarzhemden (Camicie Nere), einer italienischen SS, und der Republikanischen Garde (Guardia Nazionale Repubblicana) führten gegen die italienische Zivilbevölkerung einen grausamen und erbarmungslosen Krieg. Um den bewaffneten Widerstand zu brechen, wurden Geiseln erschossen, ganze Dörfer niedergebrannt und die Bevölkerung niedergemetzelt, Gefangene auf brutalste Weise gefoltert und ermordet. Zu den etwa 45 000 ermor-

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deten Angehörigen der italienischen Armee kamen weitere Zehntausende Zivilisten hinzu. Es genügt, an das von dem SS-Kommandanten von Rom, Obersturmbannführer Kappler, im März 1944 in den ardeatinischen Höhlen bei Rom organisierte Massaker, bei dem 335 Geiseln durch Genickschuß ermordet wurden, zu erinnern; oder an die über 1 830 Einwohner der Gemeinde von Marzabotto, vor allem Frauen, Kinder und Alte, die im Oktober 1944 auf bestialische Weise niedergemetzelt, in ihren Häusern verbrannt, in die Luft gesprengt wurden. Über Widersprüche und Meinungsverschiedenheiten hinweg entfaltete sich das nationale Bündnis der antifaschistischen Kräfte. Im April 1944 traten auf der Kabinettssitzung in Salerno alle antifaschistischen Parteien in die Regierung Badoglio ein, die damit den Charakter einer »Regierung der nationalen Einheit« annahm (Wende von Salerno). Nachdem die anglo-amerikanischen Truppen am 4. Juni Rom eingenommen hatten, mußte der König unter dem Druck der antifaschistischen Parteien abdanken. Gleichzeitig trat an die Stelle des Monarchisten Badoglio der Liberale Ivanoe Bonomi an die Spitze der Regierung. Die Nationale Einheitsregierung erkannte das in den okkupierten Gebieten tätige Befreiungskomitee als seinen Vertreter mit Regierungsvollmachten an. Zur hauptsächlichen Kraft des nationalen Befreiungskampfes gestaltete sich die Partisanenarmee, zu deren führenden Köpfen der Kommunist Luigi Longo, der Sozialist Allessandro Pertini und Ferrucio Parri von der Aktionspartei gehörten.

Im April 1945 zählte die Partisanenarmee 256000 reguläre Kämpfer, darunter 155 000 Kommunisten oder Angehörige der vom PCI aufgestellten Garibaldibrigaden. 198 Brigaden der Gerechtigkeit und Freiheit hatte die Aktionspartei formiert, 70 Matteottibrigaden der PSI. 181 Brigaden des Volkes (Brigate del Popolo) waren vornehmlich auf die DC orientiert. Anfang 1944 führten die Partisanen Operationen durch, die 15 Divisionen der Wehrmacht banden. In den Westalpen und den Nordapenninen entstanden im Frühjahr 1944 mehrere Partisanenrepubliken. Im April 1945 schlug der bewaffnete Kampf mit Erhebungen in Mailand, Turin, Genua, Bologna, Brescia, Padua, Udine, Venedig und zahlreichen weiteren Orten in den allgemeinen bewaffneten Aufstand um, und diese Städte wurden noch vor dem Eintreffen der alliierten Truppen befreit. Gleichzeitig eröffnete die Partisanenarmee zwischen Piemont und Venetien auf einer Breite von über 400 Kilometern ihre letzte Offensive.

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Mussolini versuchte am 26. April mit mehreren faschistischen Größen, begleitet von einer SS-Einheit, in die Schweiz zu fliehen. In der Frühe des 27. April wurde die Autokolonne des »Duce« hinter Como in Dongo von einer Partisaneneinheit gestellt und er mit seiner Begleitung festgenommen. Das Befreiungskomitee, das seinen Sitz in Mailand hatte, entsandte am 28. April ein Exekutionskommando unter Oberst Audisio, das die über Mussolini und seine Begleitung verhängten Todesurteile vollstreckte. In der Situation des Ausnahmezustandes wurde auch die Geliebte Mussolinis, Clara Petacci, gegen die kein Todesurteil ergangen war, erschossen. Die Leichen wurden nach Mailand gebracht und öffentlich auf der Piazza Loretto gezeigt. Am selben Ort hatten die Faschisten am 12. August 1944 fünfzehn Geiseln ermordet und zur Schau gestellt.

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Der italienische Faschismus nach 1945

»Wir halten es für sehr verdienstvoll, mit dem Faschismus zusammengearbeitet zu haben, besonders mit der Repubblica Sociale Italiana ... Wir sind also keine Neofaschisten. Wir sind Faschisten und damit basta!« Aus: La Legione, 24. März 1973

Gesellschaftliches Klima und Bedingungen

In der Tat gelang es dem italienischen Faschismus nach Kriegsende, sich weitgehend intakt über seinen politischen und militärischen Zusammenbruch hinwegzuretten und den neuen Bedingungen anzupassen. Sucht man nach den Ursachen dieser Kontinuität, stößt man auch auf die Fortdauer seines Gebrauchtwerdens. Im Ergebnis der Resistenza war die Rolle verschiedenster Kräfte des Volkes im gesellschaftlichen Leben enorm gewachsen. Die kommunistische Partei hatte sich zu einer maßgeblichen politischen Kraft herausgebildet. In der republikanischen Verfassung waren - wenn auch teilweise nur proklamativ - der Antifaschismus sowie wichtige demokratische Rechte und Entwicklungsprinzipien verankert worden. Kommunisten, Sozialisten und Aktionisten traten dafür ein, die Verhältnisse antifaschistisch-demokratisch umzugestalten. Das schloß für sie ein, das Eigentum des Großkapitals und der Großagrarier durch Nationalisierungen und eine Agrarreform zu beschneiden. Der kommunistische Finanzminister Mauro Scoccimarro forderte einen sofortigen Geldumtausch, eine außerordentliche Besteuerung der Kriegsgewinne der Rüstungsunternehmen und eine progressive Besteuerung der Vermögen.1 Während der Resistenza verkörperte das nationale Befreiungskomitee für Norditalien (Comitato di Liberazione Nazionale Alto Italia, CLNAI), in dem Kommunisten, Sozialisten und Aktionisten auf Grund ihres maßgeblichen Anteils am bewaffneten Widerstand eine einflußreiche Rolle spielten, faktisch die Regierungsgewalt. Im »Römischen Protokoll«, das die italienische Regierung und die Alliierten im Dezember 1944 unterzeichneten, wurde es als Regierungsvertreter in den noch von der Wehrmacht besetzten Gebieten anerkannt. Dort entstanden in Betrieben, Wohngebieten, aber auch in ganzen Städten und Gemeinden örtliche Befreiungskomitees, die nach der Vertreibung der Okkupanten die Verwaltung übernahmen. In den Partisanenrepubliken

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von Ossola und Carnia gestalteten die örtlichen CLN die gesellschaftlichen Verhältnisse bereits radikal antifaschistisch-demokratisch um. Bei Kriegsende befanden sich die Fabriken und die Regional-, Landes-sowie Stadt- und Gemeindeverwaltungen größtenteils in der Hand der Organe des CLNAI. In seinem Aufruf zum allgemeinen bewaffneten Aufstand vom 25. April 1945 forderte das Befreiungskomitee, dem CLNAI alle Regierungsgewalt zu übergeben, und erließ eine Reihe von Dekreten über den Aufbau antifaschistischer Verwaltungen einschließlich der Justiz und legte genaue Aufgaben fest, um den Staats- und Verwaltungsapparat von Faschisten zu säubern sowie Kriegsverbrecher zu verfolgen und zu bestrafen. Hinter diesen Maßnahmen stand die überwiegende Mehrheit der Partisanenarmee.

Die USA und ihr Bündnis mit den italienischen Rechtskräften

Die Gefahr, daß in Italien als Resultat der Resistenza eine linke Regierung der Arbeiterparteien gebildet und von dieser die Macht der Großunternehmen angetastet werden könnte, rief die USA auf den Plan. Ihr entscheidendes Instrument bildete die Alliierte Militärregierung (Allied Military Government of Occupied Territory, Amgot), die alle ihr unliebsamen Maßnahmen blockierte.

In ihrer Politik gegenüber Italien gingen die USA von der strategischen Bedeutung des Landes im Mittelmeerraum (künftige Südflanke der NATO) aus. Ihre Furcht und die des italienischen Großkapitals vor dem Vormarsch der Linken verstärkte sich noch durch die Ergebnisse der ersten Wahlen nach Kriegsende, der Kommunalwahlen im März 1946. Sie fanden in 5 722 von insgesamt 7 300 Städten und Gemeinden statt und stellten einen nationalen Querschnitt dar. Die Democrazia Cristiana (DC), nunmehr führende bürgerliche Partei, erreichte etwa 50 Prozent, Kommunisten und Sozialisten 40 Prozent. Nach den Wahlen hatten 28 von 93 Provinzhauptstädten kommunistische Bürgermeister, darunter Großstädte wie Turin, Genua, Bologna und Florenz. Insgesamt gab es in 2 949 Städten und Gemeinden linke Bürgermeister. Um die angeschlagenen Machtpositionen des Kapitals wieder zu festigen, gingen die Rechtskräfte des Landes, darunter großbürgerliche Kreise, die am antifaschistischen Widerstand teilgenommen hatten, ein Bündnis mit den USA ein. Erstes Ergebnis war, daß der Begründer der Aktionspartei, Ferruccio Parri, einer der angesehensten Führer der

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Resistenza, im Dezember 1945 aus dem Amt des Ministerpräsidenten verdrängt wurde, das er gerade sechs Monate vorher übernommen hatte. An seine Stelle trat De Gasperi, der während der Zeit des Faschismus den christdemokratischen Widerstand angeführt hatte. Mit dem Referendum über die Staatsform errang die Resistenza am 12. Juni 1946 ihren letzten bedeutenden Sieg. Eine Mehrheit von 12 672 767 stimmte für die Republik und beseitigte damit die Monarchie, einen entscheidenden Träger der faschistischen Diktatur von 1922 bis 1943. Immerhin stimmten noch 10 688 905 Wähler für das Königshaus.

Bei der parallel zum Referendum stattfindenden Wahl der Verfassungsgebenden Versammlung erreichte die DC 35,2 Prozent und 207 der 556 Sitze und den ersten Platz. Die Sozialisten kamen auf 20,7 Prozent und 115 Mandate, die Kommunisten auf 18,9 Prozent und 104 Sitze. Die Arbeiterparteien verfügten also über keine Mehrheit in der Konstituante. 1,5 Prozent für die Aktionspartei verdeutlichten, daß diese radikal-demokratische Gruppierung des Kleinbürgertums und der Intelligenz, die in der Resistenza eine herausragende Rolle gespielt hatte, nach Kriegsende keine Wählerbasis fand. Nachdem sich im Januar 1947 die Sozialisten unter Saragat von der Sozialistischen Partei abgespalten hatten und im März die Truman-Doktrin verkündet worden war, schloß De Gasperi im Mai die Kommunisten und Sozialisten aus der Regierung aus. Für seine Politik erhielt er von den USA eine erste Kreditzusage über 150 Millionen Dollar sowie über 50 Schiffsladungen Getreide und Kohle. Diese Zusagen waren ausdrücklich an die Bedingung geknüpft worden, die Kommunisten und Sozialisten aus der Regierung auszuschließen. Im Juni 1947 stimmte das Kabinett De Gasperi dem Marshallplan zu. Im September 1949 spalteten die katholischen Gewerkschaftsführer den 1944 wiedergegründeten Allgemeinen Italienischen Gewerkschaftsbund (Confederazione Generale Italiana del Lavoro). Nachdem Italien 1949 an der Gründung der NATO teilgenommen hatte, unterzeichnete die Regierung De Gasperi im Januar 1950 den ersten Vertrag, der den USA Militärstützpunkte überließ. Der 1976 vom amerikanischen Senat herausgebene PIKE-Bericht verdeutlichte, mit welchen Methoden die USA nach Kriegsende ihre Ziele durchsetzten. Sie schalteten die Geheimdienste ein, finanzierten rechte und neofaschistische Kräfte, bestachen Parteien, Politiker, Gewerk-

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Schaftsführer und Massenmedien. In diesem Reigen mischte aktiv das State Department mit. Seine Botschafter führten sich, wie das Mailänder Nachrichtenmagazin Panoramo 1978 in seiner Nummer 614 nachwies, »wie Statthalter in Rom« auf. Einer von ihnen war James Dunn, der von 1945 bis 1952 »alle politischen, wirtschaftlichen und militärischen Druckmittel nutzte, um die USA-Ziele durchzusetzen«. Die amerikanische Diplomatie arbeitete eng mit der CIA zusammen, die seit Anfang der 50er Jahre jährlich 20 bis 30 Millionen Dollar für ihre Italien-Aktivitäten zahlte.

Die Restauration

Bereits im August 1945 entstand mit der Sammlungsbewegung Uomo Qualunque (Jedermann) eine faschistische Organisation, die sich zum Ziel setzte, die Diktatur wiederzuerrichten. Die rechten Kräfte vereitelten, aktiv unterstützt von der Besatzungsmacht, Reformen im Staatsapparat, so in der Verwaltung, der Justiz, dem Bildungswesen und in den bewaffneten Kräften. Die Militärregierung verhinderte, daß Einheiten der Partisanenarmee, die de facto eine bewaffnete Formation der Anti-Hitler-Koalition gewesen war, in die neuen Streitkräfte der Republik aufgenommen wurden. Die Furcht der USA vor antifaschistischen Einflüssen ging so weit, daß sie selbst die unter ihrem Kommando während des Krieges in Süd- und Mittelitalien aus Angehörigen der ehemaligen italienischen Armee aufgestellten Einheiten des Italienischen Befreiungskorps (Corpo Italiano di Liberazione) auflösten. Aus diesen Formationen durften nur hohe Offiziere aus der Zeit des Faschismus übernommen werden, die sich dem Restaurationskurs unterordneten. Andererseits wurden Militärs der Said-Republik im Dienst behalten.

Weitgehend unangetastet wechselte der faschistische Justizapparat in den Dienst der Republik über. Das hatte unter anderem zur Folge, daß von den aktiven Faschisten, die in der von den Befreiungskomitees eingeleiteten, aber unter der Regierung De Gasperi abgebrochenen Phase der Entfaschisierung vor Gericht gestellt worden waren, die meisten freikamen. Bereits im Juni wurde das Hohe Kommissariat zur Verfolgung von Regimeverbrechen aufgelöst und eine Revision der bereits ergangenen Urteile verfügt. In seiner Agenda nera - Trent' anni di neofascismo in Italia schrieb der Publizist Daniele Barberi, daß bis 1947 die Mehrzahl von 11 800 inhaftierten Faschisten wieder freigelassen wur-

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de. »Mit ihrer Ideologie eng verbundene Richter, vor allem Berufungsrichter, setzten besonders zwischen 1946 und 1947 den Großteil des faschistischen Stabes einschließlich der Faschisten der Salò-Republik wieder auf freien Fuß«, schrieb der Autor und resümierte, die Richter »ließen praktisch alle frei« (S. 88 f.). Der Kommandeur der X. Moto-scafo antisommergibile Squadra (Decima MAS), Valerio Borghese, der wegen 800fachen Mordes an Partisanen verurteilt worden war, kam nach 1947 im Rahmen einer Amnestie der »nationalen Versöhnung« wieder frei. Der Erlaß sah vor, Faschisten, die »wichtige öffentliche, politische oder militärische Führungsfunktionen innegehabt hatten, von der Amnestie auszuschließen«. Nach den Prozeßakten jener Jahre, schrieb der Verfolgte des Faschismus, der Jurist Alberto Malagugini, »hat jedoch kein Faschist je wichtige politische oder öffentliche Funktionen innegehabt, selbst die Minister der Sozialen Republik nicht«2. Völlig unangetastet blieb die ökonomische Macht des italienischen Industrie- und Finanzkapitals. Dank des Eingreifens der USA scheiterten alle Versuche, diese Basis der 20jährigen faschistischen Herrschaft einzuschränken, beispielsweise durch eine demokratische Finanzpolitik und eine Währungsreform, die es erlaubt hätten, eine soziale Umverteilung vorzunehmen.

Der Publizist Vittorio Foa faßte den Prozeß der Restauration wie folgt zusammen: »So wurden mit der ersten Regierung De Gasperi die von den CLN gewählten Präfekten und Polizeipräsidenten ausgeschaltet und die alten Karrierebeamten wieder eingesetzt, die Entfaschisierung liquidiert, die schlimmsten faschistischen Folterer begnadigt, beschlossen, daß die Verfassungsgebende Versammlung keine Gesetze verabschieden durfte, und so jedem demokratischen und Volkseinfluß der Weg versperrt.«3

Uomo Qualunque und andere faschistische Neugründungen

Seit dem Ende des Krieges und der Hinrichtung Mussolinis waren kaum mehr als drei Monate vergangen, als in Rom eine Bewegung entstand, die sich - obwohl sie sich zunächst noch nicht offen als faschistisch ausgab - praktisch das Ziel stellte, wieder eine faschistische Herrschaftsform zu errichten. Es war die am 8. August als »Organisation des einfachen Bürgers« gegründete Bewegung Jedermann (Uomo Qualunque). Um die Bewegung nicht offen mit der Mussolinivergan-

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genheit zu kompromittieren, traten die aktiven alten Faschisten in ihr zunächst nicht in Erscheinung.

Uomo Qualunque stellte sich als Anti-Partei und unpolitische Organisation vor, wendete sich gegen die »Parteienherrschaft« und »Parteienaristokratie«, rief zum Kampf gegen die Verwaltungsbürokratie sowie gegen das bürgerlich-parlamentarische System und seine Institutionen, denen es Unfähigkeit und Korruption vorwarf, auf und trat für die Monarchie ein. Während es demagogisch erklärte, gegen »links und rechts« zu sein, bekämpfte es offen die linken Parteien, diffamierte Antifaschisten als »Vaterlandsverräter« und schürte einen aggressiven Revanchismus und Antikommunismus.

Nachdem sich zeigte, daß Uomo Qualunque ungehindert agieren konnte, wagten sich zahlreiche alte Mussolinifaschisten, die sich unmittelbar nach Kriegsende aus Angst vor einer Bestrafung zunächst ruhig verhalten hatten, wieder an die Öffentlichkeit. Inspiriert von Jedermann organisierten die faschistischen Parteigänger sich 1945/46 in zahlreichen meist regionalen und halblegalen, großenteils paramilitärisch aufgebauten faschistischen Gruppen. Sie nannten sich Sturmabteilungen Mussolinis, revolutionäre Aktionsbünde, Antikommunistische Monarchistische Abteilungen, Antikommunistische Geheimarmee, Einheitsbund, Antibolschewistische Front, Nationale Arbeiterpartei, Sozialistische Republikanische Partei, Nationale Einheitspartei, Italienische Befreiungsarmee und führten ähnliche Bezeichnungen. Die Zersplitterung in eine Vielzahl zumeist regional agierender faschistischer Gruppen war eine zwangsläufige Folge der Nachkriegssituation mit ihren gestörten Kommunikationsmöglichkeiten. Das spiegelte jedoch auch eine bestimmte und bewußt durchgeführte Dezentralisierung in Teilorganisationen - Ausdruck eines alten faschistischen Organisationsprinzips - wider, mittels derer die faschistische Propaganda weit gefächert weiterhin möglichst große Bevölkerungsschichten unterschiedlich ansprechen und beeinflussen wollte. Bereits Uomo Qualunque fungierte dabei - was danach auch für die Sozialbewegung typisch wurde - als Führungszentrale der verschiedenen faschistischen Gruppierungen. Mario Giovanna zitiert, was der Altfaschist Mario Tedeschi, der spätere Chefredakteur der neofaschistischen Wochenschrift Il Borghese zur Rolle von Uomo Qualunque schrieb: »Wir waren in eine Reihe von Gruppen versprengt, die theoretisch im Namen der alten Gefühlsbindungen mobilisiert wurden und die alle den Geset-

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zen des unvergleichlichen Durcheinanders gehorchten.« (S. 24) Während Uomo Qualunque und die meisten neofaschistischen Organisationen zunächst das offene Bekenntnis zum Mussoliniregime und zur Salò-Republik vermieden, gab es bereits Gruppen, die offen Kontinuität demonstrierten. Das waren vor allem die Sturmabteilungen Mussolinis (Squadre d'Azione Mussolini, SAM) und die Revolutionären Aktionsbünde (Fasci d'Azione Rivoluzionaria, FAR). Beide Gruppen existierten auch weiter, nachdem die Sozialbewegung gegründet worden war, während die anderen im Dezember 1946 in der neuen faschistischen Partei aufgingen.

Vor allem die FAR faßten unmittelbar nach dem Sturz der Mussoliniherrschaft den »harten Kern« der alten Faschisten zusammen. Sie wurden von dem ehemaligen Staatssekretär des »Duce«, Giorgio Almirante, gegründet, einem führenden Mussolini-Ideologen, unter anderem Mitherausgeber der faschistischen Tageszeitung Tevere und des Rassenhetzerblattes Difesa della Razza. Almirante hatte noch kurz vor Kriegsende einen Genickschußerlaß gegen Partisanen unterzeichnet. Mit den FAR schuf sich Almirante auch eine persönliche Kampfgruppe, die er einsetzte, um seine in der Partei oft umstrittene Position zu sichern. Aus den FAR gingen zahlreiche führende Vertreter des italienischen Nachkriegsfaschismus hervor, darunter der spätere stellvertretende MSI-Führer und Gründer der berüchtigten Terrororganisation Neue Ordnung (Ordine Nuovo), Pino Rauti. Den FAR schloß sich schon 1945 auch Mussolinis Ideologe Julius Evola an. Neben der Verbreitung der faschistischen Propaganda demonstrierte der Faschismus sofort nach Kriegsende durch Terror und spektakuläre Aktionen seine Kontinuität und schüchterte so große Teile der Bevölkerung ein, setzte progressive bürgerliche Persönlichkeiten unter Druck und lieferte der Democrazia Cristiana den Vorwand, den antifaschistischen Demokratisierungsprozeß abzubrechen oder zumindest zu bremsen. In Propaganda und Aktion wurden der »Duce« verherrlicht, das faschistische Regime glorifiziert, Feiern zur Wiedergeburt der Salò-Republik veranstaltet, in Städten und Dörfern Hakenkreuze und Rutenbündel an Mauern und Häuserwände gemalt, Antifaschisten überfallen und mißhandelt sowie Widerstandsdenkmäler geschändet. Wenn auch noch nicht durchgehend offen sichtbar, zeigte sich im Agieren der qualunquistischen Schlägerbanden ein Wesensmerkmal des Mussolinifaschismus, der Squadrismus. Besonderes Aufsehen er-

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regten die Entführung des Leichnams Mussolinis vom Mailänder Friedhof am 23. April 1946, vor dem ersten Jahrestag seiner Hinrichtung, und der Überfall auf den römischen Rundfunksender Monte Mario, wobei die faschistische Hymne »Giovinezza« ausgestrahlt wurde. Bereits unter Uomo Qualunque bewies der Nachkriegsfaschismus, daß er auch nach dem Verlust seiner Funktion als staatsbeherrschende Partei eine ernstzunehmende politische Kraft blieb, die fähig war, beträchtliche Bevölkerungsschichten und dadurch die Nachkriegsentwicklung zu beeinflussen. Zum ersten Mal zeigte sich das bei den Wahlen zur Costituente. Obwohl die Jedermann-Bewegung ihren faschistischen Charakter kaum noch verhüllte, konnte sie ungehindert kandidieren, 5,3 Prozent Wählerstimmen erreichen und mit 30 Abgeordneten in die Verfassungsgebende Versammlung einziehen. Mit Uomo Qualunque und anderen Organisationen testeten die alten faschistischen Führer den Zeitpunkt der Neugründung ihrer Partei. Der Altfaschist Pino Romualdi, ein unehelicher Sohn Mussolinis, beschrieb die Rolle von Jedermann bei der Vorbereitung der Wiedergründung der faschistischen Partei 1972 zum 25. Jahrestag des MSI in der Nummer 2 des Italiano so: »Uomo Qualunque, dessen Aktionen zum größten Teil von unseren Leuten unterstützt wurden, und oft auch unter ihrer direkten Teilnahme und Anleitung stattfanden, deckte einmal die Vorbereitung unserer wirklichen Partei, in die die Kräfte von Uomo Qualunque dann eingingen, und erprobte zum anderen, wie die Italiener auf eine hämmernde und intelligente Propaganda reagierten, die bereits damals die kleinmütigen Bestrebungen, das niedrige moralische und politische Niveau der Parteien, ihrer Führer und der anderen wichtigen Männer der kurzatmigen, alten und falschen italienischen Demokratie entlarvten.«

Movimento Sociale Italiano -Die neue faschistische Partei

Zur offiziellen Wiedergründung der faschistischen Partei versammelten sich am 26. Dezember 1946 in Rom im Büro des ehemaligen Leiters der PNF-Zentrale der Hauptstadt, Arturo Michelini, führende Altfaschisten mit Giorgio Almirante, Pino Romualdi und Giorgio Pini an der Spitze. Letzterer war in der Zeit des Faschismus Chefredakteur des Corriere della Sera und Presseberater des »Duce« gewesen. Er wurde später erster Präsident des Nationalverbandes der RSI-Kämpfer.

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Als Name der neuen Partei wählten die Gründer Movimento Sociale Italiano (MSI). Er sollte eine Beziehung zur Repubblica Sociale Italiano und sein Anagramm die Zusammenziehung von Mussolinis Namen verkörpern. Als Parteisymbol erkor der MSI einen schwarzen Sarg, über dem eine Flamme in den Farben der italienischen Trikolore emporstieg. Das stellte, wie die MSI-Schrift La Rivolta ideale in ihrer nächsten Ausgabe schrieb, dar, daß »Mussolinis Seele aus dem Sarg emporsteigt, um seine Nachfolger zu ermutigen«. Nach der Abkürzung ihres Parteinamens wurden die MSI-Mitglieder Missini genannt. Die MSI-Gründer erklärten das PNF-Programm von 1919 und die als »Manifest von Verona« bekanntgewordene Proklamation Mussolinis bei der Aus-rufung der RSI zu ihren Grundlagen. Das Parteistatut verpflichtete die Mitglieder, »die soziale Idee in der ununterbrochenen historischen Kontinuität fortzuführen«, was ein weiteres Bekenntnis zum Mussolinifaschismus belegte. In einem 10-Punkte-Programm forderte der MSI die »territoriale Einheit« Italiens, was Hetze gegen die Nachkriegsgrenzen bedeutete, und die Aufhebung der »außerordentlichen Gesetze«, womit die Dekrete zur Säuberung des Staatsapparates von faschistischen Elementen gemeint waren. Demagogische Forderungen wie die nach dem »Recht des Bürgers auf Arbeit« und der »aktiven Beteiligung der Arbeiter an der Führung der Betriebe« waren nahezu wörtlich aus dem ideologischen Arsenal der Mussolinipartei entnommen. Neben Losungen über die »Aufrechterhaltung der Autorität des Staates« standen solche zum »Schutz des Privateigentums durch den Staat«, aber auch nach »kostenloser Bildung«. Zum Nationalsekretär wählte der MSI Giorgio Almirante und zu seinem Präsidenten den Kriegsverbrecher und Mussolini-Kommandeur Valeri Borghese. Der MSI entstand so, wie Pino Rauti später einschätzte, dank derer, »die weiter glaubten ... und unbeugsame Rache« forderten.4

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Movimento Sociale Italiano -Aktions- und Parlamentspartei

Die soziale Basis des Neofaschismus

Dem MSI traten, schon unmittelbar nach seiner Gründung, Zehntausende alte Faschisten bei, die den Grundstein für eine, wenn im Vergleich mit dem Mussolinifaschismus auch stark eingeschränkte, doch immer noch beträchtliche Massenbasis legten. Bereits 1947 begann die Partei, eine landesweite Struktur aufzubauen. Nach erprobten faschistischen Organisationsprinzipien schuf sie Teilorganisationen, so die Gewerkschaft CISNAL (eine Million Mitglieder), den Jugendverband Fronte della Gioventù (120 000), den Studentenverband FUAN (20 000). Innerhalb des MSI, teilweise aber auch außerhalb seiner Struktur, entstanden weitere 30 größere Organisationen von zentraler oder überregionaler Bedeutung sowie ca. 200 Organisationen, Terrorbanden und Splittergruppen auf örtlicher Ebene. Besonders trugen die verschiedenen mit dem MSI eng liierten Traditionsverbände der früheren RSI-Streitkräfte, Reservistenvereinigungen und andere militaristische Organisationen dazu bei, seine soziale Basis und seinen politischen Einfluß auszudehnen. Insgesamt verfügte der MSI aufgrund seiner Organisationsstruktur, seiner straffen Disziplin und des Befehlssystems schon bald über einen gut organisierten und für Straßenaktionen jederzeit einsetzbaren Apparat.

Die neofaschistische Partei sammelte vor allem jene, die dem vergangenen Regime am meisten verhaftet blieben und einer parlamentarisch-demokratischen Entwicklung offen feindlich gegenüberstanden. Ihre soziale Basis bildeten vor allem Angehörige der Mittelschichten in Stadt und Land, Angestellte aller Ebenen, kleine und mittlere Unternehmer, Intellektuelle sowie ehemalige und aktive Offiziere der bewaffneten Kräfte. Relativ stark entstand eine offene neofaschistische Basis an den Universitäten und Ober- und Mittelschulen sowohl unter Studenten und Schülern als auch dem Lehrpersonal. Viele Anhänger fand der MSI auch unter den aus den ehemaligen italienischen Gebieten und den Kolonien zurückkehrenden Italienern, da er sich zum Wortführer ihrer nationalistischen und revanchistischen Forderungen machte.

Bereits in den 60er Jahren zählte der MSI rund 300 000 Mitglieder und verfügte über 4 335 Sektionen (Basisorganisationen). Nach dem Zu-

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sammenschluß mit der Monarchistischen Partei (Partito Monarchico) 1972 stieg die Mitgliederzahl auf 400 000 an. Der sozialen Herkunft nach waren 35 Prozent der Mitglieder Angestellte staatlicher, halbstaatlicher oder örtlicher Institutionen, 27,7 Prozent Handwerker und Gewerbetreibende, 10 Prozent Bauern und ebensoviele proletarischer Herkunft, darunter besonders Arbeitslose. Vom Rest wurde angenommen, daß es sich um Unternehmer, Geschäftsleute, Freiberufliche, Angehörige der Intelligenz, Studenten und Schüler handelte. Ein beträchtlicher Teil der neofaschistischen Anhänger kommt aus dem sozialökonomisch um Jahrhunderte zurückgebliebenen Süden des Landes, dem Mezzogiorno, wo auf rund 40 Prozent des italienischen Territoriums etwa 19 Millionen Menschen, ein Drittel der Einwohner des Landes, leben. In diesem Landesteil gibt es keine entwickelte Industrie, überwiegt eine bäuerlich-mittelständische Struktur, beherrschen noch heute mittelalterliche Zurückgebliebenheit das Leben und Denken eines großen Teils der Bevölkerung. Die EG-Politik des »Gesundschrumpfens« der Agrarstrukturen ruinierte große Teile der Landwirtschaft und raubte Millionen Bauern ihre Existenz. Mitte der 70er Jahre hatten dort von 100 Erwerbsfähigen nur 29 eine Beschäftigung, was nicht hieß, daß es sich um eine vertraglich gesicherte Arbeit handelte. Das Pro-Kopf-Einkommen beträgt noch heute kaum die Hälfte dessen, was ein Arbeiter im industrialisierten Norden verdient. Millionen Süditaliener leben in Slums. Die meisten der über 2,5 Millionen Analphabeten und der 15 Millionen, die keinen Schulabschluß haben, kommen ebenfalls aus dem Süden. Nicht ohne Erfolg nutzte die neofaschistische Propaganda von Anfang an vor allem im Mezzogiorno die Hoffnungslosigkeit und die Verzweiflung der Menschen für ihre Ziele und gab sich als Vorkämpfer für den sozialen Fortschritt und ein besseres Leben aus. In diesem Armenhaus gelang es dem MSI, zum »Asyl« für politisch Obdachlose, sozial Entwurzelte, Existenzlose und Enttäuschte zu werden und Teile dieser Schichten geschickt für seinen Terror gegen die Arbeiterbewegung und für den Abbau demokratischer Rechte zu nutzen. Nach 1945 entspannten sich auch die Beziehungen der Neofaschisten zur Mafia, die durch Mussolinis zeitweilige Kampagne zur »Beseitigung ihrer Macht« belastet gewesen waren. In den folgenden Jahrzehnten kam es zu einer - wenn auch oft nur partiellen - Zusammenarbeit zwischen der neofaschistischen Bewegung und der Mafia. Nach Gründung der

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Geheimloge P2 entstand ein enges Geflecht zwischen dieser, den Neofaschisten, dem Vatikan und der Mafia.

Programm und Ideologie

In Politik und Ideologie berief sich die Sozialbewegung auf das in der Salò-Republik von der faschistischen Partei, die sich in Faschistische Republikanische Partei (Partito Fascista Repubblicano) umbenannt hatte, im November 1943 auf ihrem Kongreß in Verona verkündete Programm. Darin knüpfte der Mussolinifaschismus an den Ansätzen des »linken Faschismus« von 1919 an und versuchte, besonders die soziale Demagogie zu beleben, so durch die »Kampfansage ... an die Plutokratien der Welt«, die Verkündung der Abschaffung des Kapitalismus und die »Sozialisierung« der Betriebe. Es hieß, die »Italienische Sozialrepublik werde ... ein Produzentenstaat« sein, in dem die Arbeit »das Hauptprinzip der Wirtschaft und die Basis des Staates« ist. Die Wirtschaft sollte durch einen »Zentralausschuß für Sozialisierungsfragen« und »ein korporatives Wirtschaftsministerium« geleitet werden. Privateigentum und Privatinitiative bezeichnete das Programm als »Frucht des Sparens«.5

Dieses Programm, das die barbarische faschistische Diktatur in ihrer Endphase verschleiern sollte, bezeichnete die Sozialbewegung als die »Originalität« und »Reinheit« des Faschismus, das nur durch den »ungünstigen Kriegsausgang« nicht habe verwirklicht werden können. Von diesem Bekenntnis zum Mussolinifaschismus in seiner unmenschlichsten Erscheinungsform, der unter der Okkupation der Wehrmacht und dem erbarmungslosen Terror eines Kriegsverbrechers wie des SS-Kommandanten von Rom, Obersturmbannführer Kappler, proklamierten Salò-Republik, ging der MSI bei seiner Gründung aus und hat sich nie davon distanziert. Auf seinem 11. Parteitag im Januar 1976 in Rom erneuerte er dieses Bekenntnis, feierte die Salò-Republik als »unser Italien« und verherrlichte die Verbrechen der Faschisten als »Heldentaten«. Auf Kritik, der MSI entferne sich vom »Erbe des Duce« und solle zur »faschistischen Tradition« zurückkehren, entgegnete Almirante, daß »der MSI nicht zu seiner Herkunft zurückkehren muß, weil er sich nie von ihr losgesagt, ihre Ideale nie verleugnet hat, in deren Namen er vor 30 Jahren gegründet wurde«. Das Bekenntnis wurde von den über 2 000 teilnehmenden Neofaschisten stehend mit »Heil Duce«-Rufen und dem zum »römischen Gruß« erhobenen rechten Arm gefeiert.6

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In einer Wahlkampfrede führte der MSI-Führer im Mai 1976 aus: »Es ist unmöglich, weiter den Weg des Klassenkampfes, des Klassenhasses, der permanenten Konflikte zu gehen. ... Wir verlangen in Übereinstimmung mit unserem Programm, mit den besten Traditionen unserer Männer eine Politik der sozialen Teilnahme.« Die MSI-Forderungen nach Beseitigung der Gewerkschaften als Organisationen der Interessenvertretung der Arbeiter, nach Liquidierung des Streikrechts und der Annullierung der Tarifverträge umschrieb Almirante mit dem Verlangen nach »einer Reihe von Gesetzen, die die Rolle der Gewerkschaften regeln, die Arbeitsverträge gesetzlich als gültig erklären und die Arbeiter zur Teilnahme an der Verteilung der Profite und der Kontrolle der Betriebe aufrufen«. Die Arbeit müsse, schrieb das MSI-Blatt Secolo d' Italia am 27. Mai 1976, »Ausdruck eines kollektiven, sozialen und nationalen Willens« sein. Almirante stellte dazu klar, daß »es unmöglich ist, daran zu denken, die Probleme der sozialen Befriedung mit den Kommunisten, den Sozialisten oder anderen Linken zu lösen«. Man könne sie »nur rechts«, oder wenn man es anders nennen wolle, nur »antikommunistisch lösen«, zitierte die Zeitung den MSI-Chef. Was Almirante meinte, zeigte sich zum Beispiel, wenn der MSI die faschistischen Diktaturen Salazars in Portugal und Francos in Spanien verherrlichte, auch dann noch, als diese schon lange gestürzt waren, oder wenn er die Gewaltherrschaft in südamerikanischen Staaten lobte und das rassistische Regime in Südafrika pries. Das 1967 durch einen Militärputsch an die Macht gekommene Obristenregime in Griechenland feierten die italienischen Neofaschisten als »Vorbild für Italien«. Nach dem Militärputsch in Chile im September 1973 reiste bereits im November eine MSI-Delegation nach Santiago, um Juntachef Pinochet »im Namen der Italiener eine Botschaft der Solidarität und des Verständnisses« zu überbringen. Auf dem 11. MSI-Parteitag propagierte Almirante eine »chilenische Lösung« für Italien. Sein Stellvertreter Rauti nannte das »Modell Pinochet« das »Vorbild für Italien« und rief zur entsprechenden »Erhebung gegen das Regime« im eigenen Land auf, um »Ordnung und Disziplin« herzustellen.

Evolas »Söhne der Sonne« und Plebes »Philosophie der Reaktion«

Als einen ihrer führenden Ideologen erkor der MSI Julius Evola, der unter dem Mussoliniregime vor allem durch seine rassisti-

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schen Schriften bekannt geworden war. Als Anhänger des in der Weimarer Republik berüchtigten Deutschen Herrenklubs und nach 1933 von Himmlers Freundeskreis schrieb er unter dem Einfluß von Nietzsche, der deutschen Mystik, dem SS-Totenkult und anderem reaktionärem deutschen Gedankengut sein Hauptwerk Die Söhne der Sonne, in dem er die Überlegenheit der arischen Rasse, Führerkult, soldatische Disziplin und den Ordensstaat verherrlichte. Angelo Del Boca und Mario Ciovanna haben in ihrem Buch I Figli del Sole Evola analysiert. Sie schreiben, Evolas »Söhne der Sonne« seien Herrenmenschen, die gegenüber »jeglicher Schwäche unerschütterlich« seien, für die »nichts wahr und alles erlaubt ist«. Außer den »Herren« würden nur Sklaven existieren. Die Masse bestehe nur aus Dienern, aus »Leuten, die überhaupt keine Rechte haben«, auch nicht das auf Leben, und über deren Vernichtung »man keine Träne zu vergießen braucht«. (S. 130 ff.)

In seinem 1954 erschienen Buch Der Faschismus - Versuch einer kritischen Analyse von rechts versuchte Evola, den Faschismus auf historischer Ebene zu rehabilitieren und erklärte, Mussolini sei gescheitert, weil er die faschistischen Ideen nicht konsequent verwirklicht und vor allem das Prinzip des diktatorischen Staatsaufbaus nicht voll durchgesetzt habe. Ein weiterer grundlegender Fehler des »Duce« sei gewesen, daß er »auf die Volksmassen setzte«, während eine Elite der »faschistischen Aristokratie« eine »Stütze des Regimes« hätte sein müssen.7

Ein anderer Ideologe des italienischen Neofaschismus ist Armando Plebe, der von sich behauptete, einmal Marxist gewesen zu sein. Wie Evola verbreitete auch er die Nietzscheanischen und nazistischen Thesen von der »starken Persönlichkeit«, der »intellektuellen Elite«, der »ewigen Ungleichheit« und der »Freiheit des Individuums«. Die Zeitschrift Espresso beschäftigte sich 1972 in ihrer Ausgabe vom 30. Januar anläßlich des 25. Jahrestages des MSI mit der Bedeutung Plebes in der Ideologie der neofaschistischen Partei und zitierte aus seiner Herrenrassentheorie: »Es gibt keine größere Dummheit als die Gleichheit.« Plebe ergänzte: »Ich hasse die Demokratie« und forderte, »das Land müssen die Besten, die Auserwählten regieren«. Folgerichtig trat er gegen das allgemeine und gleiche Wahlrecht auf, um eine proportionale Stimmabgabe auf der Grundlage von »Prestige, Geld und produktiver Tätigkeit« zu verlangen. In seinem 1971 erschienenen Buch

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La filosofia della reazione negierte er den sozialen Fortschritt und den des menschlichen Wissens und wendete sich gegen jede soziale Umgestaltung der Gesellschaft. Von der »ungeheuerlichen Idee des historischen Fortschritts« müsse der Mensch befreit werden, schrieb er. Zu seinem zusammengekitteten »Geschichtsbild« gehörte auch die Theorie, daß die Geschichte »eine Verzerrung des menschlichen Verstandes ist« (S. 13 ff.)

Ideologen wie Evola und Plebe lieferten den Neofaschisten das Rüstzeug für ihre Propaganda, aus der folgende Komponenten hervortreten: Extremer Antikommunismus; eine autoritäre Staatstheorie; Rassismus und Herrenmenschentum, bei dem das Führerprinzip, Gehorsam, Elitedenken und Menschenverachtung hervorgehoben werden; hemmungsloser Terror zur Unterdrückung und physischen Vernichtung des politischen Gegners sowie zur Einschüchterung der Menschen; nationale und soziale Demagogie; Korporativismus und Wirtschaftsautarkie.

Hervorzuheben ist, daß der Antikommunismus als immanenter Bestandteil rechter Ideologie nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Neofaschismus am extremsten und schärfsten artikuliert wurde. Er richtet sich nicht nur gegen die Kommunisten innerhalb und außerhalb des Landes, sondern ebenso gegen Sozialisten und Sozialdemokraten, gegen alle Vertreter des gesellschaftlichen Fortschritts, die als »socialcomunisti« diffamiert wurden. Gewerkschafter beschimpfte der MSI als »Untermenschen«, »Kriminelle«, »Homosexuelle« und »Volksschädlinge«.

Nach 1947 traten die Neofaschisten mit allen propagandistischen und terroristischen Mitteln gegen den »Verzichtsfrieden« auf und verlangten die Rückgabe der Kolonien an Italien, wobei sie argumentierten, der »Verlust der Kolonien« sei die Ursache der Nachkriegsarbeitslosigkeit. Am 9. Januar 1972 bezeichnete das Secolo d'ltalia in einer Betrachtung zur Rolle des MSI in der Nachkriegsgeschichte den Friedensvertrag als ein »Schanddiktat« und erklärte, daß »die Seelen der Gefallenen erst dann Ruhe finden können, wenn die italienische Flagge wieder über Fiume, Pola und Zara (den jugoslawischen Städten Rijeka, Pula und Zadar) wehen wird«. Als 1976 der italienisch-jugoslawische Grenzvertrag (Vertrag von Ossimo), der die Nachkriegsgrenzen zwischen beiden Staaten endgültig festlegte, unterzeichnet wurde, entfachten die Neofaschisten gegen ihn eine zügellose Hetze.

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Im Vokabular dieses Revanchismus wurden die Völker des Ostens als »slawische Bestien«, Juden als »Vampire«, Farbige als »minderwertig« diffamiert. Die MSI-Propaganda belebte Lebensraumthesen wie »das Mittelmeer ist der mediterrane Lebensraum Italiens« und die Forderung nach der Wiederherstellung eines »Großitaliens«. So schrieb das Secolo d'ltalia am 24. März 1973: »Wir sind die Italiener des siegreichen Angriffs und des Krieges, die Italiener der Revanche des Vaterlandes nach dem verstümmelten Sieg, wir sind die Italiener aus Afrika, der Charta der Arbeit und der Stände.«

Von einer antiamerikanischen und antiatlantischen Haltung, die mit der Propagierung eines »Europas der dritten Kraft« verbunden war, ging der MSI in der Zeit des Kalten Krieges sehr rasch dazu über, sich offen zur Weltmachtrolle der USA und der Funktion der NATO zu bekennen. Ein typisches Beispiel der außenpolitischen Demagogie war die Position, die der MSI einnahm, als Italien der NATO beitrat. Als Befürworter forderte er von der Regierung, den Beitritt von der Revision des Friedensvertrages, vor allem über die jugoslawisch gewordenen Gebiete und die Kolonien, abhängig zu machen. Ferner sollten die Rüstungsbeschränkungen für Italien aufgehoben werden. Die neofaschistische Propaganda verfügte - nicht zuletzt, weil einflußreiche Kreise der Wirtschaft den MSI unterstützten - über ein weitverzweigtes Publikationsnetz. In den 80er Jahren gab es außer der MSI-Tageszeitung Il Secolo d'ltalia (50 000 Exemplare), den Wochenzeitungen Candido (35 000) und Borghese (65 000) weitere etwa 100 Tageszeitungen und Zeitschriften auf regionaler Ebene, deren Auflagen nicht genau bekannt waren, die aber sicher hunderttausende Exemplare erreicht haben dürften. Von zentraler Bedeutung waren ferner die MSI-Zeitungen und Zeitschriften La Piazza d'ltalia, ein großformatiges MSI-Kampfblatt, Il Cavour und L'ltaliano, zwei Intellektuellenzeitschriften, eine Studentenzeitung und die Agenzia d'lnformazione, das Bulletin der MSI-Parlamentsfraktion. Innerhalb und außerhalb des MSI gaben etwa 200 neofaschistische Gruppen auf lokaler Ebene fast alle ein Blättchen, wenn auch in geringerer Auflage, heraus. Den Führern und Propagandisten des MSI standen aber auch der staatliche und private Rundfunk und das Fernsehen zur Verfügung, die ohne kritischen Abstand über die MSI-Aktivitäten berichteten und ihre Hetzpropaganda verbreiteten. Ungeniert konnten die MSI-Politiker in diesen Massenmedien Interviews und Erklärungen abgeben, an Rund-

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tischgesprächen teilnehmen und sich in diversen Talk-Shows produzieren. Denselben Platz gewährten ihnen großbürgerliche Rechtsblätter wie Il Giornale, Il Tempo oder La Nazione. Nachrichtenagenturen, darunter auch die regierungsoffizielle ANSA, verbreiteten die Reden und Erklärungen der neofaschistischen Führer. Hinzu kamen über Kioske und Buchhandlungen vertriebene neofaschistische Broschüren, Memoiren von Mussolinifaschisten, Kriegsteilnehmern und SS-Verbrechern, darunter zahlreiche Übersetzungen aus der BRD. Schließlich konnte der MSI, wenn auch hier in etwas verhüllter Form, die Parlamentstribüne für seine neofaschistische Propaganda nutzen. Nicht selten kam es in den Sitzungen des Senats und der Abgeordnetenkammer zu schweren Provokationen und Ausschreitungen der MSI-Parlamentarier.

MSI - Destra Nazionale

Ausgehend von seinem verfassungsmäßigen Status strebte der MSI bei einer gewissen taktischen Distanzierung zum alten Faschismus - ohne seine grundsätzlichen neofaschistischen Ziele zu korrigieren - danach, sich zur »schlichten« Rechtspartei oder zum Rechtsblock zu erweitern, um seine Positionen im bürgerlichen Parteiensystem sowie im Parlament ausbauen zu können und vor allem für Regierungsbündnisse koalitionsfähig zu werden. Im MSI bildeten sich dazu zwei wesentliche Strömungen heraus, eine sogenannte legalistische Mehrheits- und eine subversive Minderheitsgruppierung. Almirante pflegte zwar später gern das Image des Nadelstreifenpolitikers, gehörte aber in den Nachkriegsjahren wie auch später immer zum harten Kern der Altfaschisten. Er billigte den parlamentarischen Weg, setzte aber in der Tradition Mussolinis auch auf den Untergrundkampf der Bewegung. In der praktischen Politik versuchte er, zwischen beiden Strömungen zu vermitteln. Als ihm das nicht gelang, wurde er 1950 als Nationalsekretär von dem früheren Mussolini-Minister De Marsanich abgelöst, dem von 1954 bis 1969 Michelini folgte. Beide setzten vor allem auf die legalistische Linie. Als Almirante 1969 wieder an die Spitze des MSI trat, prägte bereits die Spannungsstrategie den Kurs der Partei.

Interessant ist, was Concetto Pettinatto während der Amtszeit De Marsanichs vorbrachte. Der Altfaschist, der in der RSI die zum Fiatkonzern gehörende einflußreiche Tageszeitung La Stampa leitete und den

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Mussolini als den »wichtigsten journalistischen Kopf« von Salò bezeichnete, umschrieb das Konzept der Legalisten in der MSI-nahen Zeitung Il Meridiano 1952 wie folgt: »Es geht darum, daß aus dem MSI eine mehr oder weniger klerikal-atlantisch gemäßigte Partei wird, die die Regierungspolitik nicht stört, sondern ihr als Instrument zur Verfügung steht, das die alte und die neue Führungsklasse, die Klerikalen von heute und die Faschisten von gestern zusammenschweißt.«8 Die Ideen Pettinattos wurden durch die subversive Gruppierung, hinter der Rauti und - mit Abstrichen - auch Almirante standen, torpediert, aber von den Legalisten immer wieder ins Spiel gebracht und zeitigten teilweise gewisse Erfolge.

Im Dezember 1963 veränderte sich auf der politischen Bühne das Kräfteverhältnis. Nachdem die DC bei den Parlementswahlen nur noch 38,5 Prozent erreicht hatte, nahm ihr linker Flügelmann Aldo Moro erstmals seit 1947 wieder den PSI, der nach den Ereignissen 1956 in Ungarn die Zusammenarbeit mit dem PCI (Aktionseinheitsabkommen) aufgekündigt hatte, in die Regierung auf. Moro leitete damit die lange Etappe der »Linke Mitte« (Centro Sinistra) genannten Regierungen ein, denen die Republikaner (Partito Repubblicano) und die Sozialdemokraten angehörten. Zwischen den aus der Regierung ausgeschiedenen Liberalen, die Moros Centro Sinistra vehement bekämpften, und dem MSI kam es in den folgenden Jahren zu einer Annäherung, die der MSI in eine große Rechtspartei oder zumindest eine rechte Allianz überleiten wollte. Hinter den Plänen standen einflußreiche rechte Kreise des Industriellenverbandes (Confindustria), der für das Projekt auch beträchtliche finanzielle Mittel locker machte. Ziel war, der DC einen rechten Bündnispartner zu beschaffen und das Mitte-Links-Kabinett zu stürzen. Die Legalisten hofften, sich in einer Rechtspartei außerdem vom Odium des Faschismus befreien zu können, ohne sich von seinen historischen Wurzeln zu lösen. Das Projekt scheiterte, weil die Liberalen darauf bestanden, die führende Rolle in diesem Bündnis, besonders gegenüber den Kreisen der Wirtschaft, zu übernehmen, was die Neofaschisten ablehnten.

Nach dem Amtsantritt Almirantes versuchte der MSI bis Anfang der 70er Jahre, Anhänger am Rande des rechten Spektrums unter der Losung »schweigende Mehrheit« (Maggioranza silenciosa) um sich zu sammeln. Um ihrer Funktion als Führer der schweigenden Mehrheit Ausdruck zu verleihen, interpretierte der MSI die Abkürzung seines

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Parteinamens als Maggioranza silenciosa Italiana. Nennenswerte Erfolge stellten sich aber nicht ein.

Einen nicht zu unterschätzenden Erfolg verbuchte der MSI 1972 durch den Zusammenschluß mit der Monarchistischen Partei. Großen Anteil daran hatten Almirante, der in Adelskreisen als »Faschist mit guten Manieren« galt, und der frühere Offizier der Königlichen Armee, Fürst Valerio Borghese, der zu dieser Zeit dem MSI offiziell nicht angehörte. Das Ansehen Borgheses in Monarchistenkreisen war besonders gestiegen, seit er 1970 in Zusammenarbeit mit Armee- und Geheimdienstkreisen einen Putsch gegen die Republik hatte auslösen wollen. Auf den Anschluß der Monarchisten an die Sozialbewegung hatten schließlich zahlreiche adlige Großagrarier des Südens gedrängt. Der Zusammenschluß führte dem MSI, der zu diesem Zeitpunkt 300 000 Mitglieder zählte, rund 100000 Mitglieder vor allem aus mittel- und großbürgerlichen Schichten, dem Großgrundbesitz sowie ehemaligen als auch aktiven Armeekreisen zu. Als Ergebnis dieser Vereinigung konnte die Sozialbewegung bei den Parlamentswahlen 1972 mit fast drei Millionen Wählerstimmen - das waren 8,7 Prozent - viertstärkste Partei werden und 56 Sitze in der Abgeordnetenkammer belegen. Seit der Vereinigung führte der MSI den Zusatz Destra Nazionale (Nationale Rechte) im Parteinamen.

Der MSI erreichte durch den Zusammenschluß jedoch nicht nur ein Bündnis mit konservativen Parlamentariern alten Schlages, sondern auch mit einer unvergleichlich wichtigeren Gruppierung, nämlich dem ultrarechten Militärklüngel, der führende Positionen in der Armee, der Polizei und den Geheimdiensten innehatte. Gleichzeitig stärkte die Partei ihre Verbindungen zur NATO. Personeller Ausdruck dessen war unter anderem, daß der ehemalige Oberbefehlshaber der NATO-Seestreitkräfte Europa Süd, Admiral Birindelli, einer der stellvertretenden Parteiführer des MSI wurde.

1975 versuchte der MSI erneut, in einer rechten Sammlungsbewegung (Costituente di Destra) Abweichler von den Christdemokraten über die Liberalen und die Republikaner bis zu den Sozialdemokraten zusammenzufassen und mit ihnen eine erweiterte Rechtspartei zu formieren. Der MSI spekulierte in dieser kritischen Situation - die Stimmen des PCI stiegen bei den Regionalwahlen 1975 auf fast 34 Prozent an -, der rechte DC-Flügel, der eng mit Armee- und Polizei- sowie Geheimdienstkreisen liiert war und die besondere Gunst der NATO genoß,

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würde sich mit ihm zur Abwehr der »kommunistischen Gefahr« verbinden.

Diese Bestrebungen erhielten neuen Auftrieb, als der PCI seinen Erfolg bei den Regionalwahlen ein Jahr später bei den Parlamentswahlen mit über 34 Prozent bestätigte und der linke DC-Flügel mit Moro an der Spitze darüber nachzudenken begann, die Kommunisten an der Regierung zu beteiligen. »Gemäßigte« Neofaschisten in der Sozialbewegung versuchten, ihre Partei in der Öffentlichkeit für eine Regierungskoalition salonfähig zu machen. Um dem MSI ein »sauberes« Image zu verschaffen, traten sie dafür ein, »auf Abstand« zum Mussolinifaschismus zu gehen, sich von den Terrorbanden zu distanzieren und forderten, Almirante solle als Parteiführer zurücktreten. Als die »Gemäßigten« mit ihren Forderungen im MSI nicht durchkamen, bildeten Ende Dezember 1976 26 der insgesamt 54 Abgeordneten und Senatoren mit dem Parteivorsitzenden und früheren Präsidenten der Monarchistischen Partei Alfredo Covelli an der Spitze die Gruppe Nationale Demokratie (Democrazia Nazionale - DN). Auf regionaler Ebene schlossen sich ihr 13 von 40 Regionalräten, 51 von 160 Provinzräten und 350 von 1 500 Kommunalräten des MSI an. Almirante lehnte die Ziele der »gemäßigten« Missini nicht grundsätzlich ab. Da sich in der Partei insgesamt für sie - vor allem angesichts des Widerstandes der Rauti-Fraktion - keine Mehrheit abzeichnete, blieb er bei seiner »Linie des Ausgleichs«. Nachdem die Covelli-Gruppierung der Aufforderung, sich dieser Linie unterzuordnen, nicht nachkam, schloß er sie kurzerhand aus der Partei aus. Danach erklärten sich die Dissidenten im Februar 1977 zur eigenen Partei und wählten das bisherige Mitglied der MSI-Führung Ernesto De Marzio zu ihrem Nationalsekretär. Als dann Anfang 1978 die linken Christdemokraten unter Aldo Moro mit dem PCI verhandelten, um mit diesem eine parlamentarische Regierungskoalition zu bilden, schlug DN-Vorsitzender Covelli den Rechten in der DC vor, eine antikommunistische Koalition aus Christdemokraten, Liberalen, Republikanern, Sozialdemokraten und Neofaschisten zu bilden. Trotz der distanzierten Haltung zu den Dissidenten der DN unterstützte Almirante den Vorschlag Covellis generell.

Obwohl sich die Rechten in der DC als auch regierungsoffizielle Kreise redlich mühten, die Nationalen Demokraten aufzuwerten, gelang es diesen nicht, in der neofaschistischen Bewegung eine nennenswerte

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Anhängerschaft zu finden. Almirante, Romualdi, vor allem aber der Chef der Terrorbanden und stellvertretende MSI-Führer Rauti hielten die Bewegung zusammen. Nahezu der gesamte Parteiapparat und die Teilorganisationen blieben beim MSI. 1979 war die Nationale Demokratie wieder von der Bildflache verschwunden. Zu denen, die Almirante und Rauti über die schwere Parteikrise hinweghalfen, gehörte damals der heutige Chef der Neofaschisten und AN-Führer Fini, der 1977 die Führung der Fronte della Gioventù übernahm. Die Parteijugend war eng mit den neofaschistischen Terrorstrukturen liiert, praktizierte selbst aktiv die Spannungsstrategie und bildete einen starken Rückhalt für Almirante. Als alter Taktierer zwischen der »harten« und »weichen« Linie des MSI war Almirante im Ergebnis dieser Auseinandersetzung mehr denn je ein Mann der subversiven Strömung, die längst eine den MSI beherrschende Mehrheit bildete. Der damals 25-jährige Fini stieg zum »Kronprinzen« Almirantes auf und trat zehn Jahre später das Erbe des »Duce« des MSI an.

MSI und Parlamentarismus

»Gegenüber dem politischen System nahm der MSI eine ambivalente Haltung ein«, heißt es in dem von Luigi Vittorio Graf Ferraris herausgegebenen Geschichtsband Italien auf dem Weg zur »Zweiten Republik«?: »Einerseits lehnte er die parlamentarische Demokratie aus weltanschaulichen Gründen grundsätzlich ab. Andererseits beteiligte er sich aber aus taktischen Überlegungen an der Parteienkonkurrenz, um innerhalb des politischen Systems Einfluß ausüben zu können.« (S. 181) Von diesen Gesichtspunkten ausgehend ist der MSI seit Gründung der Italienischen Republik im Parlament vertreten und verfügte bis in die 90er Jahre hinein mit rund fünf bis sechs Prozent Stimmen über ein konstantes Wählerpotential. Nach der Vereinigung mit den Monarchisten erreichte er 1972 vorrübergehend 8,7 Prozent in der Abgeordnetenkammer und 9,2 Prozent im Senat. Das waren, wie Giuseppe Gaddi schrieb, »drei Millionen Stimmen für eine offen faschistische Bewegung. Und was die gewählten Parlamentarier betrifft, so handelt es sich zum großen Teil um Personen, die sich der Verurteilung als Kriegsverbrecher entziehen konnten, oder aber um Leute, die in Verbrechen der jüngeren Zeit verwickelt sind und für die die Wahl das Mittel war, sich der juristischen Verfolgung ihrer Verbrechen zu entziehen.« (S. 21).

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Die DC und die anderen bürgerlichen Parteien paktierten im Parlament von Anfang an mit dem MSI und lieferten so über Jahrzehnte die Grundlage dafür, daß der rechte Medienzar Berlusconi sie im April 1994 in die Regierung aufnehmen konnte. Bereits 1950 empfingen Staatspräsident Einaudi und Ministerpräsident De Gasperi eine MSI-Delegation mit Nationalsekretär Michelini an der Spitze. In der Öffentlichkeit wurde das als eine »Anerkennung der Legalität« der Sozialbewegung gewertet und so auch vom MSI selbst definiert. 1953 stützte sich die Regierung Pella, eines ehemaligen Mussolinifaschisten, der nach der Niederlage des Regimes zur DC überwechselte, auf die Stimmen des MSI. 1957 bediente sich die Regierung Zoli, die bis 1958 im Amt blieb, und danach die von Antonio Segni der Stimmen der Neofaschisten. 1960 versicherte sich der frühere Hauptmann der faschistischen Miliz der RSI, seit 1926 Mitglied des PNF, der nunmehrige Ministerpräsident der DC, Fernando Tambroni, der Unterstützung seiner faschistischen Kumpane bei der Vertrauensabstimmung im Parlament. 1962 wurden der Christdemokrat Segni und 1972 der DC-Bewerber Leone nur dank der neofaschistischen Stimmen zum Staatspräsidenten gewählt.

In eindeutiger Weise engagierte sich der einflußreiche Christdemokrat Don Luigi Sturzo, der 1919 die Volkspartei gegründet hatte, für die Neofaschisten. Zu den Kommunalwahlen 1952 rief er die DC und die übrigen bürgerlichen Parteien auf, zusammen mit dem MSI und den Monarchisten eine Einheitsliste gegen die »rote Machtübernahme« zu bilden.

Die DC zeigte sich gegenüber ihrem Parlamentsverbündeten erkenntlich. Pella empfing 1953 eine Delegation der neofaschistischen Gewerkschaft CISNAL, was einer regierungsoffiziellen Anerkennung entsprach. Zoli genehmigte dem MSI, den Leichnam Mussolinis, der nach der Entführung vom Mailänder Friedhof 1946 von der Polizei beschlagnahmt und in einem Kloster aufbewahrt worden war, in den Heimatort des »Duce« nach Predappio zu überführen und dort in einem Ehrenhain beizusetzen. Die Feiern des MSI gestalteten sich zu einer Verherrlichung des »Duce« und der unter seinem Regime begangenen Verbrechen. Zur gleichen Zeit erhielt die Witwe des Diktators eine Rente bewilligt, während sie Antifaschisten und Verfolgten des Mussoliniregimes weiter verweigert wurde. Das MSI-Blatt Secolo d' Italia bekam offizielle Staatszuschüsse. 1953 kam es zur Begegnung

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und öffentlichen Umarmung des Führungsmitgliedes der DC und späteren mehrfachen Ministerpräsidenten Guilio Andreotti mit dem früheren Kriegsminister Mussolinis in der RSI, Marschall Rodolfo Graziani, einem MSI-Mann der ersten Stunde.

Bedeutend stärker als auf zentraler Ebene konnte der MSI in den Parlamenten der Regionen und Provinzen sowie der Städte und Gemeinden Fuß fassen, und hier in erster Linie im Mezzogiorno. 1972 wuchsen seine Wahlergebnisse dort in vier Regionalparlamenten auf 15 und mehr Prozent an. In weiteren zwei lagen sie bei zehn Prozent und darüber. Die 43 Provinzhauptstädte (von 100 in ganz Italien), in denen der MSI bei den Wahlen zu den Stadträten Ergebnisse zwischen 10 und 25;Prozent erreichte, lagen fast alle im Süden. In vier weiteren südlichen Provinzhauptstädten kam der MSI gar auf Ergebnisse zwischen 25 und 35 Prozent. In den Regionen Kampagnien, Apulien, Sizilien und Sardinien regierten die Neofaschisten mehrere Legislaturperioden gemeinsam mit der DC oder unterstützten DC-Regierungen parlamentarisch. Im gesamtregionalen Rahmen war der MSI 1972 in allen 19 Regionalparlamenten, in fast allen Provinzräten und in 1 500 Städten und Gemeinden mit etwa 40 000 Ratsmitgliedern vertreten. In über 100 Städten und Gemeinden stellten die Neofaschisten den Bürgermeister, und in zahlreichen weiteren regierten sie in einer Koalition mit der DC.

Um das Paktieren der DC mit den Neofaschisten in der Öffentlichkeit zu kaschieren, brachte der christdemokratische Innenminister Mario Scelba ein Gesetz ein (Legge Scelba), nach dem der MSI und seine paramilitärischen Organisationen gemäß Verfassung aufgelöst werden sollten. Die Missini nutzten das im Juni 1952 im Parlament angenommene Gesetz, um sich als Märtyrer zu stilisieren, als »einzige wahre antikommunistische Partei«, die statt der Kommunisten verboten werden sollte. Den MSI unterstützten in der Kampagne gegen die Legge Scelba nicht nur seine Anhänger, er erhielt auch Rückhalt direkt von rechten Kräften der DC und von klerikalen Kreisen, Die Legge Scelba wurde gegen den MSI, die Führungszentrale des Neofaschismus, nie angewendet. Kam es nach der Untersuchung von Terrorakten zu Prozessen, endeten sie nicht selten mit milden Urteilen oder gar Freisprüchen. Die 1974 als Nachfolgeorganisation der Mussolinipartei verbotene terroristische Neue Ordnung agierte danach faktisch als neugebildete Ordine Nero (Schwarze Ordnung) weiter. Im

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April 1978 endete ein Prozeß gegen 18 Mitglieder der nunmehrigen Schwarzen Ordnung, die wegen der Neugründung der faschistischen Partei angeklagt worden waren, vor einem Gericht in Bologna für alle mit einem Freispruch.

Der MSI konnte daraus schlußfolgern und dementsprechend argumentieren, daß er eine verfassungsmäßige Partei sei, die keinen Anlaß böte, das Scelba-Cesetz anzuwenden. Almirante, Rauti und andere Missini konnten weiterhin - auch im Parlament - im Schwarzhemd auftreten und ihre faschistische Apologetik vorbringen, ohne daß sie dafür zur Verantwortung gezogen wurden.

Um einen Rest von antifaschistischem Konsens zu wahren, einigten sich die bürgerlichen Parteien mit den Kommunisten und Sozialisten stillschweigend darauf, den MSI an keiner italienischen Regierung zu beteiligen. Man sprach, um eine Abgrenzung zum MSI zu demonstrieren, von den Parteien des Verfassungsbogens (Arco costituzionale), von dem die Missini ausgeschlossen blieben. Es hinderte den Staatspräsidenten nicht, bei den häufigen Regierungskrisen und Kabinettsneubildungen auch den MSI-Führer zu »konsultieren«. Der Arco costituzionale war ein brüchiger Konsens, im April 1994 brach er endgültig auseinander.

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Neofaschismus innerhalb und außerhalb des MSI

Die Sozialbewegung als Führungszentrale

Stärke und Einfluß der neofaschistischen Bewegung beruhten - und beruhen großenteils noch heute - auch darauf, daß sie sich weitverzweigt gliederte, darunter in Organisationen, die sich speziellen Aufgaben widmeten. Zahlreiche Gruppen dienten dem Terror und der paramilitärischen Ausbildung, andere pflegten Beziehungen ins Ausland, sicherten Kontakte zur Industrie- und Finanzwelt, zum Staatsapparat, öffentlichen Einrichtungen oder zu Polizei und Militär. Wiederholt entstanden, wie im Falle des geplanten Borgheseputsches oder der Propagandaloge P2, zielgerichtet Vereine, um Umsturzaktionen vorzubereiten und durchzuführen.

Die Vielzahl neofaschistischer Gruppen drückte in bestimmtem Maße organisatorische Zersplitterung als auch widersprüchliche politische Ansichten, aber auch den für den Italiener typischen Regionalcharakter aus. Nicht zuletzt spielte eine Rolle, daß nicht wenige Regions- oder Provinzfürsten, ja selbst kleine Stadtchefs des MSI sich eine eigene Hausmacht hielten, um ihren persönlichen Einfluß zu sichern. Diese waren in keiner Weise bereit, ihre Hilfstruppen einer Zentrale zu unterstellen. Ein weiterer Faktor bestand schließlich im geplanten Aufbau dezentralisierter Strukturen nach faschistischen Organisationsprinzipien.

Im System der neofaschistischen Organisationen beanspruchte die Sozialbewegung immer die Rolle der Führungszentrale. Sie war Sammelbecken aller rechtsradikalen Kräfte, wobei zu beachten ist, daß der gesamte italienische Rechtsradikalismus - bei Differenzierungen und Abstufungen - bis in die 80er Jahre hinein offen neofaschistischen Charakters war. Als Führungszentrale der Bewegung stand der MSI -von kurzzeitigen, aber ergebnislos gebliebenen Versuchen der Democrazia Nazionale abgesehen - stets ohne jede Konkurrenz da. Wenngleich der MSI nicht das Ziel verfolgte, die neofaschistische Bewegung organisatorisch zusammenzuschließen, war er dagegen immer bestrebt, sie politisch und ideologisch zu vereinheitlichen und unter seiner Regie zu halten. Die organisatorische Dezentralisierung ermöglichte gleichzeitig, diejenigen Anhänger zusammenzufassen, die sich in der Tagespolitik und der Taktik uneinig waren, aber im Haß

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gegen den sozialen und demokratischen Fortschritt, für eine Diktatur faschistischen Typs übereinstimmten. Almirante verstand es, während seiner zweiten Amtszeit (1969-1987) geschickt, sich die Führung der Bewegung durch die personelle Verflechtung zwischen der Sozialbewegung und den verschiedenen Organisationen zu sichern. Der MSI-Führer konnte sich dabei vor allem auf Pino Rauti stützen, der nicht nur die Neue Ordnung anführte, sondern inner- und außerhalb der Partei die Aktionen der verschiedenen Organisationen, vor allem aber der terroristischen, koordinierte. »Wenn in Italien jemand einen wirklich hundertprozentig genauen Überblick über die kurzfristig auftauchenden und wieder verschwindenden Faschistenbanden besitzt, so ist das der Chef der >Ordine Nuovo<«, schrieb der österreichische Publizist Harald Irnberger in seinem Buch Die Terrormultis (S. 213). Almirante und Rauti verstanden es auch, zwischen dem MSI und den Terrorgruppen arbeitsteilig zu operieren. Um sein offen neofaschistisches Gesicht zu verhüllen und seine parlamentarische Legalität nicht zu gefährden, zog der MSI zwar auch die Fäden der Ende der 60er Jahre einsetzenden Spannungsstrategie, distanzierte sich aber offiziell von ihren Aktionen, ja verurteilte sie sogar öffentlich. In vielen Fällen traten MSI-Leute, die den Squadrismus organisierten, vorher aus dem MSI aus. Trotzdem blieben, wie Barbieri schrieb, »die engen Beziehungen zwischen dem MSI und den nazistischem Cousins bestehen, die ... fast immer nur aus >Gründen der Vorsicht< nicht das Mitgliedsbuch des Movimento in der Tasche trugen« (S. 84). Ähnlich schätzte das PCI-Generalsekretär Berlinguer ein, den die Unitá am 11. Februar 1973 zitierte: »Wir haben die Aktionen des MSI und der >Avanuardia Nazionale<, zweier faschistischer Formationen, die eine exakte Aufgabenstellung abgesprochen haben. Die >Avanguardia Nazionale< verübt Terrorakte und Überfälle im Stil der faschistischen Sturmabteilungen, während sich der MSI einen >gesetzeskonformen< Anschein zu geben bemüht ist.«

MSI-Organisationen

1950 begann die Sozialbewegung, direkt zur Partei gehörende Organisationen zu bilden, die teilweise (Gewerkschaft und Jugendverband) Massencharakter annahmen und ihre soziale Basis erweiterten. Die Nationale Italienische Arbeitergewerkschaft (Confederazione Ita-

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liana Sindacati Nazionali dei Lavoratori - CISNAL) wurde von dem Altfaschisten Gianni Roberto initiiert. Die CISNAL bekämpfte vor allem die von Kommunisten, Sozialisten und anderen linken Kräften getragene mitgliederstärkste CGIL, aber auch die beiden anderen Gewerkschaften, die sich 1949/50 von dieser abspalteten: der Freie Italienische Gewerkschaftsbund (Confederazione Italiana dei Sindacati Liberi - CISL), der den Christdemokraten und katholischen Organisationen nahestand sowie die Italienische Arbeiterunion (Unione Italiana Lavoratori - UIL), die sich mit den Sozialisten, Sozialdemokraten und Republikanern verbunden fühlte.

Den drei Gewerkschaften gehörten in den 70er Jahren von den 18 Millionen Beschäftigten 8,9 als Mitglieder an. Davon 4,5 der CGIL, 2,9 der CISL und 1,5 der UIL. Neben dem Ziel, mit der CISNAL die eigene Massenbasis zu erweitern und unter der Arbeiterschaft Fuß zu fassen, wollte der MSI auch ein Gegengewicht zur linken Gewerkschaftsströmung, die über nicht wenige Anhänger auch in der UIL und selbst in der CISL verfügte, schaffen. Außerdem hoffte man - was sich nicht erfüllte - mit der CISL eine bestimmte Zusammenarbeit herstellen zu können.

Die CISNAL trat seit ihrer Gründung offen für Programm und Politik des MSI ein, propagierte den Korporativismus und forderte, in den Betrieben den »Arbeitsfrieden« herzustellen. Sie verzichtete als Gewerkschaft auf das Mitbestimmungsrecht, trat bei Arbeitsniederlegungen als Streikbrecher auf, leistete für Unternehmer in den Betrieben Spitzeldienste und vermittelte - hauptsächlich im Mezzogiorno - für Unternehmer und Großagrarier nichtorganisierte beziehungsweise nur ihrer Organisation angehörende Arbeitskräfte. Außer unter Landarbeitern und Angestellten aus Süditalien gewann die CISNAL ihre Mitglieder vorzugsweise unter Beschäftigten kleiner und mittlerer Betriebe. Sie gab schon bald nach ihrer Gründung über eine Million Mitglieder an.

Die Jugendfront (Fronte della Gioventù - FdG) ging aus der 1950 gegründeten Schülerorganisation der Partei Junges Italien (Giovanne Italia) hervor. Sie nahm den Namen des vom PCI während der Resistenza geschaffenen Jugendverbandes an. An der Spitze der FdG stand jahrzehntelang Massimo Anderson, einer der Hardliner Almirantes, der auch eine aktive Rolle in den internationalen Kontakten des MSI spielte. 1977 übernahm Gianfranco Fini, bis er 1987 die Nachfolge von

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Almirante antrat, die Leitung der Jugendfront. Die FdG, die ihre Anhänger ab 14 Jahre aufnimmt, zählte bereits Mitte der 50er Jahre etwa 120000 Mitglieder. Viele von ihnen waren Mittel- und Oberschüler. Sowohl Almirante als auch sein Nachfolger Fini betrachteten die FdG stets als eine persönliche Eingreifreserve. Aus ihren Reihen rekrutierte jedoch auch Rauti einen großen Teil des Nachwuchses für seine Terrorbanden.

Die Nationale Studentische Kampffront (Fronte Universitario d'Azione Nazionale- FUAN) ging 1950 aus mehreren neofaschistischen und rechtsradikalen Studentenvereinigungen hervor. Auf die etwa 20 000 Mitglieder zählende FUAN übte Pino Rauti starken Einfluß aus, was zur entsprechenden Teilnahme der meisten ihrer Anhänger am Terrorismus führte.

Die Grünhemden (Camice verde) sind ein eng mit der Neuen Ordnung verbundenes, weitgehend illegal aufgebautes paramilitärisches Korps des MSI, das erstmals 1965 bei polizeilichen Untersuchungen neofaschistischer Terrorakte als »Teil des schwarzen Spinnengewebes« erwähnt wurde. Führende Köpfe der Grünhemden waren Mitglieder des ZK des MSI, so Lario Gionfrida, genannt Wildkatze (II gatto), und Giancarlo Baroni sowie die ebenfalls zum engeren Führungskreis der Sozialbewegung gehörenden Davide Beretta und Romano Fassio, letzterer gleichzeitig ein Spitzenmann der CISNAL. Gionfrida war seit 1950 in der persönlichen Kampfgruppe Almirantes, den bereits 1945 gebildeten FAR, aktiv.

Die Freiwilligen des MSI (Volontari del MSI) sind eine nach dem Vorbild des faschistischen Saalschutzes aufgebaute Schlägertruppe, die bei neofaschistischen Kundgebungen und Versammlungen eingesetzt wird. Die paramilitärisch ausgebildeten Volontari werden auf etwa 1 000 Mann geschätzt.

Die Trikolorekomitees (Comitati Tricolori) sind 1969 als Stützpunkte der gleichnamigen Auslandsleitungen des MSI in Ländern, in denen sich italienische Emigranten in größerer Zahl aufhielten, zur Arbeit unter ihnen gebildet worden. Die Trikolorekomitees waren besonders in der BRD und in den USA aktiv.

Das Junge Europa (Giovane Europa) bildete die italienische Sektion der gleichnamigen nazistischen Bewegung Europas, die besonders in den 70er Jahren ein aktives neonazistisches Zentrum darstellte und in dem die italienischen Neofaschisten eine maßgebliche Rolle spielten.

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Die Freunde der Streitkräfte (Amici delle Forze Armate), eine 1971 nach dem gescheiterten Putschversuch Borgheses gebildete Vereinigung, die ein engeres Verhältnis zu den Streitkräften herstellen sollte, war von der Sozialbewegung ins Leben gerufen worden.

Nationale Front, Neue Ordnung und andere Gruppen

Unter den etwa 30 größeren außerparlamentarischen und sich MSI-unabhängig darstellenden neofaschistischen Organisationen von zentraler oder überregionaler Bedeutung spielten die folgenden eine herausragende Rolle:

Die Nationale Front (Fronte Nazionale), eine 1968 auf Initiative des ehemaligen MSI-Vorsitzenden Valerio Borghese gegründete Organisation, die sich vorwiegend aus ehemaligen Angehörigen der Streitkräfte der Salò-Republik (Schwarze Brigaden, Nationalgarde, Decima MAS) zusammensetzte, der aber auch zahlreiche aktive und Reserveoffiziere der Italienischen Republik angehörten. Die Front zählte etwa 4 000 bis 5 000 Mitglieder und unterhielt in etwa 20 Städten Stützpunkte. Sie wirkte eng mit der Neuen Ordnung Pino Rautis zusammen, mit der sie auch aktiv an den Bürgerkriegsausschreitungen 1969 in Reggio Calabria beteiligt war. Borghese gründete die Front, um mit ihr einen Putsch gegen die parlamentarische Ordnung zur Errichtung einer faschistischen Diktatur vorzubereiten.

Die Aktionen der Front waren ein typisches Beispiel für eine Arbeitsteilung zwischen terroristischen Abteilungen und der Sozialbewegung. Bevor er die Front gründete, trat Borghese im Dezember 1967 aus dem MSI aus. Natürlich drückten sich im Agieren des schwarzen Fürsten, der im neofaschistischen Lager als eine ausgeprägte Führerpersönlichkeit und als alter Haudegen galt, auch Rivalitäten mit Almirante aus. Borghese hielt sich für bedeutend berufener als dieser, an der Spitze eines Staatsstreiches und danach eines »starken Staates« zu stehen. Borghese fühlte sich politisch weiterhin eng mit dem MSI verbunden und verstand seine Front als vorgeschobenes Zentrum aller Gegner der verfassungsmäßigen Ordnung. Das verdeutlichte auch das Programm der Front. Es vermied zwar offene neofaschistische Bekenntnisse - Borghese behauptete von sich, kein Faschist zu sein -, forderte aber unverblümt, die Parteien aus der Politik und von der Mitarbeit in der Regierung auszuschließen, einen »starken Staat« zu schaffen und

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an Stelle des Parlaments eine gesetzgebende Versammlung aus Repräsentanten der wirtschaftlichen Stände und Bürgern, die sich durch außerordentliche Verdienste auszeichneten. Mit dieser Ständevertretung wollte Borghese nichts anderes, als den vom MSI aus Mussolinis Programm entnommenen Ständestaat faschistischen Typs errichten. Ihr Programm faßte die Front unter der Losung zusammen: »Nein zu diesem System, ja zu Ordnung, Macht und Disziplin.«9 Die Neue Ordnung (Ordine Nuovo) galt bis in die 90er Jahre hinein als die berüchtigste und gefährlichste terroristische Organisation der neofaschistischen Bewegung. Pino Rauti, der stellvertretende MSI-Chef, hatte 1948 eine Schwarze Legion (Legione Nera) gebildet, die er 1954 unter dem Namen Neue Ordnung in die Sozialbewegung integrierte. Im November 1956 löste er seine Gruppe wieder aus dem MSI und formierte sie zur selbständigen Organisation, die nach kurzer Zeit auf über 10 000 Mitglieder anwuchs. Wie die FdG eignete sich auch Rautis Organisation den Namen der von Antonio Gramsci 1920 in der Sozialistischen Partei gebildeten kommunistischen Ordine Nuovo an, aus der die Kommunistische Partei hervorging. Mit Rauti, Jahrgang 1926, der sich 17-jährig freiwillig zu den Truppen der RSI meldete, stand der Neuen Ordnung einer der jüngsten Hardliner vor, der sein Leben lang ein fanatischer Faschist blieb. Er übte mit der Neuen Ordnung immer Druck auf die Sozialbewegung aus, um sie auf »hartem« Kurs zu halten.

Schon auf dem Gründungskongreß in Mailand zeigte sich unter der Losung »weniger Zweireiher - mehr Knüppel« der terroristische Charakter der Organisation. Rauti verkörperte seinen Anhängern in persona diese Linie. 1946 wegen mehrerer Attentate verhaftet, aber bald wieder freigelassen, trat er sofort nach der Gründung dem MSI bei. Es folgten weitere Anschläge und 1951 eine zehnmonatige Haftstrafe. 1954 prägte Rauti auf dem MSI-Kongreß die Losung: »Die Demokratie verseucht den Geist.« Nach diesem Vorbild ihres Führers verlangten die rund 700 Teilnehmer des Gründungskongresses den »Sturz des Systems« und bekannten sich im Programm zur Salò-Republik und zum »Dritten Reich«, erklärten sich nach der Herrenmenschenideologie Evolas zum »Kämpfer für die Vorherrschaft der weißen Rasse«, erkoren zu ihrem Wahlspruch den der deutschen SS - »Unsere Ehre heißt Treue« - und wählten zu ihrem Symbol eine Doppelaxt auf rotem Grund im weißen Kreis, das später durch das keltische Kreuz er-

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setzt wurde. Die Neue Ordnung spielte eine maßgebliche Rolle in der sogenannten Schwarzen Internationale und unterhielt vielseitige internationale Verbindungen, darunter auch zur Bundeswehr und zum BND sowie zum griechischen Obristenregime.

Nachdem Almirante 1969 wieder an die Spitze der Sozialbewegung getreten war, kehrte Rauti mit seiner Ordine Nuovo in die Partei zurück. Von seinem Einfluß zeugte, daß Almirante ihm und seinen Leuten 14 Sitze im Zentralkomitee zugestand. 1973 erklärte ein Gerichtsurteil die Neue Ordnung zur Nachfolgeorganisation der faschistischen Mussolinipartei und verbot sie. Daraufhin wirkte sie zunächst unter dem Namen Anno Zero (Jahr Null), danach als Ordine Nero (Schwarze Ordnung) weiter. Rautis Organisation stand wie keine andere an der Spitze des Nachkriegssquadrismus. Bei ihr liefen die Fäden der Anschläge auf die Mailänder Landwirtschaftsbank (Piazza Fontana) 1969, den Brennerexpreß »Italicus« 1974 oder eine Gewerkschaftsdemonstration in Brescia 1975 zusammen.10

Die Nationale Vorhut (Avanguardia Nazionale) ist ein weiteres Beispiel des »distanzierten« Zusammenspiels der Sozialbewegung mit dem Terrorismus. Der Chef der Avanguardia, Stefano Delle Chiaie, in Neofa-schistenkreisen Roms als der schwarze Bombenwerfer (II bombardiere nero) bekannt, galt über Jahrzehnte als der Führer des Squadrismus der Hauptstadt. 1957 trat Delle Chiaie, der als Jugendlicher zu den MSI-Mitgliedern der ersten Stunde gehört hatte, aus der Partei aus und gründete danach die sogenannten Revolutionären Kampfgruppen (Gruppi d'Azione Rivoluzionaria). Im Dezember 1959 formierte er aus ihnen die Avanguardia. Zwischendurch war er Mitglied der Neuen Ordnung.

Die Avanguardia, an deren Seite noch eine Nationale Jugendvorhut (Avanguardia Nazionale Giovanile) existierte, erreichte in den 70er Jahren etwa 1 500 Mitglieder. Auch sie war 1969 aktiv an den Bürgerkriegsausschreitungen in Reggio Calabria beteiligt. Einer der Führer der Nationalen Vorhut, der MSI-Stadtrat von Trient, Massimo Marchesini, der jedoch der Sozialbewegung nicht mehr angehörte, prahlte in einem Interview, das die Turiner La Stampa am 11. Dezember 1970 veröffentlichte, mit den Verdiensten der Organisation in Calabria: »Die Revolte wurde von den Kameraden der >Avanguardia< durchgeführt. Sie war es, die sich auf den Barrikaden gegen die Polizei des Systems stellte.« Eine aufschlußreiche Erklärung, die lediglich den Anteil ande-

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rer Organisationen wie der Neuen Ordnung und der Nationalen Front ignorierte.

Anfang der 70er Jahre liefen gegen die Nationale Vorhut über 100 Untersuchungen wegen terroristischer Anschläge, darunter mehrere wegen Mordes. Delle Chiaie verurteilte ein römisches Gericht bereits im Juli 1962 wegen Wiedergründung der aufgelösten faschistischen Partei zu einer einjährigen Gefängnisstrafe, von der er zehn Monate verbüßte, dann begnadigt wurde. Die Vorhut schränkte nach der Verurteilung ihres Chefs ihre Aktivitäten vorübergehend ein, um sie dann unvermindert fortzusetzen.

Die Windrose (Rosa dei Venti) war eine 1971 nach dem gescheiterten Putschversuch Borgheses in Padua gebildete Zentrale, welche die Pannen vom Dezember 1970 beim »nächsten Mal« ausschließen sollte. In der Windrose fanden sich Militärs und Geheimdienstler bis zu den höchsten Kommandostufen mit neofaschistischen Führern zusammen und arbeiteten tatsächlich, wie später bekannt wurde, en Detail Pläne aus, um am »Tag X« die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. In die Pläne der Windrose waren Gladio-Strukturen einbezogen. Auch Leute der P2 waren bereits vertreten.

Die Nationalrevolutionäre Versammlung (Costituente Nazionale Rivoluzionaria, CNR), eine 1967 gebildete Vereinigung, die sich anmaßte, am »Tag X« als verfassungsgebende Versammlung aufzutreten. Als Gründer der Organisation gab sich der ehemalige Sozialdemokrat Raffaele De Sario her. Mit ihm glaubten die Neofaschisten, sich im Falle eines Umsturzes eine bestimmte Anhängerschaft auch unter Sozialdemokraten sichern zu können. Die CNR befaßte sich besonders damit, wie ein faschistischer Machtapparat im Falle eines Staatsstreiches personell zu besetzen sei. De Sario gab eine eigene Zeitschrift namens Forza Uomo heraus, die das Gedankengut der CNR verbreitete.

Paramilitärische Formationen

Die neofaschistische Bewegung verfolgte immer - mit gewissen taktischen Abstufungen - das Ziel, die verfassungsmäßige Ordnung im Zusammenwirken mit rechten Teilen der bewaffneten Kräfte gewaltsam zu beseitigen. Der Squadrismus, seit Ende der 60er Jahre auch Spannungsstrategie genannt, sollte dazu den Weg ebnen. Die paramilitärischen Gruppen bildeten nicht nur die Männer aus, die die Spannungsstrategie mit anderen Organisationen in die Tat umsetzten,

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sie standen auch selbst bereit, am »Tag X« loszuschlagen. Die bekanntesten, vor allem auf Terror und Subversion ausgerichteten Organisationen sind:

Die Nationalen Kampfgruppen (Gruppi d'Azione Nazionale - GAN), eine 1968 im Vorfeld der bewaffneten Auseinandersetzungen in Reggio Calabria - von MSI-Leuten gebildete Truppe, die den »offenen Kampf gegen das System« propagierte und eine faschistische Diktatur forderte.

Der Angriff (Assalto), eine 1969 gegründete Gruppe, die während der Barrikadenkämpfe in Calabria und damit im Vorfeld der Spannungsstrategie forderte, eine faschistische Militärdiktatur zu errichten. In ihrem Gründungsaufruf, den die gleichnamige Zeitschrift am 30. Juni veröffentlichte, hieß es: »Die Dinge haben einen Punkt erreicht, an dem man, um das Land vor den Verbrechern zu schützen, folgende Grundsätze anwenden muß: >Gegen die großen Übel die großen Heilmittel. Und die Einzigen, die solche Mittel anwenden können, und sei es unter größtem Einsatz, das sind die Armee und die Polizei, die nun die Maschinengewehre einsetzen müssen.« Zu den Mitarbeitern des Angriff gehörte der bereits erwähnte Pettinatto, ein Altfaschist und Mussolinis Spitzenjournalist in der Said-Republik. Die Europäische Zivilisation (Europa Civiltà) ging 1967 aus der vier Jahre vorher entstandenen Europäischen Integrationsbewegung (Movimento d'lntegrazione Europeo) hervor, die auf die römische Region Lazium begrenzt war. Wie bereits ihr Vorläufer orientierte sich Europa Civiltà eng an der nazistischen und rassistischen Ideologie Evolas und verbreitete sie in ihren Kreisen. Den Stamm der etwa 2 000 Mitglieder bildeten Fallschirmjäger aus den Streitkräften sowie aus zivilen Fallschirmspringer-Vereinen. Loris Facchinetti, der Gründer, gestaltete die Civiltà gleichzeitig zu einer Art Geheimbund, in dem sich führende Neofaschisten aus der Neuen Ordnung, der Nationalen Vorhut und anderen Gruppen trafen und debattierten.

Die Civiltà unterhielt aber auch enge Kontakte zu rechten und faschistenfreundlichen Kreisen in der Democrazia Cristiana. Eine Schlüsselfigur in den Verbindungen war der langjährige DC-Abgeordnete Agostino Greggi, der 1972 aus seiner Partei austrat. Er gehörte zur Leitung des ultraklerikalen Komitees zur Verteidigung der christlichen Zivilisation (Comitato difesa civiltà Cristiana), das für ein Bündnis der DC mit der Sozialbewegung eintrat. Hinter dem Komitee standen einflußrei-

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che Kreise der Kurie, angeführt von dem für seinen radikalen Antikommunismus bekannten Kardinal Alfredo Ottaviani. Europa Civiltà bildete eine Sektion der gleichnamigen Organisation des belgischen Neofaschistenführers Jean Thiriart.

Aus dem paramilitärischen Bereich sollen hier noch drei Gruppen erwähnt werden, die den italienischen Nachkriegssquadrismus insbesondere anführten. Die bereits im Herbst 1945 entstandenen Sturmabteilungen Mussolinis (SAM), die 1962 gebildete Revolutionäre Kampfbewegung (Movimento d'Azione Rivoluzionaria - MAR) und die 1968 geschaffene Phönix (La Fenice), die sich ab 1976 Neuer Phönix (Nuova Fenice) nannte. Die SAM und die MAR, die eng zusammenwirkten, beschafften für terroristische und Umsturzaktionen Sprengstoff, Waffen und militärische Ausrüstungen, entführten Personen, begingen Raubüberfälle und andere Verbrechen. Beide Organisationen waren an den Umsturzversuchen von 1970 und 1973 beteiligt.

Militärische Traditionsverbände

Die Rede ist von den Traditionsverbänden der königlichen Armee unter dem faschistischen Regime bis zum Sturz Mussolinis 1943, denen der Streitkräfte der Salò-Republik sowie bestimmten Reservistenvereinigungen der Italienischen Republik (ab 1946). Manche Organisationen wie die der Fallschirmjäger oder der Carabinieri haben übergreifenden Charakter. Die meisten der Traditionsverbände entstanden auf Initiative von US-Kreisen mit Allen Dulles an der Spitze unmittelbar nach Italiens Beitritt zur NATO. Ähnlich wie in Deutschland bei den Wehrmachtsgeneralen ging es dem Pentagon auch in Italien darum, die militärischen Erfahrungen der Generale und Offiziere des »Duce« für die NATO zu sichern.

Das gab der neofaschistischen Bewegung Auftrieb. Sie beteiligte sich selbst am Aufbau der Verbände, erweiterte über sie ihre soziale Basis und vertiefte ihre Kontakte zu den Militärs des eigenen Landes sowie zu denen der USA. 1976 zählten die verschiedenen Traditionsverbände etwa 720 000 ehemalige Angehörige der Mussoliniarmee, der Partei des »Duce« und anderer Organisationen aus der Zeit der Herrschaft des Faschismus.

Die militaristischen Vereinigungen spielten von nun an eine wichtige Rolle bei der Propagierung von Militarismus, Revanchismus, Nationalismus und Chauvinismus. Sie verherrlichten die Aggressionskriege des

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italienischen Imperialismus unter der Mussoliniherrschaft, glorifizierten den Geist der Salò-Republik, forderten ein diktatorisches Regime, einen stärkeren Einfluß der Streitkräfte in der Politik und ein Großitalien. Wenn auch die persönliche Rolle der altfaschistischen Militärs aus biologischen Gründen gegenwärtig zurückgeht, prägt ihr Geist, den sie jahrzehntelang hineintrugen, das politische Gesicht dieser Verbände noch heute.

1949 entstanden unter anderem folgende Organisationen: Der Nationale Verein der Frontsoldaten der Salò-Republik (Unione Nazionale dei Combattenti della RSI); der Nationale Italienische Tapferkeitsverband (Associazione Nazionale Arditi d'Italia); der Nationale Verband der Spanienkämpfer (Associazione Nazionale Combattenti di Spagna), ihm angeschlossen ist die Luftwaffengruppe (Gruppo Azzurro), die Vereinigung der Piloten der italienischen Legion in Spanien; der Italienische Fallschirmjägerverband (Associazione Paracadudisti Italiani). Später entstanden Vereinigungen wie der Nationale Verband der Waffengattung der Miliz der Salò-Republik (Associazione Nazionale Arma Milizia), der Verband der X. Torpedobootflotille (Associazione Decima MAS), der Verband der Schwarzen Brigaden (Brigate Nere), der in der Salò-Republik aufgestellten Waffen-SS, und die Schwarzen Falken (Falchi Neri), die Organisation der Carabinieri-Reservisten.

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Spannungsstrategie, NATO, CIA und Gladio

»Wenn das Geld nach Augier >mit natürlichen Blutflecken auf einer Backe zur Welt kommt<, so das Kapital von Kopf bis Zeh, aus allen Poren, blut- und schmutztriefend.«

Karl Marx über die Rolle der Gewalt im System der Herrschaft des Kapitals11

Das Ziel: Eine Diktatur

Die Strategie der Spannungen bedeutete, daß der Terror systematisch und planmäßig forciert wurde, um die Bevölkerung, die linke Opposition, die Gewerkschaften, aber auch bestimmte Politiker der Regierungsparteien einzuschüchtern, die öffentliche Ordnung zu untergraben und so das Klima für einen Militärputsch zu schaffen, eine Situation, in der die Armee als »Ordnungsfaktor« auf den Plan treten sollte. Das Ziel war, auf diesem Weg eine Diktatur faschistischen Typs zu errichten. Nach dem Staatsstreichversuch De Lorenzos 1964 beabsichtigten die Organisatoren der Spannungsstrategie - soweit bekannt wurde - wenigstens noch dreimal, einen entsprechenden Putsch auszulösen: 1970, 1973 und 1978.

Das Konzept der Spannungsstrategie stammte direkt von der Central Intelligence Agency, die es in den 60er Jahren entwickelte und erstmals in Griechenland praktizierte, wo es zum Militärputsch der Obristen und zu einer Militärjunta führte. Nachdem die CIA die griechischen Erfahrungen ausgewertet hatte, schnitt sie die Spannungsstrategie auf Italien zu, wo sich seit Anfang der 70er Jahre die Linke im raschen Vormarsch befand. Zu einem weiteren Experimentierfeld wurde nach dem Sieg der Unidad Popular Chile, wo die Spannungsstrategie zum Sturz der verfassungsmäßigen Regierung des sozialistischen Präsidenten Salvador Allende und zur Errichtung der Militärdiktatur General Pinochets führte.

Der Sturz Allendes lief nach dem von der CIA ausgearbeiteten Centauro-Plan ab. Ein maßgeblicher Drahtzieher des Unternehmens war die US-amerikanische Telefongesellschaft ITT, die in Chile das Monopol besessen hatte und enteignet worden war. Im Aufsichtsrat der ITT saß der frühere CIA-Direktor John McCone, der die Operation anschob, nach der, wie der Spiegel in seiner Nummer 28/1973 schrieb, »alles getan werden sollte, um dafür zu sorgen, daß Allende die entscheiden-

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den sechs Monate nicht übersteht«. Chile zeigte danach die typischen Merkmale der Spannungsstrategie, welche die Unfähigkeit der linken Regierung belegen und das Eingreifen der Generale rechtfertigen sollten. Tankstellen explodierten, Pipelines fielen aus, Brücken stürzten ein, die Versorgung der Bevölkerung brach zusammen. Als die Militärs losschlugen, kannte auch der chilenische Hauptmann Roberto Garrido, der zu der Truppe gehörte, die die Moneda (Präsidentenpalast) stürmte, seinen Weg. Er drang in den »Salon Rojo« vor, in dem der bereits schwer verwundete Allende in einem Sessel saß. Garrido streckte erst die Sekretärin Allendes, Miriam Ruppert, nieder und erschoß dann den Präsidenten und Oberbefehlshaber mit einer Salve seiner MP. Der Hauptmann hatte seine Ausbildung an der »Putschistenakademie« genannten Special Forces School in Fort Gulick in der US-Zone von Panama erhalten. Dort hielt auch General Vernon Walters Vorlesungen, der auch den Centauro-Plan ausarbeitete. Walters wie auch McCone gehörten zu den Top-Agenten, die für die CIA auch in Italien am Werk waren.

In Italien wurde mit der Spannungsstrategie von bis dahin einzelnen Terrorakten zum massiven, fast täglichen Squadrismus übergegangen, zu einer von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr sich steigernden Zahl von Attentaten, die das ganze Land erfaßten und oft auf Massenmord zielten. Von 150 Anschlägen 1969 stieg ihre Zahl auf fast 2 400 im Jahr 1978 an. In dieser Zeit kamen Hunderte von Menschen ums Leben, wurden Tausende verletzt. Zwischen 1969 und 1984 forderte der von den Neofaschisten entfesselte Terror allein in der »Roten Emilia« 140 Tote und ein vielfaches mehr an Verletzten. 85 Tote und über 200 Verletzte gab es bei nur einem Attentat auf dem Hauptbahnhof in Bologna im August 1980.

Als Beginn dieser Etappe der Strage - was aus dem Italienischen mit Gemetzel, Blutbad, Massaker übersetzt wird - gilt der 12. Dezember 1969. Und wenn von der Piazza Fontana die Rede ist, weiß jeder Italiener noch heute, was gemeint ist. Auf diesem Platz in Mailand steht die Landwirtschaftsbank, in deren Schalterhalle an diesem Tag das erste Massaker stattfand: Eine Bombe explodierte und tötete 16 Menschen, verletzte fast 100. Im Herbst desselben Jahres begannen die Neofaschisten in Reggio Calabria die bewaffneten Auseinandersetzungen, die das Land an den Rand eines Bürgerkrieges brachten, der direkt in den Borgheseputsch münden sollte. Obwohl die Drahtzieher

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der Strage auf der Piazza Fontana wie vieler folgender in der Neuen Ordnung und anderen neofaschistischen Gruppen zu suchen waren, ermittelten Justiz und Polizei jahrelang in linken Kreisen. Dem Anschlag in der Mailänder Landwirtschaftsbank folgten unter anderen ein Attentat auf eine Gewerkschaftskundgebung in Brescia im Mai 1974 mit acht Toten und 94 Verletzten, ein Anschlag auf den Italicus-Expreß im Apenninentunnel hinter Florenz im Dezember 1974 mit zwölf Toten und 48 Verletzten, zehn Jahre später, im Dezember 1984, an fast derselben Stelle auf den Schnellzug Neapel-Mailand mit 15 Toten und 112 Verletzten. Ihren Höhepunkt erreichte die Spannungsstrategie, als am 16. März 1978 der christdemokratische Parteivorsitzende, Aldo Moro, entführt und 55 Tage später, am 9. Mai, ermordet wurde.

Kalter Krieg und Gladio

Der Neofaschismus konnte in Italien deshalb zu einer so ernsten Gefahr werden, weil er ein entscheidendes Instrument des Pentagon und der CIA, der NATO und ihrer geheimen Interventionstruppe, die dort Gladio (Kurzschwert) hieß, darstellte. Obwohl als Organ des Paktes und seiner nationalen Armeen geschaffen, saß die CIA, von der die Idee ausging, von Anfang an an den Schalthebeln von Gladio. Die italienischen Publizisten Giovanni Maria Bellu und Giuseppe D'Avanzo sowie Antonio und Gianni Cipriano haben in ihren Büchern I Giorni di Gladio (Die Tage von Gladio) beziehungsweise Sovranità limitata - Storia dell'eversione atlantica in Italia (Begrenzte Souveränität-Geschichte der atlantischen Umsturzaktionen in Italien), die beide 1991, nach den Enthüllungen über die geheime NATO-Armee, erschienen, detailliert und beweiskräftig dargelegt, wie die Gladio-Truppe in verfassungswidriger Weise tätig war. In beiden Büchern wird nachgewiesen, daß Gladio ein Instrument der NATO, des Pentagon und der CIA sowie der diesen Zentralen untergeordneten italienischen Armee- und Geheimdienste war, und zwar nicht nur, um im Falle einer sowjetischen Intervention aktiv zu werden, sondern bereits vorher »gegen potentielle Komplizen in Italien« (Bellu/D'Avanzo, S. 150). Unter »potentiellen Komplizen« waren, wie sich zeigte, nicht nur Kommunisten und Sozialisten zu verstehen, sondern auch linke Christdemokraten wie der DC-Vorsitzende Aldo Moro. Pentagon und CIA waren - angefangen vom »Plan solo« De Lorenzos über Borgheses

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Operation »Tora Tora« und den »Tag X« der Windrose bis zu den »weißen« Staatsstreichplänen der Geheimloge P2 - die eigentlichen Organisatoren der Umsturzversuche. Der SIFAR entstand »als ein Regime der absoluten Abhängigkeit von der amerikanischen CIA«, seine »Führung durfte nicht ohne Zustimmung seitens der amerikanischen Verbündeten handeln«, schreiben A. und G. Cipriano (S. 31). Nachdem 1990 die geheimen Gladio-Strukturen bekannt gewordenen waren, wurde General Edgardo Sogno, langjähriges Mitglied des Gladio-Stabes, vor laufenden TV-Kameras folgende Frage gestellt: »Was hätten Sie getan, wenn die Kommunistische Partei mit legalen Mitteln an die Macht gekommen wäre?« Der General antwortete: »Dann hätten wir den Bürgerkrieg entfesselt.« General Gerhardo Seravallo, von 1971 bis 1974 Gladio-Chef, erklärte, daß in der geheimen NATO-Truppe immer die Meinung vorherrschte: »Wenn die Russen kommen, erhalten die bestimmt Hilfe von unseren Kommunisten. Warum sollen wir warten, bis die Invasion da ist - bringen wir die Sache doch gleich hier in Ordnung.« Wenn besagter General dann noch ausführte, daß bei der Übung einer Gladio-Einheit die Teilnehmer allen Ernstes vorschlugen, »gleich mal alle auffindbaren Kommunisten umzubringen«, kann man sich bei der neofaschistischen Unterwanderung der Gladio-Strukturen unschwer vorstellen, wes Geistes Kind diejenigen waren, die ein solches Ansinnen vorbrachten. Werner Raith belegt das in seiner Untersuchung über Gladio in Italien, wenn er enthüllt, daß Einheiten der Truppe »direkt oder überwiegend von italienischen Rechtsterroristen befehligt wurden«12. A. und G. Cipriano führen konkret die Avanguardia Nazionale, die Ordine Nuovo Pino Rautis und Borgheses Fronte Nazionale an (S. 35).

1990 geriet Guilio Andreotti in den Verdacht, nicht nur Kenntnisse über die Gladio-Strukturen zu besitzen, sondern auch in ihren Aufbau zumindest verwickelt gewesen zu sein. War er doch von 1956 bis 1962 Verteidigungsminister, in einer Zeit, da die NATO-Geheimtruppe aufgebaut wurde. Und es dürfte höchst unwahrscheinlich sein, daß das am italienischen Verteidigungsminister vorbei geschah. Andreotti erhärtete den Verdacht selbst, als er, wie aus einem Bericht der Repubblica vom 24. Oktober 1990 hervorging, damals als Ministerpräsident aus einem zwölfseitigen Dossier über Geheimdienstkreise, die in terroristische Aktivitäten verwickelt waren, zwei Seiten verschwinden ließ. Sie betrafen offensichtlich die Rolle von Gladio in den Putschplänen

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des Carabinieri-Generals De Lorenzo, in dessen Zeit Andreotti Verteidigungsminister war.

In nicht wenigen Berichten der antifaschistisch orientierten italienischen Presse finden sich bereits in den 70er Jahren, als die Putschpläne der einheimischen Obristen und ihrer Komplizen im Pentagon und in Langley zur Sprache kamen, Hinweise auf geheime NATO-Strukturen, bei denen es sich fraglos um das Kurzschwert handelte. So berichtete das römische Abendblatt Paese Sera am 7. Mai 1976 über Staatsstreichpläne des Heeresgenerals Ugo Ricci, nach denen »militärische Spezialeinheiten mobilisiert werden sollten, die in einer Geheimklausel des Atlantischen Verteidigungsbündnisse vorgesehen sind«. Auf die Spuren von Gladio stößt man auch beim Studium der einschlägigen Pentagon- und NATO-Instruktionen - sofern sie nach Ablauf der Geheimhaltungsfrist veröffentlicht werden -, und wenn man vergleicht, wie versucht wurde, sie vor Ort zu verwirklichen. Die römische Repubblica zitierte am 31. Oktober 1977 aus einer nach Ablauf der Geheimhaltungsfrist gerade veröffentlichten Denkschrift des Nationalen Sicherheitsrates der USA, nach der Washington bereits 1950 Pläne ausarbeitete, in Italien militärisch zu intervenieren, falls es zu einer Beteiligung der Kommunisten an der Regierung kommen sollte. Zehn Jahre später sah man in der CIA bereits Gefahren drohen, als in Rom linke DC-Kreise mit Moro an der Spitze darüber nachzudenken begannen, die in Wahlen geschwächte eigene Partei -die Christdemokraten sanken zwischen 1948 und 1963 von 48,4 auf 38,3 Prozent ab - durch ein Regierungsbündnis mit den Sozialisten, eine sogenannte apertura à sinistra (Öffnung nach links), koalitionsfester zu machen. Während Präsident Kennedy das Projekt befürwortete, lehnte es die CIA, die generell ein entschiedener Gegner der liberal angehauchten Politik des damaligen Präsidenten war, ab. Die Agency stützte sich dabei vor allem auf den" amerikanischen Militärattache in Rom, Anthony Vernon Walters.

Walters war während des Zweiten Weltkrieges in Italien Adjudant bei General Mark Clark, galt später als eine Schlüsselfigur der Defense Intelligence Agency (Militärische Aufklärung) und avancierte, inzwischen im Generalsrang, während Nixons Amtszeit zum stellvertretenden CIA-Direktor. Unter Reagan Sonderbotschafter und danach Chefdelegierter bei den Vereinten Nationen, gleichzeitig Kabinettsmitglied, galt er als ein Meister der Geheimdiplomatie, den die Presse »The lone

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Wolf« (den einsamen Wolf) nannte. Die letzte Etappe seiner Karriere begann Walters 1990 in einer Schlüsselposition der amerikanischen Diplomatie, als Botschafter in Bonn. Während des Krieges in Vietnam war Walters einige Zeit »vor Ort« Augenzeuge. Seine moralische Haltung wird in seinen Memoiren Silent Missions (Vertrauliche Missionen) sichtbar, wenn er notiert, daß diese Intervention, für die unter anderem das Massaker von My Lai ein Synonym war, »einer der nobelsten und selbstlosesten Kriege war, an denen die Vereinigten Staaten je teilgenommen haben.«(S. 279 f.)

Der italienische Historiker Roberto Faenza schilderte in seinem Buch Il malaffare (Das Böse), wie der damalige amerikanische Botschafter in Rom, Frederick Reinhardt, »in den Räumen der Botschaft mit einflußreichen Funktionären eine Serie von Begegnungen inszenierte, um die Linie des Eingreifens im Fall einer Öffnung nach links in Italien zu erörtern«. Als Teilnehmer an diesen Runden nennt Faenza neben Oberst Walters den Chef der CIA-Residentur in Italien, Thomas Karamessines, und Reinhardts Stellvertreter Outerbridge Horsey. In den USA entstand zu dieser Zeit ein Verbindungsnetz aus Männern der Wirtschaft, der CIA, des State Departement, des Pentagon und der NATO, das in US-Dokumenten als Circolo della mafia (Mafia-Clan) bezeichnet wurde. Ihm gehörten unter anderem der Vertreter des amerikanischen Bauunternehmerverbandes John Volpe an, der nach dem Amtsantritt Nixons als Botschafter nach Rom ging, und der Bankier Michele Sindona, Vertrauensmann der Geheimloge P2 und des Vatikans. Volpe mischte sich als Botschafter derartig massiv in die italienische Politik ein, daß ihn die Presse nur als »Mister Colpe« (nach der italienischen Vokabel Colpo für Putsch) titulierte. Seitens der Neofaschisten stieß Rauti später zu dem Clan. Walters vertrat in dem Circolo della mafia den Standpunkt, »daß, wenn der PSI in die Regierung eintrete, die Vereinigten Staaten ohne zu zögern das Land militärisch besetzen müßten« (S. 309).

Im Pentagon und in Langley folgte man Walters Linie und nahm Kurs auf einen Colpo di staato (Staatsstreich). Zum Leiter der Operation erkor die CIA De Lorenzo, einen neofaschistisch orientierten General, Mitglied der Monarchistischen Partei, der später zum MSI überwechselte. Bis dahin Chef des Geheimdienstes Servizio Informazione Forze Armate (militärischer Geheimdienst)13 übernahm De Lorenzo auf Betreiben der CIA einige Zeit später das Kommando über das Carabinieri-

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Korps, mit dem der Putsch bewerkstelligt werden sollte. Dieses Korps schien für die Operation besonders geeignet. Es ist eine kriegsmäßig ausgebildete und ausgerüstete Polizeitruppe, die trotzdem zum Bestand der Armee gehört, aber spezifische innen- und vor allem sicherheitspolitische Aufgaben erfüllt. Die Carabinieri bewachen zum Beispiel den Präsidentenpalast, die Regierungsgebäude, das Parlament und andere Institutionen.

Im Rahmen der Operation De Lorenzos, die den Code »Piano solo« erhielt, leitete Walters persönlich die »psychologische Kriegführung«. De Lorenzo organisierte - wie man heute im Geheimdienstjargon formuliert - einen »Lauschangriff« auf zahlreiche hohe und höchste Persönlichkeiten des Staates, der Parteien - beileibe nicht nur der Kommunisten und Sozialisten. Selbst im Quirinal, dem Amtssitz des Staatspräsidenten, und in der Bibliothek des Vatikans, in welcher der Papst seine Audienzen abhält, ließ er »Wanzen« installieren. Vor allem aber erhielt der General als ein hochrangiger Gefolgsmann der CIA die Aufgabe, die Politiker, die einer »harten Unterdrückungspolitik« gegenüber den Gewerkschaften und den Linken Vorbehalte hegten, entsprechend zu beeinflußen. Für sie wurden, wie die Zeitschrift Giorni Vie nuove 1978 in ihrer Nummer 27 rückblickend schrieb, Berichte fabriziert, die ihnen »ein so schweres Bild vor Augen führten, daß jede Gewaltaktion rechtfertigen konnte«. Der CIA ging es, wie Giorni schrieb, darum, »Italien an den Rand einer Gewaltlösung zu führen, die von rechts und in Übereinstimmung mit Regierungskräften durchgeführt werden sollte«.

De Lorenzo und der »Piano solo«

Der SIFAR-Oberst Renzo Rocca verfaßte dazu nach Instruktionen der CIA »beunruhigende Berichte« über »gefährliche Aktivitäten« der Kommunisten und der Gewerkschaften, die er dem Staatspräsidenten, dem Verteidigungsminister, dem Innenminister und anderen hohen Politikern übermittelte. So fabrizierte Rocca einen Bericht über eine »Sitzung der kommunistischen Führer«, auf der »der Krieg gegen die Regierung« beraten worden sei. »Sie bereiten gegenwärtig die Revolution und die Machtübernahme in den Regionen und im ganzen Staat vor«, schrieb der Oberst und empfahl, »um Italien vor der Machtübernahme der Kommunisten zu retten, eine Sicherheitstruppe unter dem Kommando fähiger und eindeutig vaterlandsliebender Of-

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fiziere des Generalstabes« aufzustellen. Der Bericht habe, so Giorni in der erwähnten Ausgabe, Staatspräsident Antonio Segni »so beeindruckt«, daß er Oberst Rocca persönlich in den Quirinal rief, um mit ihm die Lage zu beraten. Danach erhielt Rocca geheimzuhaltende Sondervollmachten, um eine Sicherheitstruppe aufzustellen. Anschließend flog er nach Langley, um Bericht zu erstatten und neue Instruktionen einzuholen. Sie lauteten, »eine Söldnertruppe für einen künftigen Putsch« aufzustellen. Nach Italien zurückgekehrt, schied Rocca offiziell aus dem SIFAR aus, um besagte Truppe zu rekrutieren. William Harvey, seit Anfang 1963 neuer CIA-Chef in Rom, stellte ihm aus seinem Archiv eine Liste von »etwa 2 000 Mann aus paramilitärischen Formationen der extremen Rechten« zur Verfügung. Harvey empfahl Rocca, wie Faenza schreibt, aus ihren Reihen seine Division aufzustellen (S. 315). Der Oberst hielt sich an die Hinweise. Und so entstanden seine Einheiten vornehmlich aus diesen neofaschistischen Banden, deren Mitglieder wiederum aus der Mussoliniarmee kamen, aus Carabinieri-Einheiten und aus der Polizei. Die Gelder für diese irreguläre Miliz, wie sie in CIA-Akten genannt wurde, kamen ebenfalls aus Langley. Viele der von Rocca geworbenen, vor allem frühere Angehörige der Decima MAS, machten später bei ihrem alten Befehlshaber Borghese mit, als dieser im Dezember 1970 putschen wollte. Giorni meinte in dem erwähnten Bericht, daß aus Roccas Division überhaupt die Gruppen hervorgingen, die später in der von Walters konzipierten Spannungsstrategie eingesetzt wurden. Vor allem aber haben De Lorenzo und Rocca damals, wie Bellu/D'Avanzo darlegen, die Gladio-Strukturen auf- und ausgebaut (S. 155 ff.). Das verdeutlichte auch die 1990/91 in Rom durchgeführte Parlamentsdebatte. In ihr ging es laut einem Bericht der Zürcher Zeitung vom 11. Januar 1991 »um die beiden großen Affären, die aufgelöste Geheimstruktur >Gladio< einerseits, den unter dem Namen >Piano solo« gehandelten Versuch des Geheimdienstchefs De Lorenzo ... andererseits«. Im Rahmen seiner Operation ließ De Lorenzo mit entsprechenden finanziellen Zuwendungen in bekannten Zeitungen Artikel über die »gefährlichen Aktivitäten« der Kommunisten und Gewerkschafter, die Rocca herstellte, lancieren. Zu diesen Zeitungen gehörten unter den damaligen Direktoren Il Corriere della Sera (Alfio Russo), Il Resto del Carlino (Giovanni Spadolino), La Nazione (Enrico Mattei), La Notte (Nino Nutrizio), Il Borghese (Mario Tedeschi), Il Tempo (Renato Angiolillo), Il Sole 24 Ore (Gennaro Pisto-

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lese), Lo Spechio (Nelson Page). Die rechtsradikale Presseoffensive richtete sich nicht nur gegen linksliberale Zeitschriften und Zeitungen wie Giorni (Italo Pietra) oder L'Avveniere d'ltalia (Raniero La Valle), sondern auch gegen die großbürgerliche, zum Fiat-Konzern gehörende La Stampa (Giulio De Benedetti), die zwar zur NATO stand, sich aber, wie es einmal in einem ihrer Berichte hieß, dagegen verwahrte, »Italien wie ein Protektorat der USA zu behandeln«. 1962 führten die CIA und der SIFAR auf ihren Gehaltslisten 34 Redakteure von Zeitungen, Zeitschriften und Agenturen, die in ihrem Sinne Artikel schrieben. Für seinen geplanten Staatsstreich ließ De Lorenzo »schwarze Listen« von »verdächtigen« Funktionären der linken Parteien, Gewerkschaftsführern, Antifaschisten und Politikern bürgerlicher Parteien anlegen. Unter der unglaublichen Zahl von 175 000 Personen befanden sich selbst der später zum Präsidenten gewählte Sozialdemokrat Saragat, Minister und hohe Regierungsbeamte, als »unzuverlässig« eingestufte Offiziere und sogar Bischöfe. Die Personen sollten im Falle des Staatsstreiches verhaftet und auf zwei Sardinien vorgelagerte Inseln gebracht werden, wo vorgesehen war, sie in Konzentrationslager einzusperren. Manche der Verhafteten sollten aber auch nach den bereits erwähnten Gladio-Vorstellungen gleich umgebracht werden. Es war dieses Vorgehen, das Oberst Rocca Jahre später in einen Konflikt mit der CIA brachte, der tödlich für ihn endete. Rocca war ein rechtsradikaler Offizier, ein treuer Gefolgsmann der CIA, der auch mit den Neofaschisten zusammenarbeitete. Er war bereit, mitzuhelfen, ein Militärregime an die Macht zu bringen. Aber er hatte Skrupel, politische Gegner per Massenmord auszuschalten, vor allem aber, Unschuldige umzubringen, wie es die für die Spannungsstrategie konzipierten Aktionen vorsahen. Er kam mit Leuten von Gladio zusammen, die schon bei Übungen vorhatten, »gleich mal alle auffindbaren Kommunisten umzubringen «.'Rocca behielt diese Bedenken nicht für sich, was zur Folge hatte, daß er am 27. Juni 1968 in seinem Büro in der Via Barberini erschossen wurde. Bellu und D'Avanzo führen ein halbes Dutzend hochrangiger Militärs und Geheimdienstleute an, die auf diese Weise aus dem Wege geräumt wurden. Darunter General Giorgio Manes, der sich gegen De Lorenzo stellte und vor der Parlamentskommission, die den Fall untersuchte, aussagen wollte. General Carlo Ciglieri, Nachfolger De Lorenzos, kam 1969 bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben. Dabei verschwand eine Aktentasche mit geheimen Unter-

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lagen über den »Piano solo« und die Rolle des Carabinieri-Korps. Man hatte befürchtet, schreiben Bellu und D'Avanzo, Ciglieri würde über die Staatsstreichpläne seines Vorgängers aussagen (S. 201 f.). Nachdem Aldo Moro im Dezember 1963 die erste Regierung mit den Sozialisten und Sozialdemokraten sowie Republikanern gebildet hatte, forcierte De Lorenzo seine Operation. Sie sollte im Sommer 1964 ausgelöst werden. Er beharrte darauf, das Unternehmen nur mit den Carabinieri, gedeckt vom SIFAR, durchzuführen. Das stieß in der nun anlaufenden Endphase auf Widerstand, vor allem in Kreisen des Generalstabes des Heeres, die sich an den Rand gedrängt fühlten und befürchteten, von den künftigen Schalthebeln der Macht ausgeschlossen zu werden. Es handelte sich keineswegs um verfassungstreue Militärs. Nicht wenige der Opponenten De Lorenzos, wie der später putschbereite Heeresgeneral Ricci, hielten ganz einfach einen der ihren für berufener zum künftigen »starken Mann« des Staates.

1963  war es Moro - noch zu Lebzeiten Kennedys - gelungen, sich in den USA eine bestimmte Unterstützung für seine apertura à sinistra zu sichern. Er hatte vor allem verdeutlichen können, daß sich der PSI vom PCI getrennt hatte und von einem bevorstehenden kommunistischen Machtantritt keine Rede sein konnte. Die Company blies den »Piano solo« zunächst ab. Anlaß dazu war nicht zuletzt, daß bereits im Juni

1964 Indiskretionen über einen Piano an die Öffentlichkeit gelangten. Interessanterweise bildete den Auftakt ein Bericht des Korrespondenten der Welt, Friedrich Meichsner, der am 25. Juni aus Rom über »Unruhe im italienischen Offizierskorps und der Gefahr eines Staatsstreiches von rechts« schrieb.

Nähere Einzelheiten über das verfassungsfeindliche Treiben De Lorenzos, der mit 20 000 Carabinieri losschlagen wollte, drangen erst 1966 an die Öffentlichkeit. Jetzt kamen die »Lauschangriffe« auf führende Politiker, über die der SIFAR 157000 Dossiers angelegt hatte, und die »schwarzen Listen« zur Sprache. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß, den die linke Opposition forderte, mußte sich mit der Affäre befassen. 1971 legte er einen Bericht vor, der jedoch für die meisten der Beteiligten, von denen viele ohnehin nicht aufgespürt worden waren, ohne Konsequenzen blieb. De Lorenzo, der bereits 1966 seinen Hut als Carabinieri-Chef hatte nehmen müssen, blieb völlig ungeschoren. Die von ihm angelegten Dossiers sollten vernichtet werden. Als sich zehn Jahre später ein Parlamentsausschuß mit der

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Verschwörung der P2 befassen mußte, wurden Kopien der Dossiers bei einer polizeilichen Durchsuchung in der Wohnung des Logenchefs Gelli gefunden. De Lorenzo trat 1971 auch offiziell dem MSI bei, kandidierte bei den Wahlen 1972 auf dessen Liste und zog als Abgeordneter ins Parlament ein.

30 000 CIA-Agenten in Italien

Im Pentagon und der NATO existierten diverse Pläne, nach denen im Falle einer Linksentwicklung Militärs, unterstützt von neofaschistischen Banden, die Macht an sich reißen und notfalls von Verbänden des Paktes unterstützt werden sollten. Bekannt geworden sind der »OPLAN 100-1«, die »Operation Prometheus«, die »Akte 70/5«, das »Dokument Field manual 30-31«. Nach dem »OPLAN 100-1« lief der Putsch der Obristen 1967 in Athen ab. Nachdem die Operation in Griechenland erfolgreich verlaufen war, wertete die NATO die gewonnen Erfahrungen aus und präzisierte die »nationalen« Putschvarianten. Sommer 1970 - zu diesem Zeitpunkt bereitete der Mussolini-Offizier Borghese seinen Putsch vor - beabsichtigte die NATO, wie der Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, Albert Wucher, am 22. Juni desselben Jahres aus der italienischen Hauptstadt berichtete, eine »Eingreif-Division« der NATO nach Italien zu verlegen. Den entsprechenden Vorschlag hatte der stellvertretende Generalsekretär des Paktes, Joerg Kastl (BRD), unterbreitet. »Angesichts der Schwäche der italienischen Demokratie und der geringen politischen Stabilität in diesem Land«, zitierte Wucher aus dem Kastl-Dokument, waren »die Verbündeten dafür, daß die Kräfte der NATO auf dem italienischen Territorium durch zusätzliche Einheiten verstärkt werden sollten«. Die Proteste nicht nur der linken Opposition, sondern selbst aus den Regierungsparteien verhinderten, daß der BRD-Vorschlag verwirklicht wurde. Nach dem Linksruck beiden Regionalwahlen 1975 (33,4 Prozent Stimmen für den PCI) führte die NATO 1976 vor den Parlamentswahlen in Italien Manöver durch. Aus der BRD wurde dazu der Spezialverband Crack down (Durchgreifen) nach dort verlegt. Es handelte sich, wie Panorama später in seiner Nr. 267/1978 schrieb, um eine »für rasche Unterdrückungsaktionen« gedrillte Truppe, die auch nach den Manövern in Italien verblieb.

Die Bedeutung Italiens als Südflanke und strategische Mittelmeerbasis der NATO stieg noch, als in Griechenland die Obristendiktatur wieder

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gestürzt wurde, die Türkei damals Vorbehalte gegenüber der NATO anmeldete und in Spanien und Portugal die faschistischen Regimes zusammenbrachen. Wenn der Beitrag Italiens fehlen würde, gäbe es »keine ausreichenden Alternative«, zitierte die rechte römische Zeitung Il Tempo am 26. Februar 1978 den NATO-Befehlshaber Europa-Süd, General Shear.

Die entscheidende Zentrale, diese Flanke zu kontrollieren, war seit ihrer Gründung 1947 die CIA und vorher ihr Vorläufer, das 1942 geschaffene Office of Strategie Service (Amt für strategische Dienste). Zur Leitung ihrer subversiven Operationen schickte die Company ihre erfahrensten Agentenführer nach Italien. Von Vernon Walters, einem Spezialisten für »subversive Techniken«, der auch als »Wissenschaftler« für Fragen des Bürgerkrieges, für das Planen und Auslösen von umstürzlerischen Operationen galt, war bereits die Rede. Der ebenfalls schon genannte John McCone war, wie auch der CIA-Direktor William Colby, viele Jahre als Resident in Rom eingesetzt. Colby hatte in Vietnam das »Phönix« genannte »Befriedungsprogramm« der CIA geleitet, das dort 20 000 Menschen das Leben kostete. William Meriam, offiziell Vizepräsident der ITT International Sales Corperation, der für die CIA in Chile die Wirtschaftssabotage gegen Allende organisiert hatte, knüpfte in Italien entsprechende wirtschaftliche Kontakte im schwarzen Gewebe. Im Rahmen der Spannungsstrategie war in den 70er Jahren Marcus Raskin, Generaldirektor des Institute for Policy Studies, in Rom. Das von Rockefeller gegründete und finanzierte Institut unterstützte seit Mitte der 60er Jahre antikommunistische Terrorgruppen in Westeuropa, darunter vor allem in Italien. Raskin kam aus der Abteilung »verdeckte Operationen« der Company, die viele Jahre General William Tarborough leitete.

Neben Walters gehörte Tarborough zu den Experten, die die Spannungsstrategie ausgearbeitet hatten, darunter auch die Regeln, nach denen neofaschistischer Terror »links« getarnt wurde. Raskin war seit Anfang der 70er Jahre der Mann, der in linksextreme Gruppen wie die Brigate Rosse (Rote Brigaden) Polizei- und Geheimdienstagenten, darunter viele Neofaschisten, einschleuste. Raskin zur Seite standen in Italien drei CIA-Spezialisten namens Eddi Grevillz, Erik Fulbright und Rene Polanski.

Zu Zeiten der Spannungsstrategie unterhielt die CIA in Italien ein etwa 30 000 Agenten und Informanten zählendes Heer, das in allen Berei-

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chen des gesellschaftlichen Lebens, von der Armee und den Geheimdiensten über Politik und Wirtschaft bis zur Kultur und Wissenschaft involviert war. Der Espresso schrieb 1976 in seiner Nummer 4, daß allein in den Räumen der amerikanischen Botschaft in Rom ungefähr 100 Mitarbeiter für Langley tätig seien.

Der Bericht führte den Chef der politischen Abteilung der Botschaft, Dr. Hugh Montgomery, als führenden Kopf der CIA-Mitarbeiter in Rom an. Er war offiziell freier Dozent in Harvard und seit November 1975 zum zweitenmal in Italien im Einsatz. Der Espresso war in diesen Tagen nicht die einzige Zeitschrift oder Zeitung, die CIA-Aktivitäten enthüllte. Paese Sera, La Repubblica und andere meldeten sich zu Wort, darunter auch La Stampa, die erklärte, 18 CIA-Mitarbeiter namentlich zu kennen, sie aber nicht publik machen wollte. Die Berichte stützten sich fraglos auf Informationen aus Geheimdienstkreisen. Offensichtlich gab es weiterhin Militärs wie Rocca, Manes oder Ciglieri, denen das Treiben der CIA und ihrer italienischen Handlanger in der Spannungsstrategie zu weit ging. Nicht außer Acht gelassen werden sollte, daß es auch in Armee- und Sicherheitskreisen Personen gab, die zur verfassungsmäßigen Ordnung standen und der dazu stehenden Presse entsprechende Informationen zuspielten. Erinnert sei an General Nino Pasti, der sich in den 70er Jahren aktiv für eine Entspannung der Ost-West-Konfrontation einsetzte. Auch Leute wie der Christdemokrat Aldo Moro verfügten natürlich, das war schon sichtbar geworden, als der Putschversuch De Lorenzos scheiterte, über Kontakte zu gleichgesinnten Personen, zum Beispiel im Offizierskorps, und nutzten sie. Solche Verhaltensweisen waren schließlich Grundlage dafür, daß in den 70er und 80er Jahren alle Versuche des gewaltsamen Umsturzes scheiterten.

Nicht zu übersehen ist, daß es den Kräften des Umsturzes trotz der Fehlschläge immer gelang, Teilerfolge zu erzielen und die politische Achse Schritt für Schritt nach rechts zu verschieben. So schätzte man das seitens der Neofaschisten auch selbst ein. Der Espresso zitierte am 29. Januar 1989 einen der führenden Köpfe des Borgheseputsches vom Dezember 1970 namens Gaetano Lunetta wie folgt: »Es ist ein Irrtum, beim Putsch Borgheses nur von einem >Versuch< zu sprechen. Das politische Resultat, das mit diesem Umsturz erreicht werden sollte, ist erreicht worden: Die Politik Aldo Moros wurde auf Eis gelegt, der PCI von der Regierung ferngehalten, die absolute Treue zur pro-atlan-

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tischen, pro-amerikanischen Politik garantiert. Die Wahrheit ist also, der Staatsstreich ist verwirklicht worden.«

Der Espresso erwähnte auch, daß über Montgommery Gelder aus Langley nach Italien flossen. Natürlich nicht nur über ihn und nicht erst seit er in Italien diesem uralten Gewerbe nachging. Schon in den ersten Nachkriegsjahren finanzierte die Company Politiker und Parteien, Massenmedien, die ihr für ihre antikommunistische Politik nützlich schienen, ebenso wie Terroristen, putschbereite Generale und nicht zuletzt die Neofaschisten. Wie 1976 der International Herald Tribune in seiner Ausgabe vom 7. Januar andeutete, flossen seit dem Machtantritt der Militärjunta in Griechenland beträchtliche Summen aus Langley via Athen nach Rom in die Kassen der Verfassungsfeinde. Als Borghese seinen Colpo vorbereitete, übergab Botschafter Graham Martin dem in die Pläne eingeweihten Geheimdienstchef Miceli 500 Millionen Lire, damals über zwei Millionen Dollar, die dieser an den Neofaschistenführer Rauti weitergab. Mit den Geldern wurden unter anderem etwa 50 Politiker bestochen, die die Umsturzpläne deckten. Von den Zahlungen an Miceli soll auch der damalige Außenminister Kissinger gewußt und sie gebilligt haben.

In den USA sprudelten jedoch auch weitere Quellen für die Neofaschistischen. Die multinationale Exxongruppe, damals umsatzstärkster Erdölkonzern der Welt, zahlte Anfang der 70er Jahre 47 Millionen Dollar an die rechten Parteien Italiens einschließlich der Neofaschisten. Als Geldgeber wurden die amerikanische Brokerfirma Merril Lynch, Pierce Fenner and Smith, die in Rom eine Filiale unterhielt, und die Feed Grain Council, ein Agrarunternehmen, ebenfalls in Rom vertreten, bekannt. Große Summen erhielt die Sozialbewegung von dem bereits erwähnten Institute for Policy Studies. Einen mächtigen Geldgeber besaß der MSI in der Gulf and Western Bank, der Zentrale zahlreicher Erdölkonzerne, die auch das Kapital der amerikanischen Mafia, der Cosa nostra, verwaltete. Die Zentrale, über die die Gelder aus den USA nach Rom flossen, war die Continental Illionois Bank, deren enormes Kapital zum großen Teil aus der Rüstungsindustrie stammte.

»Eine energische Operation der Streitkräfte durchziehen«

Der Erfolg der Obristen in Griechenland stachelte die CIA und die einheimischen Rechtsradikalen erneut an, zu versuchen, in

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Rom einer ähnlichen Diktatur in den Sattel zu verhelfen. Aus den Reihen der Neofaschisten fühlte sich vor allem der frühere MSI-Präsident und nunmehrige Führer der Nationalen Front, Valerio Borghese, dazu berufen, an die Spitze einer römischen Militärjunta zu treten. Sein Namensblatt Il Borghese propagierte den schwarzen Fürsten offen als »den Pattakos für Italien«. Rauti fuhr im April 1968 nach Athen, traf sich mit Georghis loannidis, dem starken Mann der Junta, um griechische Erfahrungen zu studieren. Im Vorfeld des neuen Colpo wechselten die USA ihren Botschafter in Rom aus. In die italienische Hauptstadt kam der bereits erwähnte Graham Martin, ein Vertrauensmann der CIA, der vorher von den US-Stützpunkten in Thailand aus im Rahmen der militärischen Intervention gegen Indochina in Laos und Nordvietnam den Bandenkrieg der CIA organisiert hatte. Der Espresso kam 1978 der Rolle Martins auf die Spur und zitierte in Nummer 12 dessen Weltgendarmen-Standpunkt, nach dem »ein militärischer Eingriff in die Politik eines anderen Staates einschließlich eines Putsches zulässig ist, wenn alle anderen Mittel, das Anwachsen der KP zu blockieren, fehlschlagen«.

Gemäß dieser Linie nahm der amerikanische Militärattache Kontakte zu hohen italienischen Militärs auf, um zu erkunden, »wie sie sich verhalten würden, wenn es nötig sein sollte, eine energische Operation der Streitkräfte durchzuziehen«.14 Für den Fall, daß die neofaschistischen Bürgerkriegsbanden und profaschistischen Teile der Armee nicht »Herr der Lage« werden sollten, plante die NATO, selbst militärisch zu intervenieren.

In die Verschwörung, die den Code »Tora Tora« erhalten hatte, waren rund 400 hohe Militärs, darunter zahlreiche Generale und Truppenkommandeure, eingeweiht. Die Kommandeure von drei Panzerverbänden, darunter Einheiten aus Rom und Neapel, hatten zugesagt, Borghese zu unterstützen. Vom Generalstab des Heeres erhielten die Befehlshaber der Militärbezirke unmittelbar vor dem geplanten Putschbeginn Befehl, ihre Truppen für eventuelle Operationen bereitzuhalten. Aus der Tatsache, daß die Putschisten ungehindert in den Viminale, den Sitz des Innenministeriums, eindringen konnten, da ihnen eingeweihte Posten die Tore öffneten, ging hervor, daß auch Kräfte der Carabinieri einbezogen worden waren.

Aus den NATO-Stäben erhielt Borghese Rückendeckung durch den Oberbefehlshaber der Seestreitkräfte Südeuropa, Admiral Birindelli.

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Der Chef des SID, General Miceli, deckte die Putschisten ebenfalls. Leitende Mitarbeiter des Innenministeriums und des Verteidigungsministeriums wußten, daß etwas im Gange war. Selbst der sozialdemokratische Verteidigungsminister Tanassi war auf dem laufenden. »Tora Tora« sollte in der Nacht vom 7. zum 8. Dezember 1970 ausgelöst werden. In einer Villa im römischen Stadtbezirk Parioli, einer Hochburg führender Neofaschisten, und in unmittelbarer Nähe einer Carabinieri-Kaserne hatte Borghese am 7. Dezember sein Hauptquartier aufgeschlagen. Um 21.30 Uhr standen etwa 300 Mann bereit, seine Befehle auszuführen. Sie stellten, nach eigenen Erklärungen Borgheses, die Spitze der Diktatur dar, die er errichten wollte. Der Fürst sollte sofort nach Beginn der Operation zum Staatspräsidenten ausgerufen werden. Eine Polizeieinheit war bereits zur staatlichen Rundfunk-und Fernsehanstalt RAI unterwegs, um sie zu besetzen und die Proklamation Borgheses sowie weitere Erlasse der Putschisten zu verkünden. Wie im Falle des »Piano solo« war eine Verhaftungswelle größten Ausmaßes vorgesehen.

Die Operation »Tora-Tora« war bereits zwei Stunden angelaufen, als sie von der CIA abgeblasen wurde. Über die Hintergründe dieses Rückzuges drangen später nur spärliche Informationen an die Öffentlichkeit. So hieß es, daß Borghese von den aktiv an der Vorbereitung des Umsturzes beteiligten Obristen in Athen gedrängt worden sei, den Putsch rascher auszulösen. Borghese habe ohne letzte Abstimmung mit seinen amerikanischen Hintermännern losgeschlagen, denen, wie Harald Irnberger in seinen Terrormultis schrieb, »das von Papadopoulos (Regierungschef der Militärjunta in Athen - d. Verf.) vorgelegte Umsturztempo doch etwas zu forsch« war, was dazu führte, daß der Fürst »zurückgepfiffen« wurde (S. 215). Die Zeitschrift Giorni schrieb Jahre später in ihrer Nr. 29/1978, der »Rückzugsbefehl« sei von dem Geheimdienstchef Miceli, dem wichtigsten Gewährsmann der Amerikaner, gekommen. Er habe Borghese angerufen und ihm mitgeteilt, daß »die Armee sich nicht in Bewegung setzen wird«. Mit »schneidender Stimme« habe der SID-General befohlen: »Zieht Euch an der ganzen Front zurück und tut so, als sei nichts geschehen.« Der Abbruch des Colpo spiegelte auch Meinungsverschiedenheit in CIA- und Pentagon-Kreisen wider. Damit hatten sich jene Leute durchgesetzt, die erst die Spannungsstrategie weiter forcieren und besonders den Linksextremismus schüren wollten. Dazu hatte das Pentagon drei

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Wochen vorher, am 18. November 1970, das Dokument »Field manuel 30-31« erlassen.

»Windrose« - das Programm für den »Tag X«

Bei den Parlamentswahlen 1972 bestätigten die Kommunisten mit einem Anstieg auf 27,2 Prozent ihren starken zweiten Platz hinter den Christdemokraten (38,8). Wahlergebnisse für Kommunisten, wenn sie die 10-Prozent-Grenze überschritten, wirkten auf die Männer an den Schalthebeln in Langley und im Pentagon wie das rote Tuch auf den Stier. Überschritten sie dann die 20-Prozent-Marke, traten nahezu automatisch die in den NATO-Konzeptionen und CIA-Plänen festgelegten »Eingreifmaßnahmen« zur »Lösung der kommunistischen Frage« in Aktion. So auch nach den 72er Ergebnissen. Der Putschmechanismus, der diesmal anlief, stand unter dem Kennwort »Windrose«. Daniele Barbieri zitiert in seiner Agenda nera den Los Angeles Herald Examiner, der kurz nach den Wahlen ungeniert fragte, ob das militär-faschistische Regime in Athen für Italien nicht »ein gutes Modell« sei. »Das Problem besteht heute darin, zu entscheiden, ob unser NATO-Verbündeter Italien in der Lage ist, allein gegen eine rote Revolution ungeahnten Ausmaßes vorzugehen, oder ob die Situation nicht besser von den Carabinieri, den bewaffneten Kräften, der Armee in die Hand genommen werden sollte.« (S. 268) Ihre Bereitschaft, entsprechend loszuschlagen, hatten schwarze Offiziere und Neofaschisten schon lange vorher demonstriert. Im März 1971 waren sie mit General De Lorenzo und zahlreichen weiteren hohen Offizieren an der Spitze zu Tausenden durch die Straßen von Rom gezogen und hatten skandiert: »Nach Ankara und Athen ist jetzt Rom an der Reihe,... die Macht den Militärs, wir wollen Obristen,... gegen die Verständigung mit den Kommunisten, schicken wir Panzer und Fallschirmjäger.« Weiteren Auftrieb erhielten die schwarzen Verschwörer durch den Machtantritt der Junta unter General Pinochet im September 1973 in Chile. Sie forcierten das Tempo, um einen »Tag X« auszulösen. Ein weiteres Mal waren es antifaschistische und demokratische Kräfte, die zweifelsohne auch über Kontakte zu gleichgesinnten Kreisen in der Polizei und Armee verfügten, die diese Pläne öffentlich enthüllten, bevor sie in Gang gesetzten werden konnten. Mitte November 1973 erschienen die ersten Berichte in den Medien. Nur Stück für Stück und sicher sehr unvollständig kamen, sich über

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Jahre hinziehend, Einzelheiten über das bis dahin gefährlichste Komplott, das in Rom eine Junta wie in Griechenland oder Chile an die Macht bringen sollte, ans Licht. Wenigstens 15 Generale und Dutzende weitere hohe Offiziere befanden sich unter den Putschisten. Dazu zählten fünf Geheimdienstgenerale mit dem damaligen Chef des SID, General Miceli, an der Spitze, der bereits in den Borgheseputsch eingeweiht gewesen war. Zu ihnen gehörten weiter der Chef des Generalstabes, Admiral Eugenio Henke, der Generalstabschef der Luftwaffe, General Dulio Fanali, sein Stellvertreter General Giuseppe Casero und der Befehlshaber der Militärregion von Salerno, Brigadegeneral Ugo Ricci. Valerio Borghese hatte sich von Spanien aus, wohin er nach seinem gescheiterten Putsch von 1970 geflohen war, aktiv an der Verschwörung beteiligt.

Unter dem Druck der demokratischen Öffentlichkeit mußte die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung einleiten. Bis Ende 1974 ergingen gegen über 90 Rädelsführer Haftbefehle, gegen mehrere Hundert wurde ermittelt. An der schwarzen Verschwörung war auch der ehemalige Nationalsekretär der Republikanischen Partei und frühere stellvertretende Ministerpräsident, Randolfo Pacciardi, beteiligt. Pacciardi, der im spanischen Bürgerkrieg auf seiten der Republikaner gekämpft hatte, war eine der schillernsten Figuren des schwarzen Komplotts. Bereits Anfang der 60er Jahre trat er, der sich zum italienischen De Gaulle berufen fühlte, für ein Regime der »starken Hand« ein. Als seine Partei 1963 in die Centro Sinistra-Regierung Moros eintrat, lehnte er das offen ab, worauf er aus der Partei ausgeschlossen wurde. Daraufhin gründete er eine eigene Gruppierung Nuova Repubblica (Neue Republik), gab eine gleichnamige Zeitschrift heraus und knüpfte Kontakte zu rechten und rechtsradikalen Kreisen, darunter zu Neofaschisten. Zu seinen engsten Mitarbeitern gehörte ein gewisser Luigi D'Amato, der zwei auf der äußersten Rechten stehende Zeitungen herausgab, La Vita und Il Fiorino, selbst in Il Tempo schrieb und enge Kontakte zu Rautis Neuer Ordnung unterhielt. Er galt auch als ein Vertrauensmann De Lorenzos. 1970 hatte Piaccardi vor dem Putsch Borgheses eine Präsidialrepublik gefordert und vorgeschlagen, das Parlament aufzulösen. 1971 nahm er an einer Beratung hoher Militärs aller Waffengattungen, unter ihnen der Befehlshaber der Carabinieri, General Corrado Sangiorgio, über »unorthodoxe Kriegführung« teil. Nicht wenige Kenner der Putschszene in Rom meinten damals,

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daß Piaccardi selbst gehofft habe, am »Tag X« an die Spitze einer Militärjunta gestellt zu werden.

Die Putschpläne der »Windrose« ähnelten in vielem den Aktionen, die schon Borghese vorgesehen hatte: Besetzung wichtiger Ministerien und strategischer Punkte, darunter die RAI, Bereitstellung von Waffen für die neofaschistischen Banden, erforderlichenfalls Einsatz von NATO-Verbänden. Bei vielen Akteuren stellte sich heraus, daß sie dieselben Aufgaben bereits im Dezember 1970 übertragen erhalten hatten und manche Teilnehmer auch schon bei De Lorenzo dabei gewesen waren. Die Putschisten hatten eine »operative Zentrale« gebildet, deren Hauptquartier sich in Padua befand, im strategischen Dreieck Verona-Vicenza-Bolzano, wo zwei Drittel der italienischen Streitkräfte, die wichtigsten NATO-Verbände und auch die in Italien befindlichen Atomwaffen der USA stationiert sind.

Bei der Untersuchung der »Windrose« tauchten die verschiedensten neofaschistischen Organisationen auf: Ordine Nuovo, La Fenice, Avanguardia Nazionale, Movimento d'Azione Rivoluzionaria, Fronte Nazionale, um nur einige zu nennen. Besonderes Aufsehen erregte in der Öffentlichkeit ein Italia Unita (Vereinigtes Italien) genannter Verein, dessen Präsident, Adamo Degli Occhi, sich unter den verhafteten Verschwörern befand. In dem Klub hatten sich Christdemokraten, Neofaschisten, Großagrarier und Unternehmer zusammengefunden und mit der »Windrose« zusammengearbeitet. Es war eine Organisation, die in frappierender Weise der Linie der P2 entsprach. Giorgio Galli weist in seinem 1994 erschienenem Buch Staatsgeschäfte -Affären, Skandale, Verschwörungen darauf hin, daß die Untersuchungen dieser Jahre bereits »klar in Richtung der Geheimloge P2« deuteten und die Linie der Loge »an dieselbe Strategie der Angstmache bezüglich des PCI und der >roten Gefahr« gebunden war«, die sich seit dem Attentat auf der Piazza Fontana zeigte (S. 216). Ein ausschlaggebender Bestandteil in den Putschplänen waren Aktionen der Spannungsstrategie. 1973 fanden allein gegen Büros und Versammlungsräume demokratischer Parteien und Organisationen, darunter vor allem der Kommunisten, 106 Attentate statt. Im April dieses Jahres provozierten Neofaschisten im Zentrum von Mailand bürgerkriegsähnliche Kämpfe, bei denen ein Polizist getötet wurde. Am 17. Mai kamen bei einem Sprengstoffanschlag vier Menschen ums Leben, 47 wurden schwer verletzt. Ziel des Anschlages war, den damaligen

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Ministerpräsidenten Rumor (DC), der sich mit dem Polizeipräsidenten und dem Oberbürgermeister der Stadt sowie weiteren Politikern in dem Gebäude aufhielt, zu ermorden. Der Attentäter, ein bekannter Mann des MSI und der Neuen Ordnung namens Gianfranco Bertoli, gab sich als Anarchist aus, um die Spur nach links zu lenken. Er war 22mal wegen Terroranschlägen, Raub und Diebstahl angeklagt worden. In den 50er Jahren gehörte er der von der CIA bezahlten Organisation Pace e Libertà (Frieden und Freiheit) an. Während der Ermittlung in Sachen »Windrose« kamen seine Kontakte zu der Putschzentrale ans Licht.

Am »Tag X« sollte durch die Aktionen der Spannungsstrategie ein regelrechtes Chaos geschaffen werden, um den Vorwand zu liefern, ein Militärregime zu errichten. Geplant waren Sprengstoffanschläge auf Eisenbahnlinien, Brücken, Erdölleitungen, Elektrizitätswerke und andere lebenswichtige Einrichtungen. Wie die Zeitung des PSI, Avanti, am 3. November enthüllte, gab es den ungeheuerlichen Plan, die öffentliche Trinkwasserversorgung einer oder mehrerer Städte zu vergiften. Die Neofaschisten wollten einen regelrechten Mordterror gegen die Führungen des PCI und des PSI, die Gewerkschaften, gegen Senatoren und Abgeordnete, antifaschistische Organisationen, Journalisten und Künstler entfachen. Die aufgefundenen Mordlisten umfaßten 1617 Namen, darunter Enrico Berlinguer und Luigi Longo (PCI), Sandro Pertini, Präsident der Abgeordnetenkammer, und Francesco De Martini (PSI), die Minister Emilio Taviani und Guilio Andreotti (DC), die Künstler und Schriftsteller Alberto Moravia und Pier Paolo Pasolini. Alle sollten in der Putschnacht in ihren Häusern umgebracht werden. Taviani, ein erbitterter Gegner der Linken, war auf die Mordliste geraten, weil er als Innenminister bei den polizeilichen Untersuchungen zugegeben hatte, daß sogenannte »linke« Terrorakte von Neofaschisten organisiert worden waren. Nach den bei einem derartigem Blutbad zu erwartenden Kampfaktionen der Arbeiter sollten Armee und Polizei gegen die »rote Gefahr« vorgehen.

Erst am 31. Oktober 1974 setzten die Untersuchungsorgane durch, daß Miceli verhaftet wurde. Bezeichnenderweise sollte er - als »völlig unbescholten« - gerade zum Befehlshaber der III. Armee in Norditalien ernannt werden. Der Haftbefehl, den der Paese Sera in seiner Ausgabe vom 1. November 1974 wiedergab, beschuldigte ihn, »zusammen mit anderen Personen eine Geheimorganisation von Militär- und

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Zivilpersonen mit dem Ziel gegründet zu haben, einen bewaffneten Staatsstreich auszulösen«. Ziel sei »die Beseitigung der gegenwärtigen Staatsordnung und der Regierung Italiens ... unter Verwendung eines Teils der Streitkräfte« gewesen. Mit Miceli waren innerhalb von neun Jahren vier Geheimdienstchefs, außer ihm die Generale Giovanni De Lorenzo, Eugenio Henke und Giovanni Allavena, führende Köpfe neofaschistischer Putschversuche gewesen. Viele der Verschwörer waren geflohen, bevor gegen sie Haftbefehle ergingen, unter ihnen General Casero, der Luftwaffenoberst Giuseppe Lo Vecchio, der Führer der Avanguardia Nazionale, Delle Chiaie. Der am Putschversuch beteiligte Resereveoffizier Sandra Saccucci konnte - wie andere Komplizen auch - nicht verhaftet werden, da er als MSI-Abgeordneter parlamentarische Immunität genoß. Der Mann war Mitglied des Verteidigungsausschusses der Abgeordnetenkammer, aus dem er auch nicht ausgeschlossen wurde, und so nahm er als beteiligter Verschwörer an den Untersuchungen des Falles »Windrose« teil. Erst nach einer langwierigen Prozedur wurde seine Immunität aufgehoben und er verhaftet. Die aktive Teilnahme von NATO und CIA kam bei den Untersuchungen nicht zur Sprache, wurde allenfalls mit »ausländischen Kontakten« umschrieben. Die Beschuldigten weigerten sich, zu diesen Verbindungen auszusagen, und beriefen sich dabei auf die Bestimmungen der Geheimhaltung dieser Zentralen als auch ihrer eigenen Dienste als Bestandteile des Paktes. Die Washingtoner Hintermänner honorierten das, indem sie ihre schützende Hand über die Putschisten hielten. Das Mailänder Nachrichtenmagazin Panorama enthüllte bereits Ende 1974 in seiner Nummer 457, daß offizielle US-Kreise massiven Druck auf die italienische Regierung und Justiz ausübten, um zu verhindern, daß die schwarzen Verschwörer vor Gericht kommen. Kein geringerer als der damalige Außenminister Henry Kissinger »empfahl« bei einem Besuch in Rom dem Ministerpräsidenten, mit Miceli »vorsichtig zu verfahren«. In Washington befürchtete man, der General könnte sonst, um seine Haut zu retten, über die Kontakte zum Pentagon, zur CIA, zur NATO und auch zu anderen verbündeten Geheimdiensten aussagen. Bereits kurze Zeit nach Kissingers Besuch in der italienischen Hauptstadt wurde Miceli aus der Untersuchungshaft entlassen. Das erfolgte, obwohl es, wie danach in der Neuen Zürcher Zeitung vom 2. Mai 1975 nachzulesen war, dem »prominenten General« nicht gelungen war, »die Anschuldigungen Punkt für Punkt zu widerlegen«.

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Schwarzer Geist im Esercito

Daß hohe Militärs an der Spitze der Versuche standen, die verfassungsmäßige Ordnung zu stürzen, war eine direkte Folge der nach 1945 verhinderten Säuberung der bewaffneten Kräfte wie des gesamten Staatsapparates, der Justiz und des öffentlichen Lebens von aktiven Faschisten. So gelangten unzählige Mussolini-Offiziere auf leitende Posten in den Streitkräften der Republik. Ihre Einheiten und Stäbe stellten sie, »solange der Vorrat reichte«, vorwiegend aus den Reihen ihrer alten Kameraden zusammen und trugen mit ihnen den »schwarzen Geist« ins Esercito (Heer), in die Geheimdienste sowie die Polizei und infizierten mit ihm auch große Teile der kommenden Generationen. A. und G. Cipriano legen dar, daß das OSS unter Leitung von James Angleton nach Kriegsende die Offiziere und Agenten des faschistischen Geheimdienstes in Spezialeinheiten zusammenfaßte und aus ihnen später den Geheimdienst SIFAR und danach ebenfalls die Gladio-Strukturen formierte (S. 19). Aufschlußreich sind auch die Biographien der Altfaschisten, die in der Italienischen Republik die höchsten Stufen der Militärhierarchie erklommen.

Vito Miceli, der seine Offizierskarriere als Teilnehmer an der Aggression des faschistischen Italien gegen Äthiopien begann, ist ein typischer Vertreter der Offiziere, die, aus der Mussoliniarmee kommend, ohne ihre Gesinnung zu wechseln, in die Streitkräfte der Italienischen Republik übernommen wurden. Nachdem die NATO gegründet worden war, absolvierte er deren Defence-College. »Unter den Freunden der NATO geschätzt«, stand Miceli, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 22. Dezember 1974 schrieb, politisch immer hinter denjenigen, die sich bei einer Linksentwicklung »bis zum letzten Blutstropfen gegen eine solche Regierung schlagen würden, um die Lage wiederherzustellen«. Nachdem er aus der Haft entlassen worden war, trat Miceli 1976 auch offiziell der neofaschistischen Partei bei, wurde in ihr Zentralkomitee aufgenommen und zog im selben Jahr bei den Wahlen als ihr Abgeordneter ins Parlament ein. Seine Wahlkampagne finanzierte Washingtons Botschafter in Rom, Graham Martin. Admiral Gino Birindelli, ehemaliger MSI-Vorsitzender, langjähriger Oberbefehlshaber der NATO-Seestreitkräfte Europa Süd, sagte zu seiner Vergangenheit als faschistischer Offizier: »Ich glaube an die faschistischen Ideale. Ich bekenne mich dazu und ich bereue es nicht. Und wenn ich mein Leben nochmals von vorn beginnen könnte, würde ich

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es wieder so leben. Nein, ich habe keine Gewissensbisse.« Der NATO-Militär verteidigte offen die Verbrechen der Spannungsstrategie und nannte zum Beispiel den Sprengstoffanschlag auf eine Gewerkschaftskundgebung in Brescia, bei dem sieben Menschen ermordet wurden, »eine unbedeutende Episode«. In einem Interview für den Europeo, das Irnberger wiedergibt (S. 208), erklärte er, »die Diktatur ist dasselbe wie Aspirin gegen Kopfschmerzen«. Er verherrlichte die Militärjunta in Griechenland und gab von sich: »Ich begrüße den Umsturz in Chile, und nicht weniger positiv urteile ich über Pinochet.« Während seiner Zeit als NATO-Befehlshaber ließ er sich in Neapel am Sitz seines Kommandos als »Vizekönig des Mittelmeerraumes« feiern und sagte, wenn er als neuer »Duce« an die Macht komme, werde er diese »mit großer Härte« gebrauchen. Unter der Losung einer »starken nationalen Rechten« trat der Admiral dafür ein, alle Rechtskräfte um die Sozialbewegung zum »Kampf gegen den Kommunismus« zu sammeln. Die angeführten Beispiele waren keine Einzelfälle, sondern charakterisierten, wie die Untersuchungen in Sachen »Windrose« ergaben, daß die Armee und ihr Geheimdienst regelrecht neofaschistisch unterwandert waren. Ein Zustand, der auch anhielt, nachdem der Colpo von Miceli und Co. aufgedeckt worden war. Das wurde wesentlich dadurch begünstigt, daß der MSI, diverse von ihm selbst gesteuerte oder mit ihm liierte Organisationen, aber auch die Medien des Esercito selbst das faschistische Gedankengut, ohne daß die Justiz dagegen einschritt, verbreiten konnten. 1972 traten sechs pensionierte Generale, unter ihnen der eben erwähnte Birindelli, und weitere hohe Offiziere demonstrativ auf der Liste der neofaschistischen Partei zur Wahl an und zogen danach als ihre Abgeordneten ins Parlament ein. Der Fallschirmjägergeneral Ferdinando Berardini rief im Namen von 46 Soldaten- und Frontkämpferverbänden zur Wahl des MSI auf. In den Fallschirmjägerkasernen, die als Hochburgen der neofaschistisch eingestellten Armeekreise galten, gaben 99 Prozent ihre Stimme für den MSI ab. In Rom war es ein offenes Geheimnis, daß MSI-Führer wie Rauti, der für die Arbeit in den Streitkräften zuständig war, Zutritt zu den Kasernen hatten, an Manövern und Truppeninspektionen teilnahmen und in den Offiziersklubs der NATO ein- und ausgingen. Vor dem geplanten Colpo »Windrose« konnte der MSI, wie die Zeitschrift Rinascità am 1. Februar 1974 schrieb, ungehindert in den Kasernen unter den Offizieren ein Flugblatt verbreiten, auf dem stand: »Offiziere! Die gefährli-

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che Lage der italienischen Politik verlangt von Euch einen entschlossenen Eingriff. Die Armee hat die Aufgabe, die Seuche zu bezwingen, ehe sie tödlich wird.« Das Secolo d'ltalia, die Tageszeitung der Sozialbewegung, suchte - mit beträchtlichem Erfolg, wie ersichtlich - den unter der Mussoliniherrschaft gezüchteten elitären Geist des Offizierskorps wachzuhalten. Dazu kehrten Losungen wie die von den »Offizieren als den Säulen der Nation« und ihrer Rolle als »Retter des Vaterlandes«, wie sie beispielsweise in der Ausgabe vom 17. Juli 1977 standen, immer wieder.

Der derart in den bewaffneten Kräften gezüchtete schwarze Geist spiegelte sich auch in der Vielzahl der militärischen Publikationen und der Presseorgane der Traditionsverbände wider, von denen es allein 47 offizielle, vom Verteidigungsministerium anerkannte, gab. In der Zeitschrift Il nuovo pensiero militare vom 15. Oktober 1973 schrieb der Admiral Francesco Maria Pupino: »Die Militärdiktatur in Chile war die einzige logische, mögliche und gesunde Lösung«, so wie 1922 »die faschistische Diktatur, die mit Hilfe der Militärs geboren wurde, Italien vor dem Bolschewismus rettete«. Im Corriere Dell'Aviatore war am 31. Oktober 1975 zu lesen, daß es Aufgabe der Armee sei, »in therapeutischer Funktion die Macht zu übernehmen, wenn es eine politische, soziale und wirtschaftliche Krebssituation wie die, in der sich unser Land augenblicklich befindet, gibt«.

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Bundesdeutsche Hilfe für schwarze Terroristen

Warum Kommissar Calabresi sterben mußte

Im Frühjahr 1972 stieß die italienische Polizei in der Nähe von Rom auf ein neofaschistisches Waffenlager. Es umfaßte Karabiner, Maschinenpistolen, Maschinengewehre, Handgranaten, Minen, selbst Artilleriegeschosse und vieles andere mehr. Zweieinhalb Jahre später, inzwischen war der »Windrose«-Putsch aufgedeckt worden, lüftete der Korrespondent des Bonner Vorwärts, Frank Sommer, in der Ausgabe vom 31. Oktober ein Geheimnis dieses Fundes: »Was die Untersuchungsbehörden erstaunte, bei genauer Prüfung stellten sie fest, daß ein großer Teil dieser Waffen aus der Bundesrepublik Deutschland stammte.« Der die Untersuchungen führende Polizeikommissar Calabresi, stellvertretender Chef des politischen Büros im Mailänder Polizeipräsidium, stieß bei seinen Recherchen auf weitreichende Verbindungen der italienischen Neofaschisten in die Bundesrepublik, darunter zum Bundesnachrichtendienst (BND). Die Waffen stammten von Leuten, die über alte und neue Beziehungen zum BND verfügten. Calabresi hatte keine Gelegenheit mehr, den Fall weiter zu untersuchen. Wenige Wochen später, am 17. Mai 1972, wurde er ermordet. Als der Tat dringend verdächtig suchte die Polizei einen gewissen Gianni Nardi, der nach Spanien geflohen war. Es handelte sich um einen bekannten Neofaschisten, der mit dem Fallschirmjägeroffizier Saccucci Ende der 60er Jahre eine neofaschistische Sammlungsbewegung (Movimento Integralista) gegründet und auch den Borgheseputsch mit vorbereitet hatte. Weniger bekannt war, daß Nardi auch für den BND arbeitete. Italienische Zeitungen vermuteten, er sei von der Zentrale in Pullach beauftragt worden, den Mailänder Kommissar umzubringen.

Es war jedoch auch ganz im Interesse der italienischen Neofaschisten und ihrer Hintermänner im SID und in der CIA, daß Calabresi beseitigt wurde. Denn er hatte auch den Anschlag auf der Piazza Fontana untersucht. Zunächst hatte er, wie es höchste Polizeikreise forderten, die Täter in Anarchistenkreisen gesucht und zwei von ihnen verhaftet, einen Eisenbahner namens Giuseppe Pinelli und den Ballettänzer Pietro Valpreda. Der Eisenbahner stürzte während der Verhöre, bei denen er gefoltert wurde, aus dem fünften Stock des Mailänder Polizeipräsidi-

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ums. Die Polizei erklärte, es sei Selbstmord gewesen, eine Version, die in der Öffentlichkeit immer zurückgewiesen wurde. Der Kreis schließt sich - wieder einmal -, wenn man erfährt, daß Calabresi, seit er 1966 einen »Fortbildungskurs« in den USA absolvierte, ein Kontaktmann der CIA war. Er kannte die Spannungsstrategie, deren Spuren er nach links lenken sollte. Aber er bekam, wie einst Oberst Rocca, Gewissensbisse angesichts der zunehmenden Zahl der Todesopfer. Er war dabei, die pista nerà (schwarze Spur) zu verfolgen und sich von Langley zu lösen. Das wurde auch ihm zum Verhängnis, da er wohl, wie Irnberger schrieb, »etliche sehr bekannte Namen auszuplaudern gehabt hätte, wenn er... zu sprechen begonnen hätte. Das wurde jedoch verhindert: durch die am 17. Mai auf Luigi Calabresi abgefeuerten Schüsse.« (S. 203) Übrigens kam Gianni Nardi später bei einem Autounfall in Spanien ums Leben, für einen Agenten immer ein mysteriöser Tod. Der Fall des BND-Agenten Nardi war ein Beispiel unter unzähligen im Beziehungsgeflecht, das zwischen Neofaschisten und ihren Komplizen in Italien einerseits und mit ihnen sympathisierenden Kreisen in der BRD, Bundeswehr und BND eingeschlossen, andererseits seit den Anfangsjahren der bundesdeutschen Staatsgründung bestand und noch heute besteht. Es sei an das Verständnis und die Sympathie erinnert, mit der der deutsche Bundeskanzler Kohl im Juni 1994 den italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi empfing, der gerade die Neofaschisten in die Regierung aufgenommen hatte, ein dem Geist der Verfassung des Landes hohnsprechender Schritt. Kohl leistete einem Politiker Schützenhilfe, der in den 80er Jahren Mitglied der profaschistischen, auf einen Sturz der verfassungsmäßigen Ordnung und die Errichtung eines diktatorischen Regimes hinarbeitenden Geheimloge P2 war, aus der über verschiedene Etappen seine Forza Italia (Vorwärts Italien) hervorging.

Dieser Politiker und seine Regierung waren europaweit bei Staatsmännnern wie Mitterand und Delors, in Straßburg, Belgien, Israel und Skandinavien isoliert. Kohl holte Berlusconi, der sich auch selbst als einen Bewunderer des »Duce« bezeichnete, aus dieser Isolierung heraus und machte ihn salonfähig. Während die neofaschistischen Koalitionspartner des Italieners in Rom Mussolini und seine »guten Taten« lobpriesen, sich als Vorkämpfer gegen den Kommunismus feierten, auf dem Balkan Grenzrevisionen forderten und Konzentrationslager für Homosexuelle verlangten, tönte Kohl in Bonn von einem »historischen

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Augenblick« in Italien und kaschierte die rechtsradikale Wende mit Sprüchen vom »gemeinsamen Aufbau der Demokratie in beiden Ländern«. Der römische Regierungschef konnte auf der Bonner Bühne propagieren, daß seine neofaschistischen Bündnispartner keine Neofaschisten seien und eine »saubere Weste« hätten. Berlusconis wohlwollende Aufnahme durch Kohl in Bonn wertete die mit den Neofaschisten liierte Koalitionsregierung in Rom international auf und gab ihr auch in Italien Auftrieb.

Die Kontakte des BND zum SID reichen in die Zeit zurück, da der Chef der faschistischen Abwehr, der Nazigeneral Gehlen, den BND aufbaute. Schon in dieser Zeit war der spätere MSI-Mann und SlD-Chef Miceli ein Busenfreund Gehlens. Von da liefen die Kontakte zu den Waffenhändlern, unter ihnen der SS-Standartenführer Skorzeny, die den italienischen Neofaschisten für ihre Spannungsstrategie die Ausrüstungen lieferten, auf die Kommissar Calabresi im Frühjahr 1972 stieß. Die römische Unità bestätigte am 28. Dezember 1974, daß Waffenlieferungen aus der Bundesrepublik für die Neofaschisten schon seit Jahren eintreffen und vermerkte, es sei seltsam, daß derartige Transporte trotz umfangreicher Nachforschungen in der BRD noch niemals aufgeflogen seien.

Skorzeny war einer der führenden Köpfe der von Nazigrößen vor dem Zusammenbruch des »Dritten Reiches« unter dem Decknamen Odessa geschaffenen Rettungs- und Überlebensorganisation der faschistischen Bewegung, die dazu Milliardensummen ins Ausland transferierte. Giuseppe Gaddi spricht in seinem Buch Neofascismo in Europa von 500 Milliarden DM (S. 189). Skorzeny, der zu Hitlers Lieblingen in der SS gehörte, hatte am 12. September 1943 in einem spektakulären Kommandountemehmen Mussolini aus der Haft auf dem Gran Sasso geholt, wohin er nach seinem Sturz am 25. Juli gebracht worden war. Nach 1945 war er bis zu seinem Tod 1975 eine der schillerndsten Personen des internationalen Nachkriegsfaschismus, darunter auch als Kontaktmann zu den italienischen Neofaschisten. Sein Name tauchte in den Umsturzversuchen Borgheses und der »Wind-rose« auf, ebenso bei zahlreichen Attentaten der Spannungsstrategie. In Padua, der Zentrale der »Rosa dei Venti«, und in der süditalienischen Hafenstadt Bari unterhielt Skorzeny eigene Büros. Enge Beziehungen pflegte er zu Rautis Neuer Ordnung. Seine Waffenlieferungen besorgte er von Madrid aus, wo er eine eigene Waffenexport-Import-Agentur unterhielt.

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Lebhafte Beziehungen bestanden zwischen italienischen Neofaschisten und der »Hilfsorganisation auf Gegenseitigkeit« der SS (HIAG) in der Bundesrepublik. Ein gewichtiges Bindeglied stellten die Brigate Nere, der Traditionsverband der in der Solo-Republik aufgestellten italienischen Waffen-SS, dar. Als größter Verein der ehemaligen SS-Angehörigen zählte die HIAG in der BRD noch in den 80er Jahren rund 40 000 Mitglieder und weit über 100 Ortsverbände. Sie unterhielt Auslandsorganisationen in Italien, Spanien, Österreich, Belgien, den Niederlanden, Dänemark, Norwegen und Finnland sowie Verbindungen nach Argentinien, Australien und Südafrika. Außerhalb der Bundesrepublik wurden ihre Mitglieder auf etwa 300000 geschätzt. Vertreter der HIAG in Italien, darunter der römische Auslandschef, Bernard Calaret, ein ehemaliger französischer SS-Offizier, unterstützten unter anderem Borghese und die »Windrose«-Zentrale bei ihren Putschvorbereitungen.

Pino Rauti und der »Leopard«

Eine wichtige Basis für seine Auslandskontakte schuf sich der MSI, als er 1969 ein Netz von Auslandsleitungen bildete, die er als Trikolorekomitees für die Italiener im Ausland bezeichnete. Nach denen in den USA entstand in der Bundesrepublik, wo hunderttausende italienischer Gastarbeiter leben, die größte Zahl solcher Komitees, die als regelrechte Parteibüros arbeiteten und MSI-Ortsgruppen bildeten. In den 80er Jahren bestanden in 25 Städten, darunter in München, Stuttgart, Frankfurt am Main, Augsburg, Köln und Wolfsburg, Auslandsleitungen, die die MSI-Zeitung Oltreconfine (Jenseits der Grenze) und zahlreiche neofaschistische Propagandamaterialien verbreiten konnten.

Auch die neofaschistische Gewerkschaft CISNAL unterhielt zur Arbeit unter den italienischen Gastarbeitern einen Nationalen Verein für Sozialen Beistand (Ente Nazionale Assistenza Sociale), der 20 Büros betrieb. Die Trikolorekomitees und die CISNAL-Vertretungen agierten, um Anhänger für die neofaschistische Bewegung zu gewinnen, linksorientierte Arbeiter zu terrorisieren, den Einfluß der Kommunisten zurückzudrängen und um bei Wahlen Gastarbeiterstimmen für den MSI zu werben. Die auch in der Gegenwart weiter bestehenden Auslandsorganisationen wurden 1994/95 von der Sozialbewegung in die Alleanza Nazionale überführt.

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Die MSI-Auslandsleitungen pflegten ferner Beziehungen zu gleich-gesinnten Kreisen. Diese erstreckten sich keineswegs nur auf die Neonazis und ihre zahlreichen Gruppen, sondern ebenso auf revanchistische Landsmannschaften, rechtsextreme Interessenorganisationen, Industrielle, die CSU, CDU-Vertreter und nicht zuletzt auf Bundeswehr-und BND-Kreise. Im September 1977 waren der MSI und die zu dieser Zeit von ihm abgespaltene Democrazia Nazionale offizielle Gäste des CSU-Parteitages in München. »Bei der Vereinigung der Rechten Europas im Kampf gegen die kommunistische Gefahr«, schrieb das MSI-Blatt Secolo d'ltalia danach am 27. September, »zeichnet sich klar die Führung von Strauß ab.« Die CSU gebe den Rechten Europas »einen starken Anstoß«.

Im April 1979 nahm eine Delegation der Sozialbewegung am Bundeskongreß der Habsburgischen Paneuropäischen Union in Wiesbaden teil. Der Chef der MSI-Abordnung, ZK-Mitglied Giovanni De Marco, traf mit dem bundesdeutschen Vereinspräsidenten, dem CSU-Abgeordneten Alfons Goppel, zusammen. Einem Bericht des Vorwärts vom 14. Juni des Jahres war zu entnehmen, daß MSI-Leute und CSU-Vertreter auf dem Kongreß im »allgemeinen antikommunistischen Konsens« übereinstimmten, »das Netz linksradikaler Systemveränderer auszuschalten«. MSI-Chef Almirante selbst traf sich mit dem erzkonservativen Kaisersprößling Otto von Habsburg, der in dem Jahr als CSU-Abgeordneter ins Europaparlament einzog. Im italienischen Fernsehen rühmte sich Almirante der »guten Kontakte zur bayerischen CSU« und der Übereinstimmung in den beratenen »politischen Fragen«. Gute Beziehungen unterhielt der MSI zur Hans-Seidel-Stiftung der CSU und zu der dieser nahestehenden Italienisch-Deutschen Freundschaftsgesellschaft (Associazione per L'Amicizia Italo-Germanico). Die Hans-Seidel-Stiftung, die zu Zeiten von Franz Josef Strauß als dessen persönliches Außenministerium galt, unterhielt in 76 Ländern Büros und pflegte Kontakte zur Militärjunta General Pinochets, zu anderen diktatorischen Regimes in Südamerika und zu den Rassisten in Südafrika. In den Räumen der Stiftung in Rom waren die italienischen Neofaschisten stets gern gesehene Gäste.

Die Italienisch-Deutsche Freundschaftsgesellschaft war ein nützliches Bindeglied für die Kontakte des MSI in die Bundesrepublik. Ihren Aufbau hatten der Rauti-Vertraute Gino Ragno und andere MSI-Leute in die Wege geleitet. In den 60er Jahren stand an der Spitze des Vereins

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der Region Veneto der berüchtigte Terrorist Giovanni Ventura, der 1979 wegen der Teilnahme an dem Anschlag auf der Piazza Fontana zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Franz Josef Strauß, seit 1949 MdB, von 1953 bis 1963 Bundesminister, davon seit 1956 im Verteidigungsressort, war fraglos nicht unbeteiligt an den engen Verbindungen, die der MSI zu BND- und Bundeswehrkreisen knüpfte. Strauß blieb auch nach seinem unfreiwilligen Ausscheiden aus der Bundesregierung eine Schlüsselfigur im NATO-System einschließlich des Militär-Industrie-Komplexes. Dank solcher Beziehungen konnten Spitzenleute der Sozialbewegung wie die Nummer Zwei des MSI, Pino Rauti, oder der Terroristenführer Giannettini in NATO-Stäben ein- und ausgehen, auf Tagungen des Paktes erscheinen und hatten Zutritt zu Kommandostellen und Einheiten der Bundeswehr.

So nahmen Rauti und Giannettini, der sowohl für die CIA als auch den SID in der Spannungsstrategie aktiv war, im Herbst 1969 an einem Lehrgang für psychologische Kriegführung an der Bundeswehrschule in Euskirchen teil, besuchten anschließend die Bundeswehrschule der Panzertruppen und danach das für einen Abschnitt an der Grenze zur DDR zuständige Bundesgrenzschutzkommando in Lübeck. Nachdem sie auf der Panzerschule den damals noch »streng geheimen« neuen Panzertyp der Bundeswehr »Leopard« besichtigt hatten, konnten sie auch noch die Produktionsstätten des neuen Kampfwagens in München besuchen. Die italienische Zeitschrift Europeo veröffentlichte 1974 ein Foto, das die beiden lachend auf dem »Leopard« sitzend zeigte. Rauti und Giannettini zeigten sich ihren Gastgebern gegenüber dankbar und verwendeten sich bei den italienischen Streitkräften für den Kauf des Panzers. Giannettini, der sich als Reserveleutnant der Panzertruppen zu den Experten zählte, propagierte den »Leopard« später in der Rivista militare. Auffällig war, daß die beiden Experten der Spannungsstrategie sich nach ihren militärischen Studien, darunter der psychologischen Kriegführung, nach Reggio Calabria begaben, wo anschließend die von den Neofaschisten entfesselten Bürgerkriegsauseinandersetzungen eskalierten.

Die Bundesrepublik und besonders das CSU-beherrschte Bayern waren in zahlreichen Fällen die ersten Schlupfwinkel für aus Italien flüchtende Neofaschisten. Unter ihnen befand sich 1975 einer der Chefs der Neuen Ordnung, Clemente Graziani, der seit 1948 an unzähligen An-

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schlägen beteiligt war. Besonderes Aufsehen erregte es, als im Januar 1979 die berüchtigten Terroristen Fredda und Ventura nach Bad Tölz flohen. Sie wurden später in Catanzaro in Abwesenheit zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Im »Hof zur Jodquelle«, dem ersten Hotel in Bad Tölz, damals ein Treffpunkt der Offiziere vom benachbarten US-Stützpunkt in Garmisch-Partenkirchen, konnten die über Interpol gesuchten Mörder unbehelligt residieren. Später wurden sie aus der BRD ausgeflogen. »In der Bundesrepublik haben italienische Neofaschisten schon immer den notwendigen Beistand, alle Mittel und auch die Pässe erhalten, um sicher weiterfliehen zu können«, kommentierte der römische Messagero am 26. Januar 1979 und fügte hinzu: »Es ist kein Geheimnis, daß gerade Bayern in der Vergangenheit zahlreiche flüchtige italienische Neofaschisten aufgenommen hat.«

Immer dabei - der Bundesnachrichtendienst

Wie der Mord an Calabresi oder die nie aufgeklärten Waffenlieferungen an schwarze Terroristen gewährte auch die Fluchthilfe für den Naziverbrecher Kappler oder für neofaschistische Mörder vom Schlage eines Fredda und Ventura einen - wenn auch immer nur ausschnittsweisen - Einblick in das Beziehungsgeflecht von NATO, westlichen Geheimdiensten und dem Neofaschismus in Italien. Der Bundesnachrichtendienst mischte dabei als die Nummer Zwei der Branche immer kräftig mit. Auch der BND rekrutierte seine Agenten in Italien, deren Zahl in den 70er Jahren in Presseberichten mit über 500 angegeben wurde, mit Vorliebe aus Neofaschistenkreisen. Seine Teilnahme an Aktionen der Spannungsstrategie widerspiegelte, daß er genau nach den vorgegebenen CIA-Rezepten verfuhr.

Im März 1977 kam es in Bologna, das von einer roten Stadtverwaltung regiert wurde, zu tagelangen bewaffneten Zusammenstößen, für die linksradikale Gruppen, darunter von der Universität der Stadt, verantwortlich gemacht wurden. Die Zeitschrift Giorni berichtete in ihrer Nummer 13, daß nach Bologna jedoch scharenweise Neofaschisten aus Rom, Bari, Palermo und weiteren süditalienischen Städten transportiert worden seien, die in Gruppen unter »linken« Namen wie »Roter Stern« (Stella Rossa) oder »Bewaffneter Kampf für den Kommunismus« (Lotta armata per il comunismo) agierten. Auffallend sei gewesen, »daß viele der Demonstranten sich in Fremdsprachen, besonders in Deutsch äußerten«, schrieb Giorni und fuhr fort: »Das

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müßte der Agent des BND erklären, der in engem Kontakt mit unseren Sicherheitsdiensten jeden Tag und jede Stunde der >heißen Tage< von Bologna verfolgt hat.«

In der Nummer 32/33 desselben Jahres stellte Giorni einen Silvano Girroto vor, der in Neofaschistenkreisen, weil ihm »der Colt immer locker saß«, nur »Bruder Maschinenpistole« (Fratello mitra) gerufen wurde. Der Sohn eines Carabinierioffiziers verdingte sich als Fremdenlegionär in Algerien, war danach in Südamerika einige Zeit Franziskanermönch, arbeitete dort für die CIA, die ihn in die Guerillabewegung einschleuste. Er denunzierte unter anderem den bolivianischen Guerillaführer Jaime Paz Zamora, der 1972 in La Paz festgenommen wurde. Nach dem Militärputsch in Chile leistete er der Pinochetjunta Spitzeldienste. Über die Schweiz nach Italien zurückgekehrt, wurde er angeblich als Ausbilder in den Roten Brigaden (Brigate Rosse) aktiv und so, wie Giorni schrieb, »für einige Jahre einer der besten Mitarbeiter des BND«.

Die Rolle des BND in Italien kam ein weiteres Mal zur Sprache, als im Sommer 1977 der Nazikriegsverbrecher Kappler, Obersturmbannführer und Polizeichef der SS während der Hitlerokkupation in Rom, aus italienischer Haft in die Bundesrepublik geholt wurde. Herbert Kappler hatte im März 1944 in den ardeatinischen Höhlen bei Rom das Massaker befehligt, bei dem 335 Italiener ermordet wurden, von denen Kappler einige selbst durch Genickschuß umbrachte. Kappler und sein Stellvertreter, der SS-Hauptsturmführer Erich Priebke, ermordeten danach noch unzählige Antifaschisten, folterten Gefangene, deportierten Tausende Juden. Ein italienisches Gericht verurteilte Kappler wegen dieser Kriegsverbrechen nach 1945 zu lebenslanger Haft. Priebke verhalfen gleichgesinnte Kreise, darunter aus dem Vatikan und aus der Bundesrepublik, nach Kriegsende nach Argentinien zu entkommen, wo er - unter seinem richtigen Namen und gedeckt von bundesdeutschen Behörden - unbehelligt leben konnte. Erst 1994 wurde er durch Recherchen des israelischen Journalisten Yaron Svoray entdeckt und eineinhalb Jahre später nach Italien ausgeliefert, wo seitdem ein Militärgerichtsverfahren gegen ihn läuft. Kapplers Flucht war das Werk genau jenes Geflechts alter und neuer Faschisten aus der BRD und Italien und mit ihnen liierter Geheimdienstkreise beider Länder, das auch in den Putschplänen der Spannungsstrategie immer wieder auftauchte.

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Der römische Europeo enthüllte im gleichen Jahr in seiner Nummer 44, daß dem Stab, der Kapplers Flucht organisierte, etwa 40 bundesdeutsche Nazis, Angehörige des Militärischen Abschirmdienstes der BRD und alte Kameraden aus dem SS-Regiment Bozen angehörten, die mit Leuten des SID zusammenwirkten. In Italien seien es vor allem die Geheimdienstler der Bundesrepublik gewesen, die sich mit der Operation befaßten. Und die hätten »nicht nur in Botschaften, sondern auch in deutsch-italienischen Handels- und Finanzgesellschaften« gesessen. In italienischen Medien wurde auch die Version zurückgewiesen, nach der das »offizielle Bonn« nichts mit dem Ausbruch des Kriegsverbrechers zu tun gehabt habe. Panorama vermerkte, daß jene Anneliese Wenger, die Kappler drei Jahre vor der Flucht heiratete, Kontakte zur Botschaft der Bundesrepublik beim Vatikan in Rom unterhielt. Die Kappler-Wenger war bereits 1945 eine aktive Mitarbeiterin der Organisation Odessa.

MSI international

Der italienische Nachkriegsfaschismus ergriff sehr früh die Initiative, alte und neue Faschisten international zu organisieren. Dabei spielte er durchaus eine führende Rolle und suchte gleichzeitig, sich dadurch Unterstützung für seine Politik im eigenen Land zu sichern. Bereits im Oktober 1950 richtete der MSI-Studentenverband FUAN -praktisch als ausführender Organisator der Sozialbewegung - in Rom ein »Kongreß der nationalen Jugend Europas« genanntes Treffen aus, an dem allerdings kaum junge, sondern vor allem Altfaschisten teilnahmen, darunter so berüchtigte Hitlerkollaborateure wie Oswald Mosley aus Großbritannien, Maurice Bardeche aus Frankreich und aus der BRD der ehemalige SS-Offizier und Hitlerjugendführer Karlheinz Priester. Die Teilnehmer beriefen für Mai 1951 ein zweites Treffen nach Malmö ein, an dem dann etwa 60 Vertreter faschistischer Gruppen Europas anwesend waren, darunter aus der Bundesrepublik, Frankreich, Spanien, Großbritannien, Österreich und natürlich aus Italien. Die Teilnehmer erklärten sich zur »Europäischen Sozialbewegung«, proklamierten die Wiedergeburt des Faschismus, riefen zum Kampf gegen den Kommunismus und zum Sturz der parlamentarischen Ordnungen auf. Dem Viererdirektorium des neuen Faschistenvereins gehörten, neben Priester, Bardeche und dem Schweden Per Engdahl, der damalige MSI-Führer De Marsanich an.

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Eine eifrige Rolle spielte der MSI auch in der vier Monate später in Zürich entstandenen Organisation Europäische Neuordnung, die von der Hitlerfaschistischen Idee der »Neuordnung Europas« ausging. Diese Gruppierung war bis in die 70er Jahre tonangebend im europäischen Neofaschismus und führte zwölf internationale Treffen durch, davon zwei (1965 und 1967) in Italien.

Über ihre Jugendorganisation Junges Europa war die Sozialbewegung weiter in der gleichnamigen internationalen Vereinigung aktiv. Die von dem belgischen Neofaschistenführer Jean Thiriart geführte Organisation gab Anfang der 80er Jahre etwa 20 000 Mitglieder an, darunter auch aus der Neuen Ordnung Rautis, der selbst einer ihrer aktivsten Köpfe war.

An weiteren internationalen Zusammenschlüssen, an denen italienische Neofaschisten beteiligt waren, existierten seit den 50er Jahren folgende: Die 1956 von Nazis und ehemaligen SS-Leuten aus sieben Ländern gegründete Europäische Akademie, die sich ein Jahr später in Salzburg in Einheitliche Europäische Sozialbewegung umbenannte; eine 1962 auf Initiative des MSI kreierte Nationale Europäische Partei, zu deren Gründern ein Alois Loredan vom MSI, Oswald Mosley, Jean Thiriart und Adolf von Thadden aus der BRD gehörten; ein im selben Jahr von dem Briten Colin Jordan gegründeter Weltbund der Nationalsozialisten, in dem die American Nazi Party mit ihrem Chef, dem ehemaligen Marine-Kommandeur Lincoln Rockwell, aktiv war; 1970 eine von der NPD der Bundesrepublik und dem MSI proklamierte Europäische Befreiungsfront; eine Antikommunistische Weltliga, auf deren Treffen 1974 in London der ehemalige Befehlshaber der NATO-Streitkräfte Nordeuropa, General Walter Walker, auftrat; ein Kongreß der Nationalen Kräfte Europas; eine in den ersten Nachkriegsjahren von einem Altnazi aus der Bundesrepublik namens Gerhard Hartmut von Schubert gegründete Gruppe Paladin, deren Hauptquartier sich in Alicante in Spanien befand. Die Paladin unterhielt Zentralen in Rom, Paris, London, Basel, Zürich und in südamerikanischen Städten. 1978 enthüllte Panorama in seiner Ausgabe vom 25. Juli, daß die Organisation in der amerikanischen Ausgabe des Herald Tribune in Annoncen den Einsatz ihrer Spezialisten wie folgt ankündigte: »Die Gruppe Paladin erfüllt ihre Aufträge auf nationaler und internationeler Ebene ... Leute, die auf verschiedensten Operationsgebieten hochspezialisiert sind, stehen zu ihrer Verfügung und gehen überall hin, um ihre Aufträ-

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ge auszuführen.« Die italienischen Neofaschisten machten wiederholt von dem Angebot der Paladin Gebrauch.

Über Vereinsgrenzen hinweg rotteten sich immer wieder Neofaschisten verschiedener Couleur auf internationalen Versammlungen zusammen. Im September 1972 fand während der Olympischen Spiele in der Nähe von München, getarnt als »nationaleuropäischer Jugendkongreß«, das bis dahin größte europäische Faschistentreffen der Nachkriegszeit statt. Es wurde organisiert von der NPD und den deutschen Neonazi-Zeitschriften Mut und Nation Europa. Die Veranstaltung, an der etwa 100 Faschisten aus Europa, den USA und Südafrika teilnahmen, stand unter der Losung »Keine Diskussion mit den Kommunisten, sie werden bis auf den Tod bekämpft«. Es war aufschlußreich, daß - während in Italien die »Windrose«-Zentrale den »Tag X« vorbereitete - in München die Terrorstrategie der römischen Neofaschisten im Mittelpunkt stand. Die Lage in Italien sei »mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt worden«, da »Italien als das schwächste Glied der EG angesehen wird«, schrieb die römische Zeitschrift Epoca später. Demzufolge sei ein zentrales Thema gewesen, wie der Terror auf dem gesamten italienischen Territorium organisiert wird. Die italienischen Neofaschisten, die mit 40 Personen angereist waren, hätten »eine große Protektion« erhalten. Der Verleger von Mut, Bernhard Wintzek, forderte zum Abschluß der Zusammenkunft, in Deutschland und Europa für die »neue Ordnung« zu kämpfen, die seit dem Ende des Ersten Weltkrieges das Ziel des Faschismus sei.15 Es folgten weitere internationale schwarz-braune Treffen, darunter 1976 in Lyon, 1977 in Alverdingen und 1978 in Barcelona. Die Sozialbewegung ergriff 1978 erneut die Initiative. Almirante reiste mit einem Trupp Missini nach Paris und danach nach Madrid, wo er mit Vertretern der Parti des Forces Nouvelles und der Fuerza Nueva zusammentraf, um eine Europäische Rechte vorzubereiten. Zur Gründung derselben trafen am 20. April dieses Jahres - Zufall oder nicht, es war Hitlers Geburtstag - die drei neofaschistischen Parteien in Rom zusammen. Die Fuerza Nueva-Abordnung leitete deren Präsident, Blas Pinar, die der Forces Nouvelles deren Nummer Zwei, Pascal Gauchon. Man traf sich auf dem Höhepunkt der italienischen Spannungsstrategie. Seit dem 18. März existierte in Rom eine vom PCI unterstützte, gegen die neofaschistische Gefahr gerichtete Regierungskoalition. Das römische Faschistentreffen rief auf, die »gegenwärtigen Regimes« in Euro-

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pa zu stürzen, eine »faschistische Revolution« durchzuführen und ein »neues Europa« zu schaffen, wie es der MSI nach dem »Modell Pinochet« für Italien forderte.16

Um das Vorgehen der neofaschistisch-nazistischen Allianz weiter abzustimmen, fanden in rascher Folge Treffen im Juli 1978 in Paris, im Dezember desselben Jahres auf Sizilien und schon im Januar darauf in Lyon statt. »Die >Schwarze Internationale< existiert weiter«, schrieb der römische Messaggero am 10. Januar des Jahres. »Sie unterstützt weiter die Neofaschisten in aller Welt. Sie hält ihre Kongresse und Tagungen ab. Sie hat, natürlich nicht die offene, aber die stillschweigende Unterstützung der Polizei und der Geheimdienste in zahlreichen europäischen Ländern.«

Neue Chancen für internationale Kontakte im rechtsradikalen Spektrum boten sich für den MSI, als er 1979 mit vier Abgeordneten, darunter Almirante, ins Europa-Parlament einzog. Bei der Wahl 1984 erhöhte sich die Zahl der Sitze auf fünf, um 1989 wieder auf vier abzusinken. Bei den Wahlen im Juni 1994 blieben die Ergebnisse der in Alleanza Nazionale umbenannten neofaschistischen Partei zwar etwas hinter denen der Aprilwahlen (13,4) zurück, stiegen jedoch auch in Straßburg auf rund das Dreifache an. Mit 12,5 Prozent erreichte die AN elf Mandate. An der Spitze der neofaschistischen Parlamentarier stehen Gianfranco Fini und Pino Rauti.

Die Präsenz in Straßburg bietet beträchtliche Möglichkeiten, sich zu beraten und abzustimmen, als auch Unterstützung für die Politik im eigenen Lande zu sichern. So mobilisierte die AN 1994 nicht ohne Erfolg den Widerstand gegen die von den Sozialisten eingebrachte Resolution, die sich gegen ihren Regierungseintritt in Rom richtete. Sie erhielt dabei Unterstützung von der Forza Italia und der Lega Nord des eigenen Landes, als auch der Rechten und eines Teils der Mitte im EU-Parlament. Die profaschistische italienische Gruppierung konnte zwar die Annahme der Entschließung nicht verhindern, erreichte aber, daß sie mit nur einer Stimme Mehrheit (289) angenommen und bereits vorher in der Beratung stark abgeschwächt wurde. Almirante mußte in Straßburg schon bald erfahren, daß sich der Einfluß, den seine Bewegung auf internationalen Treffen unter Gleichgesinnten genoß, nicht auf die Rolle im EU-Parlament übertragen ließ. Mit der durch den Terror der Spannungsstrategie mehr als jede andere rechtsextreme Strömung in Westeuropa exponierten Sozialbewegung

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wollten sich selbst Gesinnungsgenossen wie Schönhuber Republikaner oder der flämischen Vlaams Blok in Straßburg nicht offen solidarisieren. Daran scheiterte nach den 89er Wahlen auch die Aufnahme des MSI in die von den genannten Parteien und der Front National Le Pens gebildete technische Fraktion (für den vollen Fraktionsstatus reichte die Abgeordnetenzahl nicht). Rainer Fromm und Barbara Kernbach zitieren in ihrer Arbeit Europas braune Saat, wie der zu Hause mit Rechtsradikalen zusammenarbeitende Schönhuber das demagogisch begründete: »Ich will nichts gegen den MSI sagen. Ich kenne ihn nicht. Ich kenne nur Herrn Fini (der Generalsekretär), der den Eindruck eines ganz und gar korrekten und demokratischen Menschen vermittelt. Aber für einen Deutschen ist es beinahe unmöglich, einer Gruppe anzugehören, von der man sagen wird: >Seht nur: die Faschisten sind unter sich<, >die neue Achse Rom-Berlin<.« (S. 182) Es war in Straßburg jedoch kein Geheimnis, daß der eigentliche Grund für Schönhubers Absage in tiefgehenden Differenzen zur Südtirolfrage lag. Während der deutsche Rechtsradikalenführer ganz auf der »Heim ins Reich«-Linie Hitlers lag, vertrat der MSI-Führer die Position Mussolinis. Schönhuber und Fini bewegten sich also durchaus im Rahmen der Achse Berlin-Rom und exakt auf den alten unterschiedlichen Standpunkten, von denen sich damals übrigens der von Mussolini durchgesetzt hatte. Mit der vorgeschobenen Begründung seiner Ablehnung des MSI versuchte Schönhuber lediglich, das Image seiner REP als »demokratisch legitimierter authentischer Rechtspartei« aufzupolieren.

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Bis heute nicht aufgeklärt -Der Mord an Aldo Moro

»Aldo Moro aus dem politischen Leben zu eliminieren hieß, den wichtigsten Bezugspunkt dieser Zeit auszuschalten. Danach war nichts mehr wie vorher. Im übrigen schwebt bis heute der Schatten der Loge P2 über dem Fall.«

Tina Anselmi (DC), Präsidentin der P2-Kommission »Entführung und Ermordung Moros spielten sich nicht auf handwerklichem, sondern höchstem industriellen Niveau ab. Mit Moro wurde die Schlüsselfigur umgebracht, die den Kommunisten die Regierungsbeteiligung verschaffen wollte.«

Giuseppe D'Alema (damals PCI, heute PDS), Berichterstatter der Sindona-Kommission

Der Compromesso stòrico

1976 fanden in einer antikommunistischen Hetzkampagne und des verschärften Terrors der Spannungsstrategie Parlamentswahlen statt. Die Kräfte im rechten Spektrum verfehlten trotzdem ihr Ziel, den Kommunisten eine Niederlage beizubringen. Der PCI bestätigte im Gegenteil seinen bei den Regionalwahlen ein Jahr vorher mit 33,4 Prozent errungenen Erfolg mit eine leichten Anstieg auf 34,4 Prozent in der Abgeordnetenkammer, 33,8 im Senat und wurde hinter der DC (38,7) mit Abstand zweitstärkste Partei.

In fünf Regionen, in der Emilia Romagna, der Toskana, Umbrien, den Marchen und in Ligurien belegte die Partei mit Wahlergebnissen zwischen 40 und 50 Prozent den ersten Platz. In weiteren neun der insgesamt 21 Regionen erreichte sie über 30 Prozent und damit den zweiten Platz. In zahlreichen Großstädten, so in Turin, Bologna, Florenz, Genua und Livorno wurden die Kommunisten stärkste Partei. Den ersten Platz belegte die KP mit 35,8 Prozent auch in Rom. Damit kam es zum größten Linksruck in der italienischen Nachkriegsgeschichte. PCI und PSI hatten mit zusammen 44,4 Prozent die Christdemokraten zum ersten Mal mit klarem Abstand überholt. Zählte man noch die Stimmen der Sozialdemokraten (3,4 Prozent) und die 1,5 Prozent der neu entstandenen Democrazia Proletaria (Proletarische Demokratie) hinzu, so kam die Linke nahe an die 50-Prozent-Grenze und damit an die Möglichkeit heran, eine von der KP dominierte linke Regierung zu bilden.

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Das entsprach jedoch nicht den Intentionen der führenden Kommunisten um Enrico Berlinguer, der seit 1972 als Generalsekretär an der Spitze des PCI stand. Die KP-Führung hatte aus dem Militärputsch in Chile, der durch die chilenischen Christdemokraten begünstigt wurde, geschlußfolgert, nicht das Risiko einer mit der DC konfrontierten linken Regierung einzugehen, auch dann nicht, wenn die Linke im Parlament über 50 Prozent erringen sollte. Berlinguer verfolgte, an Gramscis Bloco stòrico (historischer Block) orientiert, einen Compromesso stòrico, der in einer antifaschistischen Allparteien-Regierung, die Kommunisten eingeschlossen, bestehen sollte. Die Basis einer solchen »Demokratischen Wende«, wie der PCI den Compromesso auch nannte, sollte eine Übereinkunft zwischen den beiden führenden Massenparteien, der KP und der DC als katholischer Volkspartei, bilden. Der von der PCI-Führung verfolgte Historische Kompromiß nahm nach den Wahlen von 1976 zunächst Gestalt an. Da die DC mit ihren alten Koalitionspartnern (PSI, PSDI, PRI) zu keiner Übereinkunft gelangte, mußte sie eine Minderheitsregierung bilden, die auf die Unterstützung des PCI durch Stimmenthaltung im Parlament angewiesen war. In diesem Rahmen veränderte sich grundlegend die Parlamentshierarchie und der Einfluß der Kommunisten auf die Legislative. Zum ersten Mal in der Geschichte der Italienischen Republik wählte die Abgeordnetenkammer einen Kommunisten zu ihrem Präsidenten und der Senat einen PCI-Kandidaten zum Vizepräsidenten. Sieben KP-Vertreter wurden zu Vorsitzenden von Parlamentsausschüssen gewählt und so ein weiteres Monopol gebrochen, das bis dahin anderen Parlamentsparteien vorbehalten war.

In der Democrazia Cristiana hatte sich gegen den entschiedenen Widerstand des rechten Parteiflügels eine realistische Haltung durchgesetzt, deren Vertreter Aldo Moro zu dieser Zeit Parteivorsitzender war. Diese Linie lehnte eine autoritäre Lösung der sozialen und politischen Krise des Landes ab, berücksichtigte den Masseneinfluß des PCI und war - im Interesse der Wahrung der eigenen Machtpositionen - zu einer bestimmten Zusammenarbeit mit den Kommunisten auf Regierungsebene bereit. Auf Initiative Moros unterzeichneten Anfang 1978 Christdemokraten und Kommunisten zusammen mit Sozialisten, Sozialdemokraten und Republikanern ein programmatisches Abkommen, auf dessen Grundlage ein neues Kabinett gebildet wurde. Die KP trat ihm zunächst nicht bei - ein solcher Schritt wurde für später erwo-

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gen -, sprach der Regierung aber im Parlament das Vertrauen aus. Das Abkommen billigte dem PCI jedoch in Fragen der Regierungspolitik und ihrer Kontrolle ein Mitspracherecht zu. Die Kommunisten trugen zum ersten Mal, seit sie 1947 aus der Regierung ausgeschlossen worden waren, wieder Regierungsverantwortung. Der Geist der Resistenza schien wiedererwacht.

Der Pferdefuß dieses Abkommens bestand darin, daß an die Spitze der vereinbarten Regierung Guilio Andreotti trat, der in der DC zu den Rechten zählte. Als es 1990 darum ging, die subversive Rolle von Gladio aufzuklären, geriet Andreotti, der mehrmals Verteidigungsminister war, in den Verdacht, die Pläne für den Einsatz der Staatsstreichreserve gekannt zu haben. 1995 beschuldigte ihn die Staatsanwaltschaft der Komplizenschaft mit der Mafia und der Beihilfe zu einem ihrer Morde. Außerdem kam seine Rolle in der P2 zur Sprache. Am Komplott gegen den Compromesso stòrico beteiligt zu sein, hatte man Andreotti bereits 1978 vorgeworfen. Der entführte Moro selbst soll ihn damals in Briefen, die er schrieb, schwer belastet haben.

Moros Vorgehen stieß bei den Rechten in Italien bis in die Reihen der DC, besonders aber bei entsprechenden Kreisen der USA und der NATO, auf entschiedenen Widerstand. Es war die Zeit der Hochrüstung und der Konfrontation mit dem Warschauer Pakt. Obwohl Berlinguer sich 1977 namens des PCI zur NATO und ihrem »Schutz für Italien« bekannte, sahen diese Kreise ihre Vorherrschaft im Bereich der Südflanke des Paktes durch den Compromesso gefährdet. Einer ihrer Wortführer, Washingtons Botschafter in Rom, John Volpe, übte bereits 1975 in offiziellen Erklärungen Druck aus, um zu verhindern, daß die KP an der Regierung beteiligt werden würde. Das stünde »in grundsätzlichem Widerspruch zur NATO«, behauptete Volpe. Sowohl die Witwe als auch der Sohn Moros sagten nach dessen Ermordung aus, daß extremrechte Kreise in Italien als auch in den USA seit 1975 auf ihn Druck ausübten, um ihn zu zwingen, seine Politik der Annäherung an die Kommunisten aufzugeben. In den USA, so erklärte sein Sohn Giovanni, sei sein Vater bereits 1975 aufgefordert worden, auf diese Politik zu verzichten. Diese Drohungen seien in den folgenden Jahren systematisch fortgesetzt worden.

Hinter den Erpressungen standen einflußreiche Kreise des State Departments, darunter der damalige Außenminister Henry Kissinger, der die außenpolitische Linie Moros, die eine Annäherung an die UdSSR

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einschloß, sich aber auch in der Haltung zu Israel und der PLO deutlich von der Washingtons abhob, als »äußerst negativ« bezeichnete. In Zeitungsartikeln bezichtigte er Moro, »Italien in kommunistische Abhängigkeit« zu steuern. Erbitterte Feinde Moros waren auch Outerbridge Horsey und William Nigt, die in den 50er und 60er Jahren die politische Abteilung der US-Botschaft in Rom leiteten und später im State Department für Italien zuständig waren. In die Hetzkampagne gegen den DC-Führer reihte sich der Nachfolger John Volpes, Botschafter Richard Gardner, ein, der Moro wenige Tage vor seiner Ermordung als den »gefährlichsten Politiker Italiens« bezeichnete. Die Neofaschisten und ihre Hintermänner nahmen die christlich-kommunistische Zusammenarbeit zum Anlaß, den Terror der Spannungsstrategie weiter zu verschärfen. Gegenüber dem Vorjahr stiegen 1977 die Terrorakte auf fast das doppelte an. Am Ende des Jahres wurden 2 013 Attentate gezählt, bei denen 31 Menschen ermordet und 425 verletzt wurden. Neben den offen neofaschistischen Anschlägen stiegen die Attentate autonomer und linksradikaler Gruppen sprunghaft an.

Die neue Linke

Die radikale italienische Linke war Teil jener neuen Linken, die in den 60er Jahren in den USA, Lateinamerika, Westeuropa, Japan und in einigen Entwicklungsländern entstanden war. An der Schwelle zu den 70er Jahren gingen diese Gruppen auch in Westeuropa teilweise zum bewaffneten Kampf gegen das herrschende System über. Auf die größtenteils aus jungen Menschen, überwiegend Intellektuellen und Studenten, bestehende Bewegung wirkten viele Faktoren ein: Der barbarische Krieg der USA in Vietnam, die Black Power in Nordamerika, der Guerillakampf im Süden des Kontinents, der vielerorts siegreiche bewaffnete Befreiungskampf in Asien, Afrika und Lateinamerika, hier besonders der erfolgreiche Widerstand des vietnamesischen Volkes gegen die US-Aggression, aber auch der Kampf der palästinensischen Befreiungsbewegung. Ein erster Höhepunkt der neuen Linken war die studentische Protestbewegung 1968, der 1969 der »heiße Herbst« der Arbeiterbewegung folgte.

Die linksradikalen Gruppen orientierten sich an oft extrem unterschiedlichen Leitfiguren wie Ernesto Che Guevara und Daniel Cohn-Bendit, Ho Chi Minh und Mao Zedong, Malcolm X, Stokely Charmi-

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chael und Patrice Lumumba, Jean Paul Sartre und Frantz Fanon, Rudi Dutschke, Benno Ohnesorg und Ulrike Meinhof. Die Bewegung war in Italien sehr verschiedenartig zusammengesetzt. Abgesehen davon, daß der Linksradikalismus dort, in einem Heimatland des Anarchismus, aus dieser Tradition eine zusätzliche Triebkraft erhielt, unterschied er sich gegenüber der Bewegung in anderen westeuropäischen Ländern dadurch, daß er stärker in der kommunistischen und revolutionären sozialistischen Bewegung verwurzelt war. Während die RAF in der BRD, die sich zum großen Teil aus Intellektuellen zusammensetzte, nur einige Hundert aktive Anhänger zählte, haben in Italien, wie der Publizist Primo Moroni in der Zeitschrift Die Beute Nr. 2/1994 schrieb, »zwischen 7 000 und 11000 den bewaffneten Kampf praktiziert« (S. 24). Nicht wenige Mitglieder linksradikaler Gruppen, darunter auch in den Brigate Rosse, gehörten vorher dem PCI oder dem PSI an, waren Söhne, Töchter oder Enkel von Mitgliedern der Arbeiterparteien, darunter auch von Partisanen der Resistenza. Viele italienische Linksradikale glaubten, mit dem bewaffneten Kampf im Geist der Resistenza zu handeln und wie diese in der Tradition des Volkshelden Garibaldi zu stehen, wie überhaupt vom Recht der Unterdrückten auf bewaffneten Widerstand gegen eine Ausbeuterherrschaft Gebrauch zu machen.

In Italien, das südlich von Rom, im Mezzogiorno, Merkmale eines Entwicklungslandes aufwies, wirkte der soziale Faktor als Triebkraft des Linksradikalismus unvergleichlich stärker als in westeuropäischen Ländern nördlich der Alpen. Hier fanden radikale Forderungen unter Teilen der von den Krisenauswirkungen besonders betroffenen Bevölkerungsschichten - Arbeitslosen, Akademikern, perspektivlosen Jugendlichen, Studenten - zunehmend Anklang. Unter ihnen befanden sich Angehörige der städtischen Mittelschichten, Vertreter der Intelligenz, die einen hochgradigen Proletarisierungsprozeß erlebten. 1978 wurden rund zwei Millionen Arbeitslose und drei Millionen Kurzarbeiter gezählt. »In Rom ist ein großer Teil des ärmsten Proletariats der Vorstadtghettos in der Autonomia Operaia (Arbeiterunabhängigkeit) gelandet«, schrieb Panorama 1977 in seiner Nummer 571 zur sozialen Zusammensetzung linksradikaler Gruppen.

Auf die Haltung der Linksradikalen wirkten ferner die Versuche von Polizei- und Justizorganen ein, anarchistische und linksradikale Kreise für neofaschistische Anschläge, wie den auf der Piazza Fontana, ver-

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antwortlich zu machen. Der Tod des populären Mailänder Anarchisten, des 40jährigen Eisenbahners Pinelli, im Polizeigefängnis der Stadt war beispielsweise ein den Linksradikalismus stimulierender Vorfall. Ebenso, daß der mit ihm verhaftete Ballettänzer Valpreda drei Jahre unschuldig im Gefängnis saß.

Und noch ein Faktor kam in Italien hinzu. Die radikale Linke lehnte die Politik des Compromesso stòrico ab, empfand sie als Verrat an den revolutionären Zielen der kommunistischen Bewegung. Diese Politik war zwar von der PCI-Führung offiziell erst nach dem faschistischen Putsch in Chile verkündet worden, hatte aber in ihrer Orientierung bereits 1968/69 mit dem Ausschluß der innerparteilichen Opposition begonnen, die danach die Zeitung Manifesto gründete und um diese eine kommunistische Gruppierung scharte.

Das Ausmaß der Sympathie, die die neue Linke unter der Intelligenz des Landes fand, verdeutlichte nicht zuletzt die Verhaftungswelle, die 1979 gegen sie einsetzte, bezeichnenderweise erst, als das Komplott gegen Moro gelungen, der Historische Kompromiß gescheitert, die Kommunisten wieder aus der Regierungsverantwortung verdrängt und die Regierungsachse nach rechts verschoben worden war. Werner Raith gibt in seinem Buch In höherem Auftrag an, daß der Jagd auf Linksradikale ganze Universitätsfakultäten zum Opfer fielen, so in Padua fast der gesamte Lehrkörper des Instituts für Politische Wissenschaften, darunter angesehene Professoren wie Antonio Negri, Sandra Serafini, Luciano Ferrari Bianchi und Alisa Del Re. In Mailand gehörte der Direktor der katholischen Universität, Professor Maro Borromeo, zu den Verhafteten (S. 175 ff.). Das ganze Ausmaß der von der Repression Betroffenen ist bis heute kaum an die Öffentlichkeit gekommen. Circa 100 000 Personen wurden von den polizeilichen Ermittlungen erfaßt, gegen rund 40 000 Prozesse geführt, in denen etwa 15 000 Urteile gefällt wurden.

Die neue Linke Italiens, die sich auch außerparlamentarische Linke nannte, ist vor allem durch die Gruppen Lotta Continua (Ständiger Kampf) und Potere Operaio (Arbeitermacht) bekannt geworden. Anhänger der beiden Organisationen, denen deren Kurs nicht radikal genug war, gründeten Mitte der 70er Jahre die Autonomia Operaia, der sich weitere Linksradikale anschlossen. Lotta Continua und Potere Operaio praktizierten Gewalt und bewaffnete Auseinandersetzungen, waren jedoch nicht mit den Brigate Rosse (BR), der Prima Liniea (Erste

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Reihe) und den Nuclei Armati Proletari (Bewaffneten Proletarischen Zellen) zu vergleichen.

Es ist aufschlußreich zu erwähnen, daß selbst die Brigate Rosse diese Art der Gewalt nicht von Anfang an praktizierten. Renato Curcio, später Chef der BR, und Mauro Castagno verfaßten 1968 für das ein Jahr später gegründete Collettivo Politico Metropolitano (Politisches Großstadtkollektiv), aus dem 1970 die BR hervorgingen, politische Leitsätze, in denen sie Gramscis These vom »Stellungskrieg« (als langer Periode des Klassenkampfes - d. Verf.) aufgriffen, die »revolutionäre Umgestaltung« als einen »schwierigen und langwierigen Prozeß« bezeichneten, in dem eine »organisierte revolutionäre Bewegung« aus den Massen hervorgehen müsse, und in denen sie jede Form von »Abenteurertum« zurückwiesen.17 Generell kann davon ausgegangen werden, daß die in den 68er Studentenunruhen entstandenen linksradikalen Gruppen, darunter auch die BR, in ihrer Gründerzeit von der These ausgingen, mit ihrer sozialen Rebellion eine revolutionäre Massenerhebung auslösen zu können.

Die Company entdeckt ein neues Potential

Die Organisatoren der Spannungsstrategie, die intensiv analysierten, wie sich das linke Spektrum entwickelte, begannen das linksradikale Potential bereits in seinem Entstehungsstadium für ihre Zwecke zu nutzen, das heißt, es zu unterwandern und zu manövrieren, seine Aktionen anzuheizen. Der zuständige Ausschuß des Repräsentantenhauses der USA empfahl schon 1968 allen Geheimdienstorganen, bei ihren Aktionen stärker linksextremistische Kräfte zu nutzen. Das Pentagon erließ im November 1970 das von A. und G. Cipriano erwähnte Dokument Field manual 30-31, das detaillierte Anweisungen für »Stabilisierungsaktionen« in NATO-Staaten enthielt (S. 202 f.). Dazu gehörten Instruktionen zur Einschleusung von Agenten in linksradikale Organisationen. Die undercoveragents sollten zur gegebenen Zeit Operationen - von der Provozierung von Unruhen bis zu politischen Morden - auslösen. Die »linken« Gewalttaten wollte man zum Vorwand nehmen, ein Regime der »starken Hand« zu errichten. Zwei Jahre nachdem die Weisung »FM 30/31« ergangen war, verlautete aus einem Bericht der Pariser Zeitung Le Monde, daß mindestens zehn Prozent aller Mitglieder linksradikaler Vereinigungen Agenten der Polizei und Geheimdienste seien.

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Panorama berichtete 1977 in seiner Nummer 571, daß Agenten aus Langley, getarnt als Studenten der John Hopkins University, Kontakte zur Autonomia Operaia in Bologna aufnahmen und dieser »ihre Erfahrungen« vermittelten. Die Zeitung ergänzte: »Nicht nur die Amerikaner sind am Werk. Auch die (italienische, der Verf.) Polizei kennt alle Chefs und Mitglieder der Autonomia Operaia, ihre Schlupfwinkel und die Plätze ihrer geheimen Versammlungen.«

Bei der Nutzung des Linksradikalismus für die Spannungsstrategie stützte man sich im Pentagon und in Langley auf die bewährte Zusammenarbeit mit der neofaschistischen Bewegung. Eine herausragende Rolle beim Anheizen des Linksradikalismus spielte Guido Giannettini, der enge Vertraute der Nummer Zwei des MSI, Pino Rauti. Es ist aufschlußreich, etwas näher in Augenschein zu nehmen, wie dieser Meister des »linksradikalen Terrors« in diesen Jahren zwischen Rom und Washington als Verbindungsmann zwischen der Company, dem SID und den verschiedenen neofaschistischen Abteilungen agierte.

»Rote Hände über der Armata«

Giannettini war bereits zu Zeiten De Lorenzos als Agent des SIFAR tätig. Er war Vertrauensmann des Geheimdienstgenerals und langjährigen Generalstabschefs des Heeres Giuseppe Aloja, wie De Lorenzo ein Militär, der mit den Neofaschisten gemeinsame Sache machte. Zahlreiche Aufträge erhielt Giannettini direkt von den späteren Geheimdienstchefs Henke und Miceli. Der Vorwärts zitierte den Staragenten am 31. Oktober 1974 mit der Äußerung: »Ich bin Nazifaschist. Männer wie ich arbeiten, um in Italien zu einem Militärputsch oder zum Bürgerkrieg zu kommen.«

Einflußreiche Kontakte erschloß sich Giannettini als Journalist. Er war viele Jahre der Starreporter des MSI-Blattes Secolo d'ltalia, schrieb für die große rechte Tageszeitung Il Tempo in Rom und war Mitarbeiter der Rivista Militare, die der Generalstab des Heeres herausgibt. Als Experte dieser »Zeitschrift für Internationale Militärfragen« nahm er wiederholt an Tagungen der NATO teil.

1961 hielt der Agent in Annapolis bei Washington an der Schule der US-Marines Vorlesungen über »Techniken und Möglichkeiten eines Staatsstreiches in Europa«. In den folgenden Jahren studierte Giannettini Erfahrungen der französischen OAS. Er unterhielt enge Kontakte zu den Obersten Antoine Argoud und Pierre Lagaillarde, beide Mit-

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glieder des OAS-Generalstabes. »Die raffinierten Techniken der OAS«, schrieb Panorama 1978, »stellen noch heute ein Operationsmodell für den schwarzen Umsturz dar«. 1964 gründete Giannettini zur Organisation subversiver Aktionen einen sogenannten Apparato mondiale segreto d' Azione Revoluzionario (Weltweiter Geheimapparat für revolutionäre Aktionen), der neofaschistische Terroristen instruierte, pseudorevolutionäre Gruppen zu bilden und »links« getarnte Anschläge zu organisieren.

Wiederholt nahm Giannettini an Beratungen italienischer Militärs und Geheimdienstler der NATO über den Kampf gegen die »kommunistische Gefahr« teil. Im Mai 1965 hielt er in Rom auf einem von dem Fallschirmjägergeneral Alceste Nulli Augusti organisierten »Studientreffen« das Hauptreferat zu Fragen des »subversiven Kampfes« gegen die Kommunisten. Ein weiteres Referat hielt Pino Rauti. Zu den Teilnehmern der Beratung gehörten General De Lorenzo, der damalige Generalstabschef Aloja sowie führende CIA-Leute. Giannettinis Vorlesung machte auf Aloja einen derartigen Eindruck, daß er sie auf einem Sonderlehrgang an der Militärakademie in Modena halten ließ. Als Chef des SID beauftragte Aloja später Giannettini und Rauti, eine Broschüre über »kommunistische Untergrundarbeit« in den Streitkräften auszuarbeiten, die dem Offizierskorps vor Augen führen sollte, daß die Armee zur Sicherung der Ordnung eingreifen müsse. In dem Werk, das den Titel erhielt »Rote Hände über den Streitkräften« (Mane rosse sulle Forze Armate), behauptete der Agent, die Streitkräfte seien »kommunistisch unterwandert«, und die »rote Machtergreifung« stünde unmittelbar bevor.

Ende der 60er Jahre, als linksradikale Organisationen entstanden, beauftragte der SID seinen Top-Agenten, deren Aufbau, Struktur und Arbeitsweise zu studieren, um Möglichkeiten zu erkunden, sie zu unterwandern. Da viele linksradikale Organisationen sich an Mao Zedongs Theorien orientierten, las Giannettini dessen Schriften und befaßte sich mit der Lage in China. Im Dezember 1969 gehörte er zu den Organisatoren des Anschlags in der Mailänder Landwirtschaftsbank, dessen Spuren lange Zeit nach links gelenkt wurden. Danach gehörte Giannettini dem Organisationsstab des Borgheseputsches an, der im Dezember 1970 ausgelöst werden sollte.

Nachdem in der Öffentlichkeit seine Agententätigkeit für den SID bekannt geworden war, mußte gegen Giannettini im März 1973 ein

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Haftbefehl erlassen werden. Im Februar 1979 verurteilte ihn das Gericht im Prozeß gegen den SID in Catanzaro - unter massiver Anteilnahme der demokratischen Öffentlichkeit - wegen Teilnahme an dem Anschlag auf der Piazza Fontana in Mailand zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.18

Brigate Rosse von V-Leuten durchsetzt

Es ist vielsagend zu verfolgen, wie die von NATO und Geheimdiensten vorgegebene Linie sich in der »linken Variante« der Spannungsstrategie niederschlug. Mit Hilfe vor allem ihrer neofaschistischen Verbündeten gelang es diesen Kreisen, Agenten in linksradikale Gruppen einzuschleusen und deren bewaffneten Kampf anzuheizen, den schwarzen Terror pseudorevolutionär zu tarnen und auch selbst »linksextreme« Gruppen zu bilden sowie bestehenden neofaschistischen Terrorbanden einfach ein »linksradikales« Namensschild umzuhängen.

Nachdem im März 1973 ein neofaschistisches Attentat auf den D-Zug Genua-Rom gescheitert war, wurde bekannt, daß in dem Zug zahlreiche Neofaschisten vor den Reisenden demonstrativ mit Zeitungen und Flugblättern von Lotta Continua und Potere Operaio aufgetreten waren, um entsprechende Spuren zu hinterlassen. Den Anschlag 1973 auf das Mailänder Polizeipräsidium (vier Tote, 47 Schwerverletzte) führte der bereits erwähnte MSI-Anhänger namens Gianfranco Bertoli aus. Nachdem er verhaftet worden war, gab er sich als Anarchist aus. Im Frühjahr 1975 berichteten italienische Zeitungen, daß Neofaschisten in linke Studentengruppen eingeschleust wurden, um »linke Unruhen« vom Zaune zu brechen. »Linke Ausschreitungen«, die in Mailand zu schweren Zuzsammenstößen mit der Polizei führten, waren von Neofaschisten organisiert worden, die vorher ins linksextreme Lager gewechselt waren schrieb die römische Unità am 20. April. Giorni belegte in seiner Nummer 16/1977, daß die CIA unter Studenten italienischer Universitäten Agenten anheuerte und sie dann an die John-Hopkins-Universität in Kalifornien einlud, wo sie eine entsprechende Ausbildung erhielten. Nach Italien zurückgekehrt, wurden sie in linksextreme Gruppen infiltriert, um terroristische Aktionen zu organisieren und auch selbst zu leiten. Panorama schrieb 1978 in seiner Ausgabe 622, der Führer der MSI-Studentenvereinigung FUAN, Biagio Cacciola, der nach der Entführung Moros ein Bündnis zwischen Neofa-

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schisten und linksradikalen Gruppen, darunter die Brigate Rosse, propagierte, habe zugegeben, daß bei den blutigen Ausschreitungen der Autonomia Operaia 1977 gegen die Gewerkschaften in Rom die meisten Angreifer aus der FUAN gekommen seien. Der Messagero berichtete am 8. April 1978 über Diebstähle, Sprengstoffanschläge, Verwüstungen von Schulen und andere Zerstörungen und belegte, daß sie »eine neofaschistische Bande beging und mit BR unterschrieb«. Die Roten Brigaden wurden frühzeitig von Agenten der Polizei und der Geheimdienste infiltriert. Seit der Carabinieri-General Alberto Della Chiesa 1974 die Antiterrorabteilung der Turiner Region übernommen hatte, wurde diese regelrecht mit V-Leuten der Polizei durchsetzt. Zwei Fälle von Undercover-Agenten, die selbst aktiv an »linken« Terrorakten teilnahmen, erregten nach Bekanntwerden in der Öffentlichkeit besonderes Aufsehen. Das war der bereits erwähnte Silvano Girrotto, der in den Brigate Rosse als Ausbilder fungierte. Unter anderem ermöglichte er 1974 die Verhaftung Curcios, um später an seinem Ausbruch aus dem Gefängnis mitzuwirken, Curcio konnte »auf merkwürdige und geheimnisvolle Weise aus einem kaum bewachten Gefängnis für Häftlinge mit leichten Strafen entkommen«. Der römische Paese Sera schrieb am 19. Januar 1976, es sei eindeutig, daß »die Flucht begünstigt wurde«.

Ein Marco Pisetta, der seit 1968 in linksradikalen Gruppen aktiv war, beteiligte sich an zahlreichen Terrorakten, verschickte Briefbomben und bezichtigte viele linke Studenten, Professoren und Arbeiter krimineller Aktivitäten. Als ihn die BR enttarnten und verfolgten, konnte er mit Hilfe der Polizei untertauchen. Später sagte er vor Gericht gegen angeklagte Rotbrigadisten aus.

Im Juni 1976 diskutierten italienische und ausländische Journalisten in Rom ernsthaft, ob Undercoveragenten für Einsätze in den BR in NATO-Stützpunkten ein Spezialtraining absolvierten. Anlaß war eine Pressekonferenz des Chefredakteurs der römischen Wochenzeitschrift Tempo, Livio Januzzi, am 14. Juni in der Hauptstadt, auf der dieser erklärt hatte, Polizeiagenten würden in Absprache mit der CIA und dem BND als Rotbrigadisten auftreten und Gruppen der BR anleiten, wie Kommandounternehmen zur Entführung und Ermordung von Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Justiz durchzuführen sind. Bei einer dieser Operationen war laut Januzzi zwei Wochen vorher der Genueser Oberstaatsanwalt Francesco Coco mit seinen zwei Beglei-

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tern ermordet worden. Die »Gefängnisse« der BR für entführte Personen würden vom italienischen Geheimdienst vorbereitet. Der Plan, Aktionen der Brigate Rosse geheimdienstlich zu steuern, sei vom Chef des SID, General Miceli, persönlich gebilligt worden. Januzzi, über dessen Pressekonferenz am nächsten Tag nahezu alle italienischen Zeitungen ausführlich berichteten, erklärte weiter, daß Personen, die danach als BR-Mitglieder auftraten, in einem geheimen NATO-Stützpunkt auf Sardinien auf ihre Operationen vorbereitet würden. Ein Schwerpunkt der Ausbildung sei, Kommandounternehmen in Städten durchzuführen, bei denen Personen beseitigt würden. A. und G. Cipriano, die Januzzis Beweismaterial anführen und dazu eigene Recherchen vorlegen, schreiben unter anderem, daß in den 70er Jahren auf NATO-Stützpunkten Tausende Gladio-Kämpfer ausgebildet und viele von ihnen danach als Undercover-Agenten in linksextremistische Gruppen eingeschleust wurden.

Als zwei Jahre nach der Pressekonferenz Januzzis Aldo Moro in einem professionellen Kommandounternehmen erst entführt und dann ermordet wurde, erinnerten sich die Beobachter recht gut dieser Pressekonferenz. Werner Raith, langjähriger Italienkorrespondent, unter anderem für die TAZ, belegte das in seiner bereits zitierten Recherche In höherem Auftrag. In der Arbeit, die den treffenden Untertitel Der kalkulierte Mord an Aldo Moro trägt, schrieb er, daß »die Agenten zur Zeit der Affäre Moro bereits im innersten Kern der Roten Brigaden« saßen. »Ihr Zugriff auf die Entscheidungen geschah nicht mehr auf Umwegen, sondern direkt, nur so ließen sich die Aktionen ständig unter Kontrolle halten.« (S. 150)

Im Rahmen der neuen Variante der Spannungsstrategie gingen neofaschistische Terrorgruppen dazu über, sich hinter pseudorevolutionären Namen zu verstecken. So tauchte in Bari eine aus Neofaschisten bestehende Gruppe auf, die sich Nationale Sozialistische Ordnung nannte, in Catania eine Nationale Befreiungsfront und in Rom eine Gruppe, die sich - den linksextremen Bewaffneten Proletarischen Zellen zum Verwechseln ähnlich - als Bewaffnete Revolutionäre Zellen bezeichnete. Die Unità enthüllte am 26. März 1978 - nach der Entführung Moros -Pläne Rautis, innerhalb der Sozialbewegung eine der Autonomia Operaia ähnliche »links« getarnte Gruppe aufzubauen. Die Nummer Zwei des MSI plante sogar »ideologische Kurse«, um seine Gefolgsleute mit den »linken« Termini vertraut zu machen, »Die Nationale Rechte<

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wird sich ihrer Möglichkeiten bewußt, in das revolutionäre Spiel< einzusteigen«, schrieb die Zeitung.

Später schlug Rauti den Chefs der linksradikalen Organisationen ein direktes Bündnis vor. »Wir wollen keinen Kampf mit den Linksextremisten«, zitierte die Repubblica den MSI-Führer am 11. Januar 1979. »Wir stehen mit ihnen auf der gleichen Seite gegen das System ... Ich bin bereit, mich mit den Leuten aller Bewegungen der neuen Linken zu treffen, um mit ihnen einen Waffenstillstand auszumachen.« Die Wochenschrift der MSI-Jugendorganisation Dissenso sprach sich ebenfalls für »ein Bündnis aller aus, die gegen das System sind, die außerparlamentarische Linke eingeschlossen«. Dem schloß sich im Namen seiner Organisation auch FUAN-Führer Biagio Cacciola an.

Warum gerade Moro?

Aldo Moro wurde am 16. März 1978 in der Via Fani am Monte Mario im Nordwesten der Hauptstadt überfallen und entführt. Das Ganze spielte sich in zehn Minuten ab, zwischen 9.05 und 9.15 Uhr. Einer der Terroristen stand an einem Blumenstand an der Ecke Via Fani/Via Stresa. Vier weitere in Uniformen der Fluggesellschaft Allitalia hatten vor einer geschlossenen Bar Posten bezogen. Die übrigen Attentäter saßen in fünf PKW und auf einem Honda-Krad bereit. Als der Wagen des Parteiführers sich näherte, wurde ihm der Weg abgeschnitten. Während das folgende Fahrzeug in den Wagen Moros hineinfuhr, schossen die Terroristen kaltblütig und zielgenau wie auf dem Schießstand die Leibwächter nieder. Nur einem gelang es, seine Pistole zu ziehen und drei Schüsse abzugeben, die aber niemanden trafen. Vier Polizisten waren sofort tot, der fünfte starb wahrend der Operation im Krankenhaus. Moro wurde gewaltsam aus seinem Wagen gezerrt und in einen der PKWs der Entführer, einen Fiat 130, gestoßen. Aus einer ledernen Aktentasche entnahmen die Terroristen zwei Mappen. Eine enthielt, wie später bekannt wurde, streng geheime Dokumente, die zweite Medikamente, die der kranke Politiker regelmäßig einnehmen mußte. Drei weitere Ordner ließen die Entführer unbeachtet liegen. Es war eines der ersten von zahlreichen Anzeichen, die später hinzukamen und die bewiesen, daß die Terroristen detaillierteste Kenntnisse von Lebens- und Arbeitsweise des Parteiführers hatten. So kannten sie auch seine Fahrstrecke, die täglich wechselte und nur den Sicherheitskräften bekannt war.

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Bis heute ist nicht bekannt geworden, wieviel »echte« Brigadisten an der Entführung und späteren Ermordung Moros beteiligt waren. Viele von ihnen streiten auch heute noch ab, daß Polizei und Geheimdienste, deren Agenten ihre Reihen infiltriert hatten, die Drahtzieher des Anschlags und vor allem seine Nutznießer waren. Das hängt sicher auch damit zusammen, daß ein solches Eingeständnis den Stolz der Rotbrigadisten als Revolutionäre, als die sie sich empfanden, tief verletzt hätte. Andererseits mag es für diejenigen, die »unbeugsam« blieben, auf ihrem langen Weg durch die Instanzen der Justiz und in die Gefängnisse eine moralische Stütze gewesen sein, einen der größten, wenn nicht überhaupt den größten politischen Terrorakt in der Geschichte des Anarchismus und Linksradikalismus für sich in Anspruch nehmen zu können. Zu den Ausnahmen gehört der zu insgesamt 70 Jahren Haft verurteilte Franceschini, der zwölf Jahre nach dem Mord, am 31. Dezember 1990 in einem Interview für die Repubblica eingestand, daß andere Kräfte in der BR mitmischten, und erklärte: »Für mich gibt es heute keinen Zweifel mehr: Die Roten Brigaden wurden instrumentalisiert, nur ein Teil >unserer Aktionen< waren wirklich »unsere<. «

Es gab bereits unmittelbar nach dem Anschlag in der Via Fani eindeutige Indizien, daß »echte« Brigadisten nur Statisten dieses Kommandounternehmens waren. In die Presse wurden Nachrichten lanciert, die den tatsächlichen Handlungen der BR - oder dem, was man dafür ausgab - vorauseilten. So titelte das rechtsaußen stehende Mailänder Giornale bereits am Tag nach der Entführung, die Brigate Rosse hätten die »Freilassung gefangener Terroristen gefordert«, und der Corriere della Sera bezeichnete das als »Erpressung der Roten Brigaden«. Eine solche Forderung erhoben die BR jedoch erst viel später. In einem ersten »Kommunique«, das am 18. März verbreitet wurde, war nur davon die Rede, daß die BR Moro den »Prozeß« machen würden. Der Gründer und historische Chef der Brigate Rosse, Renato Curcio, stand zum Zeitpunkt des Attentats mit 13 weiteren Brigadisten vor Gericht. Obwohl es hinreichend Gelegenheit gab, äußerte er sich erst fünf Tage nach dem Anschlag dazu. Aber nicht, wie von der Presse erwartet, in einer propagandawirksamen Erklärung, sondern mit dem - eher beiläufigen - Satz »wir haben Aldo Moro«.

Mit dem Anschlag gegen Moro wollten die BR angeblich, wie auch Franceschini die deutsche Übersetzung seines Buches nennt, »das Herz

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des Staates treffen«, der für sie »der Staat der harten Repression« gegen die neue Linke war. Der Ausspruch stammt ursprünglich von Mara Cagol, der Frau Curcios, die 1975 bei einem Schußwechsel mit der Polizei ums Leben kam. Die BR verwendeten den Slogan dann häufig auf ihren Flugblättern.

Moro war aber nun nicht gerade der Typ, den man einen »harten Repressionspolitiker« nennen konnte, eher hatte er etwas vom Gegenteil an sich. Er war ohne Zweifel ein politischer Repräsentant seines Landes und keineswegs etwa ein Gegner der NATO, aber ein Mann, der der rigorosen Einmischung der USA in die inneren Angelegenheiten Italiens entgegenzuwirken suchte.

Der habilitierte Jurist und Professor an der Universität von Bari war Sohn eines Schulinspektors und einer Elementarschullehrerin aus dem Mezzogiomo. Von einem sehr begabten Schüler und Studenten entwickelte sich der 1916 geborene Moro frühzeitig zu einem fähigen und sehr gebildeten Politiker mit Realitätssinn sowohl für die Probleme seines Landes als auch in internationalen Fragen. Er galt als volksverbunden und war - geradezu ein Novum in der italienischen Politik -niemals in einen Bestechungsskandal verwickelt. Seit den Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung im Jahre 1946 war er Mitglied der Abgeordnetenkammer, in fünf Amtsperioden Ministerpräsident, mehrmals Außenminister und Chef anderer Kabinettsressorts. Für die 1979 anberaumten Präsidentenwahlen galt er als aussichtsreichster Kandidat seiner Partei.

Aldo Moro war den kalten Kriegern in Pentagon, CIA und State Department kein Unbekannter. Mit seinem Realismus in außenpolitischen Fragen hatten sie sich bereits 1949 konfrontiert gesehen, als er gegen den Beitritt Italiens zur NATO auftrat. Aus Protest gegen diesen von De Gasperi vollzogenen Schritt blieb er am 4. April 1949 der Abstimmung im Parlament fern. Die Amerikaner haben ihm das nie verziehen, und De Gasperi schloß ihn wegen dieser »Eigenmächtigkeit« aus dem Kabinett aus. Obwohl die meisten DC-Politiker Moros Karriere danach als beendet wähnten, kehrte dieser nach der Wahlniederlage De Gasperis 1953 in die Politik und 1955 in die Regierung zurück. Mit der Bildung der ersten linken Zentrumsregierung 1963 machte er sich bei den rechten US-Kreisen erneut unbeliebt.

13 Jahre später, nach den Parlamentswahlen 1976, lehnte sich Moro trotz unmißverständlicher Drohungen aus Washington noch weiter

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nach links und suchte, den PCI in die Regierung und damit in die Verantwortung für die schwere politische und sozialökonomische Krise des Landes einzubeziehen. Dem DC-Führer, der geschickt zu taktieren verstand und dem oft die scheinbar unmöglichsten Kompromisse gelungen waren, schwebte mit dem Kompromiß alles andere vor, als die Kommunisten zu begünstigen. Er wollte im Gegenteil ihren Einfluß zurückdrängen. Trotzdem unterzeichnete er mit dem Abkommen, das er im Januar 1978 mit PCI-Chef Berlinguer schloß, sein Todesurteil. Zwei Monate später, am 16. März, wurde er entführt. An diesem Tag sollte im Parlament die Abstimmungsdebatte über besagtes Regierungsabkommen beginnen. Die Drahtzieher des Anschlags hofften, damit die Parlamentssitzung zum Scheitern zu bringen und überhaupt zu verhindern, daß das Abkommen in Kraft trat. Unter dem Schock des Terroranschlags verzichteten beide Häuser des Parlaments jedoch auf eine Erörterung und sprachen der unter Mitarbeit der Kommunisten gebildeten Regierung das Vertrauen aus.

Abgesehen von der Fragwürdigkeit der These vom »Herzen des Staates« hätten die BR - wenn sie dieser Losung denn folgen wollten -ihren Anschlag wohl eher gegen Andreotti richten müssen, den Mann, der am Tag der Entführung Moros als Ministerpräsident an die Spitze der Regierung des Compromesso stòrico trat. Er war bis dahin länger als alle anderen DC-Politiker als Ministerpräsident oder Verteidigungsminister für die Armee und die Geheimdienste zuständig, darunter auch für die Gladio-Strukturen, galt als ein Mann mit den besten Beziehungen zu den Amerikanern, darunter nicht zuletzt zur CIA, und pflegte enge Kontakte unter anderem zu dem Bankier und Finanzier der Neofaschisten sowie P2-Mitglied Sindona.

Nun gibt es in einem Buch von Franceschini, der Mitte der 70er Jahre neben Curcio der maßgebliche Führer der BR war, ein interessantes Kapitel, in dem er schildert, wie er, Curcio, und Mara Cagol ursprünglich tatsächlich planten, Andreotti zu entführen, der übrigens recht treffend als »Schlüsselfigur des neogaullistischen Plans« innerhalb der DC charakterisiert wird (S. 86 ff.). Curcio und Franceschini aber wurden im September 1974 verhaftet, was bekanntlich das Werk des eingeschleusten Agenten Girotto war. Danach sei der Plan nicht weiter verfolgt worden. Bleibt nur, daran zu erinnern, daß genau ab diesem Zeitpunkt auch die BR zunehmend von Polizeiagenten durchsetzt wurden, für die Andreotti nicht gerade das Zielobjekt gewesen sein dürfte.

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Die »Panne«

55 Tage war der DC-Führer den Todesdrohungen seiner Entführer ausgesetzt, die ihn zwingen wollten, seine Politik der Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei zu widerrufen. Nach allem, was bekannt wurde, hat Moro nicht nachgegeben und das mit dem Tode bezahlt. Aus einem Brief, den er einen Tag vor seiner Ermordung an seine Frau Eleonore schrieb, ging hervor, daß er von seinem bevorstehenden Ende wußte.

Am 9. Mai fand man Moros Leiche im Kofferraum eines roten Renault 4. Der Wagen, dessen rote Farbe offensichtlich Moros »Verrat« symbolisieren sollte, wurde in der Via Gaetano im Zentrum von Rom abgestellt, fast in gleicher Entfernung vom Sitz des Zentralkomitees des PCI und des Parteivorstandes der DC. Auch das sollte verdeutlichen, daß Moro ein Opfer seiner Zusammenarbeit mit den Kommunisten geworden war.

Die Vorsitzende des Parlamentsausschusses, der ab 1982 das Komplott der P2 untersuchte, Tina Anselmi (DC), stieß darauf, daß »das völlige Versagen unseres Sicherheitsapparates während der Affäre Moro mit der P2-Mitgliedschaft der fünf Mitglieder des Komitees, das für die Fahndung im Fall Moro verantwortlich war - darunter die beiden Chefs der Geheimdienste - in einem Zusammenhang steht«. Der Journalist Sandra Provvisionato ging elf Jahre später in seinem 1993 veröffentlichten Buch I misteri d'Italia (Italienische Mysterien) noch einen Schritt weiter und bezog das Wirken der geheimen NATO-Gruppe Gladio in den Anschlag auf Moro ein. Unter anderem belegt er seine Ausführungen damit, daß sich auf der 1981 gefundenen Mitgliederliste der P2 die Namen von 57 führenden Staats- und Sicherheitsbeamten befanden, die zum Stab gehörten, der die Fahndung nach Moro leitete. Der Autor führt weiter an, daß 39 der in der Via Fani gefundenen 92 Patronenhülsen aus Beständen »nichtkonventioneller Armee-Einheiten« stammten und diese mit einem Speziallack überzogen waren, der für die Waffen von Gladio benutzt wurde (S. 178 f.). Dafür stand auch die von Andreotti verfolgte, in der Öffentlichkeit heftig umstrittene Linie der Fermezza (Standhaftigkeit), mit der von den Entführern geforderte Verhandlungen über eine Freilassung Moros rigoros abgelehnt wurden. Für die Fermezza, auch schärfer formuliert als Intransigenza (Unnachgiebigkeit) bezeichnet, standen vor allem der in dieser Frage von Andreotti angeführte Flügel der DC, aber

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auch der PCI, der befürchtete, anderenfalls der Komplizenschaft mit den BR beschuldigt zu werden.

Als die Linie der Intransigenza zu kippen drohte, weil die Sozialistische Partei sie aufkündigte, stellte sich US-Präsident Jimmy Carter demonstrativ »voll und ganz« hinter sie. Ähnliches verlautete aus der BRD, aus der Spezialisten des BND, des BKA und des Innenministeriums zuhauf anreisten und, wie auch der britische Experte für Terrorismusbekämpfung in Nordirland, Fermezza empfahlen. Von Bonner Seite galt als Vorbild, wie die Regierung Helmut Schmidt ein Jahr zuvor den Fall Schleyer »abgeschlossen« hatte.

Der aus den USA eingeflogene Manager auf diesem Gebiet, ein Harvard-Absolvent namens Steve Pieczenik, der als Berater für Innenminister Cossiga fungierte, riet seltsamerweise, »die Fahndung nicht zu forcieren«, und tat ganz im Sinne eines »kalkulierten Mordes« kund: »Kein Mensch ist für das Leben eines Nationalstaates unentbehrlich.«19 Den Gipfel solcherart Unverfrorenheit erklomm der Kolumnist William Buckley, der Moro zwei Tage vor seiner Ermordung in der Washington Post aufforderte, sich das Leben zu nehmen und »mutig zu sterben«. Moro selbst trat in Briefen, die er aus seinem Gewahrsam schrieb, für Verhandlungen ein und kämpfte auf dieser Grundlage um sein Leben. Sich der seitens der Amerikaner immer wieder gegen ihn ausgestoßenen Drohungen erinnernd oder des Drucks, den die bundesdeutschen Regierungen auf seine Politik auszuüben suchten, wird ihm das Ausmaß des internationalen Komplotts gegen seine Politik und gegen sein Leben klar geworden sein. Schrieb er doch angesichts der Weigerung seiner Partei und der Regierung Andreotti, mit den Entführern zu verhandeln, in einem seiner Briefe aus dem »Volksgefängnis«: »Gibt es vielleicht, um die Härte mir gegenüber durchzuhalten, amerikanische und deutsche Winke?« Moro hat in diesen Briefen, die Gino Dino -soweit sie an die Öffentlichkeit gelangten - unter dem Titel Mein Blut komme über Euch herausgegeben hat, seine Partei für sein Schicksal verantwortlich gemacht (S. 49 ff.).

Seitens der BR wurde nun immer wieder angekündigt, ein Tonband über das »Verhör« Moros mit dessen Originalstimme publik zu machen, was nie geschehen ist. Ein halbes Jahr nach Moros Ermordung wurde bei einer Razzia in Mailand lediglich die angebliche Abschrift des »Verhörs« in Maschinenschrift gefunden, vom Tonband selbst fehlt bis heute jede Spur. Die Ursache kann nur sein, daß den »Verhö-

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rern« eine »Panne« unterlaufen ist. Auf dem Band müssen sich bei der Aufnahme zunächst nicht wahrgenommene Töne, Vibrationen, typische Nebengeräusche befunden haben, die sich nicht aus dem Band entfernen ließen, die aber das - für die Fahndungskräfte so unauffindbare - Gefängnis identifiziert hätten. Obendrein muß sich wohl ein Experte das Band vorgenommen und die »Panne« festgestellt haben. Raith geht soweit, in Rechnung zu stellen, daß sich Moros »Volksgefängnis« an einem Ort befand, nach dem gar nicht gefahndet wurde, etwa in einer ausländischen Botschaft. Die amerikanische und die israelische Vertretung wurden beispielsweise überhaupt nicht überwacht (S. 165 ff.). Und das, obwohl Moro in seinen Briefen auch das israelisch-palästinensische Problem bezüglich seiner Haltung erwähnt hatte und manche Beobachter in Rom in Betracht zogen, daß der israelische Geheimdienst Mossad seine Hände bei den BR mit im Spiel hatte. Jahre später wurde bekannt, daß nicht alles, was Moro in der Zeit seiner Gefangenschaft schrieb, an die Öffentlichkeit gelangte. Ebenso, daß die von den BR verwendeten Druckmaschinen aus Beständen stammten, die früher der italienische Geheimdienst benutzte. Und schließlich kam in den Prozessen gegen die über 250 Brigadisten nahezu alles ans Licht, was die BR belastete, nur nichts über die Hintermänner des Komplotts und nichts, aber auch gar nichts darüber, wo sich das »Volksgefängnis« befunden hatte. Die Fahndung war knapp zehn Minuten nach der Entführung ausgelöst worden, und Moro mußte sich nach aller Logik in Rom befunden haben. Dafür sprach auch, daß der Renault, in dem die Leiche Moros in der Via Gaetani abgestellt wurde, ein gestohlener Neuwagen war, dessen Tacho nur 15 km anzeigte.

Der Mitbegründer und -herausgeber des Manifesto, Luigi Pintor, bezeichnete das Geheimnis um Moros Aufenthalt in dem Blatt am 5. Oktober 1983, nachdem die Urteile im dritten Prozeß gegen die Brigate Rosse verkündet worden waren, als »Die Metapher eines nichtexistenten Gefängnisses« und schrieb: »Man erkläre mir nur eins: Wie kann man eine Untersuchung ernst nehmen, eine Verhandlung, ein Urteil, wenn im Laufe von fünf Jahren, trotz Verhaftungen, Anklagen, Verhören, Gegenüberstellungen und Geständnissen und am Ende von 59 Schuldsprüchen und 32 mal lebenslänglich nicht herausgefunden worden ist, wo der Abgeordnete Moro 55 Tage lang eingesperrt war?«

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Das Ergebnis: Wende nach rechts

Der Anschlag auf Moro war der Höhepunkt der Spannungsstrategie. Das zeigte sich bereits am Tag der Entführung am Auftreten Almirantes. Der MSI-Führer nahm das »rote Etikett« der Attentäter zum Anlaß einer zügellosen antikommunistischen Hetze. Die Democrazia Cristiana bezichtigte er des »Paktierens mit den Kommunisten« und beschuldigte sie, unfähig zu sein, Sicherheit und Ordnung des Staates zu garantieren. Er forderte den Rücktritt des Staatspräsidenten, die Errichtung eines Präsidialregimes, die Verhängung des Ausnahmezustandes, den Erlaß von Notstandsgesetzen und den Eintritt von Militärs in die Regierung. Drei Jahre später zeigte sich, daß Almirante genau die Forderungen stellte, die der sogenannte »Plan der demokratischen Wiedergeburt« der Geheimloge P2 als erste Schritte vorgab, um ein rechtsradikales Regime zu errichten.

Das Secolo d'ltalia schrieb von »kommunistischen Terroristen«, die einen »kommunistischen Staatsstreich« organisierten, bezeichnete die Entführung Moros als Ergebnis der »mehrheitlich kommunistisch-christdemokratischen Regierung«, mit der das Land »der kommunistischen Gewalt ausgeliefert« werde. Gleichzeitig nahmen die Neofaschisten die Situation zum Anlaß, ihren eigenen Terror als »Abwehrreaktion«, als »Antwort auf den roten Terror« und sich als »Verteidiger der öffentlichen Ordnung«, der »Autorität des Staates« darzustellen. So rief der MSI nach dem Anschlag auf Moro in Rom auf Plakaten die Bürger auf: »Helft uns. Euch zu verteidigen.«20 Der rechte Flügelmann der DC, Agostino De Carolis, sekundierte dem MSI mit der Forderung nach dem Rücktritt des Justiz- und des Innenministers, um eine Regierungskrise auszulösen. Am Tag der Ermordung Moros versuchten Schlägertrupps des MSI, einen Überfall auf das Gebäude des Zentralkomitees des PCI zu inszenieren. In seinem Parteiblatt Secolo d'ltatia verlangte Almirante zwei Tage später nunmehr den Rücktritt der gesamten Regierung.

Während die Neofaschisten in Rom darauf hinarbeiteten, die vom PCI unterstützte Regierung zu stürzen und einem Regime der »starken Hand« an die Macht zu verhelfen, gaben sich in Washington ihre Vertreter zu entsprechenden Absprachen die Klinke in die Hand. Als Erster reiste der frühere Geheimdienstchef Miceli, der inzwischen dem Vorstand des MSI angehörte, an den Potamac. Während über einwöchiger Konsultationen mit einflußreichen Politikern, vor allem aber

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CIA-Experten, forderte Miceli - offensichtlich in Übereinstimmung mit seinen Gesprächspartnern - schnellstmöglich den »NATO-Mechanismus« in Gang zu setzen, der »geheimen politischen und militärischen Klauseln des Paktes für Italien«, wie Panorama in seiner Ausgabe 662/ 1978 berichtete. »Der Vormarsch der Kommunisten«, so erklärte Miceli, könne nur »durch das Eingreifen der NATO« gestoppt werden. Wie in Rom bekannt wurde, konferierte Miceli zu diesen Fragen zwei Tage mit Experten in Langley, darunter mit dem ehemaligen CIA-Direktor und Italienexperten Colby. Auch mit dem geflüchteten Bankier und Finanzier der Neofaschisten Sindona traf er zusammen. In den Gesprächen war es, wie der Espresso in seiner Nummer 17/1978 einschätzte, eindeutiges Ziel, die KP »mit faschistischer Unterstützung« aus der Regierung zu werfen.

Nächste Gesprächspartner in Washington waren MSI-Führer Almirante und der Vorsitzende der Parlamentsfraktion der neofaschistischen Democrazia Nazionale, Raffaele Delfino. Almirante, der seine Konzeption zur Lösung der italienischen Krise nach »chilenischem Vorbild« propagierte, wurde auf einem »antikommunistischem Kongreß« in Washington »mit großer Ehrerbietung« gefeiert, berichtete die regierungsamtliche Nachrichtenagentur ANSA am 27. April. Ohne Widerspruch konnte der erbitterte Feind der Antihitlerkoalition und später als Kriegsverbrecher abgeurteilte Almirante, wie das Secolo d'ltalia am 30. April berichtete, auf Kundgebungen zum »globalen Kampf gegen den Kommunismus« hetzen und für Italien die Errichtung eines Regimes propagieren, das, wie unter Hitler und Mussolini, »den Klassenkampf beseitigt«.

Die Rolle des Terrors der Spannungsstrategie, die eine Regierung mit kommunistischer Beteiligung verhindern sollte, wurde bereits dargelegt. Dieser Terrors wuchs noch an, seit am 18. März 1978 eine solche Regierung ihr Amt angetreten hatte. Danach ereigneten sich bis Ende des Jahres über 2 300 Terrorakte, bei denen mehr als 30 Menschen ums Leben kamen und über 400 zum größten Teil schwer verletzt wurden. 871 mal fanden bewaffnete Überfälle auf Personen statt, und 45 mal wurden Personen entführt. Darunter befanden sich 19 Industrielle und Manager, zwei Bankiers, sieben DC-Politiker, ebenso viele Kommunisten und Vertreter anderer linker Organisationen, zwei Mitglieder rechter Gruppen, fünf Journalisten, drei Universitätsprofessoren, sechs Angehörige der Justiz, sieben Gefängniswärter und vier Ärzte. Zwei

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Drittel der Überfälle wurden unter dem Zeichen der Brigate Rosse begangen. 333 Anschläge galten Parteibüros und Gewerkschaftssitzen, 111 mal wurden Kasernen und 33 mal Polizeistationen angegriffen. Der Terror diente dazu, Angst und Schrecken zu verbreiten, die öffentliche Sicherheit zu zerrütten, die parlamentarische Ordnung und ihre Exekutive als unfähig auszuweisen und so dem Ruf nach einer Regierung der »starken Hand«, die »Ordnung schafft«, Nachdruck zu verleihen.

Er war für die Regierung Andreotti Anlaß, zahlreiche Notstandsgesetze und -Verordnungen zu verabschieden, die die Bürgerrechte beträchtlich einschränkten und den bewaffneten Organen sowie der Justiz generell weitreichende Vollmachten übertrugen, die jederzeit auch gegen oppositionelle Kräfte ohne Unterschied angewendet werden konnten. In Rom wurden an einem Tag 1 500 Hausdurchsuchungen vorgenommen und 287 Personen festgenommen, darunter Mitglieder des PCI und des PSI, von denen später 245 wieder freigelassen wurden. Im Rahmen der Fahndung nach den Attentätern des Anschlags auf Moro übernahm die Armee Polizeifunktionen zur Sicherung der öffentlichen Ordnung. Allein in der Hauptstadt waren dazu Kräfte in Stärke einer Division eingesetzt.

Mit dem Anschlag auf Moro hatte die Spannungsstrategie zwar kein diktatorisches Regime an die Macht bringen, wohl aber wesentliche von ihr verfolgte Ziele, durchsetzen können. In der Democrazia Cristiana erlangten die Rechten wieder den bestimmenden Einfluß auf die Politik der führenden Regierungspartei. Diese Kräfte sabotierten systematisch das mit den Kommunisten geschlossene Regierungsabkommen und die eingeleiteten Reformen, was im Januar 1979 dazu führte, daß der PCI aus der Regierung austrat. Im Ergebnis der antikommunistischen Hetzkampagne, in der die KP als die Urheberin des Terrors der BR diffamiert wurde, gingen ihre Stimmen bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im selben Jahr um vier Prozent auf 30,4 zurück und waren damit erstmals in der Nachkriegsgeschichte rückläufig. Bei zwei weiteren Wahlen sanken sie bis 1987 auf 26,6 Prozent ab und lagen so noch unter den Ergebnissen, die 1972 (27,1) erreicht worden waren. Der DC gelang es erst drei Monate nach den Wahlen, im August, eine Minderheitsregierung mit Liberalen, eine Rechte Zentrumsregierung (Centro Destra) zu bilden, die von den Sozialisten durch Stimmenthaltung gestützt wurde. Entscheidend war, daß die Christdemokraten

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durch ihr Bündnis mit den Liberalen, die für ihr Paktieren mit den Neofaschisten bekannt waren, deutlich ihren Bruch mit dem PCI und ihre Orientierung nach rechts ausdrückten.

Bei der Drehung der politischen Achse nach rechts spielte der Terror der Spannungsstrategie wiederum die entscheidende Rolle. Gegenüber 37 Todesopfern 1978 forderte er 1979, im Jahr der Parlamentswahlen und der Bildung einer neuen Regierung, 40 Menschenleben. Es war kein Zufall, daß dieser Squadrismus, den einst Mussolini ins Leben gerufen hatte, zu Beginn des Jahres 1980 noch weiter anwuchs. Denn für den Februar war der Parteitag der DC einberufen worden, der jedweder Zusammenarbeit mit den Kommunisten abschwören sollte. Obwohl unter dem Druck der Rechtswende zu einer verschwindenden Minderheit zusammengeschmolzen, widersetzten sich dem die engsten Anhänger Moros in der Partei. Um vor allem sie zum Schweigen zu bringen, wurden bei Terroranschlägen bis März des Jahres 27 Menschen umgebracht und 94 verletzt. Den Auftakt dieser Terrorwelle bildete am 8. Januar - nach dem Modellfall Moro - die Ermordung des christdemokratischen Präsidenten des Regionalparlaments von Sizilien, Piersanti Mattarella, der einem Komplott von Mafiosi und Neofaschisten zum Opfer fiel. Erst 15 Jahre später, als Andreotti der Beteiligung an der sizilianischen Mafia angeklagt wurde, kamen Einzelheiten darüber zur Sprache.

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Das Geflecht von Geheimloge, Neofaschisten, Vatikan und Mafia

P2 - Die neue Strategie: Weißer Staatsstreich

Im Mai 1981 durchsuchte die Finanzpolizei in Gastiglione Fibocchio in der nördlich von Rom liegenden Provinz Arezzo die Villa Wanda des Unternehmers und Finanzmagnaten Licio Gelli, der des betrügerischen Bankrotts und der Steuerhinterziehung beschuldigt wurde. Gelli war überstürzt geflohen. Wohl deshalb machten die Steuerfahnder einen Fund, der weitaus brisanter war, als es Unterlagen über nicht abgeführte Steuern sein könnten.

Ihnen fielen die Mitgliederlisten einer Propaganda due (P2) genannten Freimaurerloge in die Hände, deren Großmeister Gelli war. Es handelte sich um einen Geheimbund, der exakt plante, die verfassungsmäßige Ordnung nicht mehr wie früher durch einen Putsch der Generale, sondern Schritt für Schritt mittels eines kalten oder, wie es in den Medien formuliert wurde, colpo bianco (weißer Staatsstreich) zu untergraben und an ihre Stelle ein diktatorisches Regime rechtsextremer Prägung zu setzen. Der Armee, den Geheimdiensten und Neofaschisten war, wie sowohl die Mitgliederlisten als auch die Pläne der P2 verdeutlichten, trotzdem eine ausschlaggebende Rolle zugewiesen. P2-Gründer Gelli hatte bereits in den 70er Jahren gefordert, die Neofaschisten zu rehabilitieren und in Regierungskoalitionen einzubeziehen. Gegründet Ende der 60er Jahre existierte die Loge ein gutes Dutzend Jahre, ehe sie - und das mehr durch Zufall - entdeckt wurde. In der Öffentlichkeit, so auch von der Witwe des ein Jahr später - offensichtlich von Leuten im eigenen Geflecht - umgebrachten Logenmitglieds Roberto Calvi, wurde indessen immer wieder Giulio Andreotti beschuldigt, das eigentliche Oberhaupt der Geheimorganisation zu sein. Die aufgefundenen Mitgliederlisten enthielten die Namen von 962 tatsächlich führenden Personen der italienischen Gesellschaft. Bei den folgenden parlamentarischen Untersuchungen ging man jedoch von über 2 500 Mitgliedern aus. Davon zeugte, daß in späteren Veröffentlichungen Mitgliedsnummern bekannt wurden, die über der 1000er-Marke lagen. So wurde Silvio Berlusconi unter der Nummer 1816 geführt. Der Admiral Antonio Geraci rangierte unter der Nummer 2 096. Die Mitgliedschaft in dieser kriminellen Vereinigung war seiner Karriere nicht abträglich. Er avancierte im Januar 1990 zum Oberbefehlshaber

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Süd der NATO. Wie der Mafioso Leonardo Messina 1992 aussagte, gehörte auch »die komplette Führungsspitze der Cosa nostra ... den Freimaurern an«. Wenn nur 962 Mitglieder namentlich bekannt wurden, heißt das, daß mehr als 1 500 P2-Leute unerkannt blieben. Werner Raith zitiert in seiner Recherche In höherem Auftrag die christdemokratische Präsidentin der parlamentarischen Untersuchungskommission, Tina Anselmi, die zur Zusammensetzung der Loge erklärte: »Wir können sagen, daß wir sie in den für das italienische Staatsleben empfindlichsten Organismen gefunden haben: genauer gesagt, in den hohen Rängen der Militärs, der Geheimdienste, der Pressewelt, der Finanzen, der Politik. Ein Machtzentrum innerhalb der staatlichen Einrichtungen, in den Lebensadern des Landes.« (S. 190) Von den hohen Rängen wurden unter anderem bekannt: 47 Industrielle, 119 Bankiers und Leute der Hochfinanz, 43 Generale, darunter die gesamte Führungsspitze der Geheimdienste der letzten 30 Jahre, der komplette Generalstab des Heeres, hohe Polizeiführer und Carabinierigenerale sowie etwa 200 hohe Offiziere, drei Minister der amtierenden Regierung des Christdemokraten Forlani (Franco Foschi und Adolfo Sardi von der DC und Enrico Manca vom PSI) und drei Staatssekretäre, 18 hohe Vertreter der Justiz, 22 Spitzenjournalisten, darunter der Chefredakteur der RAI-Hörfunknachrichten, Gustavo Selva (er zog später für den MSI in die Abgeordnetenkammer), und der Chefredakteur des Corriere della Sera, Franco Di Bella, 38 Parlamentarier aus den Regierungsparteien, unter ihnen Pietro Longo vom PSDI, ferner aus dem MSI. Almirante hatte extra aus der Satzung der Partei einen Artikel, der die Zugehörigkeit zu Freimaurerlogen untersagte, streichen lassen. Auf der Liste tauchte auch der Name des damaligen Residenten der CIA in Rom, Howard Stone, auf. Der Mann aus Langley hielt nicht nur für die P2 die Kontakte nach Washington, sondern forderte auch persönlich italienische Geheimdienstoffiziere auf, in die Loge einzutreten. Die Vereinigung in einer Freimaurerloge schien den Organisatoren unverfänglich und gestattete nach der Entdeckung auch vielen Logenbrüdern, alle Anschuldigungen zurückzuweisen und zu erklären, sie hätten vom kriminellen Charakter der P2 und ihren politischen Zielen nichts gewußt, seien der Ansicht gewesen, sich in einer harmlosen Freimaurerloge, in einem Zusammenschluß zu befinden, der die berufliche Karriere fördere. Von derartigen Logen existieren in Italien im Rahmen des Dachverbandes Grande Oriente d'ltalia tatsächlich

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mehrere hundert, deren Mitgliederzahl auf circa 25 000 geschätzt wird.

Obendrein waren Freimaurerlogen noch immer von einem gewissen Geist des Fortschritts umgeben, gingen sie doch mit ihren Traditionen wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit bis ins 17. Jahrhundert zurück. Giuseppe Garibaldi stand 1864 in Palermo der dortigen Freimaurerloge als Großmeister vor. Bewußt knüpfte die P2 mit ihrem Namen auch an die in der Revolution von 1848/49 von Giuseppe Mazzini angeführte Propagandaloge an. Nachdem die Freimaurer unter der faschistischen Herrschaft 1925 durch das Anti-Freimaurergesetz Mussolinis verboten worden waren, entstanden sie nach 1945 in großer Zahl neu. Ihnen wurde jedoch auferlegt, die Gesetze einzuhalten und, wenn es sich um nichtöffentliche Logen handelte, keine politischen Ziele zu verfolgen. Genau das aber war bei der P2 der Fall. Mit Gelli stand ein Altfaschist und SS-Mann aus Mussolinis Zeiten an der Spitze der P2. Bei Kriegsende entging er dem Tod durch Erschießen, indem er nach Argentinien flüchtete, wohin das Hitlerregime vor seinem Zusammenbruch riesige Vermögenswerte transferiert hatte. Unter Juan Peron, einem Bewunderer Hitlers und Mussolinis, der von 1946 bis 1955 als Präsident regierte, wurde das Land zu einem Eldorado für geflohene Nazi-Verbrecher. Gelli avancierte hier zum Wirtschaftsberater der Regierung. Nach Italien zurückgekehrt, knüpfte er engste Beziehungen zu führenden DC-Leuten sowie zu höchsten Kreisen der Kurie. Bald stieg er in die dubiosen Geschäfte des mit der Vatikan-Bank liierten Finanzmagnaten Sindona ein. Mit dem Zusammenbruch des Sindonaimperiums geriet er Jahre später in den Sog der Ereignisse und so auf die Liste der Steuerfahnder. Um die Gründung der P2 vorzubereiten, trat Gelli 1963 dem Grande Oriente d'ltalia bei, in dem er ein Raggruppamento (Gruppe) Gelli bildete, aus dem einige Jahre später seine Propagandaloge hervorging, die als Geheimbund völlig konspirativ arbeitete. Bei der Gründung konnte er seine guten Kontakte zu Geheimdienstkreisen nutzen, so vor allem zu General Miceli, dem langjährigen Chef des SID. Nützlich waren ihm auch seine exzellenten Beziehungen zu italo-amerikanischen Freimaurern, in deren Kreisen ein alter Bekannter verkehrte, Frank Bruno Gigliotti, der in den 30er Jahren in Rom studiert hatte und später Chefberater der Italiensektion des CIA-Vorläufers OSS war. Die Loge entwickelte ab Mitte der 70er Jahre ihre »neue Strategie«,

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bei den Untersuchungen gab es jedoch immer wieder Hinweise, daß sie bereits in den vorhergehenden Jahren in das schwarze Gewebe und die Spannungsstrategie verwickelt war. Die Spur der P2 ziehe sich »durch nahezu alle Skandale, Putschversuche, Bombenattentate und eine Vielzahl von ungeklärten Verbrechen«, schreibt Friedericke Hausmann in ihrer Geschichte Italiens (S. 103). Der Politologe Giorgio Galli, Professor an der Universität von Mailand, führt in seinem Buch Staatsgeschäfte - Das unterirdische Italien aus, daß das Ausmaß der Macht der P2 schon Anfang der 70er Jahre in Umrissem bekannt war, »als unter Richtern und Journalisten im Flüsterton (die Formulierung ist bezeichnend für die Atmosphäre der Repression und der Einschüchterung, die mit der Spannungsstrategie erzeugt wurde - d. Verf.) davon gesprochen wurde, die Initiale des >Signor P<, der als Auftraggeber des Massakers auf der Piazza Fontana galt, bezeichne nicht eine Einzelperson ..., sondern eine Organisation >P<, die des >Meisters vom Stuhl< nämlich«. Auch nach dem Anschlag auf den Schnellzug »Italicus« im August 1974 hätten »die Untersuchungsergebnisse klar in Richtung Geheimloge P2« geführt, fährt Galli fort (S. 216). Am 5. März 1971 beschäftigte sich die P2, wie aus einem der Staatsanwaltschaft in die Hände gefallenen Sitzungsprotokoll hervorging, ganz an den Zielen der Spannungsstrategie orientiert, unter anderem mit folgenden Fragen: Der Bedrohung durch den PCI, der in Übereinstimmung mit den Klerikalen auf die Machtergreifung aus ist; dem Mangel an Machtbefugnissen durch die Ordnungskräfte; dem Fehlen einer führenden Klasse und der absoluten Unfähigkeit der Regierung, die für die zivile und soziale Entwicklung des Landes notwendigen Reformen durchzusetzen; der Haltung der P2 im Falle einer Machtergreifung durch die Klerikal-Kommunisten.

Der propagandistische Stil erinnerte an das Vokabular der Neofaschisten, die beispielsweise die linken Christdemokraten als Klerikal-Kommunisten diffamierten und eine von Moro zu dieser Zeit bereits angedeutete Einbeziehung der Kommunisten in die Regierungsverantwortung als das Schreckgespenst einer klerikal-kommunistischen Machtergreifung an die Wand malten. Ihre Ziele, ein Präsidialregime zu errichten und dazu entsprechende Verfassungsänderungen durchzusetzen, bezeichnete die P2 demagogisch als »zivile und soziale Reformen«. Die politische, soziale und moralische Demagogie tauchte auch in dem

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von Celli 1973/74 verfaßten »Plan der demokratischen Wiedergeburt« auf, in dem, im krassen Gegensatz zu den schamlosen mafiosen Geschäftspraktiken von P2-Leuten wie Roberto Calvi, Michele Sindona und Gellt selbst, viel von moralisch unangreifbaren, fähigen und rechtschaffenen Vertretern der Gesellschaft« die Rede war, die aus der Loge kommend die Leitung des Staates übernehmen sollten. Celli selbst dachte Ende der 70er Jahre bereits laut darüber nach, Staatspräsident zu werden, und ließ dazu die Werbetrommeln rühren. Wenn Gellis Plan die »völlige wirtschaftliche Handlungsfreiheit« proklamierte, dann war damit nichts anderes gemeint, als die Rechte der Gewerkschaften zumindest drastisch einzuschränken und die sozialen Leistungen abzubauen. Das Betätigungsfeld der Parteien zu begrenzen war ebenfalls ein Ziel der P2, wobei es ihr nicht nur darum ging, den Einfluß des PCI auszuschalten, sondern auch, keine linke Zentrumsregierung mehr zuzulassen, die Herrschaft der DC als führender Partei zu beenden, diese Funktion durch Leute der Loge an den Schalthebeln der Macht selbst zu übernehmen und damit den »weißen Staatsstreich« zu vollziehen. Um entsprechende Politiker für die P2 gefügig zu machen und sie zum Eintritt in die Loge zu veranlassen, besaß Gelli ein schwerwiegendes Druckmittel, die einst unter De Lorenzo vom Geheimdienst SIFAR über unzählige Politiker angelegten Dossiers. Von einem großen Teil dieser Akten besaß Gelli Kopien, die ihm der Geheimdienstgeneral Giovanni Allavena, den er bereits 1965 in sein Raggruppamento im Grande Oriente d'ltalia aufnahm, übergeben hatte, bevor die Originale auf Weisung des Parlaments vernichtet wurden. Allavena, damals noch Oberst, war seinerzeit an der Vorbereitung der Verschwörung General De Lorenzos beteiligt. Die Dossiers, über die nun Gelli verfügte, enthielten genügend Informationen über dunkle Seiten im Leben vieler Betroffener, mit denen sie zur Mitarbeit in der Geheimloge erpreßt werden konnten.

Erstaunliche Parallelen zum Fortbestehen der P2 ergeben sich, wenn man betrachtet, wie seit Mitte der 80er Jahre das Medienimperium Berlusconis entstand. Denn in Gellis »Plan der demokratischen Wiedergeburt« war gerade dem Privatfernsehen, in dem vor allem Berlusconi sein Imperium aufbaute, die entscheidende Rolle zugewiesen worden. Wie aus einem Bericht des Espresso vom 7. November 1993 hervorging, brüstete sich Gelli zu dieser Zeit geradezu damit, daß »verschiedene Inhalte des >Plans der Wiedergeburt verwirklicht worden

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sind« und nannte dazu »beispielsweise die Verstärkung des Privatfernsehens«. Noch aufschlußreicher ist es zu verfolgen, wie der Fininvest-konzern entstand und aus ihm faktisch Forza Italia hervorging, das elitäre Führungsinstrument Berlusconis, frappierend ähnlich den Clubs, die Gellis Plan ebenfalls vorsah.

Neben einer Reihe von Zeitungen, die sie unter Kontrolle hatte, verfügte die P2 über zwei von ihr selbst gegründete und ganz legal existierende Institutionen: Ein Zeitgeschichtliches Studienzentrum (Centro Studio Contemporaneo) und eine Nachrichtenagentur Osservatore Politico, die ein gleichnamiges Bulletin herausgab. Die Agentur leitete der bekannte Enthüllungsjournalist Mino Pecorelli. Er wurde am 20. März 1979 abends erschossen aufgefunden. Pecorelli hatte sich mehrfach mit heiklen Themen beschäftigt, so kurz vor seinem Tod auch ein »heißes Eisen« angefaßt: Die Entführung des Sohnes des Präsidenten der Italcasse, Giuseppe Arcaini. Das Kreditinstitut subventionierte die Regierungsparteien mit Summen, die Milliarden Lire umfaßten. Es wurde wahrscheinlich zum »tödlichen Thema« für Pecorelli. Der Anstifter des Mordes soll laut der 1995 erhobenen Anklage Giulio Andreotti gewesen sein. Über ihn habe der Journalist eine Serie unter dem Titel »Die Schecks des Ministerpräsidenten« im Block gehabt. Um ihr Ziel zu erreichen, »Italien unter ihre politisch-wirtschaftliche Kontrolle zu bringen«, infiltrierte die P2 die führenden Banken und über sie das gesamte Bankensystem des Landes. Die Geheimloge ging zielgerichtet davon aus, daß die großen Banken im Geflecht von Finanz-, Industrie- und Handelskapital die Schlüsselstellung einnehmen. Ihre Vertreter sitzen in den Aufsichtsräten der großen Unternehmen, entscheiden über ihre Kreditwürdigkeit und beeinflussen maßgeblich ihre geschäftlichen Aktivitäten. Die großen Banken scheffeln enorme Gewinne aus den Kreditgeschäften, Hypotheken und der Finanzierung des Außenhandels. Aber nicht nur die Wirtschaft, auch der Staat mit seinem besonders in Italien wachsenden Haushaltsdefizit hängen im Kreislauf der Macht des Großkapitals am Tropf der Großbanken. Von ihrem Einfluß auf die Politik zeugte seit den 80er Jahren, daß Vertreter der Banca d'ltalia Ministerposten einnahmen und, wie seit Dezember 1994 Lamberto Dini und vor ihm bereits Carlo Azeglio Ciampi, Regierungschefs wurden.

Die Zahl von 119 bekanntgewordenen Bankiers in der P2 wurde nur noch von der der Generale und Offiziere übertroffen. So stand an der

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Spitze des Banco Ambrosiano seit 1971, zunächst als Generaldirektor, seit 1974 als Präsident der zum engen Führungskreis der P2 gehörende Roberto Calvi. Mit ihm wurden nach dem Konkurs der Bank 32 Personen angeklagt. In der Banca Nazionale del Lavoro (BNL), dem »bedeutendsten italienischen Kreditinstitut«, saßen, wie Giovanni Ruggero und Mario Guarini in ihrer Biographie Berlusconi Showmaster der Macht schreiben, neun P2-Mitglieder in der Führungsspitze, das waren der Generaldirektor, vier Vorstandsmitglieder, drei Hauptstellenleiter und ein Sekretär des Verwaltungsrates. Sechs dieser Logenmitglieder kontrollierten im Auftrag des P2-Chefs Celli die gesamten geschäflichen Aktivitäten dieser Bank. Mit Krediten der BNL und anderer von der P2 kontrollierter Banken in Höhe von 37 Milliarden Lire konsolidierte die Loge den von Berlusconi geführten Fininvest-Konzem, der Basis von dessen Medienimperium (S. 93 f., 221 ff.). Die P2 wurde 1982 durch ein eigens dazu vom Parlament verabschiedetes Gesetz für aufgelöst erklärt. Nicht wenige kompetente Kenner der Sachlage sind jedoch der Meinung, daß sie weiter existiert und entscheidenden Einfluß auf das politische Geschehen im Lande ausübt. Der Präsident der parlamentarischen Anti-Mafia-Kommission, Luciano Violante, erklärte, »ihr System aus politischen, finanziellen und kriminellen Verbindungen hat überleben können«. Der mit der Untersuchung der Loge befaßte Richter Stefano Rachali bestätigt: »Die P2 hat niemals vollständig aufgehört zu existieren.« Ruggeri/Guarino sehen die Grundlage für das Fortbestehen der P2 in ihrer finanziellen Stärke, »die sie aus riesigen, auf verschiedenen Banken in der halben Welt (Schweiz, Luxemburg, Südamerika) und auf die diversen Steuerparadiese verteilten Finanzvermögen bezieht«.

Das Finanzimperium

Bei der Untersuchung der kriminellen Machenschaften der P2 kamen vielfältige Verflechtungen ihrer Mitglieder, die aus allen Bereichen der Gesellschaft stammten, ans Licht. Zum ersten Mal aber wurde vor allem offensichtlich, daß die treibenden Kräfte einer rechtsradikalen Wende aus Kreisen der Industrie und Hochfinanz kamen. Namen aus diesen Kreisen, wenn auch bei weitem nicht alle, waren seit den 70er Jahren immer wieder als Geldgeber der Neofaschisten und putschbereiter Generale bekannt geworden. Attilio Monti, Besitzer des gleichnamigen Erdölkonzerns, zuständig für die Treibstoffver-

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sorgung der sechsten US-Flotte im Mittelmeer, zählte zu ihnen. Er stand an der Spitze weiterer 15 Großunternehmen, besaß Schiffahrtslinien, Baugesellschaften, Ölraffinerien, Chemiebetriebe und Zeitungen. Zu den Finanziers der Neofaschisten gehörten weiter die Confindustria und der Verband der Großagrarier Confagricoltura, die staatlichen Konzerne Montedison (Chemie) und ENI (Erdöl- und Erdgaserkundung, Förderung und Verarbeitung), der 1979 verstorbene Großindustrielle Andrea Maria Piaggio, dessen Großvater Rocco Piaggio nach 1945 einer der Geburtshelfer der neofaschistischen Bewegung war, der Zementindustrielle Carlo Pesenti, aus Genua, Mailand, Brescia und La Spezia die Reeder Amadeo Matacena und Giacomo Cambiaso, der Ölindustrielle Riccardo Garrone, der Direktor der Turiner IBM-Werke Nicolo Cattaneo della Volta, der Großbankier Gianni Meneghini, der pharmazeutische Industrielle Edoardo Visconti di Madrone, der Generaldirektor der Erbawerke (Pharma-Industrie) Stefano Porta, der Direktor der Innocenti-Automobilwerke Jean Rodocanchi. Zu den Finanziers der schwarzen Verschwörungen zählten ferner Ölherren und Waffenfabrikanten aus Genua, Bauunternehmer aus Rom, Neapel und Palermo, pharmazeutische Industrielle und Zementfabrikanten aus Mailand und Catania, Textil- und Lebensmittelunternehmer aus Umbrien und Salerno, Zuckerbarone von Ravenna, Großgrundbesitzer und Agrarunternehmer aus Apuglien und Calabria und die Besitzer großer Hotels an der Adria. Ein Beispiel soll die Summen verdeutlichen, um die es teilweise ging. Bei der Montedison existierte ein schwarzer Fond von 100 bis 150 Millionen Dollar, mit dem rechte Parteikreise finanziert wurden. Sein Verwalter war der MSI-Senator Gastone Nencioni, ein enger Freund des langjährigen Präsidenten der Montedison, Eugenio Cefis, auch Präsident der Confindustria. Damit landete, wie Barbieri schrieb, der größte Teil dieser Gelder natürlich »in den Kassen des MSI« und zählte zu seinen »festen und ständigen Einkünften« (S. 128 f., 140 f.).

Im Netz der P2, das sich von der Mafia über Kreise des Vatikans bis zum politischen Establishment im Weißen Haus erstreckte, spielten wiederum Leute aus der Industrie und Hochfinanz eine ausschlaggebende Rolle. Das wurde personifiziert durch die Aktivitäten solcher Finanzmagnaten wie Calvi, Sindona und Gelli. Wenn im folgenden einiges über diese drei gesagt wird, dann handelt es sich nur um herausragende Akteure, die in dem erwähnten Geflecht operierten. Sie

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saßen in der Confindustria, großen Konzernen des Landes, hatten Führungspositionen im Schatz- und Finanzministerium inne, standen an der Spitze der Staatsbank und anderer führender Kreditinstitute. Sindona begann sein Geschäftsleben 1943 nach der Landung der Amerikaner auf Sizilien, indem er Zigaretten und andere Waren aus Beständen der US-Army auf dem schwarzen Markt verkaufte. Später stieg Sindona in Grundstücksspekulationen ein. 1950 war der damals 33jährige bereits Millionär. In den folgenden Jahren kaufte Sindona zu spekulativen Zwecken Industrieunternehmen auf und stieg hauptsächlich ins Bankengeschäft ein. Binnen weniger Jahre wurde er einer der großen Männer der internationalen Finanzwelt und begründete das Mafiakreisen und der P2 dienende Imperium. Es gelang ihm, schrieben die italienischen Publizisten Paolo Panerai und Maurizio De Luca in ihrem aufschlußreichen Buch Der Bankrott - Sindona, die DC, der Vatikan und die übrigen Freunde, »in Europa und den USA ein Imperium ohnegleichen aufzubauen, mit tausenden von Verzweigungen in allen Wirtschaftsbereichen, von Banken über Finanzgesellschaften, Immobilienunternehmen und Elektronikkonzernen bis zu Textilbetrieben und großen Hotels (darunter das berüchtigte Watergate in Washington - d. Verf.). Er war Vertrauensmann des Vatikans und Teilhaber großer englischer und amerikanischer Bankiers (so den Hambro von London und der Continental Illinois Bank von Chicago) und Beherrscher der italienischen Börse.« (S. 9)

Sindona beschuldigte man, an Geschäften der Mafia beteiligt und ihr Geldwäscher gewesen zu sein. In der Tat wurde der gebürtige Sizilianer der »ehrenwerten Gesellschaft« zugerechnet. Sindona galt ebenso als ein Mann, der eng mit Kreisen der amerikanischen Cosa nostra liiert war. Er beriet Richard M. Nixon in Geschäftsangelegenheiten und unterhielt in dessen Amtszeit beste Kontakte zum Weißen Haus. Ebenso gute Beziehungen pflegte er zur CIA, besonders in der Zeit, da Stansfield Turner ihr als Direktor vorstand. Der Korrespondent der Frankfurter Rundschau, Horst Schütter, berichtete am 25. Juli 1990 aus Rom, wie der ehemalige amerikanische Geheimdienstagent Dirck Brennecke im Ersten Fernsehprogramm der RAI eingestand, »die CIA habe der Geheimloge >P2< regelmäßig hohe Geldbeträge zukommen lassen«. Im Pentagon gehörte Admiral Max K. Morris zu Sindonas geschätzten Partnern. Im Grand Hotel in Rom, wo er bei seinen Aufenthalten residierte, gingen US-Botschafter ein und aus.

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Sindona behauptete, Chian kai-shek persönlich gekannt und mit südamerikanischen Diktatoren verkehrt zu haben. Kardinal Francis Spellmann, der fanatisch antikommunistische New Yorker Erzbischof, öffnete ihm die Türen zu höchsten Kreisen des Vatikans, darunter zu Erzbischof Casimir Marcinkus aus Illinois, der lange Zeit das Amt des Präsidenten der Bank des Vatikans innehatte.

In Italien gehörte Sindona bereits in der Zeit, da De Lorenzo seinen Putsch vorbereitete, dem Kreis der Hintermänner aus Wirtschaft und Diplomatie, CIA und Pentagon an, die die eigentlichen Anstifter des Umsturzes waren. Zu seinen engsten Freunden zählten der langjährige Geheimdienstchef Miceli und der Führer der Sozialbewegung Almirante. Später kam P2-Chef Gelli hinzu, der ihn in die Loge aufnahm, was Sindona bestritt. Von Sindona selbst und über ihn flossen der neofaschistischen Bewegung und den putschbereiten Generalen stets große Geldbeträge zu, darunter auch für die Vorbereitung des »Windrose«-Putsches.

Giulio Andreotti, der 1995 der Komplizenschaft mit der Mafia angeklagt wurde, gab für den Finanzmagnaten noch im Dezember 1973, kurz vor seinem Bankrott, im New Yorker Hotel Waldorf Astoria ein prunkvolles Bankett, auf dem er ihn als »Retter der Lira« feierte. Der Club of Rome, der die Repräsentanten der Geschäftswelt aus 25 kapitalistischen Ländern vereint, verlieh Sindona den Titel »Unternehmer 1973« und nannte ihn den hervorragendsten Vertreter des »freien Unternehmertums«. US-Botschafter John Volpe zeichnete ihn noch als »Mann des Jahres 1973« aus und begründete das damit, daß Sindona einen »wesentlichen Beitrag zur Festigung der Freundschaft und der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Italien und den USA« geleistet habe.

Die Sucht nach immer größeren Profiten und neuen Unternehmen, die Spekulationen mit schwindelerregenden Summen brachten dem Finanzmagnaten, der natürlich auch mächtige Widersacher hatte, 1974 den Zusammenbruch. Dabei dürfte eine Rolle gespielt haben, daß Sindona zunehmend Mittelsmann und Interessenvertreter amerikanischer Kapitalkreise wurde, denen er behilflich war, in die italienische Wirtschaft einzudringen. So wollte er sich 1971 mit ausländischen Banken im Rücken in den Besitz der Finanzholding Bastogi, eines Kernstücks des italienischen Staatskapitals, bringen. Mit massiver Intervention, aber auch beträchtlichen finanziellen Verlusten wehrte die italienische

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Wirtschaft diesen Angriff ab. Im Ergebnis dieser sich verschärfenden Konfrontation verschiedener Interessengruppen blieb Sindona schließlich auf der Strecke. Sein Sturz wurde im Herbst 1974 mit dem Bankrott von vier Großbanken, die ihm gehörten oder an denen er die maßgeblichen Aktienanteile besaß, darunter die Franklin National Bank von New York, besiegelt.

Im Oktober 1974 erging Haftbefehl gegen Sindona, der jedoch in die USA floh, wo er später angeklagt und im Juni 1980 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, danach an Italien ausgeliefert wurde. Hier wurde er der Fälschung von Wertpapieren und der Bilanzen seiner Firmen und Banken, der ungesetzlichen Profitverteilung, des Heroinhandels zwischen Italien und den USA in Höhe von 600 Millionen Dollar jährlich, der Anstiftung zum Mord sowie weiterer schwerwiegender Vergehen angeklagt. Das Delikt des Mordes bezog sich auf den Konkursverwalter seines Imperiums Giorgio Ambrosoli, der 1979 in Mafia-Manier umgebracht worden war.

Die Anklage umfaßte die Finanzierung von Parteien, darunter die DC, von Politikern, unter ihnen Ministerpräsidenten, in Milliarden Dollar-Höhe. In die korrupten Praktiken waren nicht weniger als 500 Personen aus Politik und Wirtschaft verwickelt. Der italienische Staat mußte im Rahmen der Liquidierung der Gesellschaften Sindonas über die Banca d'ltalia über 200 Milliarden Lire erstatten. Unzählige kleine Aktionäre und Sparer wurden geschädigt.

Hohe Vertreter der Politik (Ministerpräsident Andreotti), der Wirtschaft (Staatsbankpräsident Carli), der Justiz sowie des Vatikans (die Kardinäle Caprio und Guerri sowie Erzbischof Marcinkus) hatten versucht, Sindona zu retten. Vergebens, denn der P2-Bankier hatte einen ehernen Grundsatz der »ehrenwerten Gesellschaft« mißachtet: Die Omerta, das Gesetz des Schweigens. Er hatte gedroht, »klingende Namen« zu nennen, wenn dar Prozeß nicht eingestellt würde. Alle Beteuerungen danach, er werde schweigen, halfen nichts. Am 18. März 1986 erging das Urteil in letzter Instanz: Lebenslänglich. Vier Tage später war er bereits tot, gestorben an einer Überdosis Zyankali. »Mi hanno avvelenato« (»Sie haben mich vergiftet«) soll Sindona noch gerufen haben. So jedenfalls gibt es der Journalist Nick Tosches, ein Vertrauter des Bankiers, in seinem Buch Die Affäre Sindona wieder (S. 301).

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Der »Bankier Gottes«

P2-Mitglied Roberto Calvi, ebenfalls einer der mächtigsten Bankiers Italiens und der Loge, hatte dieses Schicksal bereits vier Jahre vorher ereilt. Am 18. Juni 1982 war er unter der Black Friars-Bridge in London erhängt aufgefunden worden. Nach London war Calvi mit Hilfe der P2 geflohen, nachdem gegen die von der Loge kontrollierte Ambrosiano-Bank, der er als Präsident vorstand, ein Verfahren wegen betrügerischen Bankrotts eingeleitet worden war. Mit der Ambrosiano kontrollierte die P2 eines der größten Kreditinstitute dieser Zeit, das vor allem über ein internationales Netz von Banken und Gesellschaften verfügte, das größer als das der Banca d'ltalia (Staatsbank) eingeschätzt wurde. Als Präsident der Ambrosiano stieg Calvi, wie bereits vorher Sindona, zum Vertrauensmann des Vatikans auf und wurde auf diese Weise Partner einer im Herzen Roms existierenden, aber von den italienischen Gesetzen unabhängigen staatlichen Großmacht, als die sich der Kirchenstaat mit dem Papst als Oberhaupt von 800 Millionen Katholiken in der Welt versteht. Vor allem aber liierte sich der P2-Bankier mit einer Finanzmacht (allein ein Aktienbesitz von fünf Milliarden Dollar), deren Instrumentarium von Börsenspekulationen über Kapitaltransfer bis zur Geldwäsche schwer durchschaubare Möglichkeiten bot.

Es waren für beide Seiten äußerst vorteilhafte Beziehungen. Der »Bankier Gottes«, wie Calvi genannt wurde, verschaffte dem Kirchenstaat Milliarden Dollar an Gewinnen, ermöglichte ihm vorteilhafte Kapitalanlagen, half bei Steuerhinterziehungen, Spekulationen und anderen Manipulationen, für die sich Kardinäle der Kurie nicht zu schade waren. Erzbischof Marcinkus besorgte Calvi dafür Empfehlungsschreiben höchster päpstlicher Stellen, die ihm fast unbegrenzt die Türen ausländischer Banken und Gesellschaften öffneten und ermöglichten, immer neue Kredite aufzunehmen. So kam er mittels »Patronage«-Briefen (Bürgschaften) des Istituto per Opere Religiose (Institut für Kirchliche Werke), wie die Bank des Vatikans sich nennt, an über 1 000 Milliarden Lire, damals umgerechnet etwa 715 Millionen Dollar, heran, die spurlos verschwanden, besser gesagt, wahrscheinlich in seine und die Kassen der P2 flossen. Der Kirchenstaat sollte nach Calvis Bankrott für Außenstände der Ambrosiano-Bank - gegen die insgesamt 120 Gläubigerbanken Forderungen erhoben - auf Grund seiner Bürgschaften einstehen, was er jedoch ablehnte.

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Unter die schmutzigen Geschäfte des Vatikans fiel der Versuch, den italienischen Staat um 2,2 Milliarden Dollar Mineralölsteuer zu betrügen. Weil er dazu Steuerunterlagen manipuliert hatte, ermittelte die römische Justiz in diesem Fall gegen Kardinal Ugo Poletti. Nach dem Bankrott Calvis mußte der Kirchenstaat jedoch Verluste von 160 Millionen Dollar hinnehmen und obendrein 1984 als Entschädigung für seine Beteiligung an Briefkastenfirmen, die der Bankier der P2 gegründet hatte, 250 Millionen Dollar zahlen. Um den Schaden zu begrenzen, mußte sich Paul II. persönlich als verantwortlich erklären. Als die Mailänder Ermittlungsgruppe mit dem Richter Antonio Di Pie-tro an der Spitze 1992/93 die Korruptionsaffären führender Parteipolitiker und Unternehmensvertreter aufdeckte, kam ans Licht, daß der Vatikan auch in diesen ungeheuerlichen Bestechungsskandal verwikkelt war. So hatte die Vatikanbank in einem Fall vom Ferruzzikonzern 75 Milliarden DM als Staatsanleihe entgegengenommen. Es handelte sich jedoch um Schmiergelder, die von der IOR auf geheime Konten in Luxemburg transferiert wurden, die italienischen Politikern zur Verfügung standen.

Unter der Vielzahl der Informanten und Kontaktleute, die für Calvi und die Ambrosiano arbeiteten, befand sich der frühere Geheimdienstgeneral des SISMI, Francesco Pazienza, dem der P2-Bankier ein Salär von 500000 Dollar jährlich zahlte. Pazienza unterhielt einflußreiche Verbindungen, so zu Alexander Haig, damals US-Außenminister, zu Roberto Armao, der rechten Hand der Rockefeller-Familie, die das Vermögen des ehemaligen Schahs Pahlavi verwaltete. Zu dessen Sohn Ciro unterhielt Calvi persönlich Kontakte. Eine weitere Verbindung Pazienzas führte direkt zu Flaminio Piccoli, dem damaligen Vorsitzenden der Democrazia Cristiana, mit dem der General eng befreundet war. Als Ursache für Calvis Tod wurde später auch die Verwicklung der Ambrosiano in den internationalen Drogen- und Waffenhandel genannt. Spätestens hier ist die Mafia dem Kreis zuzurechnen, wenn nicht schon eher, wie der Abgeordnete und Herausgeber der Repubblica, Eugenio Scalfari, am 26. Juni 1982 in der Zeitung schrieb, als er sich mit dem Beziehungsgeflecht um die P2 befaßte. Er führte an, wie Erzbischof Marcinkus 1971 beauftragt wurde, die Immobilien des Vatikans in Italien zu veräußern und den Verkaufserlös ins Ausland zu schaffen. »Marcinkus stieß auf seinem Weg fast sofort auf Michele Sindona, der wiederum Roberto Calvi begegnete, und dieser dann Eugenio Cefis.«

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Weiter heißt es dann: »Don Michele war so intelligent, sich der >Mama< an die Brust zu werfen. >Der Kleine ruft und die Mama antwortet<: und die >Mama< fordert zumindest einen Teil der Kontrolle über die Ambrosiano für sich.« Das zeigt, wie Giorgio Galli schreibt, die von der P2 kontrollierte Banco Ambrosiano als »Begegnungszentrum zwischen Vatikan-Finanz und den innersten Gruppierungen der sizilianisch-amerikanischen Mafia« und, vorausgesetzt, daß »Mama« für Mafia steht, »wird das Geflecht der Beziehungen zwischen Sindona, Calvi, organisiertem Verbrechertum und Bankiers des Vatikans schon ab 1968 und insbesondere während der Jahre 1971, 1974 und 1977 (den Jahren der forcierten Spannungsstrategie - d. Verf.) offengelegt«. (S. 217 f., 280)

Daß Calvi ermordet wurde, ist in Italien nie ernsthaft bezweifelt worden. Aus welcher Gruppe des »Geflechts der Beziehungen« der oder die Killer kamen, ist nicht schlüssig beantwortet worden. Während die Londoner Financial Times drei Tage vor seinem Tode von »Calvis Geheimnissen« schrieb, drohte er, wie einst Sindona, es werde »demnächst eine Bombe platzen«. Vorab machte er schon publik, daß er an Bettino Craxi 30 Millionen Dollar gezahlt hatte, weil er (oder die P2) ihn für den »kommenden Mann« Italiens gehalten habe. Tatsächlich wurde der korrupte PSI-Chef und Freund des P2-Mannes Berlusconi im August 1983 Regierungschef, und das in dem für kurzlebige Regierungen bekannten Italien - mit nur zwei Berufungen - für knapp vier Jahre. Es hatte später ganz den Anschein, daß sein Amtsantritt das Werk der Logenbrüder war. Calvi aber hatte bewiesen, daß er »ein unsicherer Kantonist« war, der nicht schweigen konnte, und deshalb »zu einem Risiko für die im Aufstieg begriffene Bewegung geworden war«, schreibt Tosches (S. 269).

Wie bei Sindona war auch Calvis Tod nur ein Glied, wenn auch sicher ein zentrales, in einer langen Kette von Personen aus dem Beziehungsgeflecht der P2, die auf mysteriöse Weise ums Leben kamen oder auch spurlos verschwanden, um nie wieder aufzutauchen. So kam einen Tag vor Calvis Tod eine Mitwisserin vieler seiner Geheimnisse ums Leben: Seine langjährige Sekretärin Grazieila Teresa Corrocher stürzte aus dem Fenster des im vierten Stock gelegenen Mailänder Büros der Ambrosiano-Bank.

Gegen Gelli, der zeitweise flüchtig war, nach Italien zurückgekehrt gegen Kaution frei kam, und weitere 33 Angeklagte im Ambrosiano-

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Prozeß ergingen erst im April 1992 die Urteile, die auf Freiheitsstrafen bis zu 19 Jahren lauteten. Anklagepunkte wie Verschwörung gegen den Staat oder Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, wie selbst Staatspräsident Pertini die P2 genannt hatte, wurden fallengelassen. Alle Angeklagten wurden lediglich wegen betrügerischen Bankrotts oder Beihilfe dazu verurteilt. Gelli erhielt 18 1/2 Jahre, seine wichtigsten Komplizen Umberto Ortolani, Flavio Carboni und Francesco Pazienza zwischen 14 und 19 Jahre. In dem Verfahren kam ans Licht, daß durch die Betrügereien der P2-Bankiers und ihrer Komplizen in dem Banco Ambrosiano zwei Milliarden Dollar verschwunden waren, wahrscheinlich auf die Nummernkonten der Logenbrüder in der Schweiz. Gelli jedenfalls war 1982, als er ein solches Konto »anzapfen« wollte, verhaftet worden. Alle Verurteilten befinden sich weiterhin auf freiem Fuß, da sie Berufung eingelegt haben.

Der Vatikan - Komplize von Neofaschisten und P2-Leuten

Am Beispiel der Beziehungen der Vatikankreise mit Feinden der italienischen Demokratie in Gestalt von P2-Leuten und Mafia wurde die Rolle deutlich, die die päpstliche Macht schon in der ganzen Nachkriegsgeschichte als Verbündeter der Neofaschisten und anderer Kräfte auf dem äußersten rechten Flügel spielte. Die Haltung des Vatikans wurzelt in seiner historischen Feindschaft gegenüber dem gesellschaftlichen Fortschritt, den die katholische Soziallehre begründete und die sich mit der von Papst Leo XIII. 1891 zum Kampf gegen die sozialistische Arbeiterbewegung erlassenen Enzyklika Rerum novarum verstärkte. Auf dieser Grundlage gehörte der Vatikan zu den Kräften, die 1922 Mussolini an die Macht verhalfen und ihn in der Matteottikrise retteten. 1943 ließ die Kurie den »Duce« fallen, um das von einem Volksaufstand bedrohte kapitalistische Gesellschaftssystem zu retten. Die Linie dieser Politik setzte nach 1945 der radikal antikommunistische Papst Pius XII. fort, unter dessen Herrschaft höchste Würdenträger des Vatikans maßgeblich Tausenden von Naziverbrechern zur Flucht nach Südamerika verhalfen. Die lange Liste der Nazigrößen, die sie der gerechten Strafe entzogen, führen Kriegsverbrecher wie der Leiter der »Endlösung«, Adolf Eichmann, der KZ-Arzt von Auschwitz, Josef Mengele, der Kommandant des Vernichtungslagers Treblinka, Franz Sprangl, und der des Ghettos in Prezemysl, Josef

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Schwammberger, an. Die Organisation der Flucht derartiger Nazi-Größen auf der im Geheimdienstjargon »Rattenlinie« genannten Reiseroute schloß das Zusammenwirken mit dem OSS und später der CIA ein. Als Pius XII. vor den Parlamentswahlen 1948 zum »neuen Feldzug gegen den Kommunismus« trommelte, erhielten auch die päpstlichen Hilfstruppen von der Jugendorganisation Azione Cattolica (Katholische Aktion) Gelder von der CIA. In den Quellen, die sich mit der Rolle des Vatikans nach der Niederlage des Faschismus befassen, gibt es nicht wenige Hinweise darauf, daß der Klerus bereits 1946 die Gründung des MSI und die Reorganisation des faschistischen Potentials unterstützte. Wie A. und G. Cipriano in ihrem Buch Sovranità limitata schreiben, ordnete Pius XII. 1947 an, »zur Kontrolle der innenpolitischen Entwicklung und des Kampfes gegen den Kommunismus in Italien« im Vatikan ein spezielles Büro zu schaffen, an dessen Spitze er Giovanbattista Montini, den späteren Papst Paul VI., berief. Zu weiteren führenden Köpfen dieses Ressort ernannte der Papst Kardinal Enrico Gasparri, dessen Namensvetter Pietro Gasparri 1922 die Unterstützung des Vatikans für Mussolinis Marsch auf Rom leitete, den Jesuitengeneral Padre Norberto Boynes sowie die Kardinäle Camilo Caccia-Domeniani und Pietro Boetto, Erzbischof von Genua. Das Büro arbeitete eng mit dem amerikanischen Geheimdienst zusammen (S. 16 ff.). Das Bürgerkriegsklima, das der Klerus entfesselte, erinnerte an die faschistische Propaganda. Aus deren Arsenal schöpften auch die Pfarrer, wenn sie von den Kanzeln herab forderten, die Democrazia Cristiana zu wählen, weil es darum gehe, sich zwischen »Christ und Antichrist«, »Rom und Moskau«, »Chaos und Wohlstand« zu entscheiden und dazu von »mongolischen Lagern im Schatten des Kolosseums« geschrien wurde. Durch einen Erlaß des Heiligen Offiziums ließ der Papst massenweise Kommunisten und Sozialisten exkommunizieren, um von der Wahl der Arbeiterparteien abzuschrecken. Um den »neuen antikommunistischen Feldzug« wirksam zu unterstützen, wurden etwa 20000 Bürgerkomitees der katholischen Pfarrer (Comitati Civici) gebildet. Diese und die Azione Cattolica propagierten offen ein »nationales Bündnis«, das auch »den MSI einschließen müsse«. Der Vorsitzende der Comitati, Luigi Gedda, erklärte, der Faschismus sei lediglich »ein Exzeß großherziger und gesunder Ideale von Patriotismus und Autoritätsgläubigkeit« gewesen. Der General der Jesuiten, Giovanni Battista Jansen, setzte sich dafür ein, die Wahlkampagne der neofaschi-

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stischen Partei finanziell zu unterstützten. Der New Yorker Kardinal Spellmann, der spätere Geschäftsfreund des P2-Bankiers Sindona, appellierte öffentlich an alle Italo-Amerikaner, die Christdemokraten ihres Heimatlandes zu unterstützen und zu ihrer Wahl aufzurufen. Die italienische Botschaft in Washington organisierte dazu eine Briefkampagne, in der die in den USA lebenden Italiener ihre Landsleute zu Hause aufforderten, auf keinen Fall die »Volksfrontliste« (PCI und PSI kandidierten auf einer gemeinsamen Liste, d. Verf.) zu wählen.21 Als sich mit Beginn der 50er Jahre die Forderungen verstärkten, den MSI als Nachfolgeorganisation der Mussolinipartei zu verbieten, wendeten sich Vatikankreise dagegen. Die Zeitschrift der Jesuiten La Civiltà Cattolica verurteilte es am 18. März 1953, »die 20 Jahre Faschismus als völlig negativ zu bewerten« und bezeichnete das als »Verleumdung des Vaterlandes«. 1960 stieß der DC-Ministerpräsident und frühere Mussolinifaschist Tambroni bei der Opposition auf scharfe Kritik, als er sich für die Vertrauensabstimmung über seine Regierung der Zustimmung des MSI versicherte. Tambroni erhielt Rückendeckung durch die Kardinäle Alfredo Ottaviani und Giuseppe Siri, denen unter anderem ein Leitartikel im Blatt des Vatikans Osservatore Romano zugeschrieben wurde, der sich für die Zusammenarbeit mit den Neofaschisten aussprach, da es sich bei ihnen um gute Katholiken handele, was bei den Sozialisten nicht der Fall sei.22 So hat der Vatikan in den Nachkriegsjahrzehnten ganz entscheidend dazu beigetragen, die Neofaschisten zu legitimieren, sie parlamentsfähig zu machen. Diese Linie wurde auch im Fall Moro deutlich. Schon dessen erstes Centrosinistra-Kabinett im Dezember 1963 hatte der Vatikan, wo sechs Monate vorher der Mailänder Kardinal Giovanni Battista Montini als Paul VI. sein Amt angetreten hatte, mit »großer Bestürzung« aufgenommen, schreibt Pietro Nenni in Gli anni del centrosinistra (S. 599). Während ein Michele Sindona für Montini in Mailand ein nützlicher Geschäftspartner war, von dem er auch Hilfe im Kampf gegen die »Roten« annahm, blieb Moro für ihn mehr ein lästiger Demokrat denn ein treuer Katholik. Sein Abkommen mit dem PCI wurde im Vatikan vehement verurteilt. So lag der Papst nach der Entführung Moros zunächst auch völlig auf der Linie der Fermezza und überließ den DC-Führer seinem Schicksal. Erst als die Sozialisten begannen, Verhandlungen zu befürworten, appellierte Paul VI. verbal an die Roten Brigaden, ihren Gefangenen freizulassen. Von Verhandlungen, die

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der Vatikan in früheren Fällen befürwortet hatte, war auch jetzt keine Rede. Im Vatikan wurde selbst der Appell des Papstes sofort heruntergespielt. Der Osservatore Romano schrieb am 30. April: »Ganz sicher wünscht Moro seine Befreiung nicht, wenn dafür der Staat, die Nation, seine Mitbürger aufs Spiel gesetzt werden.«

Als Johannes Paul II. 1992 den 1975 verstorbenen Gründer und langjährigen Generalpräsidenten des klerikalen Opus Dei-Ordens, Jose Maria Escrivà de Balaguer y Alba, einen Verteidiger der Verbrechen Hitlers und Francos, seligsprach, kam das einer generellen Rehabilitierung des Faschismus gleich. Denn unter Balaguer hatte der Orden 1973 auch den Militärputsch gegen Allende in Chile unterstützt. Unter der Diktatur Pinochets hatten Opus Dei-Mitglieder Ministerämter übernommen. In Italien paktierte der Orden mit der Geheimloge P2 und gewährte von der Polizei gesuchten Mitgliedern Unterschlupf. Gegen den Trend nach rechts, der sich in den 80er Jahren verstärkte und 1994 zum Sieg der von Forza Italia und der Sozialbewegung gebildeten Rechtsallianz bei den Wahlen führte, gab es im Vatikan weder Widerspruch noch Bedenken. Als die von der Korruption zerfressene Democrazia Cristiana auseinanderfiel, beeilte sich der Papst wieder einmal persönlich, den Schaden zu begrenzen. In Form eines Briefes an die italienischen Bischöfe, der dann von den Kanzeln herab verlesen wurde, griff er aktiv in die Politik ein. Der Osservatore Romano, die Tageszeitung des Vatikans, veröffentlichte das päpstliche Schreiben am 11. Januar 1993, in dem es hieß: »Man hat Gerüchte gehört, denen zufolge in der neuen politischen Zeit eine christlich inspirierte Kraft angeblich nicht länger notwendig sei. Es handelt sich jedoch um eine irrige Beurteilung.« Damit kam der Heilige Vater nicht nur der DC-Nachfolgepartei Partito Popolare zu Hilfe, sondern auch jenen christdemokratischen Gruppen und Grüppchen, die dann Bündnispartner der Forza Italia Berlusconis und der neofaschistischen Alleanza Gianfranco Finis wurden. Der Zuspruch galt aber ebenso Berlusconi selbst, zu dessem Repertoire die christlichen Werte gehörten. Nachdem im April 1994 die Lega-Abgeordnete Irene Pivetti, eine Fundamentalkatholikin, als Präsidentin der Abgeordnetenkammer das dritthöchste Amt im Staate übernahm, zählte auch die separatistische Partei Umberto Bossis zu den zuverlässigen Partnern des Vatikans. Sicher zum Wohlgefallen des Heiligen Vaters verkündete die Kammerpräsidentin dann in ihrer Antrittsrede ihre Überzeugung, daß die »Geschicke der

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Staaten in Gottes Hand liegen«. Aufschlußreich auch, daß der Papst schließlich 1994, im Jahr der Amtszeit der extrem rechten Regierung, in einer Enzyklika die Forderung der Sozialbewegung nach Einführung der Todesstrafe in, wie es hieß, »schwerwiegenden Fällen« unterstützte.

Der Premier und die Mafia

Es ist heute kaum vorstellbar, aber es sind belegte historische Tatsachen: Zwei Wochen, nachdem die anglo-amerikanischen Truppen am 10. Juli 1943 auf Sizilien gelandet waren, ernannte die Alliierte Militärregierung den Boß der sizilianischen Mafia, Calogero Vizzini, zum Bürgermeister seiner Heimatstadt Villalba. Er und seine Männer erhielten das Recht, mit Gewehren und Pistolen bewaffnet die öffentliche Ordnung zu sichern. Bei der sizilianischen Mafia war zu dieser Zeit der Chef aller New Yorker Mafiafamilien, Vito Genovese, untergetaucht. Er war 1936 aus den USA, wo er des mehrfachen Mordes angeklagt wurde, geflohen. Ihn nahm der Chef der Militärregierung, Oberst Charles Poletti, ehemals Gouverneur von New York, als seinen persönlichen Dolmetscher in Dienst. Für Don Vitone war das jedoch nur eine Nebenbeschäftigung, hauptsächlich befaßte er sich mit dem Aufbau und der Organisation des Drogenhandels in Europa nach amerikanischem Vorbild. Geduldet von der Besatzungsmacht konnte die palermitanische Mafia auch den Schwarzhandel in ganz Süditalien unter ihre Kontrolle bringen.

Das amerikanische »Entgegenkommen« galt als Entgelt für die Hilfe, die die sizilianische Mafia den Alliierten bei ihrer Landeoperation und einer konfliktlosen Übernahme der Verwaltung in den besetzten Gebieten gewährte. Indem die USA die Mafia zum Partner nahmen, ihren Leuten staatliche und Polizeibefugnisse übertrugen, verliehen sie ihr für längere Zeit einen Status der Legalität und verhalfen ihr obendrein zu einem antifaschistischen Etikett.

Der antifaschistische Touch gab der Mafia Gelegenheit, ihr altgepflegtes, in den Jahrhunderten der Geschichte wurzelndes Image von einer Selbsthilfeorganisation und eines Vertreters von Volksinteressen gegen staatliche Gewaltherrschaft aufzupolieren. Nach progressiven Vorläufern im 17. und 18. Jahrhundert, darunter im Volk verwurzelter Räuberbanden ähnlich der Karl Stülpners, entwickelte sich die Mafia nach der Konstituierung des nationalen Einheitsstaates 1861 binnen weni-

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ger Jahre zur eigentlichen Beherrscherin des Südens. Die prosperisierende Bourgeoisie des Nordens überließ den Süden seinem Elend. Ausbeutung, Armut und Not bildeten einen guten Nährboden für die Mafia.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bildete die Mafia bereits die höchste Form organisierten Verbrechens. Der »ehrenwerten Gesellschaft« gehörten zusehends angesehene Bürger wie Rechtsanwälte, Ärzte, Bürgermeister und Politiker an, die sich mit Hilfe der Organisation bereicherten und den Kampf gegen sie ver- und behinderten. Nach Kriegsende wurde auch in Italien der einst nur in den USA übliche Name Cosa nostra (Unsere Sache) als Synonym für die Mafia gebraucht, die heute auch allgemein als Name für andere regionale Gruppierungen wie die Camorra oder die 'Ndrangheta benutzt wird. In der Gegenwart haben die Verbrechen der Mafia kaum noch faßbare Ausmaße erreicht. Ihre jährlichen Umsätze werden auf hunderte Milliarden DM beziffert. Ihre Gewinne legt sie in der Touristikbranche und in der High-Tech-Industrie an, investiert aber zunehmend auch in internationalen Großunternehmen und Aktiengesellschaften. Wie der von Mafiosi ermordete Richter Giovanni Falcone darlegte, tendiert die Mafia dahin, selbst Unternehmer zu werden und ihre illegalen Gewinne in legale Geschäfte zu investieren. Hier ist die Rolle von P2-Bankiers wie Sindona und Calvi in dem Geflecht zu sehen, das die Mafia einbezog und noch einbezieht.

Was es so schwer macht, der Mafia beizukommen, ist unter anderem, daß in einer von den Gesetzen des Kapitals geprägten Welt, in der moralische und menschliche Werte dem Geschäft untergeordnet sind, die von den sizilianischen Mafiosi deklarierte Ethik der Loyalität und der Treue zu archaischen Grundwerten einfache Menschen durchaus zu beeindrucken vermag. Andere sehen in den Verbrechen der Mafia das kleinere Übel und keinen Grund, den Staat, den oft genug korrupte Politiker repräsentieren, in seinem Kampf gegen die »ehrenwerte Gesellschaft« zu unterstützen.

Wie weit die Macht der Cosa nostra inzwischen reicht, verdeutlich in schockierender Weise die Affäre Andreotti. Der Senator auf Lebenszeit, der siebenmal das Amt des Ministerpräsidenten innehatte, steht seit September 1995 vor Gericht. Er wird, wie es in der Anklage heißt, »der Beteiligung an einer mafiosen Vereinigung« beschuldigt. Es bestand, wie es weiter lautet, »ein Geflecht zwischem dem Senator An-

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dreotti und Cosa nostra, das in einer keineswegs nur beiläufigen oder nur gelegentlichen Weise mindestens schon 1978 eingerichtet wurde und mit Sicherheit bis 1992 weiterbestand«. Andreotti habe »einen Beitrag zum Schutz der Interessen und zum Erreichen der Ziele der Organisation geleistet«, insbesondere »hinsichtlich gerichtlicher Strafverfahren gegen Exponenten der Organisation«. Der Ex-Premier wird eines Vergehens angeklagt, dessen ihn der Bericht einer parlamentarischen Anti-Mafia-Kommission bereits vor rund 30 Jahren beschuldigte. Die Anklage enthält auch die Aussage eines Mafioso, es sei in der Cosa nostra bekannt gewesen, »daß einer der Kanäle, um an Andreotti heranzukommen, der Weg über die Geheimlogen sei«. Dadurch werden zum ersten Mal die Anschuldigungen, der Senator sei ein führender P2-Mann, wenn nicht überhaupt ihre wahre Nummer Eins gewesen, gerichtsoffiziell zur Sprache gebracht. Auch hier ist einzufügen, daß der Europeo bereits am 15. Oktober 1983 Andreotti als den »wahren Chef der Propaganda due« gesehen hatte. Schon heute ist aus den bisherigen Aussagen genügend bekannt geworden. So der traditionelle, die unverbrüchlichen Beziehungen innerhalb der Mafia besiegelnde Bruderkuß, den Andreotti mit einem der mächtigsten Mafia-Bosse Siziliens, Salvatore Riina, getauscht haben soll. Ein »Tauschgeschäft«, das Andreotti - fraglos mit Wissen führender Leute seiner Partei - mit der Mafia betrieben haben soll, umfaßte die Stimmbeschaffung für die DC, wofür angeklagten Mafiosi Straffreiheit garantiert wurde. Als der christdemokratische Präsident des Regionalparlaments von Sizilien, Piersanti Mattarella, diese Abhängigkeit zu lockern suchte und außerdem noch den PCI in die Regierungsmehrheit einbeziehen wollte, wurde er im Januar 1980 ermordet. Die Killer kamen aus den Reihen der Neofaschisten, als Auftraggeber wurde jedoch die Mafia angesehen.

Wie der Korrespondent der jungen Welt, Cyrus Salimi-Asl, am 26. September 1995, dem Tag des Prozeßbeginns, aus Neapel berichtete, habe Andreotti den Mord an seinem Parteifreund bei einem Treffen mit dem Mafia-Boß, Stefano Bontate, auf Sizilien zur Sprache bringen wollen. Bontate habe dem Politiker geantwortet: »Wenn ihr die DC nicht völlig auslöschen wollt, müßt ihr machen, was wir sagen. Anderenfalls ziehen wir euch nicht nur alle Stimmen aus Sizilien ab, sondern auch die aus Reggio Calabria und aus ganz Süditalien.« Die Mafia besorgte weiter Stimmen für die Christdemokraten, wofür Andreotti Prozesse

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gegen Bosse der Cosa nostra vor dem Kassationsgericht (vergleichbar dem deutschen Bundesgerichtshof) »in Ordnung« gebracht habe, was bedeutete, daß die Angeklagten freigesprochen wurden. Nach dem Zusammenbruch der Democrazia Cristiana 1992/93 hat die Mafia übrigens die Front gewechselt und bei den Parlamentswahlen 1994 auf Berlusconi und seine Forza Italia gesetzt.

Die Anklage wegen Beteiligung an der Mafia ist jedoch nicht die einzige gegen II Volpone (der schlaue Fuchs), wie Andreotti seit Jahren genannt wird. Im Februar 1996 begann ein zweites Hauptverfahren, in dem der Staatsmann der Anstiftung zum Mord beschuldigt wird. Mafia-Killer sollen für ihn den Chef der P2-Agentur Osservatore Potitico, Mino Pecorelli, umgebracht haben. Der Journalist kannte die Verwicklung Andreottis in die finanziellen Machenschaften des P2-Bankiers Sindonas und wollte darüber eine Serie veröffentlichen oder den Politiker damit auch »nur« erpressen. Eine noch brisantere These lautet, Pecorelli sei im Besitz einiger verschwundener Seiten der von Aldo Moro aus dem »Volksgefängnis« der Brigate Rosse geschriebenen Briefe gewesen, auf denen dieser Andreotti als Verantwortlichen des Komplotts gegen ihn und für seinen Tod anklagte. Der bereits in vergangenen Mafia-Prozessen als Zeuge aufgetretene Mafioso Tomaso Buscetta erklärte: »Pecorelli ist von der Cosa nostra umgebracht worden, um Giulio Andreotti einen Gefallen zu tun.«

Andreotti ist der ranghöchste, aber nicht der einzige Politiker, der mit der Mafia paktierte. Auf die Frage nach weiteren Enthüllungen über diese Komplizenschaft sagte der Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, ein früherer Christdemokrat, der 1991 La Rete, Movimento per la Democrazia (Das Netz, Bewegung für Demokratie) gründete, am 29. Dezember 1995 in einem Interview mit der jungen Welt: »Es kann alles mögliche herauskommen: korrupte Richter, Polizisten und Carabinieri, die mit Andreotti und seinen Freunden befreundet sind. Aber das wahre Problem ist, daß die Mafia nicht einfach nur gegen den Staat ist, sondern daß die Mafia auch neben dem Staat und im Staat ist. Viele von uns bekämpfen die Mafia in der Überzeugung, daß sie uns gegenübersteht, und dann entdecken wir, daß sie neben uns und in uns ist.« Orlando verwies darauf, daß die Vorsitzende des Justizausschusses der Abgeordnetenkammer, Tiziana Maiola (Forza Italia), gefordert hat, den Artikel 416 des Strafgesetzbuches abzuschaffen, der die Grundlage der Anklage gegen Andreotti wegen Beteili-

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gung an der Mafia bildet. »Das ist der beste Beweis, daß in der italienischen Politik Freunde der Mafia existieren, auch als Parlamentarier verkleidet«, erklärte Orlando. Zu derselben Einschätzung waren A. und G. Cipriano vier Jahre vorher ebenfalls gekommen, als sie schrieben: »Neben Ex-Faschisten, den Amerikanern und der Kirche ... war die Mafia seit Kriegsende die vierte Kraft in der antikommunistischen Koalition Italiens.« (S. 29)

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Berlusconi und die Forza Italia

Der Zusammenbruch der traditionellen Regierungsparteien

1993 kam es zu einer bis heute in Westeuropa einmaligen Zäsur auf der politischen Bühne Italiens. Das traditionelle System der Regierungsparteien, das seit Kriegsende die Democrazia Cristiana anführte und an dem seit 1963 die Sozialisten führend beteiligt waren, brach einem Erdrutsch gleich zusammen. Auslösender Faktor war das im Februar 1992 einsetzende rigorose Durchgreifen der Mane pulite (saubere Hände) genannten Ermittlungsgruppe der Mailänder Staatsanwaltschaft, an deren Spitze der Richter Antonio Di Pietro stand. Die Ermittlungen erfaßten 1993 etwa 3 000 Politiker der DC, des PSI, aber auch der kleineren Regierungsparteien und in geringer Zahl des PDS. Bis März/April 1994 stieg ihre Zahl dann auf mehr als das doppelte an. Unter den Beschuldigten befanden sich ein Drittel der 945 Senatoren und Abgeordneten, ehemalige und im Amt befindliche Minister, in den Abruzzen die ganze Regionalregierung, unzählige Bürgermeister, Stadt- und Provinzräte. Anfang 1993 saßen 1 356 Staatsund Parteifunktionäre in Haft. Ob es sich um Verkehrsbetriebe, Kliniken oder Bauunternehmen handelte, die Beschuldigten hatten für die Vergabe von Bau- und Beschaffungsaufträgen oder auch nur für einfache behördliche Genehmigungen Milliardensummen an Bestechungsgeldern kassiert. Ebenso führten Manager der Staatskonzerne an ihre Parteiführungen, die ihnen diese Posten verschafft hatten, ihre Tangenten (zukommender Teil, Schmiergelder) ab. Das Turiner Einaudi-Institut errechnete eine Summe von jährlich zehn Milliarden Dollar gezahlter Schmiergelder. In der Region Venedig kontrollierten die ehemaligen Minister Carlo Bernini (DC) und Gianni De Michelis (PSI) alle öffentlichen Aufträge. Besonders empört reagierte die Öffentlichkeit auf den Bestechungsskandal in dem ob seines maroden Zustandes bekannten Gesundheitswesens. Der in Neapel ansässige damalige Gesundheitsminister Francesco De Lorenzo (PLI) kassierte für die Freigabe von Medikamenten und die Genehmigung von Preiserhöhungen immense Bestechungsgelder. Wie die Repubblica am 19. September 1993 berichtete, vermutete man auf Schweizer Konten Bestechungserträge von 70 000 Milliarden Lire. Es kam ans Licht, daß DC und PSI ihren Parteiapparat fast ausschließlich aus illegalen Einkünften finan-

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zierten. Ausgaben der Parteien für politische Arbeit in Höhe von 5 000 Milliarden Lire jährlich wurden ebenfalls kaum durch legale Einnahmen gedeckt.

Im Ergebnis der Ermittlungen stand die politisch herrschende Klasse Italiens auch als Verantwortliche für das astronomische Haushaltsdefizit von jährlich 150 000 Milliarden Lire da. Schon während der Voruntersuchungen beging über ein Dutzend der Beschuldigten Selbstmord, unter ihnen der Präsident des Feruzzi-Konzems, Raul Gardini, und der frühere Chef des staatlichen ENI-Konzerns, Gabriele Cagliari, die beide unter anderem eine 800 Milliarden Lire umfassende Betrugsaffäre eingefädelt hatten. Der Finanzberater des Feruzzi-Chefs Sergio Cusani hatte im Laufe der Jahre umgerechnet 150 Millionen Mark an Schmiergeldern für die Regierungsparteien entgegengenommen, von denen er jedoch nur etwa 50 Millionen weitergab. Der »Rest« wanderte in seine eigenen Taschen. Mit von der Partie in Tangentopoli war der Geheimdienst SISDE, von dem im November 1993 bekannt wurde, daß seine Führungsspitze Milliarden Lire an staatlichen Geldern veruntreut hatte.

Den schwersten Schlag erhielt das politische System, als die Rolle des Sozialistenchefs Craxi bekannt wurde. Beginnend im Dezember 1992 eröffnete die Staatsanwaltschaft gegen ihn insgesamt sechs Ermittlungsverfahren wegen Korruption, Hehlerei, illegaler Parteifinanzierung und anderer Vergehen. Er wurde beschuldigt, 200 Millionen Mark kassiert zu haben. Erneut kamen seine Beziehungen zu den führenden Leuten der P2 zur Sprache. Bereits 1981, bei der Entdeckung der Loge, waren in den Unterlagen des P2-Chefs Gelli die Nummern eines Schweizer Geheimkontos und dazu die Namen von Calvi, Craxi und seines Vize Claudio Martelli gefunden worden. Craxi hatte stets jede Kenntnis über das Konto abgestritten. Doch nun bekannte sein Parteifreund Silvano Larini, der für ihn in Mailand die Schmiergelder eingesammelt hatte, er sei im Auftrag Craxis Inhaber besagten Kontos gewesen, über das Calvi Schmiergeldtransaktionen abwickelte. Unter anderem wurde bekannt, daß Calvi als dem Präsidenten der von der P2 beherrschten Ambrosiano-Bank mit Hilfe des PSI Kredite aus der Staatsholding ENI zuflossen, wofür Craxis Partei wiederum eine Tangente von 14 Millionen Dollar erhielt. Damit war öffentlich gemacht, daß Craxi ein Mann der P2 war. Der PSI-Chef hatte zu Beginn der Ermittlungen noch die Stirn, die Arbeit der Mailänder Richter als »unge-

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setzliches Vorgehen« zu diffamieren. Als sich die Untersuchungen gegen den ehemaligen Regierungschef (1983-1987) fünf Monate später auf 41 Korruptionsfälle erstreckten, floh er vor der Festnahme nach Tunesien. Zwischen 1994 und 1996 verhängten die Gerichte gegen ihn insgesamt 26 Jahre Freiheitsstrafe. Obwohl gegen ihn drei internationale Haftbefehle laufen, verweigert Tunesien noch immer die Auslieferung. Der Grund sollen riesige Investitionen sein, die Craxi aus seinen kassierten Bestechungsgeldern in der Wirtschaft des Entwicklungslandes angelegt habe.

Der PSI hatte bereits vor dem Schmiergeldskandal seinen Charakter als sozialistische Partei verloren. In dem auf dem Parteitag 1991 angenommenen Programm hatte Craxi die Vokabel sozialistisch streichen lassen. Tangentopoli wurde für den PSI, der 1992 seinen 100. Jahrestag feiern wollte, zum Todesjahr. Die Zahl der Mitglieder, die der PSI in den 80er Jahren mit 580 000 angab, sank 1993 unter Hunderttausend ab. Im Februar trat Craxi als Parteivorsitzender zurück. Bei den Parlamentswahlen im März 1994 fiel die Partei, die noch im Frühjahr 1992 auf 13,6 Prozent gekommen war, auf 2,2 Prozent ab. Nicht besser erging es der Democrazia Cristiana, die zusätzlich zum Schmiergeldskandal im März 1993 durch die Anklage gegen ihren führenden Staatsmann Andreotti wegen seiner Komplizenschaft mit der Mafia schwer angeschlagen wurde. Um einem Versinken in der Bedeutungslosigkeit zu entgehen, verkündete der Parteilinke Martinazzoli im Juli 1993 eine Neugründung unter dem Namen des Partito Popolare, aus dem die DC 1943 hervorgegangen war. Obwohl es nicht viel mehr als eine Namensänderung war, gelang es der auf dem Katholizismus beruhenden Partei, von den 29,7 Prozent, die sie noch 1992 bei den Parlamentswahlen erreichte, im März 1994 11,1 Prozent zu retten. 4,6 Prozent erreichte der nach seinem Gründer, dem DC-Rechten Mario Segni, genannte Patto Segni (Bündnis Segni), später in Centro Cristiano Democratico (Christlich Demokratisches Zentrum) umbenannt. Von der neuen Volkspartei spaltete sich 1994 unter Rocco Buttiglione ein rechter Flügel ab, der sich später Cristiani Democratici Uniti (Vereinigte Christdemokraten) taufte und ein Bündnis mit den Neofaschisten und der Forza Italia Berlusconis einging. Diese CDU-Partei, wie sie sich nach ihrer deutschen Schwesterpartei gern nennt, erreichte bei den Wahlen 1996 dann 5,8 Prozent. Die Volkspartei sank im Ergebnis der Spaltung auf 6,8 Prozent ab. Die Lega Nord hatte sich zur gleichen Zeit

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zu einem Faktor beachtlicher Stärke entwickelt. Hervorgegangen aus den regionalen Ligen Norditaliens, die im Zeichen des Protests gegen die Vorherrschaft und Mißwirtschaft der DC entstanden, erreichte sie bei den Parlamentswahlen 1992 einen Stimmenanteil von 8,7 Prozent, den sie 1994 mit 8,4 Prozent behauptete, um 1996 auf 10,4 Prozent anzusteigen. Völlig von der politischen Bühne verschwunden waren die Liberalen, die Republikaner und die Sozialdemokraten, die bereits zu den Märzwahlen 1994 nicht mehr antraten. Aber auch das linke - außerhalb der Regierungskoalition stehende -Parteiengefüge veränderte sich. Am gravierendsten war der Übergang des PCI, einst zahlenmäßig stärkste (auf dem Höhepunkt über zwei Millionen Mitglieder) und politisch einflußreichste KP der westlichen Hemisphäre, auf sozialdemokratische Positionen. Politische Beobachterschätzten ein, daß der Auflösungsparteitag in Rimini 1991 noch das Godesberg der SPD übertraf. So auch, als er selbst die Vokabeln sozialistisch oder sozialdemokratisch aus dem neuen Parteinamen strich und die Nachfolgepartei des PCI sich schlicht Partito Democratico di Sinistra (Demokratische Linkspartei) taufte. Mit etwa 650 000 Mitgliedern, die sich bei ihr einschrieben, erreichte der PDS jedoch nur circa ein Drittel der Stärke der einstigen KP. 1994 kam die neue Sozialdemokratie auf etwa 850 000 Mitglieder. Senator Armando Cossutta, der innerhalb des PCI schon immer den linken Flügel repräsentierte, bildete mit seinen Anhängern zunächst eine Sammlungsbewegung für eine kommunistische Neugründung, aus der 1992 der Partito della Rifondazione Comunista (Partei der Kommunistischen Neugründung) hervorging. Die neue KP zählte 1995 etwa 130 000 Mitglieder. Von sechs Prozent 1994 stieg ihr Stimmenanteil 1996 auf 8,6 Prozent an. Der Totengräber der alten Regierungsparteien war der Mailänder Richter Di Pietro. In den Tangentopoli-Prozessen, die in der lombardischen Regionalhauptstadt stattfanden, stieg er nicht nur zum Staranwalt auf, sondern in den Augen der Öffentlichkeit geradezu zu einem »Retter der Nation« vor Chaos und Korruption. Vom Führer einer »Revolution der Richter«, die das »alte Regime« stürzte, war die Rede. Manche verglichen ihn, wie Rolf Uesseler in Heft 12/1995 der Blätter für deutsche und internationale Politik schrieb, etwas bescheidener mit dem »guten und mutigen Sherif, der in der unter die Gangster gefallenen Stadt aufräumte und wieder Ordnung herstellte« (S. 1431). Andere nannten ihn, der ursprünglich Missionar werden wollte, nach seinen

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publikumswirksamen Auftritten, seinen scharfsinnigen, oft mit beißender Satire gewürzten Verhören, einen »Luther der Neuzeit«. Diese Euphorie entsprang vor allem dem Dank des einfachen Italieners für die Durchsetzung von Gerechtigkeit.

Übersehen wurde dabei meist, daß das Durchgreifen der Mane pulite erst durch das Entstehen der Lega als politischer Gegenkraft zur DC möglich geworden war. Erst die Entmachtung der Christdemokraten durch die Partei Umberto Bossis in der Lombardei verhinderte, daß die Tangentopoli-Prozesse, wie früher üblich, durch Rom verhindert werden konnten. Auf Betreiben Berlusconis wurde Di Pietro 1995 wegen Begünstigung im Amt angeklagt, im Februar 1996 jedoch in erster Instanz freigesprochen. Nach der Anklageerhebung trat er sofort von seinem Amt zurück. Politische Beobachter hatten nach dem Amtsantritt der Berlusconi-Regierung den Eindruck, daß sich die mit Di Pietro begonnene Periode einer vermeintlichen Erneuerung der italienischen Demokratie ihrem Ende nähert.

Mit dem Zusammenbruch der alten Regierungsparteien drohte Italien faktisch die Unregierbarkeit. Es war vorauszusehen, daß die Tangentopoliparteien, auch wenn sie sich wie die DC in Gestalt der Volkspartei neu zu konstituieren suchten, viele Wähler verlieren würden. Im rechten Lager befürchtete man den Übergang eines großen Teils der PSI-Wähler als auch beträchtlicher DC-Anhänger zum PDS. Diese Furcht wuchs noch an nach den guten Wahlergebnissen der Linken bei der Bürgermeisterwahl im Juni und im Dezember 1993. In wichtigen Großstädten wie Turin, Genua, Ancona, Venedig und Triest, aber auch in Rom, Neapel und Catania siegten die linken Kandidaten.

Der Mann im Schatten der P2

Der Untergang der alten Parteien rief Silvio Berlusconi auf den Plan, den Chef des größten Medienkonzerns, den man zu den reichsten Männern Italiens zählt. Als Besitzer eines riesigen Fernsehimperiums ohnehin bereits politischer Unternehmer, verkündete er im November 1993, in die Politik einzusteigen. Bald zeigte sich, daß er nichts geringeres anstrebte, als den Chefsessel im Palazzo Ghigi (Sitz des Premiers). Berlusconi trat auf dem Höhepunkt von Tangentopoli als »Saubermann« an. Zu diesem Zeitpunkt ahnte kaum jemand, daß in seinen Unternehmen genauso mit Schmiergeldern gearbeitet wurde wie anderswo auch.

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Mit Berlusconi stieg zum ersten Mal ein führender Unternehmer des Landes nicht nur in die Politik ein - das hatten andere schon vor ihm getan -, sondern wollte die politische Macht selbst ausüben. Fachressorts wie das Schatzministerium waren in der Vergangenheit häufig von Spezialisten, vornehmlich vorherigen Notenbankpräsidenten, besetzt worden. Seit April 1993 stand auch der frühere Präsident der Banca d'ltalia, Carlo Azeglio Ciampi, der Regierung vor. Nach dem Sturz der Regierung Berlusconi im Dezember 1994 trat mit Lamberto Dini ein vorheriger Generaldirektor der Staatsbank und langjähriger Vertreter Italiens im Internationalen Währungsfonds an die Spitze des Consiglio dei Ministri (Ministerrat). Auch der Premier der seit Mai 1996 amtierenden Mitte-Links-Regierung, Romano Prodi, ist ein ehemaliger Chef des Staatskonzerns IRI.

Berlusconi, Jahrgang 1936, trat mit dem Image eines »Tellerwäschers, der es zum Millionär gebracht hat«, an. Als Sohn eines kleinen Mailänder Bankangestellten absolvierte er das Gymnasium des für strenge Disziplin bekannten Salesianerordens und studierte danach Jura. Seine Geschäftstüchtigkeit bewies der begabte Schüler bereits, als er seinen Klassenkameraden gegen finanzielles Entgelt die Hausaufgaben erledigte. Während des Studiums verkaufte er Staubsauger, jobbte als Entertainer und während der Semesterferien als Animateur auf Kreuzfahrtschiffen. Nach dem Studium stieg er in die Baubranche ein, mit einem Startkapital von 200000 Mark, das er sich mit seinen Nebenjobs verdient haben will. Schon 1963 gründete er mit Partnern die erste Baufirma Edilnord. Binnen weniger Jahre stieg er zu einem der führenden Mailänder Unternehmer auf. 1974 begann mit Telemilano, dem ersten Fernsehsender, der Aufstieg zum Medienzaren. Im Januar 1978 trat Berlusconi offiziell der Geheimloge P2 bei und erhielt die Mitgliedsnummer 1 816, seine Kontakte mit Gelli begannen aber bereits früher. Nach seinem Logenbeitritt stieg er ganz groß ins private Fernsehen ein. Aus dem regionalen Telemilano ging der landesweite Sender Canale 5 hervor. Danach kaufte er die größten Konkurrenten Rete Quattro und Italia 1 auf und verschaffte sich so das Monopol über das Privatfernsehen. Freund Craxi setzte als Ministerpräsident ein Mediengesetz durch, das Berlusconis Fernsehmonopol absicherte. Ein 1990 von der Andreotti-Regierung verabschiedetes Mediengesetz baute Berlusconis Monopolstellung weiter aus. Erst im Dezember 1994 beschränkte ein Urteil des Verfassungsgerichts die durch das 90er

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Gesetz zugelassenen drei Sender auf zwei. Berlusconi mußte einen Sender verkaufen, was jedoch weitgehend eine pro-forma-Sache blieb und ihm auch künftig die Kontrolle sicherte. Der Forderung, sein Fernsehimperium von drei Sendern zu entflechten, ist er bis heute nicht nachgekommen.

Zum Medienimperium Berlusconis gehören - durch Aufkauf oder Erwerb entsprechender Aktienanteile - weiter etwa 40 Prozent der italienischen Presseerzeugnisse. Das sind die Montadori-Verlagsgruppe, nach Bertelsmann der größte Medienverbund Europas; der Rizzoli-Verlag, der das Wochenblatt Corriere della Domenica herausgibt; das Giornale nuovo und der Corriere della Sera; die Fernsehzeitschrift Sorrisi e Canzoni, mit einer Auflage von über zwei Millionen Exemplaren die größte italienische Wochenschrift; die Wochenzeitschriften Epoca und Panorama. Ferner Cinema 5, die größte Kinokette des Landes, Musik- und Videoproduktionsgesellschaften und der Werbekonzern Publitalia. Berlusconi ist Besitzer und Präsident des Fußballclubs AC Milan, Organisator der Radtour Giro d'ltalia, Herr über Rugby-, Hokkey- und Volleyballmanschaften und (mit 80 Prozent Anteilen) Mäzen des Mailänder Teatro Manzoni. Alles in allem ein Instrumentarium, das ungeahnten Masseneinfluß verschafft. Seinen riesigen Besitz hat er in der Fininvest-Holding zusammengeschlossen, zu der über 300 Gesellschaften gehören. Sie wies 1993 einen Jahresumsatz von 11,5 Milliarden DM aus. Die Struktur einer Holding gestattet ihm, sein Firmenimperium breit zu verschachteln und Strohmänner an die Spitze zu setzen. Das erschwert es, zu überprüfen, woher ihm die ungeheueren Kapitalmengen zuflossen, die er für seinen Aufstieg benötigte, und die er unmöglich selbst erwirtschaften konnte.

Zwei hervorragende Journalisten, Giovanni Ruggeri und Mario Guarino, haben seit Jahren die dunklen Machenschaften des italienischem Tycoon verfolgt und in ihrem 1994 vorgelegten Buch Silvio Berlusconi, Inchiesta sul Signor TV, Titel der deutschen Ausgabe Berlusconi -Showmaster der Macht, enthüllt, welcher Mittel und Wege er sich bediente, wer ihn förderte, wie sein Aufstieg zur Spitze der Macht geplant und ausgeführt wurde. Die Autoren decken Beziehungen zur Mafia bianca (Mafia der weißen Stehkragen) auf, zu undurchsichtigen Schweizer Finanzierungsgesellschaften, römischen Immobilienfonds und zur Banca Nazionale del Lavoro (BNL). Sie gehen der Frage nach, warum diese Gesellschaften Berlusconi Geld in Millionenhöhe zur Ver-

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fügung stellten und führen beispielsweise an, daß die BNL schon in den 70er Jahren völlig von der P2 beherrscht wurde. Sie schreiben, es gelte als sicher, daß Berlusconi »fest in das korrupte Netz der P2 verwoben war, sogar zu denen gehörte, die es knüpften. Es steht fest, daß die Logenbrüder in Gellis >Club< (unter der Regie des Großmeisters selbst) eine entscheidende Rolle für die Karriere des Unternehmers Berlusconi gespielt haben: allen voran die Bankiers der P2.« Die Autoren verweisen darauf, daß bereits der Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission 1984 festhielt, daß Berlusconi zu den Unternehmern zählte, die »Unterstützung und Finanzierungshilfen, die weit über jede Kreditwürdigkeit hinausgehen«, erhielten (S. 81). Die Brisanz des Buches wird deutlich an den Versuchen Berlusconis, seine Verbreitung mit allen Mitteln zu verhindern. Zunächst bot er den Autoren einen Blankoscheck, den sie selbst ausfüllen sollten. Als diese ablehnten, zog er vor Gericht. Er verlor in drei Instanzen. Auch der Versuch, seine Mitgliedschaft in der P2 als ein harmloses und kurzes Intermezzo herunterzuspielen, mißglückte gründlich. Er wurde vor Gericht wegen falscher Zeugenaussage verurteilt. Nun ist der ehemalige Ministerpräsident auch vom Strudel der Schmiergeldaffären erfaßt worden. Seit Januar 1996 steht er vor Gericht, zunächst »nur« wegen Bestechung von Finanzbeamten. Weitere Anklagen warten jedoch bereits auf ihn. Dann könnte, wie Rolf Uesseler in der Berliner Wochenzeitung Freitag berichtete, zur Sprache kommen, daß Berlusconi »als Unternehmer korrumpiert, bestochen, unterschlagen, Geld gewaschen, mit der Mafia und den Geheimdiensten so manches Ding gedreht hat«. Beweismaterial, das die Schweizer Behörden unmittelbar vor Prozeßbeginn freigaben, werde »gravierendere Vergehen als die jetzigen >Kavaliersdelikte< zum Vorschein bringen: Illegalen Waffenhandel und Kollaboration mit der Mafia zum Beispiel«. Der Verfassungsrechtler Alessandro Pace sagte in einem Interview mit der TAZ am 16. Februar 1996 über Berlusconi: »Es gibt niemanden, der so tief wie er in das alte System verstrickt war.«

Fininvest - eine Holding wird Partei

Berlusconi verfügte für eine politische Karriere zwar über die einflußreichsten Kommunikationsmittel - als Medienkonzern steht seine Fininvest an 12. Stelle der Weltrangliste -, aber über keine eigene Partei. Knapp vier Monate vor den für März 1994 anberaumten Wah-

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len gab er bekannt, eine eigene Partei zu gründen und als ihr Spitzenkandidat anzutreten. Da die Vokabel Partei in Tangentopoli derart in Verruf geraten war, bezeichnete Berlusconi seine Partei als politische Bewegung und wählte für sie als Namen den Schlachtruf der italienischen Fußballfans »Forza Italia« (Vorwärts Italien, Fl). Die Wahl dieses Namens löste nicht nur bei den nach Millionen zählenden Anhängern des Berlusconi-eigenen Fußballclubs Milan wahre Begeisterungsstürme aus. Bereits die Bekanntgabe dieses Parteinamens war ein populistischer Auftakt, der in der Geschichte der Wahlkämpfe, nicht nur Italiens seinesgleichen suchte.

Was in den folgenden Wochen als Gründung der Forza Italia genannten politischen Bewegung vonstatten ging, stand ebenfalls - sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene - ohne Beispiel da. Die gesamte Führungsstruktur der am 25. November 1993 offiziell proklamierten Associazione Nazionale Forza Italia (Nationale Vereinigung Forza Italia) setzte sich aus Managern der Berlusconi-Holding Fininvest zusammen. Konkreter gesagt, aus ehemaligen Leitern des Trusts, denn die für den Aufbau und die Führung der Fl auserwählten Manager schieden formell aus der Holding aus. Ihnen wurde zugesichert, sie im Falle des Scheiterns des Unternehmens wieder einzustellen, und zwar mit höherem Gehalt.

An die Spitze der Fl stellte Berlusconi als Sekretär den Manager Angelo Codignoni, zum Organisationsleiter ernannte er den Unternehmensführer Marcello Del Ultri. Als eine Art Sekretariat oder politisches Büro fungierte das zur Fininvest gehörende Meinungsforschungsinstitut Diakron Spa. Das Institut wirkte gleichzeitig noch als Personalbüro der Fl, das die in Führungskräfte der neuen Partei verwandelten Manager einstellte und sie auch bezahlte. Über die Diakron flossen der Fininvestforza auch andere finanzielle Hilfen zu. In Mailand stellte das Institut der Partei in der Viale Isonzo kostenlos einen der Fininvest gehörenden Palazzo als Parteisitz zur Verfügung. In Rom wurde im Stadtzentrum für 100 Millionen Lire monatlich das 2500 m2 umfassende Gebäude einer Immobilienfirma gemietet und zur prunkvollen Parteizentrale ausgestaltet. Nachdem die Justiz zwei Jahre dieser seltsamen Verquickung des Fininvest-Wirtschaftsimperiums mit der Forza tatenlos zusah, wird seit Januar 1996 gegen Berlusconi wegen illegaler Parteifinanzierung ermittelt. Die Internationale Vereinigung Demoskopischer Institute ESOMAR, die rund 3 000 Institute umfaßt, schloß die

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Diakron im Oktober 1994 wegen parteipolitisch gebundener Tätigkeit aus.

Nachdem die zentrale Führungsstruktur der Partei so nach dem Modell des Aufbaus einer x-beliebigen Firma kreiert worden war, schwärmten die Fininvestmanager aus, um für das Produkt Forza Italia ihres Chefs Interessenten zu gewinnen. Von oben nach unten formierten sie eine »Parteibasis« in Form von Clubs. Dabei unterstützte sie die zur Fininvest gehörende Werbeagentur Publitalia, die auch den folgenden Wahlkampf Berlusconis managte und mit finanzierte. Binnen weniger Wochen entstanden mehrere tausend Clubs. Unmittelbar vor den Wahlen im März 1994 nannte Diakron-Chef Gianni Pilo 14185 Forza-Clubs mit rund einer Million Mitglieder. In seinem Buch Sonne in der Tasche schreibt der Rechtsgelehrte Mario G. Losano, daß »diese Zahl drastisch auf 3 000 bis 4 000 Clubs mit einer Gesamtmitgliederzahl von rund 300 000 gekürzt werden« muß. Es gebe »Scheinclubs und Clubs, die nicht das empfohlene Niveau von 20 bis 25 Mitgliedern erreichen. Die einzelnen Mitglieder können außerdem gleichzeitig mehreren Clubs beitreten.« (S. 75) Die örtlichen Clubchefs, die sich Präsidenten nennen durften, wurden »von oben« ausgewählt und eingesetzt.

Für die neu geworbenen Clubmitglieder organisierte Publitalia umgehend ein »Parteilehrjahr« per Videokassette. Um seine Anhänger bei Bedarf ständig an der Leitung zu haben, verband Berlusconi die regionalen Forzaclubs über einen »Kanal der interaktiven Kommunikation« mittels eines Videotele-Systems über Kabel, Computer und den Äther mit der Zentrale. Das Langzeitvideo der italienischen Telekom ermöglichte der Zentrale, Mitteilungen, Informationen und Zielsetzungen für neue Kampagnen, für Versammlungen und Demonstrationen sowie Weisungen des Chefs zu übermitteln und per Bild zu begleiten. Auf diese Weise konnte Berlusconi zu einer bestimmten Zeit seine gesamte Partei in den regionalen Clubs versammeln und zu ihr sprechen. Forza Italia, in der Öffentlichkeit auch einfach Fininvest-Partei oder noch treffender Forza Fininvest genannt, ist ihrer Struktur und Politik nach eine reine Führerpartei. Die leitenden Organe werden nicht gewählt, sondern von oben ernannt. Die Mitglieder haben keinerlei Einfluß auf die Politik, schon gar nicht auf Personalentscheidungen. Die Partei ist so antidemokratisch aufgebaut und wird mit autoritären Methoden geführt. Ein Vorgeschmack dessen, was Berlusconi für die

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künftigen verfassungsmäßigen Veränderungen in Italien vorschwebt. Berlusconi bestätigte das ungeniert selbst, als er die Fl als »ein Projekt, das nach meinen Methoden und meinem Geschmack ausgearbeitet wurde«, als »ein unternehmerisches Projekt, in dem bis zum geringsten Detail nichts ausgelassen wurde«, bezeichnete. Die römische Wochenzeitschrift Europeo schrieb am 22. Dezember 1993, daß der Cavaliere tatsächlich »alles selbst macht. Er hat sich eine Partei ausgedacht, hat ihr ein Programm gegeben, hat sich die richtigen Kandidaten ausgesucht.«

Betrachtet man das nach Berlusconis »Geschmack« entstandene »unternehmerische Projekt«, dann zeigt es in Struktur und Strategie eine frappierende Ähnlichkeit mit dem »Plan«, den die Geheimloge P2 einst für die Machtergreifung konzipierte. Die politische Identität dieses Projekts, »die sich unter dem Banner einer populistischen und modernistischen Rechten verbirgt, ist in Wahrheit eine aktualisierte Fassung des korrupten >Plans der demokratischen Wiedergeburt der Geheimloge P2, der Mitte der siebziger Jahre entstanden war: die gleichen Voraussetzungen, der gleiche Zuschnitt, analoge Ideen und Konzepte«, schätzen Ruggeri/Guarino ein (S. 222). Wie die P2 zur »Kontrolle der Macht im Staate«, so die Autoren weiter, sei Forza Italia gebildet worden, um »die politisch-wirtschaftliche Macht der Fininvestgruppe und der >Kreise<, die sie geschaffen haben, zu bewahren«. Auch der Aufbau der Fl nach Club-Strukturen entsprach einem Konzept, das schon der »Plan« der P2 vorsah. Kein Geringerer als Licio Gelli, der Chef der Geheimloge, die noch immer als existent angesehen wird, frohlockte im November 1993 unverfroren, daß »verschiedene Inhalte des >Plans der demokratischen Wiedergeburt verwirklicht worden sind«. Als einen der verwirklichten Punkte nannte er Berlusconis Privatfernsehimperium. Den Fininvest-Chef rechnete er, wie Espresso am 7. November 1993 berichtete, zu den Politikern, die gezeigt hätten, daß sie in der Lage sind, »das Land unter dem Banner von Verdienst und Hierarchie zu führen«. Gelli lobte das Programm Berlusconis, »auf dessen Grundlage man eine gute Partei aufbauen kann«. Folgerichtig charakterisierte der Sekretär der RC, Fausto Bertinotti, die im April 1994 gebildete Regierung in La Liberazione vom 17. Mai 1994 als »die Regierung der P2«.

Gegen den antidemokratischen, autoritären Führungsstil Berlusconis und seiner Fininvestmanager regte sich bereits wenige Monate nach

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Gründung der Fl - und das trotz ihres Wahlsieges im März 1994, dem die Berufung des Medienzaren zum Ministerpräsidenten folgte -Widerspruch und Kritik, selbst in den Reihen der eigenen Partei. Als Wortführerin der unzufriedenen Forza-Anhänger trat die ehemalige Richterin Tiziana Parenti auf, die für die Fininvest-Partei gerade in die Abgeordnetenkammer eingezogen war. Auf einer von Berlusconi einberufenen Zusammenkunft der neu gewählten Abgeordneten, auf der er einige Direktiven bekanntgeben wollte, sprach sie zur Struktur der Partei, zum Fehlen von Mitspracherechten und zur Ernennung der Funktionäre aller Ebenen von oben. Das Faß zum Überlaufen gebracht hatte die Ernennung eines Führungsgremiums in Gestalt einer Assoziazione Movimento Politico Forza Italia (Verein der Politischen Bewegung Forza Italia). Als Mitglieder dieses Präsidiums, wie die Führungsspitze später genannt wurde, hatte der Fininvest-Chef die Fraktionsvorsitzenden des Senats und der Abgeordnetenkammer, einen Abgeordneten im Europaparlament und sieben Männer seiner Holding ernannt. Als Vorsitzender des Präsidiums und so der Partei ernannte Berlusconi sich selbst.

Vor diesen Personalentscheidungen an der Fl-Spitze, die im allgemeinen einem Parteitag vorbehalten sind, waren nach dem Unternehmermotto, »was der Chef entscheidet, hat die Belegschaft nicht zu interessieren«, vorher noch nicht einmal die Forza-Clubleiter konsultiert und danach auch nicht informiert worden. Tiziana Parenti, die der parlamentarischen Anti-Mafia-Kommission vorstand, trat kurze Zeit später schon wieder ins Fettnäpfchen ihrer Partei, als sie öffentlich den Verdacht äußerte, die sizilianischen Fl-Clubs seien von der dortigen Mafia infiltriert. Daß die aufmüpfige Forza-Frau, die ursprünglich für das Justizressort vorgesehen war, von der Ministerliste gestrichen wurde, konnte dann kaum noch verwundern.

Nach heftigen Kontroversen mit dem selbstherrlichen Führungsstil Berlusconis auf einem »Fest der Forza«, das im September 1994 in Ostia im Westen der Hauptstadt stattfand, gründeten unzufriedene Clubleiter und Forza-Mitglieder eine Protestbewegung namens Libera Italia (Freies Italien). Ihr sollen sich nach Verlautbarungen der Diakron - die die Dissensbewegung immerhin zugeben mußte - lediglich etwa 8 000 Anhänger angeschlossen haben. Die Wahlkampagne im Frühjahr 1996 zeigte weiteren Dissens. Der Fraktionsvorsitzende in der Abgeordnetenkammer, Vittorio Dotti, weitere Parlamentarier, Minister und

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Staatssekretäre der früheren Berlusconi-Regierung lehnten eine erneute Kandidatur für die Forza ab oder wurden vom Parteichef selbst ausgeschlossen. Sie alle hatten sich mehr oder auch nur weniger deutlich gegen den rechtsradikalen Kurs und das enge Bündnis mit den Neofaschisten ausgesprochen. »Wo nur noch die Radikalen regieren, ist die Forza Italia überflüssig geworden«, zitierte die TAZ am 19. März 1996 den ehemaligen Minister Giuliano Urbani, der als Chefideologe der Partei galt. Aufschlußreich war auch, was der Abgeordnete Michele Caccavalle, der ebenfalls nicht wieder aufgestellt wurde, in einem Interview in La Liberazione vom 15. März 1996 zum autoritären Führungsstil ausführte: »In zwei Jahren ist nicht ein einziges mal die Meinung der Basis eingeholt worden. Nicht ein einziger Verantwortlicher der Forza ist gewählt worden. Alle eingesetzten Funktionäre sind«, so Caccavalle, »Freunde der Fininvest, Freunde des Chefs, Freunde von Freunden«. Nicht verhindern konnte der Medienzar, daß sich in der Öffentlichkeit und in der ihm nicht hörigen Presse immer wieder Stimmen erhoben, die vor den Gefahren dieser alleinherrschaftlich und mit diktatorischen Methoden geführten Fininvestpartei warnten. So ging Norberto Bobio, einer der angesehensten liberalen Philosophen des Landes, am 3. Juli 1994 in La Stampa Fragen des Charakters der Forza-Bewegung und Methoden, diesen zu verschleiern, nach. Der Beitrag erschien in der zur Fiat, dem größten Privatkonzern Italiens, gehörenden Zeitung. Viele Beobachter sahen darin ein Zeichen, daß sich auch Großunternehmer vom politischen Führungsstil Berlusconis distanzierten. Bobio verwies auf das Fehlen »demokratischer Merkmale« sowie der »Transparenz der Macht« und fragte nach dem Entstehen der Clubs. »Aus wem bestehen sie? Wer finanziert sie? Eine Demokratie, die auf einem Netzwerk halbklandestiner Gruppen basiert, ist wirklich eine beispiellose Erfindung.« Losano, der sich ebenfalls mit dem autoritären Charakter der Fininvestpartei befaßte, bezeichnete Berlusconi als einen Alleinherrscher und seine Forza Italia als »die Bewegung, die den Autokraten flankiert« (S. 83). Losano zitiert auch den in seiner politischen Haltung sehr widersprüchlichen Lega-Führer Bossi, der die Forza, als er ihr im Oktober 1994 die Gefolgschaft in der Regierung aufkündigte, als »zentralistische Partei faschistischer Prägung« bezeichnete (S. 178).

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Auf dem Weg zur Präsidialdiktatur

»Gleich sagt er, daß die Kommunisten immer noch Babys fressen.« Valeska von Roques gibt diese Bemerkung einer italienischen Journalistin zum Auftritt Berlusconis im November 1993 vor dem Auslandspresse-Klub in Rom in ihrem Buch Die Stunde der Leoparden wider und charakterisiert damit die Atmosphäre der Veranstaltung, in der der Fininvest-Chef seinen Eintritt in die Politik ankündigte (S. 239). Berlusconi beschwor die Vorsehung und trat als »ihr Mann« auf. Während der Medienzar sonst zugkräftige Werbeslogans bevorzugt und für jeden Italiener »die Sonne in der Tasche« bereit haben will, griff er vor den Journalisten auf die abgenutzten Parolen des Kalten Krieges zurück. Die einstige Kommunistische Partei hatte sich bereits zwei Jahre vorher aufgelöst und als Sozialdemokratie (PDS) neu konstituiert, dabei die »fundamentale Rolle« des Privateigentums an Produktionsmitteln anerkannt und den Unternehmern eine »Aufgabe von öffentlichem Nutzen« zugesprochen. Die RC zählte etwa fünf Prozent der Mitgliederstärke des PCI aus den 80er Jahren und hatte bei den Wahlen 1992 gerade 5,6 Prozent der Stimmen erreicht. Berlusconi aber malte das alte Gespenst der »kommunistischen Gefahr« an die Wand, vor der er das Land retten müsse. Die zerstrittene Linke klagte er an, die »uneingeschränkte Herrschaft des Staates« zu wollen, eine »Diktatur des Dirigismus«, das »Ende des freien Marktes«. Wenn sich »die Kräfte im politischen Mittelfeld weiterhin nicht dazu entschließen können, die Linke effektiv zu bekämpfen, dann ist es meine Pflicht, dem Land meine Erfahrungen als Unternehmer zur Verfügung zu stellen, die sich in vielen Jahren des Einsatzes herausgebildet haben«. Der aus der Geschichte bekannte drohende Unterton war nicht zu überhören: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich und gehört zu den Kommunisten.

Es blieb offen, wie Unternehmensführer Berlusconi, der gerade dabei war, sich eine Forza-Partei nach »seinem Geschmack« zu schaffen, die Linke »effektiv bekämpft« sehen wollte. Die Neofaschisten dagegen hatten jahrzehntelang gezeigt, was sie darunter verstanden. Mit ihnen und der Lega schloß der Forza-Chef kurze Zeit später das Wahlbündnis Alleanza della Liberta (Freiheitsallianz), auch Polo della Libertà (Pol der Freiheit) genannt. Die Rechtsallianz siegte im März 1994 mit 42,9 Prozent bei den Parlamentswahlen, und Berlusconi zog als Chef der stärksten Partei (21 Prozent) in den Palazzo Ghigi ein. Für P2-Chef Gelli

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ging ein Traum in Erfüllung. Einen der ihren an die Spitze der Exekutive zu stellen, gehörte zu den Zielen der Geheimloge, die Berlusconi zu ihren Mitgliedern zählte. Für den Logenchef war der Medienzar bereits in den 80er Jahren einer »der Auserwählten« gewesen, der diese Führerrolle übernehmen sollte. Celli hatte umsomehr Grund zum Jubeln, als »der Auserwählte« gleich noch drei P2-Mitglieder in seine Regierung aufnahm: aus seiner Fininvest-Partei Cesare Prevetti, einen frühere MSI-Mann, der zur Forza übergetreten war, und Antonio Martino sowie von den Neofaschisten Publio Fiori.

Berlusconis folgender Wahlkampf hätte einen Goebbels vor Neid erblassen lassen. Die neuen Sozialdemokraten, die sich bereits 1982 als PCI von Moskau losgesagt hatten, diffamierte der Forza-Chef als »Enkel Stalins«, die ein kommunistisches Regime errichten wollten. In seiner Rede zum Abschluß des Wahlkampfes, die über seine drei Fernsehsender - am 26. März, dem Vorabend der Wahl, verbreitet wurde, führte er aus: »Das Allerschlimmste wäre ein Sieg der Linksparteien; wir würden einer gefährlichen Zukunft entgegengehen, mit einem Regime, das wirkliche Freiheit und echte Demokratie nicht garantiert. Heute befinden wir uns in Italien an der gleichen Wende wie 1948: Die Entscheidung muß getroffen werden zwischen Freiheit oder Knechtschaft, zwischen Wohlstand oder Elend.«

In seinem Wahlkampf versprach der Chef der Forza Fininvest dem breiten Wählerreservoir von jedem etwas: weniger Steuern, weniger Umweltverschmutzung und mehr Umweltschutz, eine Million neuer Arbeitsplätze, mehr Solidarität mit den sozial Schwachen und mehr Fürsorge für die Alten. »Sein politisches Programm«, schreiben Ruggeri/Guarino, »ist ein Kompendium, das wie ein Rezept mit gut 45 >Zutaten< aus widerlichster Demagogie und altbekanntem Populismus anmutet - ein unerträgliches Sammelsurium von Allgemeinplätzen in Form von Werbespots«. Dieses Programm lief, da es zu dieser Zeit noch keine Begrenzung der Wahlkampfauftritte und vor allem keine Gleichheit für die antretenden Parteien gab, uneingeschränkt über die drei Sender der Fininvest. Der Berlusconi-Partei stand so zehnmal mehr Sendezeit zur Verfügung als allen anderen Parteien. Erst für die Wahlkampagne im Frühjahr 1996 setzten die Mitte-Links-Parteien eine Begrenzung der Wahlkampfauftritte per Gesetz durch. Bleibt festzuhalten, daß jeder fünfte Wähler auf diese Demagogie ansprach. Legt man die Wahlergebnisse der von Berlusconi geführten Freiheitsallianz zu-

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grunde, waren es sogar knapp 43 Prozent. Wie der neue Volksverführer das geschafft hat, beschreibt Jens Renner augenscheinlich und detailgetreu in seinem Fall Berlusconi: »Berlusconi beschäftigt nicht nur einen Stab von Psychologen, Linguisten, Sozialwissenschaftlern und Werbeleuten - auch der eine oder andere Maskenbildner dürfte bei ihm die Stellung seines Lebens gefunden haben.« Renner läßt Dario Fo zu Wort kommen. Der Theaterregisseur und Autor subversiver politischer Farcen, hat ein besonderes Auge für den Aufwand, der mit dem Äußeren des Kandidaten betrieben wird: »Er benutzt Gelatine-Folien -wie die größten Diven im Kino. Dann läßt er auf das Kameraobjektiv einen feinen Seidenstrumpf ziehen, der filtert. So wirkt sein Gesicht wie glattgezogen, es wird wieder faltenfrei.« Dario Fo sieht in Berlusconi die »Verkörperung des Marketings«. »Er verkauft sich selbst, sein politisches Image, wie einen Schmierkäse, wie eine Windel, wie Schinken oder Salami.« (S. 118 ff.) Für das derartig dem Masseneinfluß des Alleinherrschers der Forza und ihm danach auch als Premier dienende und ihm gehörende Privatfernsehen - für das es auf internationaler Ebene (noch) keinen Vergleich gibt - wurde der Begriff Telekratie geprägt. Ein Begriff, der besonders nach dem Amtsantritt Berlusconis im Palazzo Ghigi Besorgnis erregte.

Dem auf Personen zugeschnittenen Wahlkampf der Forza Italia entsprach das mit der Wahlrechtsreform von 1993 veränderte Wahlrecht. Es setzte an die Stelle des reinen Verhältniswahlrechts ein gemischtes Wahlsystem, nach dem 75 Prozent der Kandidaten nach dem Mehrheitsrecht (Personenwahl) und nur noch 25 Prozent nach dem Verhältnisrecht (über die Listen der Parteien) gewählt werden. Schon dieses neue Wahlgesetz war vor allem mittels der Telekratie der Fininvest durchgesetzt worden. Das Mehrheitswahlrecht bedeutet generell einen Schritt zurück in die Zeit der konservativen Wahlprozeduren, die bis 1919/20 in ganz Europa herrschten, und eine Annullierung progressiver Ergebnisse parlamentarischen Kampfes. Das Mehrheitswahlrecht gilt heute noch in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten. Die Rückkehr zu ihm wurde in Italien begünstigt durch das korrupte Verhalten der alten Regierungsparteien, deren Parlamentarier scharenweise ihre Mandate dazu mißbrauchten, ihren Parteien Schmiergelder zu beschaffen und sich selbst persönlich zu bereichern. Sie diskreditierten die politische Rolle der Parteien derartig, daß es einer Mehrheit der Wähler besser erschien, über die Kandidaten künf-

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tig direkt abzustimmen. Das ist aber nur scheinbar besser so. Denn während bei der Verhältniswahl Programme und Konzeptionen der Parteien im Mittelpunkt stehen, sind es bei der Mehrheitswahl die Personen. Die Wahlen werden in gewisser Weise entpolitisiert, entarten, wie es der Wahlkampf Berlusconis zeigte, zur Werbekampagne, in der das Produkt Parlamentskandidat ebenso angepriesen wird wie eben Schmierkäse, Salami oder Windeln.

Wie die Mehrheitswahl den Wählerwillen verfälschen kann, zeigten die Ergebnisse der Parlamentswahl 1994. Während die Lega mit 8,3 Prozent vorwiegend über die Direktwahl - und zwar durchweg in ihren norditalienischen Stammregionen - 118 Sitze in der Abgeordnetenkammer erreichte und stärkste Fraktion wurde, kamen die Kommunisten mit sechs Prozent Stimmen nur auf 40 Mandate. Der PDS, der 20,3 Prozent erzielte, erhielt 115 Mandate, die AN zog mit sieben Prozent weniger (13,4) trotzdem mit 105 Abgeordneten in die Kammer ein. Die Neofaschisten lagen so noch vor der Forza, die mit 21 Prozent 101 Sitze belegte.

An die Regierung gekommen, verwirklichte der Fininvest-Chef kein einziges seiner Wahlversprechen, im Gegenteil: Der Arbeitsminister verfolgte eine Politik der Lohnsenkungen, unter anderem durch niedrige Einstiegslöhne für Jugendliche und Langzeitarbeitslose, die Einführung von Zeit- und Leiharbeit und die Aufhebung der einheitlichen Tarifverträge. Der Haushaltsminister sprach sich für eine Reduzierung der Leistungen der staatlichen Sozialversicherung aus. Die entstehenden Lücken sollten private Versicherungskonzerne schließen. Interessanterweise gehört Mediolanum, einer der Großen der Branche, zum Fininvestimperium. In Angriff nahm die Berlusconi-Regierung eine Rentenreform, die vor allem für die Rentner der unteren Einkommensstufen einschneidende Einbußen vorsah.

Beinahe wäre Berlusconi bereits innerhalb der ersten 100 Tage seiner Amtszeit aus dem Rennen geworfen worden. Anlaß war, daß der »Saubermann« im Juli ein Dekret erließ, das für die wegen Bestechung und Korruption Angeklagten Haftverschonung vorsah. Sie sollten unter der Bedingung, daß ihre Wohnsitze die überwachungstechnischen Voraussetzungen boten, lediglich unter Hausarrest gestellt werden. Von etwa 53 000 Inhaftierten hätten etwa 3 000 bis 4 000 Minister, Parteipolitiker, Parlamentarier und Wirtschaftsmanager davon profitiert. Der Forza-Chef, der angetreten war, mit der Mißwirtschaft der

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Repräsentanten der alten politischen Parteien Schluß zu machen, kam diesen nunmehr zu Hilfe. Außerdem sollte die Justiz wieder an die Kandarre genommen und mit der Herrschaft der Mane pulite Schluß gemacht werden. »Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus«, war eines der von Menschen auf der Straße in diesen Tagen am meisten gebrauchten Sprichwörter. Besonders empörte den einfachen Italiener, daß das Dekret die Reichen, deren Villen und Landsitze die überwachungstechnischen Voraussetzungen für einen Hausarrest boten, von der Haft verschonte, während die Taschendiebe oder kleinen Angestellten, die ein paar Brosamen von den Milliarden Lire an Bestechungsgeldern eingesteckt hatten, hinter Gittern bleiben sollten, da ihre Mietwohnungen keine solchen Voraussetzungen boten. Gegen den einsetzenden Sturm der Entrüstung war selbst die Telekratie des Medienzaren machtlos. Hinzu kam, daß Lega-Führer Bossi als auch Neofaschistenchef Fini mehr Gespür für den Volkszorn besaßen und sich im nachhinein von dem Erlaß distanzierten. Berlusconi mußte das Dekret zurücknehmen und eine schwere Niederlage einstecken. Als dann Ende Juli neue Ermittlungen wegen Beamtenbestechungen begannen, wurde deutlich, daß der Regierungschef mit der Verordnung auch seine eigenen Leute retten wollte. Befanden sich doch unter den Beschuldigten sechs leitende Fininvest-Manager, darunter sein Bruder Paolo und der Chef des Steuerbüros der Berlusconi-Holding. Berlusconi stand mit seiner Familie am Pranger von Tangentopoli. Als im November in Neapel ein Weltgipfel über das organisierte Verbrechen stattfand, spottete der Volksmund, Italien sei durch einen aus dem Milieu vertreten.

Unvergleichlich stärker als gegen das Haftverschonungsdekret entfaltete sich der Protest gegen Berlusconis sozialen Crash-Kurs. Träger dieses Widerstandes waren hauptsächlich die RC und die linke Basis des PDS. Die Gewerkschatten traten erst in der Endphase auf den Plan. Es war diese Protestbewegung, die entscheidend den Sturz der Regierung Berlusconi herbeiführte. Spiegelbild des Sozialabbaus war der Haushaltsentwurf, der den Arbeitnehmern 20 Prozent des gesamten Etats aufbürdete. Von etwa 28 Billionen Lire an Kürzungen entfielen zehn Billionen auf die Renten und 6,36 Billionen auf das Gesundheitswesen. Nach Bekanntgabe des Haushaltsentwurfs traten am 15. Oktober fünf Millionen Beschäftigte in den Generalstreik gegen die Regierung. In rund 90 Städten kam es zu Massendemonstrationen, wie es sie seit

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Jahren nicht mehr gegeben hatte: 300 000 in Mailand, 250 000 in Florenz, 200000 in Rom, ebensoviele in Turin. Sie leiteten das Ende Berlusconis ein. Als es am 12. November zu erneuten Demonstrationen gegen den Sozialabbau kam (über eine Million Teilnehmer in Rom), stellten im Parlament drei Parteien einen Mißtrauensantrag: Die Rifondazione Comunista, die Demokratische Linkspartei seitens der Opposition und die Lega, die damit aus der Regierungskoalition ausschied. Noch während der Vertrauensdebatte trat Berlusconi angesichts der unvermeidlichen Niederlage am 21. Dezember, nach 226 Tagen Regierungszeit, zurück.

Mit Berlusconi hatte zum ersten Mal in der italienischen Geschichte und wohl auch der parlamentarischen Demokratien überhaupt einer der mächtigsten und einflußreichsten Kapitalisten die Regierungsgewalt übernommen. Es kam zur Personalunion zwischen der ökonomischen Macht in Gestalt des größten Firmenimperiums - noch dazu zu einem beträchtlichen Teil im Medienbereich angesiedelt- mit der politischen Exekutive.

Eine von ihm geführte Regierung liege auch im Interesse der italienischen Unternehmer, hatte Berlusconi bei seinem Einstieg in die Politik vor führenden Wirtschaftskapitänen des Landes erklärt und um ihre Unterstützung geworben. Bald wurde jedoch ersichtlich, daß der Finin-vest-Chef vor allem deshalb nach der politischen Macht griff, um sein eigenes Imperium zu retten, das nach einer Berechnung der Repubblica vom 15. Oktober 1993 bei einem Jahresumsatz von umgerechnet elf Milliarden DM mit etwa sieben Milliarden DM verschuldet war. Wäre eine Mitte-Links-Koalition aus Volkspartei, PDS und anderen Zentrumskräften an die Regierung gekommen, hätte das - wie bei den Logenbrüdern Sindona und Calvi - Berlusconis Bankrott bedeuten können. Zu spekulativ war sein Imperium aufgebaut. Im Palazzo Ghigi angekommen mißbrauchte Berlusconi immer wieder sein hohes Amt, um seiner Fininvest Vorteile zu verschaffen; so unter anderem bei der Verabschiedung des sogenannten Haftverschonungsdekrets, bei der Ausschaltung der RAI nicht nur als kritische Stimme gegenüber seiner Regierungspolitik, sondern ebenso als Konkurrent seines eigenen Fernsehtrusts, bei der Unterordnung der Justiz unter die Exekutive, der Einschränkung der Rechte der Staatsbank.

So wie Berlusconi der Alleinherrscher seines Fininvest-Imperiums war, wie er Forza Italia nach »seinem Geschmack« geschaffen hatte und

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diese Partei autokratisch führte, so versuchte er auch die Regierungsgewalt nach »seinem Geschmack« zu verändern. Das bedeutete - und hier stand er erneut im Schatten der P2 -, er strebte eine Präsidialherrschaft an und versuchte, sie in verfassungswidriger Weise bereits zu praktizieren und vollendete Tatsachen zu schaffen. Nicht zufällig hatte Berlusconi in seiner Regierung das Ressort für institutionelle Reformen eingerichtet, das konkret folgende Projekte verfolgte: Beseitigung der Reste des Verhältniswahlrechts (25 Prozent) und Einführung der reinen Mehrheitswahl des Parlaments; Direktwahl des Staatspräsidenten und des Regierungschefs, die beide größere Kompetenzen und Unabhängigkeit vom Parlament erhalten sollten; Beseitigung der Rechte des Senats als gleichberechtigter zweiter Kammer; Einschränkung der Unabhängigkeit der Justiz, unter anderem durch Unterstellung der Staatsanwälte unter das Justizministerium. Falls der Ministerpräsident nicht direkt gewählt würde, sollte das Parlament automatisch aufgelöst werden, wenn er keine Mehrheit erhalten, ebenso wenn ihm während seiner Amtszeit vom Parlament das Mißtrauen ausgesprochen würde. Damit hätte das Parlament jederzeit mit der Androhung von Neuwahlen unter Druck gesetzt werden können.

Insgesamt will die Rechtsallianz derzeit von den 184 Artikeln der Verfassung 84 abändern oder streichen. Generell geht es darum, in dem auf dem Boden der Resistenza entstandenem italienischen Grundgesetz die antifaschistischen Grundlagen zu beseitigen. Eine derart grundsätzliche Änderung der Costituzione bedürfte nach Meinung von Verfassungsrechtlern der Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung. Die Rechtskräfte mit Fl und AN an der Spitze wollen jedoch die Verfassung Artikel für Artikel für ein Präsidialregime zurechtschustern, was nach Meinung des ehemaligen Präsidenten des Verfassungsgerichts, Ettore Gallo, einem »Staatsstreich« gleichkäme. Sein Kollege Alessandro Pace warnte in einen Interview in der TAZ am 16. Februar 1996: »Italien sollte unbedingt im Rahmen der jetzigen Verfassung bleiben.« Denn, so Pace, der als Professor an der Universität La Sapienza in Rom Verfassungsrecht lehrt, »eine so komplexe Realität wie die italienische kann man nicht in die Zwangsjacke eines Präsidialsystems sperren«.

Es gelang den Verfechtern eines Präsidialsystems bisher nicht, die dazu erforderlichen Verfassungsänderungen durchzusetzen. Als der Forza-Chef jedoch zum Rücktritt gezwungen wurde, wollte er die Aufkündi-

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gung der Koalition durch die Lega für ungültig erklären und seinen Willen zum Gesetz erheben. Nach Einbringung der Mißtrauensanträge versuchte er, mittels seiner Mediendiktatur Druck auf die Parlamentarier auszuüben und die Öffentlichkeit in seinem Sinne verfassungswidrig zu beeinflussen. In einer über seine drei Fernsehsender ausgestrahlten Rede behauptete der noch amtierende Regierungschef, mit den Mißtrauensanträgen werde das Land »in eine Falle getrieben, in einen Hinterhalt, der nicht hingenommen werden darf«. Er drohte mit einem »stundenlangen Aufmarsch« seiner Kräfte, diffamierte den Mißtrauensantrag der Lega als »Pflichtverletzung, Intoleranz und Verrat einer liberalen Minderheit«. Italien, so der Fininvestchef, dürfe »nicht den Kommunisten überlassen werden«. Nach seinem Rücktritt forderte Berlusconi - wiederum ein Vorgriff auf das geforderte Präsidialregime -vom Staatspräsidenten, sofort das Parlament aufzulösen und einen Termin für Neuwahlen festzulegen, den er auch noch selbst festlegen wollte. Wäre der Präsident diesem Ansinnen nachgekommen, hätte er einen glatten Verfassungsbruch begangen. Nachdem Lamberto Dini, der in Berlusconis Regierung das Amt des Schatzministers innehatte, vom Staatspräsidenten beauftragt worden war, eine neue Regierung zu bilden, verbarrikadierte sich der Forza-Chef mit zahlreichen Anhängern tagelang im Palazzo Ghigi und weigerte sich, den Amtssitz des Premiers zu räumen. Die Versuche des Forza-Chefs, die Abwahl seiner Regierung zu verhindern und, als das mißlang, den Staatspräsidenten zu Neuwahlen zu zwingen, ähnelten sehr einem »kalten Staatsstreichversuch«. Im Ergebnis dessen ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen Berlusconi, AN-Chef Fini und einen weiteren Minister wegen Verleumdung des Präsidenten.

Bereits bei der Vorstellung der Regierung Berlusconi war in der Öffentlichkeit deren faschistoider Charakter angesprochen worden. Il Manifesto bezeichnete das Kabinett am 15. Mai 1994 als »Governo nero« (schwarze Regierung). »Faschisten und Monarchisten, Lega-Leute und christdemokratischer Schrott, Industrielle, Anwälte und Manager der Fininvest: Das sind die Minister der Regierung Berlusconi. Eine kompakte Regierung der extremen Rechten.« Als Berlusconi vor der Abwahl im Dezember seine umstürzlerische Rede hielt und mit »einem Aufmarsch« seiner Anhänger drohte, befürchteten viele Italiener, der »Staatsstreich« komme, ein neuer »Marsch auf Rom« stehe bevor. Es blieb bei Drohungen, aber auch sie können Wirkungen erzielen. Vor

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allem, wenn Berlusconi droht, haben Italiener immer seinen Koalitionspartner, die Neofaschisten, vor Augen. Und die über 50-jährige Geschichte des Nachkriegsfaschismus in diesem Land ist voller Drohungen, Forderungen und praktischer Versuche, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen und an ihre Stelle ein diktatorisches Regime faschistischer Prägung zu setzen, einen »Staat der starken Hand« zu installieren. Die Medien-Agora (Volksversammlung) Berlusconis jedenfalls »offenbarte sich als Erbin der >ozeanischen Versammlungen der Mussolini-Zeit«, meint Losano (S. 191). Renner zitiert Indro Montanelli, den rechten Starjournalisten, der ebenfalls bejaht, daß Berlusconi »der neue Mussolini« sein könnte, zumindest aber »der nationalistische Einpeitscher«. »Er könnte der Neue sein, eine Art lächelnder Diktator, Peron sehr viel ähnlicher als Mussolini. Mit Reden vom Balkon, wo er vom unsterblichen Italien schwadronieren würde, daß wir nach dem Sieg streben. Kurz und gut, mit diesen nationalistischen Phrasen, die die Italiener wenigstens kurzzeitig trunken machen können.« (S. 152 f.) Während über den möglichen Werdegang Berlusconis zum neuen »Duce« die Meinungen auseinandergehen, bleibt unbestritten, daß er den Neofaschisten den Weg zur politischen Macht geebnet hat. Hier ähnelt er Franz von Papen, dem Repräsentanten des Deutschen Herrenklubs und vorletzten Reichskanzler vor dem Machtantritt Hitlers in Deutschland. Von Papen stützte sich auf die Nazi-Partei und glaubte, sich diese unterordnen zu können. Er wurde zu einem der aktiven Wegbereiter der faschistischen Diktatur. Als Vizekanzler (1933/34) machte er Hitler salonfähig. Die Nazis booteten ihn danach aus, und er mußte sich mit dem Posten eines Botschafters Hitlers begnügen.

Wo steht die Lega Nord?

Die Lega Nord entstand im Februar 1991 aus den sechs regionalen Ligen der Lombardei, Piemonts, Liguriens, des Veneto, der Emilia Romagna und der Toskana. Der auf einem scharfen antimeridionalen Rassismus und Separatismus gegründete Bund stieg rasch zur stärksten parlamentarischen Kraft Norditaliens auf, erreichte regional 20 und mehr Prozent der Wählerstimmen und warf die politisch abgewirtschaftete Democrazia Cristiana aus dem Rennen. An der Spitze der Lega steht der charismatische, schwer einzuordnende Umberto Bossi, Jahrgang 1941, Sohn eines Kleinbauern und Gelegenheitsarbeiters, der sich aus den unteren Schichten über Abitur und Facharbeiterabschluß

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emporarbeitete. Der Lega-Chef, der sich als Dichter lombardischer Dialekte versuchte, knüpft an regionalethnische und historische Traditionen frühkapitalistischer Entwicklung an, besonders am Widerstand der norditalienischen Städte gegen die Raubzüge der deutschen Könige und Kaiser. So feiert die Lega jährlich den Sieg des Lombardischen Bundes (Zusammenschluß der norditalienischen Städte) über das Heer Friedrich I. 1176 bei Legnano. Nach diesem Bündnis nannte sich die erste von Bossi 1981 gegründete Organisation Lega Lombardia (Lombardischer Bund). Gleichzeitig sieht die Bewegung in Langobarden, Kelten und Franken mehr ihre geschichtlichen Ahnen denn in den Latinern, fühlt sich mehr Mitteleuropa denn dem Mittelmeerraum zugehörig. Es fehlt eigentlich nur die »Blut und Boden«-Ideologie, an deren Stelle die weniger diskreditierte Herausstellung ethnischer und kultureller Differenzen tritt.

Wählerzulauf erhielt die Lega mit ihrer Kritik an der von der Democrazia Cristiana angeführten römischen Parteienmißwirtschaft, ihrer maßlosen Korruption und der Verfilzung mit der Mafia, der hohen Subventionierung des armen Mezzogiorno durch den reichen Norden, von der sich die alten Regierungsparteien jahrzehntelang beträchtliche Summen in die eigene Tasche steckten. Wahrheiten oder auch nur halbe bringt der Bund demagogisch verbrämt in geschickter populistischer Weise vor.

So erklärt Bossi, wie Valeska von Roques zitiert, »der italienische Staat, so wie er jetzt aufgebaut ist, gehört einer Politikerklasse, welche die Italiener ausgeplündert hat. Der Staat ist in den Händen einer Räuberbande.« (S. 201) Zuzustimmen ist dem Lega-Chef auch, wenn er festhält, daß die jahrzehntelange Herrschaft der Regierungsparteien »die Zweiteilung des Landes verschärft, weil Rom den Süden völlig von staatlichen Geldern abhängig gemacht hat«. Er vergißt nur hier wie an anderer Stelle (zum Beispiel der Nutzung der billigen Arbeitskräfte aus dem Mezzogiorno) hinzuzufügen, daß die Industriellen und Bankiers des Nordens kräftig daran mitverdient haben. Viel offener als andere Politiker spricht der Lega-Führer die Verfilzung der alten politischen Klasse mit der Mafia an. Beispielsweise wenn er ausführt, daß »die politische Klasse im Süden praktisch identisch mit der Mafia ist. Ich bin auch sicher«, so Bossi weiter, daß »die Vorwürfe gegen Giulio Andreotti stimmen - einfach deshalb, weil die Mafia im Inneren der Christdemokratischen Partei saß. Das ist schlichtweg eine Folge des Abkom-

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mens zwischen DC und Mafia, die gegen Geld die Wählerstimmen lieferte. «

Der antimeridionale Rassismus der Lega fußt auf einer gewissen traditionellen Antipathie zwischen Nord- und Süditalienern, die historischen Ursprungs ist und in die Zeit der nationalen Einigung zurückreicht. Dieser inneritalienische Rassismus hat der Bossi-Partei im Lande kaum geschadet. Anders die extremistischen Ausfälle von Lega-Anhängem, die beispielsweise den Fußballclub von Neapel in Mailand mit Spruchbändern empfingen wie »Was Hitler mit den Juden gemacht hat, wäre auch das richtige für Napoli« oder »Keine Tierversuche - nehmen wir Neapolitaner«. Das führte zu Vergleichen der Lega mit rechtsextremistischen Gruppierungen vom Schlag der deutschen Republikaner Franz Schönhubers oder der französischen Front National Jean-Marie Le Pens. So wie Bossi bemüht war, Distanz zu Berlusconis faschistoiden Führungsmethoden zu gewinnen, versuchte er auch - zumindest in den letzten Jahren -, die rassistischen Erscheinungen in seiner Lega zu dämmen. So erwähnte er in der Öffentlichkeit öfters die sizilianische Abstammung seiner zweiten Frau oder daß Führungspersönlichkeiten seiner Bewegung aus dem Mezzogiorno kommen. In das Programm der Partei wurde aufgenommen, daß als Lombarde anerkannt sei, wer fünf Jahre in der Region seinen Wohnsitz hat. Mehr oder weniger entschieden hat Bossi immer zurückgewiesen, daß die Lega ausländerfeindlich sei. Schon am 2. September 1988 zitierte ihn La Repubblica mit einem Grundsatz, der lautete: »Die Neger sind mir sympathisch.« Er begründete das damit, daß Afrikaner »uns nicht hegemonisieren« können, was bei den Süditalienern hingegen möglich sei, denn »sie haben den Staat in ihren Händen«. Bliebe zu fragen, welche Süditaliener Anteil an der Staatsmacht haben. Derartig fragwürdige Thesen gibt es in der Ideologie der Lega nicht wenige. Die strategische Linie des Bundes kommt in Losungen wie »Weg von Rom« und »Die Lombardei den Lombarden« zum Ausdruck. Die Lega fordert an Stelle des Zentralstaates eine Föderation der Regionen (Nord-, Mittel- und Süditaliens) mit Autonomie, angefangen bei der Steuerhoheit, regionalem Wehrdienst bis zur unabhängigen Renten-und Sozialversicherung und selbst im Arbeitsrecht oder dem Preisgefüge. Um ihre Ziele durchzusetzen, kündigte die Lega bereits wiederholt an, eine »Republik des Nordens« zu proklamieren. Selbst mit bewaffneter Gewalt hat Bossi schon gedroht und verlauten lassen, seine For-

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derungen würden auch von Generalen unterstützt. Im Frühjahr 1995 verstärkte der Bund seine separatistische Politik und konstituierte ein sogenanntes »Parlament des Nordens«, das seitdem in Mantua, das Bossi bereits als künftige Hauptstadt bezeichnet, zu Sitzungen zusammentritt. Nachdem der Lega-Chef erneut gedroht hatte, die nördlichen Regionen abzuspalten, eröffnete die Staatsanwaltschaft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen »verfassungsfeindlicher Tätigkeit zum Zwecke der Zerstörung der territorialen Einheit des italienischen Staates«.

Wurden die Ansprüche der Lega noch Anfang der 90er Jahre als populistischer Radikalismus abgetan, werden sie im Sog des Staatszerfalls im benachbarten Jugoslawien zunehmend ernster genommen. Dazu trug auch der Erfolg bei den Parlamentswahlen 1994, bei denen der Bund stärkste Fraktion in der Abgeordnetenkammer wurde, und danach der Regierungseintritt bei. Die Erfolge der Lega dürften auch mit dem Stellenwert der Region in der künftigen EU zusammenhängen. Sie ist inzwischen politischer Repräsentant der Lombardei, die nicht nur mächtigste italienische Wirtschaftsregion ist, sondern auch zu den reichsten Europas zählt. Der Bund vertritt nicht nur, wie er gern vorgibt, die kleinen und mittleren Unternehmer, sondern ebenso - und das in erster Linie - die großen Konzerne. Darauf stießen Beobachter bereits Anfang der 90er Jahre, als die Kontakte der Lega zu Ugo La Malfa, Vorsitzender der damals noch existierenden Republikanischen Partei, bekannt wurden. Der PRI-Chef galt immer als ein ausgesprochener Mann von Fiat-Chef Agnelli. Viele PRI-Wähler fanden sich, als die Partei von der Bildfläche verschwand, bei der Lega ein. Nun ist es durchaus möglich, daß Italien wegen der Wirtschaftsmisere des Mezzogiorno die Bedingungen von Maastricht nicht erfüllt und seine EU-Aufnahme scheitert. Um dem vorzubeugen, könnte das ausschließlich im Norden beheimatete Großkapital, von dem übrigens der Großteil der kleinen und mittleren Zulieferbetriebe abhängt, durchaus bereit sein, den armen Süden zu opfern, um solo beitreten zu können. Das würde wiederum zumindest regionale Autonomie voraussetzen. Der Norden werde sich, zitierte die Neue Zürcher Zeitung am 20. April 1996 aus Wahlplakaten der Lega, »vom Mezzogiorno nicht von seinem Marsch nach Europa abhalten lassen«.

Die Forderungen der Bossi-Partei nach regionaler Autonomie bis hin zu einer föderalen Staatsstruktur entspringen also den ökonomischen

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Erfordernissen der Wirtschaft, sich am supranationalen »Alpengroßraum« der EU zu beteiligen. Die Lega verfolgt so gesehen keine regional begrenzten Pläne, sondern orientiert sich an den makro-regionalen Zielen der EU. Eines dieser Projekte ist die Alpen-Adria-Gemeinschaft, zu der 18 Regionen der mittelöstlichen Alpen und der nördlichen Adria (aus Italien, der BRD, Österreich und der Schweiz, aber auch aus Ex-Jugoslawien - vor allem Slowenien und Kroatien - sowie ungarische Gebiete) mit insgesamt knapp 40 Millionen Einwohnern gezählt werden. Der italienische Publizist Primo Moroni verwies in einem Interview für die Zeitschrift Die Beute in Nr. 2/1994 darauf, daß dieses Projekt fast ausschließlich von deutschen Wirtschafts- und Finanzkreisen geführt wird, vereinfacht ausgedrückt von »der Bundesbank und der Deutschen Bank«, die »eine ausgearbeitete Vorstellung der geoökonomischen, politischen und kulturellen Umgestaltung Europas« haben (S. 23). Wenn bei der Gründung dieser Gemeinschaft bereits Slowenien und Kroatien ins Auge gefaßt wurden, dann läßt das über ökonomische Aspekte der Einflußnahme im ehemaligen Jugoslawien nachdenken, an der die Bundesrepublik und ihr damaliger Außenminister, Hans Dietrich Genscher, bekanntlich führend beteiligt waren. Denselben Genscher zitierte der Espresso am 27. Dezember 1992 wie folgt: »Wenn ich aber vom Europa der Regionen spreche, so beziehe ich mich auf Gebilde, die mit nationalen Grenzen nichts gemein haben: ein industrielles westliches Gebiet, eines für Zentraleuropa und eines für den Alpenbereich. Was Italien angeht, so wird sein nördlicher Teil meiner Ansicht nach entdecken, daß er mehr gemeinsame Interessen mit Süddeutschland als mit Süditalien hat.« Die International Herald Tribune schrieb zum selben Thema am 7. August 1995 von einer immer spürbarer werdenden Präsenz der Deutschen Bank in der Region. Die wachsende Resonanz, die der Mythos von Mitteleuropa in diversen Kultur- und Finanzkiseisen finde, erinnere daran, daß die Lombardei einst zu Österreich gehörte, über das wiederum Deutschland heute einen Erbanspruch erhebe. »Der nördliche Nachbar dehnt seinen Einfluß also aus«, schlußfolgerte die Zeitung und sah Mailand bereits als »einen Teil von Deutschland«. Den Ausweg sah die Herald Tribune in Kompromissen, ähnlich denen, die in Ex-Jugoslawien versucht werden. Zwei Tage später griff der Mailänder Corriere della Sera das Thema auf und schrieb unverblümt vom Beginn »der Neuaufteilung des europäischen Raumes und der Eroberung neuer Einflußsphären«. Die Zeitung

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wies die These zurück, es handele sich nur um Rivalitäten zwischen Westeuropa und Rußland. Es gehe um Rivalitäten innerhalb des historischen Raumes, der als Okzident bezeichnet wird. Der Separatistenführer Bossi entspricht so mit seiner »Weg von Rom«-Politik den Vorstellungen der deutschen Außenpolitik oder kommt, wie Moroni sagte, »den ausgefallenen Analysen der Deutschen Bank sehr nahe« (S. 24). Das berührt dann auch die Wurzeln des antimeridionalen Rassismus der Lega, der sich nach Moroni nicht mehr auf »biologische Hierarchien gründet«. Er trete, meint der Italiener, »voll und ganz >kulturalistisch< auf« (S. 18).

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Aus Movimento Sociale wird Alleanza Nazionale

»Wir schauen in die Zukunft, aber wir halten an unseren Wurzeln fest.« Gianfranco Fini zum 70. Jahrestag von Mussolinis Marsch auf Rom

»Nach dem Scheitern des Kommunismus und der anscheinend wachsenden Funktionsschwäche der traditionellen Demokratien bleibt der Faschismus eine der Möglichkeiten der Politik ...«. Johannes Groß, Chefredakteur von Capital

Wachablösung bei der Sozialbewegung

Am 14. Dezember 1987 wählte der Parteitag des Movimento Soziale in Sorrento Gianfranco Fini zum neuen Nationalsekretär. Giorgio Almirante, seit Gründung der MSI 1946 bis 1950 und danach seit 1969 ununterbrochen der Führer der italienischen Neofaschisten, hatte ihn seit über einem Jahrzehnt als seinen Kronprinzen aufgebaut. Nachdem sich Fini bereits 1973 als Leiter der Schule der Parteijugend Fronte della Gioventù in Rom, einer ausgesprochenen Kaderschmiede der Sozialbewegung, bewährt hatte, übertrug ihm der MSI-Chef 1977 die Leitung der Jugendfront. Seit 1973 gehörte Fini auch der Nationalen Leitung des Zentralkomitees der Partei an. Als Jugendführer unterstützte Fini seinen Ziehvater Almirante aktiv gegen die Dissidenten um Alfredo Covelli und Ernesto Marzio, die mit einer starken Parlamentariergruppe Mitte der 70er Jahre versuchten, eine »gemäßigte« faschistisch orientierte Partei (Democrazia Nazionale) zu gründen. Dank Finis und Rautis Hilfe wurde damals die Spaltung der Sozialbewegung verhindert.

Die politische Situation war zum Zeitpunkt der Wachablösung im MSI dadurch gekennzeichnet, daß sich bereits vorhandene Aspekte, die die von Almirante in der Sozialbewegung verfolgte Strategie berührten, verstärkten, aber auch neue hinzukamen. Neu war, daß die von Moro akzeptierte Politik des historischen Kompromisses mit der KP gescheitert war und die Gefahr einer Regierungsbeteiligung oder gar einer von den Kommunisten dominierten Regierung nicht mehr bestand. Der PCI hatte 1982 den Strappo (Bruch) mit Moskau vollzogen, seine Wahlergebnisse waren rückläufig (zwischen 1976 und 1987 um acht Prozent), seit dem Amtsantritt Gorbatschows als Generalsekretär der

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KPdSU und der von ihm eingeleiteten Perestroika (Veränderung) im Jahre 1985 traten in der italienischen KP offen die Tendenzen zutage, die 1989 auf dem »Parteitag der Wende« zur Verkündung des Riformismo forte (tiefgehenden Reformismus) und schließlich auf dem letzten Parteitag 1991 in Rimini zur Umwandlung in eine Sozialdemokratische Partei (PDS) führten.

Die zu Beginn der 80er Jahre bekannt gewordenen Pläne der Geheimloge P2 zeigten, daß einflußreiche Kreise aus Politik und Wirtschaft, der Armee und den Geheimdiensten die Machtverhältnisse mittels eines »weißen Staatsstreiches« verändern wollten. Die Neofaschisten waren in der P2 vertreten, spielten in ihren Plänen eine maßgebliche Rolle, aber sie waren nicht mehr die Nummer Eins eines solchen Unternehmens. Zur gleichen Zeit bemühten sich die politisch herrschenden Kreise sichtlich darum, die seitens des MSI in den 70er Jahren gegenüber den Regierungsparteien, besonders der DC und der PSI, bezogenen konfrontativen Positionen abzubauen. Es waren nicht die Christdemokraten, die diese Wende einleiteten, sondern der Chef der Sozialisten, Bettino Craxi. Losano gibt wieder, wie er 1982 äußerte, »man könne eine Partei nicht als unkonstitutionell ansehen, deren Vertreter deshalb im Parlament saßen, weil sie demokratisch gewählt worden waren«. Nachdem Craxi im August 1983 in den Palazzo Ghigi eingezogen war, setzte er auch als Ministerpräsident »dieser Abschottung gegenüber dem MSI ein Ende« (S. 96).

Bei diesem Vorgehen spielten Craxis enge politische Beziehungen und seine Freundschaft zu Berlusconi eine Rolle. In der Geheimloge P2 sah man in dem Sozialistenchef einen der »kommenden Männer« des Landes und ließ ihm und seiner Partei Milliarden Lire an Bestechungsgeldern zufließen. Hätten die Richter der Mane pulite seine Machenschaften nicht aufgedeckt, wäre Craxi vielleicht an Stelle Berlusconis oder Finis der »Mussolini der 90er Jahre« geworden. Stieß das Verhalten Craxis in antifaschistischen Kreise bereits auf entschiedene Ablehnung, so rief es regelrechte Bestürzung hervor, als der aus der Sozialistischen Partei kommende Staatspräsident Sandro Pertini, ein angesehener Führer der Resistenza, 1984 den MSI-Führer Almirante, der in der Salò-Republik als Mussolinis Staatssekretär einen Genickschußerlaß gegen Partisanen unterzeichnet hatte, offiziell empfing. Dieser Schritt des höchsten Mannes des Staates weichte den Arco costituzionale wie nie zuvor auf und hatte Signalwirkung. Liberale und Christdemokraten

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hatten gegenüber den Neofaschisten kaum noch Hemmungen. MSI-Abordnungen wurden von nun an regelmäßig zu ihren Parteitagen eingeladen. Craxi schloß als Ministerpräsident für den Fall einer Regierungskrise einen Regierungseintritt der Neofaschisten nicht mehr aus. Vor diesem Hintergrund kam es bei der Nachfolge des MSI-Chefs zu harten Auseinandersetzungen in der Partei. Gegen den von Almirante auserwählten 35-jährigen Fini traten gleich drei Gegenkandidaten an: Der Führer der Hardliner in der Partei, der 71-jährige Pino Rauti, der zu seinem Flügel gehörende Domenico Mennitti und der 77-jährige Altfaschist Franco Servello, bis dahin offiziell Almirantes Stellvertreter. Servello, ein berüchtigter Chef der Mailänder Sturmabteilungen, der der Teilnahme an zahlreichen Anschlägen der Spannungsstrategie verdächtigt worden war, unterstützte später die Kandidatur Finis. Angesichts der offenen Unterstützung, die Fini durch Almirante erhielt, war Rauti der für ihn einzige ernsthaft gefährliche Konkurrent. Er forderte, das Erbe Mussolinis ohne Abstriche zu bewahren und auf klaren Konfrontationskurs gegen »das Regime« zu gehen. Unter dem »Regime« war seit Frühjahr 1987 wieder die von der DC angeführte Regierung zu verstehen, in der die Sozialisten die wichtigsten Koalitionspartner waren. In der Konfrontation sah er den Ausgangspunkt für eine demagogische, gegen die bürgerliche Parteien- und Kapitalherrschaft gerichtete Sozialrevolutionäre Propaganda. Diese Strategie knüpfte am »linken« Faschismus Mussolinis Anfang der 20er Jahre an und an dem vom »Duce« 1943 in der Salò-Republik proklamierten Programm der »Sozialisierung« von Verona. Im Jahrbuch für Antisemitismusforschung 1995 wird Rautis »sozialistische« Komponente mit dem von Gregor Strasser in der Hitlerpartei propagierten »Kampf gegen Kapitalismus und Bolschewismus« verglichen. »Im Sinne des Strasserflügels in der NSDAP wollte er dem MSI einen proletarischen Anstrich verleihen.« (S.151) Hinter Rauti standen und stehen teilweise auch noch heute die in- und außerhalb der Partei agierenden Schlägertrupps.

Giorgio Almirante setzte dagegen auf sein Konzept der großen Rechtspartei auf faschistischen Grundlagen. Seine Politik des flexiblen duro (Hardliners), der vor dem gutsituierten Bürgertum in Nadelstreifen auftritt und im Parlament demokratisch gefärbte Reden hält, die »Dreckarbeit«, den Straßenterror insgeheim gutheißt, ihn offiziell aber verurteilt, sah er bei seinem Zögling Fini am besten fortgesetzt. Der alte

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MSI-Chef sollte sich nicht getäuscht haben. Wenn Fini in den 90er Jahren seinen Meister noch übertraf, war das zwar auch den günstigeren Umfeld-Bedingungen geschuldet, basierte aber ebenso darauf, daß der neue Parteichef im Prinzip die alte zweigleisige Politik, die Doppelstrategie Almirantes fortsetzte, die neofaschistische Bewegung damit nach Rückschlägen zusammenhalten, den veränderten Bedingungen anpassen und erweitern konnte.

Die Publizisten Goffredo Locatelli und Daniele Martini haben diese Linie des neuen Parteiführers in ihrer 1994 herausgebrachten Fini-Biographie Duce Addio augenscheinlich dargelegt. Aufschlußreich, wie die Autoren Teodoro Buontempo zitieren, einen der führenden Hardliner, der Fini höchste Anerkennung zollt. Er nennt ihn »den geborenen Volksführer, den die Kameraden ob seines kühnen und kämpferischen Geistes lieben«. Doch schon in seiner Zeit als Jugendführer folgte Fini der Doppelstrategie seines Ziehvaters. Er wußte, wie Buontempo anführt, »den Schlagstock zu gebrauchen«, zeigte sich aber gleichzeitig »nie an der Spitze einer Demonstration« (S. 47). Auf dem Parteitag in Sorrento legte Fini ein eindeutiges Bekenntnis zu Mussolini ab. »Unsere Pflicht ist es, dem Weg des Lehrmeisters des Faschismus in seiner klarsten Interpretation zu folgen«, führte er aus. Seine Anhänger feierten ihn stehend mit dem zum römischen Gruß erhobenen Arm und Duce-Rufen (S. 91). »Viele der alten Kämpfer hätten es lieber gesehen, wenn Fini nicht an die Spitze gekommen wäre«, schrieb La Repubblica nach dem Kongreß am 13. Dezember. Aber er, der »ebenso stahlhart wie professorenhaft und so selbstverständlich exakt« auftritt, ist »für diese Partei von der Wählerbasis aus gesehen der perfekte Sekretär«. Fini schaffte den Sprung an die Spitze der Sozialbewegung 1987 mit 727 Stimmen gegen 608, die an Rauti gingen, den der Kongreß zum Stellvertreter wählte. Fini ließ sich nach der Wahl gern mit der Aura des »jungen Duce« umgeben. Junge Führer stellten jedoch in der Geschichte des italienischen Faschismus nichts neues dar. Mussolini war 36, als er 1919 die Fasci gründete, und 38, als er sich zum »Duce« des Faschismus ernannte. Mit 39 führte er 1922 den Marsch auf Rom durch. Die führenden Größen befanden sich zu dieser Zeit durchweg in seinem Alter. Almirante war 33, als er 1946 zum ersten Mal die Führung des MSI übernahm.

Trotz des propagandistischen Aufwands, mit dem Finis Anhänger dessen Duce-Rolle und sein Treuebekenntnis zu Mussolini herausstellten,

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gelang es diesem zunächst nicht, die Opposition des Rautiflügels im Zaum zu halten. Fini stand im Schatten seines Stellvertreters, der als der eigentliche Parteichef auftrat. Nach Almirantes Tod im Mai 1988 zeigte sich auch, daß viele sich bei der Wahl Finis nur der Forderung des alten Parteiführers und Mitkämpfers Mussolinis untergeordnet hatten. Mit dem Fallen dieser Schranken des Gehorsams wurde deutlich, daß Fini noch nicht das Format besaß, die Partei wie zu Almirantes Zeiten trotz oft gravierend unterschiedicher Ansichten zur strategischen Linie zusammenzuhalten. Domenico Mennitti, sein Widersacher auf dem Kongreß in Rimini, faßt das in das vernichtende Urteil: »Fini ist nicht fähig, den MSI zu führen.« Fini schwächte seine Position bei den Altvorderen der Bewegung mit ersten Gedanken, die er zum »modernen Faschismus« und zur Umgestaltung der Partei äußerte. In einer Zeit, da es erste Anzeichen für den Zerfall der sozialistischen Staaten in Europa gab und die Kommunisten im eigenen Land ihre Positionen aufgaben, traten die unbeweglichen Hardliner jedem Aufweichen ihrer Linie kompromißlos entgegen. Auf einem neuen Parteitag im Januar 1990, der eigentlich die Auseinandersetzungen beilegen sollte, verhärteten sich statt dessen die Fronten. Ein Kompromiß - Fini als Sekretär an der Spitze zu belassen und Rauti den mit weniger Vollmachten ausgestatteten Präsidentenposten zu übertragen - scheiterte. Rauti kandidierte erneut für die Führerschaft und gewann diesmal mit 744 Stimmen gegen den »jungen Duce«, den der Kongreß mit 697 abwählte. Nach dem Wahlsieg Rautis, des »charismatischen Führers der Ultras«, wurden, wie Il Manifesto am 16. Januar schrieb, »die Insignien des Kampfes gezeigt, die keltischen Kreuze und die Standarten der Salò-Republik, die Hände zum römischen Gruß erhoben, die nostalgischen Choräle angestimmt, die alten Parolen >Tod den Verrätern< gerufen und die Champagnerflaschen geöffnet. Rauti stimmte die Hymne auf Rom an«, aber er habe auch zugegeben, »es war nicht leicht, den jungen Konkurrenten zu schlagen«.

Rautis Wahl erwies sich für den MSI als ein Pyrrhussieg. Der in der Organisation des Straßenterrors erfahrene Chef der Sturmabteilungen war gewohnt, konspirative Sitzungen zu leiten, nicht aber, vor Fernsehkameras oder auf großen Versammlungen aufzutreten. Unter seiner Leitung gab es weder eine Reaktion auf den vor sich gehenden Zusammenbruch des sozialistischen Lagers noch auf den sich abzeichnenden Zerfall der Regierungsparteien im eigenen Land. Zur Golfkrise

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bezog der MSI erst eine proamerikanische Haltung, um dann zugunsten Iraks Partei zu ergreifen. Auch in der Tagespolitik fehlte ihm das Geschick des Taktierens, das Almirantes Zögling Fini besaß. Die Partei war faktisch ohne Führung und zum ersten Mal in ihrer fast 50-jährigen Nachkriegsgeschichte gespalten, und zwar in zwei große Strömungen: Rautianer und Finianer. An der Basis zeigten sich angesichts der Orientierungslosigkeit Auflösungserscheinungen. Bei den Regionalwahlen 1990 verlor die Partei die Hälfte ihrer Wähler und sank im nationalen Durchschnitt auf 3,9 Prozent ab. Das Paradoxe der Situation bestand darin, daß Rauti auf dem Parteitag eine Mehrheit erhalten hatte, das neu gewählte Zentralkomitee aber mehrheitlich hinter dem gestürzten Fini stand. Das führte dazu, daß die Führung zur Kontrolle der Lage ein neunköpfiges Direktorium einsetzte, in dem die Fini-Anhänger ebenfalls in der Überzahl waren. Das Gremium setzte Fini als stellvertretenden Parteichef ein und entmachtete faktisch den vom Parteitag gewählten Rauti. Dieser stimmte der Entscheidung zu, da führende Mitglieder des Zentralkomitees mit Franco Servello, selbst ein Anhänger Rautis, gedroht hatten, sonst zurückzutreten. Im Juli 1991 beendete das Zentralkomitee die in der Geschichte des italienischen Faschismus einmalige Doppelherrschaft und setzte den »jungen Duce« wieder an die Spitze der Sozialbewegung. Für ihn stimmten 137 Mitglieder des Zentralkomitees, für den von den Rautianem als Gegenkandidaten aufgestellten Domenico Mennitti 95.

Finis »moderner Faschismus«

Wieder an der Spitze der Bewegung setzte Fini auf die von Almirante betriebene Doppelstrategie - Bewahrung der faschistischen Traditionen und auf diesen Grundlagen Ausbau des MSI zur großen Rechtspartei. Er hatte aus der Niederlage gelernt und bemühte sich sichtbar, nach dem Vorbild seines Ziehvaters zur Integrationsfigur der zerstrittenen Partei zu werden. Demonstrativ bekundete er vor allem seine Treue zum Erbe Mussolinis. Höhepunkt dieser Kampagne waren die Feiern zum 70. Jahrestag des Marsches Mussolinis auf Rom. Eine Kundgebung, die der MSI wenige Tage vor dem Ereignis in der Hauptstadt veranstaltete, stellte er geschickt unter das Motto »gegen Steuererhöhungen und Korruption«. Die Neofaschisten konnten erfolgreich geltend machen, daß ihre Partei nicht in die gerade aufgedeckten Bestechungsaffären und Schmiergeldskandale verwickelt war. 100000

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Teilnehmer an der Kundgebung verdeutlichten, daß es der Sozialbewegung bei Teilen der Bevölkerung gelang, sich als Partei der Ordnung und Sauberkeit vorzustellen.

Den Auftakt der eigentlichen Feiern bildete die Hochzeit der »Duce«-Enkelin Alessandra Mussolini in Predapio, dem Geburts- und Begräbnisort ihres Großvaters, der eine Wallfahrtsstätte der faschistischen Bewegung ist. In Rom marschierten am Jahrestag der Machtergreifung 10 000 Neofaschisten, darunter zahlreiche Skins in T-Shirts mit dem Bild Mussolinis, durch die Straßen, erhoben die Arme zum Führergruß, schrien »Duce, Duce« und »viva il fascismo«. Die postierten Polizisten schauten unbeteiligt zu. Zu einem Bankett mit dem »neuen Duce« versammelten sich am Abend 1 200 verdiente Parteikameraden und Veteranen der Bewegung. Unter ihnen Margherita Mingarella, eine noch lebende Teilnehmerin des Marsches auf Rom. Der Erstgeborene Sohn des »Duce«, Vittorio Mussolini, der Präsident der Salòkämpfer Cesco Giulio Baghino und weitere altfaschistische Größen und Veteranen der Sozialen Republik und schließlich die Witwe des verstorbenen MSI-Chefs Assunta Almirante. Unter einem gigantischen Foto Mussolinis stand die aufschlußreiche Losung: »70 Jahre Geschichte, Kampf, Träume: Es lebe der 28. Oktober, es lebe die faschistische Revolution.« Gianfranco Fini, der zu dieser Zeit bereits die Umstrukturierung seiner Partei in Alleanza Nazionale (AN) vorbereitete, ließ keinen Zweifel an den verfolgten Zielen seines »modernen Faschismus« aufkommen: »Wir schauen in die Zukunft, aber wir halten an unseren Wurzeln fest.« Zur Bekräftigung war selbst die riesige Geburtstagstorte in der Form der Flamme gestaltet, die seit der Wiedergründung der faschistischen Partei in Gestalt des MSI 1946 den Geist des historischen »Duce« verkörpert, der seine Nachkommen ständig ermahnen soll, sein Erbe zu verwirklichen. Und zum Zeichen der Flamme stimmten die Gäste den alten Choral der Squadre an: »Zu den Waffen, wir sind Faschisten.«

Almirantes Nachfolger hatte an diesem Jahrestag ein erfolgreiches Jahr hinter sich, in vielen Sektionen galt er geradezu als der »Retter der Partei«. Er griff aktiv in die Politik ein und machte damit Schlagzeilen in den Medien, so wenn er sich gegen den Separatismus der Lega Nord wandte, der inzwischen bis zur sozialdemokratischen Linkspartei (PDS) hingenommen wurde. Gegenüber dem Föderalismus trat die Sozialbewegung als Verteidigerin der staatlichen Einheit Italiens auf, womit

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sie bei Staatspräsident Cossiga nachgerade zur Partei des Quirinale aufstieg. Die Angriffe auf Separatistenführer Bossi hinderten Fini nicht, später mit dem Lega-Chef ein Wahlbündnis zu schließen und mit ihm in die Regierung Berlusconi einzutreten. Obwohl der MSI seit Jahren mit der Mafia verquickt war, reihte sich Fini propagandistisch in die Anti-Mafia-Kampagne ein. Er würdigte Mussolinis Feldzug gegen die Mafia (der auf halben Weg abgebrochen und mit einem Waffenstillstand beendet wurde) und kreierte den Slogan »Tod allen Mafiosi«. Geschickt wandte sich Fini auch gegen die von allen Parteien - außer der Kommunistischen Neugründung - befürwortete oder zumindest akzeptierte Kampagne zur Privatisierung der staatlichen Konzerne. Der MSI bezog damit Positionen, die ihm bei den Wahlen 1994 beträchtlichen Wählerzulauf bis hinein in die Arbeiterschaft sicherten. Gleichzeitig zog Fini dadurch eine beträchtliche Zahl der Manager und einen Teil des Leitungspersonals dieser riesigen Unternehmen auf seine Seite. Dieser Personenkreis war bis dahin mit den Christdemokraten, den Sozialisten und anderen Regierungsparteien verbunden und suchte nach dem Untergang dieser Parteien einen neuen politischen Anschluß. Angesichts des Staatszerfalls Jugoslawiens machte sich Fini zum Wortführer der expansionistischen Kreise und sah »die Chance« für Italien gekommen. Die Frankfurter Rundschau zitierte ihn am 10. Juli 1991 mit den Worten: »In diesem historischen Augenblick kann und darf Italien nicht darauf verzichten, die Rückkehr Istriens und Dalmatiens zum Mutterland anzustreben.«

Bei den Parlamentswahlen im Juni 1992 verloren die Neofaschisten nochmals 0,5 Punkte. Sie fielen auf 5,4 Prozent und erstmals seit 1952 vom vierten auf den fünften Platz im Parlament zurück. Trotzdem wurden die Wahlergebnisse als Erfolg gewertet, denn nach der Führerschaft Rautis hatte man mit einem ähnlichen Desaster wie bei den Regionalwahlen 1990 gerechnet, als die Partei auf 3,9 Prozent absackte. Den nun folgenden Vormarsch der Sozialbewegung markierten vor allem zwei Ereignisse, die Fini darin bestärkten, nunmehr den Schritt zur »neuen« faschistischen Partei zu wagen: Erstens fielen am Beispiel der Haltung Präsident Cossigas die letzten politischen und gleichzeitig verfassungsrechtlichen Vorbehalte gegenüber der Sozialbewegung als faschistischer Nachfolgepartei, was zweitens direkt zu den sprunghaft ansteigenden Ergebnissen der MSI-Kandidaten bei den Bürgermeisterwahlen 1993 und überhaupt zum parlamentarischen Sprung der Neo-

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faschisten zur drittstärksten Partei und zu ihrem Regierungseintritt führte.

Nachdem der MSI unbehelligt den 70. Jahrestag des Marsches auf Rom gefeiert hatte, organisierte Fini eine neue Demonstration faschistischer Stärke in Mailand. »Seit Jahrzehnten hatte die Stadt keinen derartig anmaßenden und kriegerischen Massenaufmarsch des MSI gesehen«, beschreiben Locatelli und Martini die Atmosphäre, in der 5 000 Missini in Schwarzhemden, Jugendliche in Kampfanzügen und mit Hakenkreuzen, Sieg Heil-Rufe schreiend, durch die Straßen zogen. Am Abend sprach Fini im Lyrischen Theater und verlas eine an ihn adressierte Grußadresse Präsident Cossigas, der die Teilnehmer stehend mit dem Führergruß und Duce-Rufen applaudierten. »Fini brachte Lobeshymnen auf den Faschismus aus und heizte die Stimmung an: Es sei >notwendig, es auszusprechen: nur Dank Mussolini ist Italien 1922 nicht kommunistisch< geworden«, zitieren die Autoren den MSI-Chef (S. 117). In derartiger Weise hatte Cossiga schon unmittelbar nach Finis Wiederwahl die Neofaschisten durch Begegnungen mit ihrem »neuen Duce« und mit Abordnungen seiner Partei mehr und mehr salonfähig gemacht. Besonders schockierte in der Öffentlichkeit die von Cossiga - entgegen bekannten juristischen Erkenntnissen - öffentlich abgegebene Erklärung, nach der die Sozialbewegung keine Verantwortung für das Massaker auf der Piazza Fontana im Jahre 1969 trage. Noch bevor ein Berlusconi die Neofaschisten in seine Regierung aufnahm, wurde dieser Staatspräsident - einem Hindenburg der Weimarer Republik ähnlich - einer der Wegbereiter ihres Marsches zur Macht.

Diese Hilfe trug dazu bei, die neofaschistischen Ergebnisse bei den kommunalen und den Bürgermeisterwahlen 1993 - letztere fanden erstmals nach dem Mehrheitswahlrecht statt - zu verdreifachen. In Rom kandidierte Fini persönlich für das Amt des Bürgermeisters und erreichte knapp 47 Prozent der Stimmen. Der Bewerber des Mitte-Links-Bündnisses, Francesco Rutelli von den Verdi (Grünen), lag nur knapp vor ihm. In Neapel erzielte die Duce-Enkelin Alessandra Mussolini 44,4 Prozent und verfehlte den Einzug ins Bürgermeisteramt ebenfalls nur knapp. Nachdem die Sozialbewegung im Sommer bereits in 54 Stadt- und Gemeindeparlamenten und in einer Provinz erste Partei geworden war, zogen nun neofaschistische Bürgermeister in 19 Rathäuser ein. Vier Monate später, bei den Parlamentswahlen im März

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1994, setzte die Sozialbewegung ihren Vormarsch mit fast denselben prozentualen Ergebnissen fort.

Die Nazi-onale Allianz

Die Kommunalwahlen fanden im Vorfeld der Parlamentswahlen statt, die danach auf März 1994 anberaumt wurden. Berlusconi erkor den MSI zum privilegierten Verbündeten seiner Forza-Partei in der Koalition Polo della Libertà. Die Neofaschisten waren zum begehrtesten Bündnispartner im rechten Lager geworden. Der Vormarsch seiner Sozialbewegung bei den Kommunalwahlen bestärkte Fini, nunmehr zu verwirklichen, was Almirante immer verfolgt hatte: den MSI auf faschistischen Grundlagen zur großen Rechtspartei zu erweitern. Am 22. Januar 1994 proklamierte er die Alleanza Nazionale als »neue« Partei. Es ist aufschlußreich, sich etwas näher mit dem neuen Namen zu befassen. Die Bezeichnung Allianz sollte Distanz zum kompromittierten Parteienbegriff ausdrücken und die Idee eines rechten Bündnisses verkörpern. Von einer rechten Artikulierung, die der Beiname des MSI - Destra Nazionale (Nationale Rechte) - enthielt, wurde Abstand genommen, weil man auf Überläufer aus den Reihen der untergegangenen sozialistischen und alten sozialdemokratischen Partei setzte. Auf Bezüge zu faschistischen Traditionen, wie sie im Namen Movimento Sociale Italiano im traditionellen Begriff Bewegung (Movimento) und des Sozialen als Synonym für die Repubblica Sociale (Mussolinis Salò-Republik) enthalten waren, wurde ebenso verzichtet. Statt dessen wählte Fini die Vokabel des Nationalen als ein Synonym für italienisch und vereinnahmte damit einen Mythos der Rechten, an den schon Mussolini angeknüpft hatte, als er seine 1921 gegründete Partei national (Partito Nazionale Fascista) nannte. Bei aller Distanz drückte die Bezeichnung AN in Gestalt der nationalen Komponente, beginnend bei der Mussolini-Partei über MSI-Destra Nazionale, gleichzeitig die Kontinuität der faschistischen Bewegung aus. Fini war so ein verblüffendes Bekenntnis zum faschistischen Erbe, das er seit seiner Wahl zum »Duce« des MSI immer wieder verkündet hatte, gelungen. »Damit konnte Fini die Erneuerung des MSI behaupten, ohne daß diese stattgefunden hätte«, schreibt Mario Losano (S. 99). In diesem Zusammenhang ist es interessant, den zahlreichen, der AN-Gründung vorangegangenen Treuebekenntnissen des MSI-Führers zum Erbe Mussolinis ein gewichtiges hinzuzufügen. Nachdem sich Slo-

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wenien und Kroatien vom jugoslawischen Staatsverband abgespaltet hatten, startete Fini im November 1992, nur knapp zwei Wochen nach den Feiern des 70. Jahrestages des Marsches auf Rom, in den Hoheitsgewässern vor der slowenischen Küste mit einem großen Presseaufgebot eine spektakuläre Aktion. Von einem Boot aus ließ er 200 Flaschen, umwickelt mit einem Band in den Farben der italienischen Trikolore, ins Wasser, die auf die Küste zutrieben. Die Flaschenpost enthielt eine Grußbotschaft an die »Nachfahren der Italiener«, die 1945 nach Kriegsende in dieser Region verblieben, die Italien an Jugoslawien abtreten mußte. Die expansionistische Botschaft des »neuen Duce« an »seine Landsleute« lautete: »Istrien, Dalmatien, Fiume - wir kehren zurück.« Fini knüpfte bewußt an den Überfall des Nationalistenführers Gabriele D'Annunzio 1919 auf das damals internationalisierte Fiume an, mit dem der enge Freund Mussolinis die Hafenstadt »Heim ins italienische Reich« holen wollte. Valeska von Roques zitiert aus Finis Erklärung vor der Presse, daß »wir eine neue Irredenta eröffnen müssen« und erinnert, daß er bereits 1991 in Belgrad die »italienischen Ansprüche auf die adriatischen Küstengebiete« geltend machte. Bleibt hinzuzufügen, daß D'Annunzios expansionistische Operation von italienischen Historikern immer als ein Vorspiel von »Mussolinis Marsch auf Rom«, wie von Roques schreibt (S. 215), gesehen wird. Auch bei Fini ist die Aktion in den slowenischen Hoheitsgewässern Bestandteil seines »Marsches an die Macht«, dessen erster Akt mit dem Eintritt in die Regierung Berlusconi über die Bühne ging. In diesem Prozeß wiederum war die AN-Gründung, die der MSI-Führer schon seit seiner Wiederwahl im Juli 1991 sorgfältig vorbereitete, ein gewichtiges Element. Man kann auch von Finis »Marsch auf Rom« sprechen. Die AN-Gründung war besonders unter zwei Gesichtspunkten ein strategischer Schachzug. Zum ersten blieb der MSI eine vollständig eigenständige Organisation, die auf dieser Basis im Rahmen der Allianz wirkte und so auch zur Wahl antrat. Das hätte im Falle des Scheiterns des AN-Unternehmens - zum Beispiel an dem bereits nach der Proklamation seitens der Rautianer einsetzenden Widerstand oder auch mangels Wählerzulauf - Fini ermöglicht, die Operation abzubrechen und mit seiner alten Sozialbewegung und ihrer Anhängerschaft weiterzumachen. Zum zweiten war sich der MSI-Führer trotz des erfolgten Durchbruchs zur politischen Legalität nicht sicher, ob es im Fall eines Wahlsieges des Freiheitspols Berlusconis und eines folgenden Regie-

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rungseintritts der Sozialbewegung nicht verfassungsrechtliche Einwände gegen sie als Nachfolgerin der verbotenen Mussolini-Partei geben würde. Solche Bedenken, die später - zwar kaum verfassungsrechtlicher Art, sondern vorwiegend politischer Natur und vor allem auf internationaler Ebene (zum Beispiel EU-Protestresolution) - vorgebracht wurden, sollten mit der Tarnung Alleanza Nazionale als »neuer« Partei unterlaufen werden. Das Manöver gelang bekanntlich. Während der Wahlkampagne im Frühjahr 1994 gab sich Fini - nunmehr AN-Führer - im völligen Gegensatz zu seinen vorherigen Treuebekenntnissen zum Erbe Mussolinis moderat und verzichtete, wie Locatelli und Martini schreiben, »auf Parteisymbole und Berufungen auf den Faschismus« (S. 128). Seine »neue« Partei stellte er als »eine große nichtideologische nationale Allianz vor, die auf jedwede restaurati-ve Nostalgie verzichtet und in Übereinstimmung mit den großen Werten der westlichen Kultur der bürgerlichen Gesellschaft offen steht« (S. 135).

Mit seiner ambivalenten Strategie - Distanz zum »historischen Faschismus« zu demonstrieren, gleichzeitig bei bestimmten Gelegenheiten, wie dem Jahrestag des Marsches auf Rom, die geschichtlichen Leistungen Mussolinis und ihren aktuellen Wert herauszustellen - sah sich Fini bei den Wahlen im März 1994 vollauf bestätigt. Fünfeinhalb Millionen Italiener wählten die Neofaschisten im neuen Gewand der AN. Die Partei erreichte bei dieser Wahl 13,4 Prozent der Stimmen gegenüber 5,5 Prozent zwei Jahre vorher. Sie zog mit 105 Vertretern in die 630 Abgeordnete zählende Kammer ein und mit 43 in den 315 Mitglieder umfassenden Senat. In beiden Häusern waren die Neofaschisten erstmals drittstärkste Fraktion.

Die anschließenden Siegesfeiern mit »Duce«- und »Sieg Heil«-Rufen und anderen Bekundungen faschistischer Tradition in Rom und weiteren Städten gehörten bereits zum »gewöhnlichen« Faschismusbild. Ebenso schwerwiegend war, daß die AN ihre expansionistischen Forderungen nun als Regierungspartei erhob. Der enge Freund Finis, der Rechtsanwalt Mirko Tremaglia, in der Salò-Republik SS-Offizier, außenpolitischer Sprecher der AN und Anwärter auf ein Ministeramt, forderte die Wiedereingliederung Istriens, Dalmatiens und der Hafenstadt Fiume in den italienischen Staatsverband. Angesichts der Proteste des europäischen Parlaments mußte Staatspräsident Scalfaro, der sonst nur halbherzig den faschistischen Vorstößen entgegentrat, seine Nominie-

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rung für das Kabinett ablehnen. Zum Ausgleich erhielt der alte RSI-Kämpfer das Amt des Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses der Abgeordnetenkammer übertragen, ein durchaus gleichwertiger Posten. Finis Postminister und stellvertretende Premier, Giuseppe Tartarella, gab umgehend zum 50. Todestag des ideologischen Wegbereiters des Faschismus und später führenden Philosophen des Mussolini-Regimes, Giovanni Gentile (1875-1944), eine Sonderbriefmarke heraus.

Spektakulärster Schritt war der Versuch zur Legalisierung des Faschismus, den Fini im Mai unternahm. Mit einem in der Abgeordnetenkammer eingebrachten Antrag wollte er das in der Verfassung verankerte Verbot der faschistischen Mussolini-Partei aufheben lassen. Aufgrund der Proteste im In- und Ausland zog Fini den Antrag nicht zurück, sondern bezeichnete ihn lediglich als »inopportuno« (nicht opportun). Den Herausgeber der Repubblica, Eugenio Scalfari, veranlaßte das, am 17. Mai zu fragen, was diese vermeintliche Richtigstellung, die zu den schlimmsten Befürchtungen Anlaß gäbe, verhülle. »Inopportuno«, schrieb Scalfari, »wer weiß zu sagen, was sich hinter diesem Adjektiv verbirgt: Man kann es machen, aber nicht heute, warten wir ein paar Monate.« Die Vorstellungen der Alleanza vom innenpolitischen Rahmen der Berlusconi-Regierung wurden abgerundet durch den Standpunkt des führenden MSI-Faschisten Pietro Buscaroli gegenüber Homosexuellen, den er in einem Interview für den Corriere della Sera vom 28. Mai 1994 publik machte. Er diffamierte diese Bevölkerungsgruppe als »warme Brüder«, die »ein infernalisches Leben« führten und die man alle »in Konzentrationslager schicken« sollte. Mario Losano erwähnt einen weiteren, äußerst beunruhigenden Aspekt aus den Plänen der Regierung Berlusconi. »Gleich nach den Wahlen tauchten Listen auf mit bevorstehenden Säuberungen in den öffentlichen Einrichtungen. Diese Säuberungen sollten gleich nach der Bildung der neuen Rechtsregierung durchgeführt werden. Presse und Fernsehen der Fininvest hatten Tage zuvor mit ihren Ankündigungen begonnen.« Die einsetzende Unruhe unter der Bevölkerung, Warnungen und Proteste vor einem faschistischem Regime veranlaßten den Chef der Alleanza zu erklären: »Diejenigen, die uns nicht gewählt haben, brauchen nichts zu befürchten.« (S. 148) Die Säuberungen »beschränkten« sich dann vorwiegend auf die RAI. Unter anderem wurde die kritische Sendereihe Milano-Italia des dritten RAI-Programms eingestellt.

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Die Faschisten in der Regierung

In der Berlusconi-Regierung stellte die AN fünf Minister, darunter mit Giuseppe Tartarella den stellvertretenden Premier. Drei der Kabinettsmitglieder waren alte MSI-Mitglieder. Im offensichtlichen Siegesrausch ließ Fini fast gänzlich seine sonst übliche ambivalente Vorsicht fallen und bekräftigte - nunmehr als Chef einer Regierungspartei - offen seine vorausgegangenen Treuebekundungen zu Mussolini und den aktuellen Werten des faschistischen Erbes. Schon kurz nach den Wahlen gab er kund: »Mussolini ist der größte Staatsmann dieses Jahrhunderts.« Mit dieser Erklärung sorgte der AN-Führer wochenlang für Publicity zugunsten seiner Partei und die Gewöhnung der Öffentlichkeit an die Präsenz faschistischer Ideologie in der Politik. Der Espresso sah Fini am 15. April 1994 bereits als »den Führer eines schließlich wieder der Rechten unterworfenen Italiens«. Fini widersprach nicht im geringsten, als Pino Rauti die Leistungen des »größten Staatsmannes des Jahrhunderts« interpretierte. »Wir sollten uns daran erinnern, daß hinter uns der Marsch auf Rom liegt, der Korporativismus, der Zweite Weltkrieg gegen die Plutokratien, die Repubblica Sociale«, erklärte der Salò-Faschist in einem Interview, das ihm die sozialdemokratische Unità am 18. Mai 1994 gewährte. Die angeführten Ereignisse bezeichnete Rauti als »bleibende Werte«, als »ein kulturelles und programmatisches Vorratslager, aus dem wir schöpfen«.

Willkommener Anlaß für Fini, aus diesem Vorratslager zu schöpfen, waren die Feiern zum 50. Jahrestag der Befreiung Roms durch anglo-amerikanische Truppen am 4. Juni 1994, an denen US-Präsident Bill Clinton teilnahm, sowie zwei Tage später der Jahrestag der alliierten Landung in Frankreich. Mit geringfügiger Relativierung - er distanzierte sich von der Übernahme der Rassengesetze Hitlerdeutschlands 1938 - bekräftigte er Rautis Standpunkt. »Bis 1938, das heißt, bis zur Unterzeichnung der antisemitischen Rassengesetze in Italien, kann man den Faschismus kaum völlig negativ beurteilen«, äußert er in einem Interview für La Stampa vom 5. Juni. Er bescheinigte Mussolini, bis zu diesem Zeitpunkt »viele gute Taten« vollbracht und dem Land vor allem »sozialen Fortschritt« beschert zu haben. Es sei, um nur ein Beispiel zu nennen, daran erinnert, daß eine der »guten Taten« des »Duce« 1935 der Überfall auf Äthiopien war, bei dem hunderttausende Einwohner dieses Landes barbarisch massakriert wurden. Auf den Einwand des Interviewers, unter Mussolini habe ein diktatorisches Re-

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gime geherrscht, entgegnet der Chef der regierenden Alleanza Nazionale kühl, »es gibt Zeiten, in denen die Freiheit nicht zu den wichtigsten Werten der Gesellschaft gehört«. Die Bedeutung der Ausführungen Finis lag aber vor allem darin, daß er mit ihnen seinen Bündnispartner und Regierungschef Berlusconi brüskierte. Dieser hatte wenige Stunden vorher auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Clinton erklärt, es gäbe in Italien keine Nostalgie für den Faschismus, und die AN-Minister in seinem Kabinett glaubten »aus tiefster Überzeugung an Demokratie und Freiheit«. La Stampa kommentierte am 6. Juni: »Das Interview mit Gianfranco Fini schließt ein für allemal aus, daß die italienische Rechte, die zur Regierungskraft geworden ist, ihre faschistischen Wurzeln zu kappen gedenkt.« Der AN-Führer wolle das gar nicht, genauer gesagt, so La Stampa, »er würde es für schädlich halten«. Der bereits zitierte Rechtswissenschaftler Mario Losano schlußfolgerte nach eingehenden Analysen ebenfalls, daß Fini und seine Gefolgschaft in der AN Faschisten geblieben seien. »Die Orientierung an der faschistischen Ideologie ist, wenn auch mit verbalen Abänderungen und Abschwächungen, de facto eine Konstante dieser Partei geblieben.« (S. 92) In diesem Zusammenhang fällt auf, daß angesichts der Betonung der ungebrochenen Kontinuität der faschistischen Bewegung durch Fini und seine Partei nicht nur bei Losano, sondern auch in anderen Medien immer öfter auf die Vorsilbe Neo verzichtet und generell nur noch von Faschisten gesprochen wird. Der Wahlsieg der italienischen Faschisten und ihr Marsch an die Macht rief in Westeuropa, Israel und teilweise in den USA zahlreiche Proteste hervor. Mit Francois Mitterrand und Andreas Papandreu an der Spitze erhoben Staatsmänner, Minister und Abgeordnete des europäischen Parlaments, Opfer faschistischer Verfolgung, Vertreter jüdischer Organisationen warnend ihre Stimmen. Großes Aufsehen erregte eine Erklärung des Nobelpreisträgers Franco Modigliano, der als Jude unter dem Mussolini-Regime in die USA emigrieren mußte. Er verwies auf die um sich greifende Angst »vor den Faschisten an der Macht«. In Paris forderte der Präsident des Rates der jüdischen Organisationen in Frankreich, Jean Kahn, das Europaparlament auf, im Falle einer Berufung faschistischer Minister in eine italienische Regierung Sanktionen zu verhängen. Das Parlament in Straßburg ließ in einer von der sozialistischen Partei eingebrachten Resolution dann den italienischen Staatspräsidenten lediglich wissen, daß »die italienische Regierung den

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Grundsätzen, die zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft führten, treu bleiben müsse«. Die Resolution wurde mit gerade einer Stimme Mehrheit (189:188) angenommen.

Zu dem Staatsempfang, den US-Botschafter Reginald Bartholomew anläßlich des Clinton-Besuches im Juni 1994 in Rom gab, erhielt auch Faschistenführer Fini, der gerade die »guten Taten« Mussolinis gepriesen hatte, eine Einladung und wurde vom Herrn des Weißen Hauses freundlich begrüßt. Das war, schreiben Locatelli/Martini, »eine Anerkennung, die für Fini wegen ihres internationalen Widerhalls mehr als alles andere zählte« (S. 152). Letzten Endes war es die Krönung von fünf Jahrzehnten amerikanischer Politik, in der die italienischen Faschisten immer die Speerspitze des antikommunistischen Kampfes von State Department, Pentagon und CIA gebildet hatten. Wohlwollen, Verständnis und Zustimmung für Fini auch in Deutschland. Für den römischen Korrespondenten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Heinz-Joachim Fischer, der im Leitartikel vom 23. April zu Wort kam, ist in Italien »der Historikerstreit entschieden«, ein »Tabu des Vergangenheitserbes gebrochen«, was heißt, die konservativen Historiker vom Schlage eines Renzo De Felice in Italien und eines Ernst Nolte in der Bundesrepublik haben sich durchgesetzt, Fini hat mit seiner Wertung Mussolinis Recht, der Faschismus ist rehabilitiert. »Das hat Auswirkungen im ganzen >westlichen< Europa«, schreibt der FAZ-Mann. Bundeskanzler Helmut Kohl lag, als er zwei Monate später Berlusconi zum Staatsbesuch empfing - bezeichnenderweise dem ersten, den der italienische Regierungschef absolvieren konnte -, ganz auf der Linie der FAZ. Er bezeichnete die Rechtswende in Italien als einen »historischen Augenblick«, nahm wohlwollend die Beteuerungen des Italieners zur Kenntnis, daß seine neofaschistischen Regierungspartner keine Faschisten seien und eine »saubere Weste« hätten, und ernannte den Mussolini-Bewunderer Berlusconi auch gleich noch zu seinem Freund.

Fini reagierte auf die ausländische Kritik wohlbedacht. Während er die westeuropäischen Reaktionen fast völlig negierte, ging es ihm darum, die jüdischen Kreise zu beruhigen. Die Gelegenheit dazu gab ihm im Juli die Zeitung Tel Aviv Yedit Agaronot in einem Interview. »Es ist verständlich, daß der israelische Staat die Minister der Rechten in der italienischen Regierung einer Prüfung unterziehen wird. Er hat dazu ein moralisches Recht. Wir werden beweisen, daß auf uns nicht der Schat-

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ten eines Antisemitismus oder Rassismus fällt. Ich verstehe die israelischen Gründe, es ist der einzige Staat, dessen Motive ich begreife«, zitieren Locatelli/Martini (S. 152). Der ambivalente Fini brachte es mit diesem Interview fertig, Israel Verständnis zu erklären, gleichzeitig jede Kritik der Westeuropäer, von der im eigenen Land ganz zu schweigen, abzuschmettern und von seinen vorangegangenen Aussagen nichts zurückzunehmen. Fini übertrifft in der Demagogie noch Mussolini, den er bekanntlich seinen großen Meister nennt. Trotzdem kam Fini bei den Israelis an. Zwei der bekanntesten jüdischen Zeitungen, die Wochenzeitung The Jerusalem Report und die Monatsschrift Commentary, die vom American Jewish Commitee herausgegeben wird, »bezeugten dem AN-Führer ihre uneingeschränkte Anerkennung«, schreiben Locatelli/Martini und zitieren Commentary: »Wer in den 90er Jahren den MSI gewählt hat, unterliegt keiner Nostalgie für Mussolini. Italien wird nicht faschistisch.« (S. 152)

In den Jahren der innerparteilichen Auseinandersetzung zwischen Fini und Rauti, aber auch bei der Formierung der Alleanza Nazionale, hatte der MSI viele Mitglieder verloren, vor allem Rautianer. Ende 1993 zählte er noch etwa 250 000 Mitglieder. Als Regierungspartei erhielt er -vorwiegend aus der früheren christdemokratischen Anhängerschaft -wieder starken Zulauf und hatte Ende 1995, wie der Rheinische Merkur am 5. April 1996 einschätzte, mit etwa einer halben Million seine Mitgliedschaft fast verdoppelt.

Nach hinreichenden Demonstrationen seines »Festhaltens an den faschistischen Wurzeln« hielt Fini die Zeit für gekommen, der AN demokratische Schminke aufzulegen. Für Ende Januar berief er nach Fiuggi bei Rom den 17. Parteitag des Movimento Sociale Italiano ein, der den im Januar 1994 begonnen Prozeß der Umwandlung in die Nationale Allianz abschließen sollte. Es handelte sich, wie Fini in seinem Referat, das die extrem rechte (deutsche) Junge Freiheit in ihrer Ausgabe vom 19. April 1996 in wichtigen Teilen abdruckte, um keine Auflösung der Sozialbewegung. »Ich sage Fortentwicklung und Umwandlung und nicht Auflösung des MSI«, führte Fini aus. Er bezeichnete die Sozialbewegung als eine Partei, »die sich im Siegeszug befindet, die noch viel zu sagen hat und viel mehr zu tun und gerade in ihrer natürlichen Fortentwicklung den geeigneten Weg findet, um noch höhere Ziele als die vorherigen zu erreichen«. Nachgerade bestätigte der Führer des Movimento Sociale, daß dieser -

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der 1946 als Nachfolgeorganisation der faschistischen Mussolini-Partei entstand - in der Alleanza weiterbestehe. So als er ausführte: »Das Verhältnis der MSI-Mitglieder zu ihrer Partei entfällt nicht, sondern wird in der neuen politischen Bewegung fortgesetzt. Auch die äußeren institutionellen, juristischen und vermögensrechtlichen Beziehungen des MSI und seiner Organisationen werden in der Alleanza Nazionale weitergeführt, die die vom MSI Dritten gegenüber eingegangenen Verpflichtungen einhalten werden.« Der nunmehrige AN-Führer betonte, daß die Oppositionsrolle der Bewegung gegenüber dem System beendet werde, es nicht mehr um eine Alternative zum System und um die »Zerstörung des Regimes« gehe, sondern darum, »die Regierungsrechte« zu erringen. Die Beseitigung der auf antifaschistischen Grundlagen errichteten Ersten Republik und die Errichtung einer zweiten Republik in Gestalt eines autoritären präsidialdiktatorischen Regimes umschrieb Fini kurz mit »Wiederaufbau Italiens«. Die Alleanza Nazionale nannte er »die einzige echte und große Neuheit der zweiten Republik, zu der der MSI einen wesentlichen Beitrag leistete«. Gleichzeitig zeigte Fini kaum erwartetes Anpassungsvermögen. Die Verurteilung von Rassenhaß und Antisemitismus verkündete er als einen Bruch mit der faschistischen Vergangenheit. Die AN bezeichnete er als eine »soziale«, »dialogbereite«, »postfaschistische« und »liberaldemokratische« Partei. Während er noch im Vorjahr erklärt hatte, »von antifaschistischen Thesen und Erinnerungen die Nase voll« zu haben, teilte er nunmehr mit, der antifaschistische Widerstand sei »in einer historischen Epoche eine große Leistung, die zur Erneuerung des italienischen Staates beigetragen hat«, gewesen. Damit ordnete Fini Faschismus und Antifaschismus als zwei gleichberechtigte und abgeschlossene Abschnitte in die italienische Geschichte ein. Es bleibt festzuhalten, daß konservative Historiker und Politologen Fini und seiner Partei dazu den Weg bereitet haben. Der Philosoph Lucio Coletti schrieb im Corriere della Sera vom 9. April 1994, die Verteidiger der Salò-Republik hätten bis zuletzt »für den Sieg eines - wenn auch für mich falschen - Ideals gekämpft«. Der Historiker Salvatore Sechi sekundierte ihm: »Wer für die Repubblica Sociale gekämpft hat, war auf der falschen Seite, verdient gleichwohl Respekt.« Fini und seine Parteigänger nutzen solch konservative Vorarbeit, wollen indessen von »falschen Idealen« nichts wissen, allenfalls »Irrtümer« einräumen und die auch nur halbherzig. Ein Beispiel dafür war,

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wie die Neue Zürcher Zeitung am 14. Juni 1994 berichtete, daß die Sozialbewegung sich zum 70. Jahrestag der Ermordung des Sozialistenführers Giacomo Matteotti von dieser Bluttat distanzierte, dann aber der parlamentarischen Gedenkfeier fernblieb. So wurde denn auch in Fiuggi unter der demokratischen Tünche immer wieder alte faschistische Demagogie sichtbar. Derweil Fini den »Postfaschismus« ausrief, bedienten sich nicht wenige Parteitagsteilnehmer aus der Hinterlassenschaft Mussolinis. Vom Kampf »gegen den Kapitalismus in den Händen weniger« war die Rede, vom »internationalen Finanzkapital«, das für die Staatsverschuldung und Ausplünderung Italiens verantwortlich sei, und natürlich von »sozialer Gerechtigkeit«. Der römische AN-Chef Teodore Buontempo, ein alter MSI-Kämpfer, verstieg sich ganz im Stile des »linken« Faschismus Mussolinis dazu, einen Pakt mit der Rifondazione Comunista zu propagieren, statt mit der »Bande Berlusconis« zusammenzugehen, die »uns nur als Mehrheitsbeschaffer« will. Der eng mit den Naziskins liierte Faschist, der jahrelang die Gedenkveranstaltungen seiner Partei zum Jahrestag des Marsches auf Rom organisierte, ist Mitglied der Abgeordnetenkammer und bekleidet auch noch das Amt des Präsidenten des Stadtrates von Rom. Manche MSI-Leute traten auch so auf, als wäre ihre Partei nie Koalitionspartner der Regierung Berlusconi gewesen. Das war eine bewußt gezeigte Distanz, die sich auf einen Teil der öffentlichen Meinung stützen konnte. Im rechten Lager lastete man die Verantwortung für das Scheitern der Regierung Berlusconi vor allem dem Medienmagnaten an. Weit verbreitet war die Meinung, mit Fini an der Spitze wäre das nicht so gekommen. So sah das auch Werner Raith in seinem Bericht aus Fiuggi am 30. Januar 1995 in der taz: »Dieser Gianfranco Fini mit dem hageren Gesicht und den eiskalten Augen erhebt sich zum eigentlichen Führer der Rechten Italiens. Und daneben sieht der Medienmogul recht alt aus.« Nach Fiuggi sahen dann in Meinungsumfragen auch zwei Drittel der befragten Italiener in Fini den Mann, der die Führung der vereinten Rechten übernehmen sollte, und prophezeiten seiner Allianz bei den nächsten Wahlen 20 und auch mehr Prozent der Stimmen. 61 Prozent sahen ihn in einer Befragung von Datamedia als den führenden Politiker Italiens.

Zum Imagegewinn Finis und seiner AN trug wesentlich der christdemokratische Politiker Rocco Buttiglione bei, der als damaliger Sekretär der Volkspartei als Gast in Fiuggi weilte. Nach dem AN-Parteitag

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schlug Buttiglione, ein Gewährsmann der konservativen Kreise des Vatikans, seiner Partei ein Wahlbündnis mit der Alleanza vor, was zur Spaltung der Volkspartei führte. Aber auch die Anwesenheit von Vertretern Israels und der italienischen Juden sowie einer Abordnung der sozialdemokratischen Linkspartei machten die umgetauften Faschisten ein weiteres Mal salonfähig. Schockierend wirkte besonders, daß mit Senator Ugo Pecchioli, einst Kommandant der 77. kommunistischen Garibaldi-Brigade, einer der angesehensten Führer der Resistenza zur PDS-Delegation gehörte. Mit seinem Parteisymbol bekannte sich der AN-Kongreß zum Abschluß wieder zu Tradition und Erbe Mussolinis. Er erkor dazu in den Farben der italienischen Trikolore die Flamme, die im MSI-Emblem 49 Jahre die Seele des »Duce« verkörperte. Die Flamme, hatte die Movimento-Zeitschrift La Rivolta Ideale im Januar 1947 nach der Gründung des MSI geschrieben, stellt dar, »daß Mussolinis Seele aus dem Sarg emporsteigt, um seine Nachfolger zu ermutigen«. Lediglich den Sarg hat man in Fiuggi weggelassen. Aber so ist es fast noch mythisch-nationaler, des »Duces« Seele steigt nun direkt aus den Nationalfarben hervor. Von diesem Symbol, der Seele des »Duce«, ging wohl Alessandra Mussolini ganz sibyllinisch aus, wenn sie in Fiuggi sagte: »Der MSI kommt in dieses >Großgefäß< Alleanza Nazionale aufgrund ganz bestimmter politischer Konstellationen und fest gesteckter Aufgaben: dort kommen nämlich Menschen zusammen, die verschiedenster (politisch-kultureller) Herkunft sind, die aber ganz bestimmt in Ewigkeit gültige Werte einen.« Werner Raith veranlaßte jedenfalls dieser Abschluß in Fiuggi dazu, seinen Bericht darüber unter die treffende Überschrift zu setzen: »Faschisten ab nun als Nazi-onale Allianz«.

Das faschistische Umfeld der Alleanza

Beim Kampf um die Führerschaft der Rechten und um weitere Stimmen für die Alleanza Nazionale steht Fini das machtpolitische Instrumentarium der Sozialbewegung zur Verfügung, das ohne wesentliche Substanzverluste in die AN überführt wurde. Ein im Juli 1994 von dem MSI-Mann Domenico Leccisi formierter Movimento d'Opposizione Nazionale (Nationale Oppositionsbewegung), der das AN-Projekt zum Scheitern bringen wollte, hatte Fini keine ernsthaften Schwierigkeiten bereiten können. Lediglich etwa 80 alte MSI-Mitglieder, die harten der Hardliner, wie sie genannt werden, folgten Leccesis

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Bewegung. Das war einmal vor allem darauf zurückzuführen, daß sich Pino Rauti, der alte Widersacher Finis, diesem Dissidentengrüppchen fernhielt, und zum anderen Assunta Almirante sich auf die Seite des Partei-Chefs schlug.

Die Witwe des Fini-Vorgängers spielt inzwischen erfolgreich in der Bewegung die Rolle einer Königsmutter und Gralshüterin des faschistischen Erbes. Diese hatte Fini vor allem dadurch für sich gewonnen, daß er nach dem Wahlsieg der Partei am 18. Mai 1994 mit 400 verdienten Parteikameraden feierlich den sechsten Todestag Almirantes beging und diesen als den Führer des MSI würdigte, der diesem Sieg und dem folgenden Regierungseintritt den Weg geebnet habe. Il Secolo d'ltalia zitierte ihn am nächsten Tag mit seiner Schlußfolgerung: »Die beste Art, Almirante zu ehren, ist vorwärts zu schreiten zur Alleanza Nazionale.« Als Fini Assunta dann auch noch versprach, daß die Flamme im Parteisymbol der AN bleiben werde, war sein Sieg in Fiuggi fast vorprogrammiert.

Rauti trat der Allianz nicht bei, blieb aber in ihrem Umfeld aktiv. Bei den Wahlen im April 1996 suchte er nochmals eine Kraftprobe mit Fini und trat auf einer eigenen Liste - Movimento Sociale Tricolore - an. Er erreichte 0,9 Prozent und einen Sitz im Senat. Die AN stieg gegenüber 1994 um weitere 2,3 Prozent an und errang 15,7 Prozent der Stimmen, in Süditalien sogar 19,2 und in Mittelitalien 22,3 Prozent. Von einer nennenswerten Oppositionsrolle Rautis gegenüber der Alleanza konnte also keine Rede sein. Im übrigen bleiben die Dissidenten mit Fini und der Partei bei partiellen Meinungsverschiedenheiten ideologisch verbunden. Jens Renner zitierte dazu den 73-jährigen Domenico Leccisi mit den Worten: »Wir sind und bleiben Faschisten.« (S. 73) Im Ergebnis des Kongresses von Fiuggi ging, von ein paar tausend Abtrünnigen abgesehen, der rund eine halbe Million Mitglieder zählende, straff organisierte faschistische Parteiapparat in die Allianz über. Zur neuen Bewegung stießen ebenso die Teilorganisationen des MSI einschließlich der CISNAL-Gewerkschaft, die ihrerseits eng mit dem Geflecht der faschistischen Gruppen verschiedenster Couleur außerhalb der Partei verbunden sind. Da diese Struktur vom Zusammenbruch des alten Parteiensystems völlig unberührt blieb, besitzt die Alleanza innerhalb der Rechten als auch gegenüber der bürgerlichen Mitte den zahlenmäßig stärksten und bestorganisierten Organisationsapparat. Der steigende Stimmenanteil bei den Parlamentswahlen 1994 und 1996

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widerspiegelt, daß es den Faschisten gelungen ist, sich wieder einen beträchtlichen Masseneinfluß zu verschaffen.

Die Forza Italia und die Lega Nord gebieten bisher nicht oder kaum über Jugend-, Frauen- oder andere Organisationen mit Masseneinfluß. Die aus der Democrazia Cristiana hervorgegangenen Parteien - vor allem die Volkspartei - können seitens der katholischen Jugendorganisationen, Teilen der Anhängerschaft der christlich orientierten Gewerkschaft CISL oder der früher den Sozialisten, Sozialdemokraten und den Republikanern zugeneigten Arbeiterunion UIL mit Unterstützung rechnen. Bei der Forza wird die fehlende organisatorische Massenbasis durch den Einfluß des Massenmediums Fernsehen des Fininvestimperiums derzeit zu einem großen Teil kompensiert. Im Ringen um Masseneinfluß spielen jedoch, besonders in Wahlkampagnen, die Aktionen auf der Straße nach wie vor eine beträchtliche Rolle. Hier wird die organisatorische Überlegenheit der Fini-Partei, zu der eine beträchtliche politisch-ideologische Geschlossenheit hinzukommt, auch im Kampf um die Führerschaft im rechten Lager entscheidend ins Gewicht fallen. Der faschistische Organisationsapparat inner- und außerhalb des MSI besteht in wesentlichen Teilen weiter und steht der Alleanza zur Verfügung. In die AN gingen ein die Gewerkschaft CISNAL, die Jugendfront, die Studentische Aktionsfront FUAN, die Tricolore-Komitees (Auslandsleitungen) sowie die seit Ende der 80er Jahre entstandenen Gruppi di Ricerca Ecologia (Umweltforschungsgruppen), der Frauenbund Le Api (Die Bienen) und der Sportverein La Fiamma (Die Flamme).

Der fast zeitgleich mit der Proklamation der Alleanza Ende 1993 gegründete Api-Bund will besonders Wählerinnen und Sympathisantinnen für die AN aus der früheren Anhängerschaft der Christdemokraten, aber auch aus der bürgerlichen Mitte insgesamt mobilisieren. Nach dem Vorbild ihres Führers Fini, der eine MSI-Aktivistin heiratete, sollen die Bienen jedoch auch die Frauen der Parteikameraden für ein stärkeres Engagement in der Alleanza gewinnen. Diesen Zielen entsprechend konzentrieren sich die Bienen auf einen »Feldzug für Familie und Mutterschaft« sowie die »natürliche Bestimmung« der Frau und unterstützen beispielsweise die AN-Forderung nach Verschärfung der Abtreibungsgesetzgebung. Der Kritik, die Api betrieben eine »rückschrittliche Frauenpolitik«, hielt die Sprecherin der Organisation, Patrizia Rosicarelli, entgegen: »Wenn man heute wieder Werte anerkennt,

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die auch in der Vergangenheit galten, ist das doch nichts Negatives.« Entsprechend der Propaganda, die Alessandra Mussolini 1994 im Wahlkampf betrieb, rief die MSI-Aktivistin Martina Buontempo in der gleichnamigen Api-Zeitschrift die Frauen auf, »sich auf ihre Macht zu besinnen, die stärker ist als jede wirtschaftliche oder Mass-mediaMacht, nämlich die Macht, Leben geben zu können«.23 Damit handelt die AN mit ihren Bienen ganz im Sinne des Vatikans, dessen wohlwollende Unterstützung sie sich so sichert.

Im Rahmen der Jugendfront entstanden im Herbst 1993 Gli Antenati (Die Ahnen) und Farefronte (sinngemäß Stellung beziehen), die unter Studenten und Oberschülern, vor allem der Hauptstadt, agieren. Beiden Gruppen ist die von Fini eingeschlagene Linie nicht radikal genug, sie widmen sich besonders der Propaganda des Erbes Mussolinis. Aus den Antenati entstand wiederum die Gruppe Meridiano Zero (Null-Meridian), die betont offen faschistisch sowie rassistisch und antisemitisch auftritt und dazu in erster Linie publizistisch wirkt, Broschüren und Flugblätter verfaßt. Chef des Meridiano Zero ist Rainaldo Graziani, Sohn des MSI-Mannes der ersten Stunde Clemente Graziani, der neben Pino Rauti immer einer der Führer der Ordine Nuovo war. Mit der Bezeichnung Zero knüpfte der Meridiano auch an der Ordine Nuovo an, die nach ihrem Verbot im Jahre 1973 in der Illegalität den Namen Anno Zero führte, ehe sie unter der Bezeichnung Ordine Nero wieder legal aktiv wurde.

Entsprechend der von Fini in Fiuggi verkündeten Überführung des MSI und seiner Organisationen in die Allianz gehören zu dieser auch die noch immer hunderttausende Mitglieder zählenden Traditionsverbände der Repubblica Sociale. Bei Differenzen, die gegenüber dem bürgerlichen Outfit und der demokratischen Schminke der Alleanza bestehen, kann der AN-Chef generell auch mit der Unterstützung der im Umfeld der Alliapz operierenden faschistischen Gruppen rechnen. Ihre wachsenden Stimmengewinne hat die Partei bei den Wahlen 1994 und 1996 wesentlich ihrer Hilfe zu verdanken. Es bestehen weiterhin Strukturen - teilweise illegal - der Ordine Nuovo Pino Rautis, der einst von Valerio Borghese gegründeten Fronte Nazionale und der von Stefano Delle Chiaie gebildeten Avanguardia Nazionale. Viele Mitglieder dieser stets mit dem MSI eng verbundenen Organisationen sind heute gleichzeitig in den verschiedenen Gruppen der Naziskins aktiv, die damit in das weitmaschige Netz einbezogen wer-

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den, das zum Umfeld der Alleanza Nazionale zählt. Die Skinheads bezeichnen sich in Italien als Naziskins. Ihr Terror ist vor allem extrem antisemitisch, rassistisch und ausländerfeindlich ausgerichtet, zielt aber ebenso gegen Kommunisten, Sozialdemokraten (PDS) als auch Homosexuelle oder Drogenabhängige. Sie orientieren sich vor allem an deutschen Neonazis, huldigen Hitler, zeigen Hakenkreuze, praktizieren den Führergruß. Den politischen Hintergrund für den Antisemitismus und Rassismus bilden die Betonung der Traditionen der Salò-Republik, der Schicksalsgemeinschaft mit Hitlerdeutschland, aber auch die Herausstellung der Sozialrevolutionären Komponente im faschistischen Programm von Verona durch die Rauti-Fraktion in der faschistischen Bewegung.

Während Fini sich offiziell von den Aktionen der Skins distanziert und sie sogar verurteilt, sind führende AN-Leute dabei, die Naziskin-Gruppen organisatorisch zu sammeln und der Partei unterzuordnen. In Rom koordiniert der alte MSI-Kämpfer und Terrorist Stefano Delle Chiaie, Mitorganisator des Anschlags auf die Mailänder Landwirtschaftsbank 1969 (16 Tote), die Aktivitäten der Skin-Gruppen. Teodoro Buon-tempo, ein zuverlässiger Anhänger Finis, der ihm bei der Umwandlung des MSI in die Alleanza zur Seite stand und die Leitung der AN in der Hauptstadt übernahm, »bekundet immer wieder seine politische Wertschätzung der Skinheads«. Man könne ihn, heißt es im Jahrbuch für Antisemitismusforschung, »kaum als Außenseiter bezeichnen«. (S. 154)

Eine Art Dachverband der Naziskin-Gruppen bildet seit Ende der 80er Jahre der bereits 1984 in Grottaferrata bei Rom gegründete Movimento Politico Occidentale (Politische Bewegung des Westens), den der führende faschistische CISNAL-Gewerkschafter Maurizio Boccacci leitet. In dem eben erwähnten Jahrbuch ist das Credo, das Boccacci verkündete, nachzulesen: »Wir sind gegen Drogen, gegen Ausländer, gegen Kommunisten, gegen Schwule, gegen den Staat, gegen die Politiker und gegen die Juden.« (S. 154) 1990 faßte Boccacci die Naziskins von Mailand in der Gruppe Azione Skinheads und die der Region Venetien in der Veneto Fronte Skinheads zusammen. Im gleichen Jahr entstand der Verband Skinheads d'ltalia, der sich das Ziel stellte, alle Naziskin-Gruppen des Landes zusammenzuschließen. Da sich viele italienische Skins auch an spanischen Vorbildern orientieren, wurde 1991 noch der Movimento Politico per la Base Autonoma (Politische Bewe-

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gung für die autonome Basis) gegründet. Der Name wurde der faschistischen spanischen Bases Autonomas entlehnt. Aus dem Spektrum der Naziskin-Cruppen sind als bekannteste noch zu erwähnen die Lega Nazionalpopolare (Volksnationale Liga), die Avanguardia del Popolo (Vorhut des Volkes), die Fronte del Sud (Südfront) und die Gioventü Nazista (Nazistische Jugend). Es sind ferner über 20 Naziskinbands und mehr als 40 in Sportstadien aktive Gruppen bekannt. Obwohl 1993 gegen Boccaccis Movimento ein Verbot verhängt wurde, konnte er, besonders nach dem Eintritt der Faschisten in die Berlusconi-Regierung, weiteragieren.

Viele Skin-Organisationen geben Zeitungen und Zeitschriften heraus, die monatlich zehntausende Exemplare erreichen. Die meisten erscheinen in der Casa Editrice Settimo Sigillo (Verlag siebtes Siegel), den der alte MSI-Mann Enzo Cipriani leitet, der auch für die faschistische Buchhandlung Libreria Europa verantwortlich ist. Über diese Buchhandlung Europa wiederum vertreibt auch der Kulturverein Il Punto (Der Punkt) der Alleanza Nazionale viele seiner Publikationen. Die AN gehört auch zu den größten Auftraggebern des Siegel-Verlages. Die meistverbreiteten Skin-Publikationen sind gegenwärtig die Azione Skinhead der gleichnamigen Organisation, Ideogramma der Base Autonoma, Azione Patavium der Veneto Fronte, Nuovi orizzonti des Movimento Politico, Runa Bianca, Linea Cotica, Trionfo Bianca.

Der faschistische Straßenterror zeigt heute nicht mehr das Ausmaß, das er in den 70er und 80er Jahren angenommen hatte, als er hunderte Tote und tausende Verletzte forderte und entscheidend dazu beitrug, die politische Achse nach rechts zu verschieben und der Linken, aber auch der bürgerlichen Mitte jene schwere Niederlage beizubringen, die den Vormarsch der Rechten mit den Faschisten an der Spitze ermöglichte. Aber auch in eingeschränkter Form behält der Terror seine Funktion, die Kräfte einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen, die dem faschistischen Vormarsch entgegentreten. Als die neuen Sturmabteilungen (Squadre d'Azione) der Bewegung handeln heute vor allem die verschiedenen, von alten und neuen MSI- und nunmehr AN-Faschisten angeleiten Skin-Gruppen. Aufgrund des Einflusses führender MSI-Faschisten wurde Rom, wo etwa eintausend Skins aktiv sind, zu einem Zentrum der Ausschreitungen. In einem Vorort der Hauptstadt wurde ein Obdachloser zu Tode geprügelt, Punks durch die Straßen gejagt. »Heute in Rom ein Punk zu sein, kann schon

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lebensgefährlich werden«, berichtete der Korrespondent des Freitag, Udo Gümpel, am 4. Dezember 1992 aus Rom. Im September und Oktober des Jahres kam es in der römischen Region Lazio zu etwa 140 Überfällen auf Roma-Lager und Unterkünfte nichteuropäischer Einwanderer. Am 2. November dieses Jahres wurden in Rom 25 jüdische Geschäfte sowie Gräber auf dem jüdischen Friedhof mit Davidsternen und antisemitischen Parolen besprüht. Drei Tage später kam es zu schweren Ausschreitungen zwischen Skins und etwa 100 jüdischen Jugendlichen, die sich gegen die anhaltenden faschistischen Überfälle zur Wehr setzten. Am Sitz des Fußballclubs Lazio erschienen Parolen wie »Juden raus«, »Juden wollen wir hier nicht, wir verteidigen die Reinheit des Lazio«. Im Stadion des Lazio wurden Schiedsrichter als »Juden« beschimpft.

Im Mai 1993, vor der ersten Runde der Kommunalwahlen, bei denen die Linke im Aufwärtstrend lag, forderte ein Sprengstoffanschlag in Rom zahlreiche Verletzte und richtete zum Teil schwere Verwüstungen an. In Florenz kam es einige Tage später zu einem Anschlag auf den Sitz der ältesten Landwirtschaftsakademie der Welt, der 1753 gegründeten Accademia dei Georgofili, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen. Die Kunststätte unmittelbar neben den Uffizien wurde schwer beschädigt. TAZ-Korrespondent Raith hielt in seinem Bericht am 17. Mai 1993 »eine neue Spannungsstrategie« für »nicht ganz unwahrscheinlich«, denn »die sich steigernde Unzufriedenheit der Bürger mit ihrer Herrscherkaste« lasse wieder einmal den Gedanken aufkommen, »das Land diktaturreif zu bomben«. Im Frühjahr 1996 kam es vor den vorgezogenen Parlamentswahlen zu zahlreichen Anschlägen und Überfällen auf Parteilokale der Kommunisten und der Sozialdemokraten (PDS). Der Sekretär der Kommunistischen Neugründung (PRC), Fausto Bertinotti, warnte in diesem Zusammenhang in der Liberazione vom 21. März 1996 vor Plänen der Rechten, »neoautoritäre und restaurative Lösungen auch gewaltsam anzugehen«. PRC-Vorsitzender Cossutta erinnerte an die aktuelle Bedeutung der Worte Gramscis aus dem Jahre 1920, der vor dem »Risiko einer blutigen Diktatur« warnte. Nicht zu unterschätzen sind die Kontakte, die sich italienische Skins -auch hier vor allem mit Hilfe alter Faschisten aus dem MSI oder seinem Umfeld - zu gleichgesinnten Kreisen in Europa und den USA erschlossen haben. Schon 1991 organisierte Boccaccis Movimento in San Giacomo bei Bassano di Grappa ein internationales Zeltlager, an dem

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westeuropäische Skins, darunter aus Großbritannien, Deutschland und Spanien teilnahmen. Unter den rund 500 Teilnehmern befand sich eine starke Gruppe der überregionalen Blood and Honour, die eine europäische Vernetzung organisiert und auch Kontakte zum Ku Klux Klan in den USA unterhält. In Rom existiert eine Marco Polo genannte Skin-Zentrale, die sich als Wohnungs- und Arbeitsvermittlungsagentur ausgibt. Sie unterhält Filialen in Berlin und London. Die Agentur in der britischen Hauptstadt, die 20 Häuser angemietet hat und über 700 Betten verfügt, wird von zwei Terroristen namens Roberto Fiore und Massimo Morsello geleitet. Beide waren 1984 an dem Anschlag auf den Hauptbahnhof in Bologna beteiligt (85 Tote) und flohen danach nach London. Obwohl sie in Italien in Abwesenheit zu neun beziehungsweise zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurden, verweigerten die britischen Behörden die Auslieferung. Sie können in London unbehindert ihre Agentur betreiben.

Streit mit Kamerad Schönhuber um Südtirol

Südtirol, das als italienische Region Alto Adige (Oberetsch) heißt, gehörte bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zur Habsburger Monarchie. Im Rahmen der zahlreichen Grenzziehungen zugunsten der Siegermächte der Entente kam es im Friedensvertrag von Saint Germain en Laye zu Italien. Seitdem ist die sogenannte Südtirolfrage zu einem Streitfall mit den Nachbarn im Norden geworden. Nach Hitlers Machtantritt setzte die Anschlußbewegung in Südtirol darauf, daß zusammen mit Österreich auch Südtirol »Heim ins Reich« geholt würde. Um die Achse Berlin-Rom nicht zu gefährden, verzichtete Hitler auf Südtirol. Das fiel ihm umso leichter, als das Mussoliniregime mit Beginn des Zweiten Weltkrieges zunehmend von Deutschland abhängig wurde. 1939 fand jedoch ein Referendum statt, das die Südtiroler vor die Wahl stellte, sich als Italiener zu bekennen oder nach Deutschland auszuwandern. Eine Mehrheit entschied sich für Deutschland. Es wurden jedoch nur 75 000 Südtiroler umgesiedelt, die Verbliebenen verloren ihre italienische Staatsangehörigkeit. 1946 wiesen die Außenminister der vier Großmächte der Antihitlerkoalition die Forderung Wiens nach Rückgabe Südtirols an Österreich, das damit die Einheit seines alten Kronlandes Tirol wiederherstellen wollte, zurück, empfahlen aber Verhandlungen zur Klärung strittiger Fragen. Daraus versucht Wien bis heute die Funktion einer »Schutzmacht für Südtirol« abzuleiten, eine

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Rolle, die ihr die FAZ vom 20. April 1996 noch immer zugestand. Das gab nach Kriegsende der in Südtirol weiterbestehenden Anschlußbewegung ständig Auftrieb. In den 60er Jahren versuchte die Bewegung, mit Bombenanschlägen, bei denen es zahlreiche Tote und Verletzte gab, ihren »Heim ins Reich«-Forderungen Nachdruck zu verschaffen. Im Ergebnis der römischen Politik der Assimilation des Alto Adige in den italienischen Staatsverband gehören heute von 423 000 Einwohnern noch etwa zwei Drittel der deutschsprachigen Volksgruppe an, während ein Drittel Italiener sind. In der Südtiroler Landeshauptstadt Bozen sind bereits drei Viertel italienischsprachig. Nach einer bereits 1948 erfolgten Zusammenfassung des Alto Adige mit Trentino zu einer Region war in dieser sogar die große Mehrheit italienstämmig. Neben der terroristischen Anschlußbewegung bildete sich eine mehrheitliche gemäßigte Gruppierung heraus, die einen Verbleib Südtirols bei Italien auf der Grundlage weitreichender Autonomie akzeptierte. Ihr Vertreter wurde Silvius Magnago, bis Anfang der 90er Jahre Vorsitzender der Südtiroler Volkspartei (SVP), der Sammelpartei vor allem der deutschsprachigen Bevölkerungsgruppe. 1969 gestand die italienische Regierung der Provinz Bozen dann ein Autonomistatut zu, mit einer eigenen Gerichtsbarkeit und Verwaltung, der Vergabe der Ämter im öffentlichen Dienst proportional nach dem Anteil der Bevölkerungsgruppen, Kulturhoheit und Deutsch als gleichberechtigter Amtssprache. Die SVP, die im Provinzparlament über eine 90prozentige Mehrheit verfügte, stimmte mit knapper Mehrheit zu. Aber erst 20 Jahre später gab Österreich seine Forderungen an Italien auf, und beide Staaten legten den Konflikt bei. In einem Notenwechsel bestätigten sich die Außenminister Wiens und Roms, daß das Minderheitenproblem gelöst sei. Die Südtirolfrage müßte in diesem Buch über den italienischen Faschismus kaum erwähnt werden, wenn es in dieser Auseinandersetzung zwischen den extrem rechten Kräften Deutschlands und Österreichs auf der einen und Italiens auf der anderen Seite nicht grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten geben würde. Die Südtiroler »Heim ins Reich«-Kämpfer genossen bei neofaschistischen und auch rechten Kreisen in Österreich und in der Bundesrepublik nicht nur Sympathie, sondern erhielten von ihnen auch aktive Unterstützung. Die MSI-Faschisten dagegen nahmen die Position der römischen Regierung ein und traten den Angriffen auf die territoriale Integrität in Gestalt der »Los von Rom«-Politik der Südtiroler Anschlußbewegung entgegen.

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In Österreich war einer der Drahtzieher der Bombenanschläge in Südtirol der 1992 verstorbene Führer der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei, Norbert Burger. Seine Parteikameraden Peter Kienesberger und Erhard Hartung, beide Mitbegründer der österreichischen NDP, verurteilte ein italienisches Gericht schon 1963 wegen der Organisation des Terros in Südtirol zu lebenslangen Freiheitsstrafen. Die beiden mit internationalem Haftbefehl gesuchten Terroristen konnten sich mit Billigung der Behörden in Deutschland und Österreich aufhalten, obwohl Auslieferungsabkommen bestehen. Der Fall Kienesberger ging in der BRD bis vor das Bundesverfassungsgericht, das 1994 seine Auslieferung ablehnte. Hartung, ein Tiroler Arzt, überbrachte im gleichen Jahr auf einem deutsch-chinesischen Herzchirurgen-Kongreß in Wuhan die Grüße des Bundeskanzlers Kohl.

Von Burger und Kienesberger liefen vielfältige Verbindungen in die Bundesrepublik, unter anderem zu der in Bayern ansässigen Organisation Stille Hilfe Südtirol, an deren Spitze jahrelang Gerhard Bietschacher stand, der von 1990 bis 1995 auch CSU-Vorsitzender war. Der Organisation flossen Gelder in Millionenhöhe, unter anderem aus der von Burger gegründeten Hermann Niermann-Stiftung, aber auch aus dem Bonner Innenministerium zu. Bei Niermann handelt es sich um einen Düsseldorfer Industriellen, dessen Ursprungskapital Zwangsarbeiter erwirtschaften mußten und der sein Anliegen darin sah, das Deutschtum im Ausland beziehungsweise europäische Minderheiten zu unterstützen. Über die Stille Hilfe Südtirol gingen der »Heim ins Reichs-Bewegung im Alto Adige etwa eine Million DM zu. Die Hälfte davon, so war es dem Spiegel in seiner Nummer 45/1994 zu entnehmen, »zur Unterstützung terroristischer Aktivitäten«. Bedacht wurde auch der rechtsextreme Türmer-Verlag, der dafür mit seinen pangermanischen Schriften Südtirol überschwemmt. Dafür zuständig war Rudolf Aschenauer, ein berüchtigter Antisemit, der im NS-Reichspropagandaamt und im Volksbund für das Deutschtum im Ausland als Spezialist für Südtirol zuständig war.

Die Abgeordnete der deutschen Republikaner im Europaparlament, Johanna Christina Grund, brachte im Namen der Technischen Fraktion der Europäischen Rechten in Straßburg im September 1989 anläßlich des 70. Jahrestages des Friedensvertrages von Saint Germain einen Resolutionsantrag zur Südtirolfrage ein, der grobe Vorwürfe gegen Italien enthielt und forderte, in Südtirol ein Referendum über »die Aus-

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Übung des Selbstbestimmungsrechtes« durchzuführen, was nur heißen konnte, eine Abstimmung über den Anschluß an Österreich abzuhalten. Der Antrag verfiel der Ablehnung, weil er innerhalb der Fraktion der Euro-Rechten bereits seitens der italienischen Sozialbewegung und der Front National Le Pens auf Ablehnung stieß.24 Im Schatten des jugoslawischen Staatszerfalls unternahmen die Anschlußverfechter im Oktober 1994 einen neuen Vorstoß, ein »vereinigtes Tirol« zu schaffen. Das ganze sollte nun, wie aus einem Bericht der Welt am Sonntag vom 23. Oktober hervorging, unter dem Dach der EU stattfinden und das Pan-Tirol »Europa-Region« genannt werden. Dazu trafen sich in Bozen Mitglieder der österreichischen Tiroler und der italienischen Südtiroler Landesregierung mit den Landeshauptleuten (Ministerpräsidenten) Wendelin Weingartner (Tirol) und Luis Durnwalder (Südtirol) zu einer »gemeinsamen Sitzung«. Die beiden Landesregierungschefs bezeichneten die Sitzung als einen »historischen Akt« auf den Weg zum vereinten Tirol. Die Brennergrenze, die Durnwalder »ein geschichtliches Unrecht« nannte, sollte überwunden werden. Der Höhepunkt einer ganzen Anzahl gemeinsamer Maßnahmen, die der »Region Tirol« Profil geben sollten, war der Beschluß, bei der EU eine »gemeinsame Repräsentanz« zu errichten. Der Südtirol-Sprecher der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Kurt Lukasek, brüstete sich, wie Jürgen Elsässer in der jungen Welt vom 27. Januar 1996 berichtete, öffentlich damit, daß seine Partei die Idee initiiert hatte. Die Haider-Partei, die an der Tiroler Bundesregierung beteiligt ist, verfolge das Ziel, »in allen historischen Teilen Tirols« ein Referendum durchzuführen, damit das Tirol-Projekt »nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch politischen Inhalt« bekomme, so Lukasek. Die italienische Regierung reagierte mit aller zur Verfügung stehenden Schärfe. Die Außenministerin Susanna Agnelli (Schwester des Fiatchefs Giovanni Agnelli) erklärte in ihrem Protest: »Wir können nicht akzeptieren, daß ein Teil Italiens sich einem anderen Land anschließt und ein gemeinsames EU-Büro eröffnet, selbst wenn es ein europäisches Land ist.« Der Generalstaatsanwalt von Trient bezeichnete das Vorgehen als »psychologische Kriegführung« und leitete ein Ermittlungsverfahren wegen »separatistischer Tendenzen mit dem Ziel, die Rückgliederung des Alto Adige nach Österreich zu betreiben«, ein. Der italienische Faschismus entstand aus dem Mythos des siegreichen italienischen Frontsoldaten des Ersten Weltkrieges, als der sich auch

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Mussolini betrachtete. Als dessen Siegestrophäe galt insbesondere, daß Südtirol 1919 Italien zugeschlagen wurde. Wichtig für die italienische Rechte ist, daß Mussolini diese Trophäe - so die faschistische Geschichtsbetrachtung - gegen den Anspruch Hitlers verteidigte und für Italien bewahrte. Schließlich gelang es Italien 1946 durchzusetzen, daß die vier Großmächte den Anspruch Österreichs auf Südtirol zurückwiesen. Daß damit in gewisser Weise die Verdienste der Resistenza als de facto ein Partner der Antihitlerkoalition anerkannt wurden, übersehen die Mussolini-Nachfolger geflissentlich.

Im Interesse der Stabilität Nachkriegsitaliens war es in der Zeit der Ost-West-Konfrontation für Pentagon und NATO völlig inopportun, den österreichischen Forderungen bezüglich Südtirols nachzugeben. Die italienischen Neofaschisten, die als Verteidiger der Integrität Südtirols auftraten, profitierten von dieser Haltung. Im Ergebnis der Assimilationspolitik Roms votierten italienischsprachige Wähler zunehmend für den MSI, der bereits 1989 bei den Kommunalwahlen 27,1 Prozent erreichte und im Bozener Stadtrat stärkste Partei wurde. Bei den Parlamentswahlen 1994 stiegen die neofaschistischen Stimmen auf über 30 Prozent an, und der MSI eroberte ein Direktmandat.

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Schlußbetrachtungen

»Gewiß, die Geschichte wiederholt sich nicht haargenau. Es gibt Variationen. Aber das ist ein schwacher Trost.« Sebastian Haffner, Im Schatten der Geschichte, S. 26.

Der Schock, den der Sieg der extrem rechten Koalition bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 1994 auslöste, zeitigte Konsequenzen. Zu den vorgezogenen Wahlen im April 1996 fanden sich die Parteien der Linken und das katholische Zentrum zu einem Wahlbündnis zusammen, dem es gelang, die sogenannte Freiheitsallianz aus Forza Italia und faschistischer Alleanza Nazionale zu schlagen. Während die linke Mitte auf 41,2 Prozent der Stimmen kam, erreichte die Rechte nur 37,3 Prozent. Eine zweite Regierung Berlusconi oder gar Fini wurde -vorerst - verhindert.

Bei der Einschätzung des Erfolges der linken Mitte ist Nüchternheit geboten. Zunächst ist zu beachten, daß die Rechte verlor, weil der bisherige Verbündete Lega Nord aus der Koalition ausschied. Das dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, daß die Lega als führende norditalienische Partei und künftiger Wirtschaftspartner einer supranationalen Alpengroßraumregion der Europäischen Union nicht mit dem Odium eines Verbündeten des Faschismus behaftet sein möchte. Trotz ihres Alleinganges bei den Wahlen steigerte sich die Bossi-Partei von 8,3 Prozent 1994 auf 10,4, wobei sie in den nördlichen Regionen zwischen 20 und 30 Prozent erzielte. Nimmt man dieses Ergebnis der Lega hinzu, dann lag die Rechte mit fast 48 Prozent weit vor dem Ergebnis der linken Mitte. Allerdings erwies sich das zu 75 Prozent eingeführte Mehrheitswahlrecht, das vor allem die Kommunisten treffen sollte -was teilweise auch erreicht wurde -, als zweischneidiges Schwert. Denn trotz der prozentualen Überlegenheit verfügt das rechte Lager -mangels Wahlabsprachen mit der Lega - nicht über die Mehrheit der Sitze im Parlament.

Während die Forza Berlusconis mit 20,6 Prozent leichte Verluste hinnehmen mußte (vorher 21 Prozent), stiegen die Stimmen der Faschisten weiter an, obwohl auch sie auf zwei getrennten Listen antraten. Finis AN erzielte 15,7 Prozent, 2,2 mehr als 1994. Rauti trat mit seiner Fiamma neben der Alleanza an, erreichte nur 0,9 Prozent, bei der Direktwahl jedoch die meisten Stimmen seines Wahlbezirks und damit

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einen Sitz im Senat. Das bedeutete, daß weit über eine Million Italiener, mehr als zwei Jahre vorher, die Faschisten wählten. Wahlexperten errechneten, daß Rautis Alleingang die AN aufgrund des Mehrheitswahlrechts etwa die Hälfte der sonst möglichen Parlamentssitze gekostet habe. Beim genaueren Nachrechnen zeigt sich, daß die faschistische Gefahr keineswegs gebannt ist.

Diese Gefahr, die in einer 50-jährigen Nachkriegsgeschichte wiedererstanden ist, wird sich auch nicht in einem Wahlgang beseitigen lassen. Das dürfte einen entschiedenen Kampf seitens des Parlaments, in dem die linke Mitte gerade die Mehrheit errungen hat, und der von ihr übernommenen Regierung erfordern. Als Kriterien dafür sind vor allem zu beachten, wie es in diesem Rahmen der Legislative und Exekutive gelingt, die durch die Korruptionsaffären der alten Regierungsparteien und von führenden Vertretern der Wirtschaft erschütterte demokratische Legitimität und moralische Rechtschaffenheit der Institutionen wiederherzustellen; seit Jahrzehnten notwendige sozialökonomische Reformen einzuleiten und so dem Faschismus seine soziale Basis zu entziehen; die antifaschistischen Grundlagen der Verfassung zu wahren und nicht zuletzt den Angriff der Separatisten auf die staatliche Integrität zurückzuweisen und in diesem Zusammenhang die staatliche Autorität zu stärken. Erfolge im Widerstand gegen die faschistische Gefahr setzen außerparlamentarische Aktionen voraus. Es sei daran erinnert, daß der Sturz der Berlusconi-Regierung im Dezember 1994 durch Massenproteste der Arbeitnehmer und sozial benachteiligten Schichten gegen den Sozialabbau (fünf Millionen im Generalstreik) eingeleitet wurde. Erst im Ergebnis der Massenaktionen auf der Straße - 300 000 Demonstranten in Mailand, 200 000 in Turin, ebensoviele in Rom - zwang ein Mißtrausenvotum im Parlament Berlusconi zum Rücktritt.

Wird die Koalition der linken Mitte, insbesondere die von ihr gebildete Regierung, diesen Anforderungen entsprechen? Wird die Regierung Prodi einer faschistischen Gefahr die soziale Grundlage entziehen? Eine neue sozialökonomische Politik, die ein wesentlicher Faktor dieses Vorgehens sein müßte, ist nicht zu erkennen. Der neue Premier will Italien ins europäische Währungssystem zurückführen und den Bedingungen des Maastrichter Vertrages entsprechen. Dazu soll der mit zwei Billionen DM Schulden und einem Defizit von zehn Milliarden DM belastete Staatshaushalt in den nächsten zwei Jahren saniert wer-

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den. Neben der Fortsetzung der umstrittenen Privatisierung der staatlichen und öffentlicher Unternehmen will Prodi den bereits unter den Ministerpräsidenten Berlusconi und Dini betriebenen Sozialabbau weiterführen.

Der FAZ ist wohl in diesem Fall zuzustimmen, wenn sie am 18. Mai schrieb, das bedeute, daß der PDS-Chef D'Alema, der bereits »bei der Kandidatur für das Ministerpräsidentenamt Verzicht leistete«, angesichts des beängstigenden Haushaltsdefizits und der zerrütteten Staatsfinanzen auch bei Ausgabenkürzungen im Sozialstaat »für die nächsten fünf Jahre >linker< Politik entsagen will«. Der Fortsetzung des von den vorangegangenen Regierungen betriebenen Sozialabbaus wird Berlusconis Forza-Partei sicher nicht widersprechen. Für die in sozialer Demagogie erfahrenen Faschisten dagegen wird das ein willkommener Anlaß sein, sich unter den betroffenen sozial schwachen Schichten ein Protestreservoir zu schaffen. Die »linken« Faschismusthesen der Rauti-Fraktion dürften Auftrieb erhalten. Nicht zuletzt dann, wenn es im Parlament unvermeidlich zu Abstimmungen kommt, bei denen Kommunisten und Faschisten - mit grundsätzlich unterschiedlichen Zielen - gegen die Sozialpolitik der Regierung stimmen werden.

Während antifaschistische Positionen in der Regierungskoalition kaum auszumachen sind, gibt es stattdessen Anbiederungen, Verharmlosungen und aus der Geschichte bekannte Tendenzen, die profaschistische Rechte in die politische Verantwortung einzubeziehen, ihr freiwillig und ohne ersichtliche Erfordernis ein Stück der eben errungenen Macht abzutreten. So bot Prodi der Forza sofort nach der Wahl den Posten des Senatspräsidenten und dazu die Stimmen seiner Koalition an. Einzige »Bedingung«, die Berlusconipartei sollte dafür in der Kammer für den Kandidaten der linken Mitte stimmen. Eine Notwendigkeit bestand für diesen Kuhhandel nicht, da Prodi für seine Kandidaten in beiden Häusern des Parlaments über eine Mehrheit verfügt. Der liberale Wirtschaftsprofessor wollte lediglich Übereinstimmung mit der Rechten demonstrieren. Berlusconi erteilte ihm eine Abfuhr und kündigte mit AN-Chef Fini stattdessen »schonungslose Opposition« an. Während Verfassungsrechtler dringend raten, »Italien sollte im Rahmen der jetzigen Verfassung bleiben«, signalisierte die Prodi-Regierung Kompromißbereitschaft für einen breiten Forderungskatalog der Forza und der Alleanza. Die Rechte fordert derzeit, 84 von 184 Verfas-

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sungsartikeln aufzuheben, zu ersetzen oder zu verändern, darunter die Berufung auf die Resistenza. Bereits vor der Wahl war eine Delegation der Linksdemokraten D'Alemas ganz offiziell mit Finis AN-Faschisten zu Gesprächen über einen gemeinsamen Entwurf zur Verfassungsreform zusammengetroffen. Jetzt sollen regierungsoffizielle Verhandlungen beginnen.

Justizminister Gianni Maria Flick beabsichtigt, die Korruptionsverfahren, die gegen über 3 000 hohe Politiker und Beamte, frühere Parlamentarier und Wirtschaftsmanager laufen, mit einer Amnestie zu beenden. Darunter würden nicht wenige Politiker der untergegangenen früheren Regierungsparteien fallen, die inzwischen bei der Volkspartei, der Erneuerungspartei Dinis, aber auch im rechten Lager bei CDU und CCD wieder zu Amt und Würden gekommen sind. Vor allem aber könnte von einer Amnestie Berlusconi profitieren. Denn gegen die Fininvestholding des früheren Regierungschefs laufen mehrere Verfahren wegen Bilanzfälschungen und Bestechung von Finanzbeamten. Im Mai 1996 wurden neue Skandale aus dem Reich Berlusconis, der einst als »Saubermann« antrat, bekannt. Gegen eine ganze Gruppe seiner Manager wird wegen der Verschleierung riesiger im Ausland angelegter Gelder und anderer Vermögenswerte ermittelt. Fünf Fininvest-Manager wurden festgenommen, zwei weitere sind flüchtig. Zum ersten Mal kam zur Sprache, daß seitens der Berlusconi-Holding, wie von anderen Unternehmen auch, Schmiergelder an Politiker gezahlt wurden. Unter den Empfängern befand sich der bereits mehrfach wegen Korruption verurteilte frühere Ministerpräsident und enge Freund Berlusconis, Bettino Craxi. Der Fininvestchef, der bisher immer behauptete, seine Manager hätten ohne sein Wissen gehandelt, wird nunmehr beschuldigt, direkt selbst in die Korruptionsaffären verwickelt zu sein. Es dürfte interessant sein zu verfolgen, wie sich der in die Prodi-Regierung eingetretene frühere Chef der Mailänder Richtergruppe Mane pulite, Di Pietro, zu den Amnestieabsichten verhalten wird. Er hat im Kabinett das Ministerium für öffentliche Arbeiten übernommen, früher ein Hort der Korruption, der öffentliche Aufträge nur gegen Zahlung saftiger Tangenten vergab.

Das Zentrum in der Regierungskoalition ist sich seiner Schwäche gegenüber den Linken sicher bewußt und rechnet nicht damit, daß die Linkspartei fortwährend eigene Positionen preisgeben wird. Davon ausgehend äußerte Lamberto Dini bereits die Absicht, seine vor der

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Wahl aus dem Boden gestampfte Erneuerungspartei mit der Volkspartei zu vereinigen und für diese Gruppierung dann auch noch die vom PPI abgespaltenen Vereinigten Christdemokraten (CDU) und das Christdemokratische Zentrum (CCD) - beide derzeit Verbündete der Allianz Berlusconis und Finis - zurückzugewinnen. Damit würde die linke Mitte allerdings ausgesprochen rechtslastig werden. Ob es nun solche Pläne zur Verschiebung der politischen Achse der Regierung der linken Mitte nach rechts betrifft, ob es sich um die Sozialpolitik, die beabsichtigte »Bereinigung« der Korruptionsaffären, die Inkonsequenz gegenüber den Sezessionsplänen der Lega oder generell um das Zurückweichen vor dem Druck der profaschistischen Rechten, gepaart mit Versuchen, diese in die politische Verantwortung einzubeziehen, handelt - solche Konzepte dürften vor allem das weitere Vorgehen der faschistischen Alleanza begünstigen. Die Regierungskonzeption gibt ihr hinreichend Möglichkeiten, sich als Interessenvertreterin der sozial Schwachen auszugeben, die Rolle der Verteidigerin der Einheit des Nationalstaates zu spielen, gegen die Korruption zu Felde zu ziehen und sich als Garant für Ordnung und Sauberkeit auszugeben.

Vor diesem Hintergrund hat schon unmittelbar nach dem Wahlsieg der linken Mitte im rechten Lager der Kampf um die Führerschaft begonnen. Die Opposition kalkuliert, daß die Regierungskoalition nicht über die volle Distanz der Legislaturperiode kommen wird. Im Gespräch ist ein Zusammenschluß der Forza-Partei mit der Alleanza. Seitens der AN schwebt den Initiatoren als Modell der Beitritt der Nationalisten unter D'Annunzio zur faschistischen Partei vor den Wahlen von 1924 vor. Geht man von den Zielen aus, die Fini bei der Umwandlung des Movimento Sociale in die AN proklamierte, dann könnte es sich faktisch nur um einen Anschluß der Forza handeln, wenn er überhaupt zustandekommt. Das Ziel bleibt für Fini die große Rechtspartei auf faschistischen Grundlagen.

Zur selben Zeit hat er für die nächste Wahl seine Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten angekündigt, was heißt, er fordert die Führung der Rechten. Für Fini zahlt sich aus, daß er sich mit diesem Anspruch bisher zurückgehalten hat. Berlusconi ebnete ihm den Weg in die erste Regierung, verschliß sich in dieser selbst und erhielt mit der Wahlniederlage dafür die Quittung. Die Rechte wird kaum annehmen, daß der durch die Korruptionsanklagen angeschlagene Fininvest-Chef

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einen dritten Anlauf für sich entscheiden könnte. Für einen Abgang Berlusconis spricht auch, daß einflußreiche Kapitalkreise es nicht als günstig ansehen würden, wenn einer der ihren nochmals die Regierungsgeschäfte selbst führt. Was nicht bedeutet, daß diese Kreise einer autoritären Lösung der Machtfrage abgeneigt wären. Fini dagegen ist aus der Wahlniederlage der Rechtsallianz völlig unbeschadet hervorgegangen. Während die Forza - wenn auch geringfügig - Wähler verlor, wuchsen die faschistischen Stimmen um fast ein Viertel an. Daß sie nicht auf die erwarteten 20 und mehr Prozent anstiegen, wird dem Alleingang Rautis angelastet, der im übrigen die Führung Finis nicht in Frage stellt. Fini betreibt weiter die bekannte zweigleisige Linie. Er vertritt in der Öffentlichkeit die Politik des »gemäßigten« oder auch »modern« genannten Faschismus, während Rauti und seine Gruppierung die Hardliner um sich scharen. Kommt es zu einem Zusammenschluß der Forza mit der Alleanza, würde das der faschistischen Rechten ein Wählerpotential zuführen, das bei den Wahlen von 1996 weit über ein Drittel der Parlamentssitze einbrachte. Durch eine solche Vereinigung ließe sich aber auch der faschistische Charakter der Rechtspartei verdecken, was ihr weitere Wähler vom rechten Rand der Mitte zuführen könnte. Davon ausgehend besteht die Gefahr, daß alte und neue Faschisten unter der Flagge einer neuen Rechten im parlamentarischen Rahmen auf »legalem Weg« an die Macht kommen. Die Haltung rechter und konservativer Kreise, für die gegenwärtig Politiker wie der CDU-Führer Rocco Buttiglione und der Chef der Erneuerungspartei Lamberto Dini stehen, fördert diesen Prozeß. Es wäre damit zu rechnen, daß diese Kräfte - ähnlich ihren historischen Vorgängern 1922 - eine faschistisch geführte Regierung hinnehmen würden.

Ende Mai 1996

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Anmerkungen

1    Koppel, 1976, S. 63 ff.

2   Malagugini, in: Italia, 1975, S. 428.

3   Foa, in: ebd., S. 340.

4   Secolo d'ltalia 23. Januar 1972, La Rivolta ideale, Dezember 1946.

5   Almirante, Palamenghi-Crispi, 1958, S. 12.

6   Der Verfasser war Berichterstatter auf dem Parteitag.

7   Modrshinskaja, 1978, S. 196.

8   Barbieri, 1976, S. 36.

9   FIR, 1972, S. 100 f.

10   Caddi, 1974, S. 35 f.

11   Marx, Engels, 1962, Bd. 23, S. 788.

12   Raith, in: Müller, 1991, S. 33 und 38.

13   Der SIFAR wurde später in SID und danach nochmals in SISMI umbenannt.

14   Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst (ADN), 2. Januar 1974.

15   Caddi, 1974, S. 196, Vorwärts, 31. Oktober 1974.

16   Repubblica, 23. April 1978, Messagero, 12. Dezember 1978, Secolo d'ltalia, 28. Januar und 18. April 1978.

17   Seifert, 1991, S. 29, Raith, 1984, S. 175 ff.

18   Barbieri, 1976, S. 87 ff., Mosca, 1978, S. 33 ff., Panorama, 22. August 1974 u. 25. Juli 1978, Unita, 17. u. 22. November 1978.

19   New York Times, 29. April 1978, Gino, 1978, S. 49 ff.

20   Rinascità, 1979, Nr. 3, Secolo d'ltalia, 19., 22., 24. u. 29. November 1978.

21   Barbieri, 1976, S. 29 ff., Alf, 1977, S. 94.

22   Zit. in: Barbieri, 1976, S. 29 ff.

23   Fromm/Kernbach, 1994, S. 239 f.

24   Grund, 1995, S. 94 ff.

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Häufig verwendete Abkürzungen

Amgot -  Allied Military Government of Occupied Territory

AN -  Alleanza Nazionale

ANFI -  Associazione Nazionale Forza Italia

ANSA -  Agenzia Stampe (italienische Nachrichtenagentur)

BND -  Bundesnachrichtendienst

BNL -  Banca Nazionale del Lavoro

BR -  Brigate Rosse

CCD -  Centro Cristiano Democratico

CDU -  Cristiani Democratici Uniti

CCIL -  Confederazione Generale Italiana del Lavoro

CIA -  Central Intelligence Agency

CISL -  Conflderazione Italiana dei Sindacati Liberi

CISNAL -  Confederazione Italiana Sindacati Nazionale dei Lavoratori

CLN -  Comitato di Liberazione Nazionale

CLNAI -  Comitato di Liberazione Nazionale Alto Italia

DC -  Democrazia Cristiana

ENAS -  Ente Nazionale Assistenza Sociale

ENI -  Ente Nazionale Idrocarburi

EU -  Europäische Union

FAR -  Fasci d'Azione Rivoluzionaria

FdG -  Fronte della Gioventü

Fl -  Forza Italia

FIAT -  Fabrica Italiana Automobile Turino

FIR -  Föderation International des Resistents

FUAN -  Fronte Universitario d'Azione Nazionale

HIAG -   Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS e.V.

IRI -  Istituto Ricostruzione Industria

KP -  Kommunistische Partei

Montedison -  Gruppo Chimico-finanziario

MSI -  Movimento Sociale Italiano

OSS -  Office of Strategie Service

PCI -  Partito £omunista Italiano

PdA -  Partito d'Azione

PDS -  Partito Democratico di Sinistra

PLI -  Partito Liberale Italiano

PNF -  Partito Nazionale Fascista

PPI -  Partito Popolare Italiano

PRC -  Partito della Rifondazione Comunista (=RC)

PRI -  Partito Repubblicano Italiano

PSDI -  Partito Socialdemocratico Italiano

PSI -  Partito Socialista Italiano

209


P2 -  Propaganda Due (Geheimloge)

RAF -  Rote Armeefraktion

RAI -  Radiotelevisione Italiana

RC -   Rifondazione Comunista (=PRC)

SAM -  Squadre d'Azione Mussolini

SID -  Servizio Informazione Difesa

SIFAR -  Servizio Informazione Forze Armate

SpA -  Societä per Azione

UIL -  Unione Italiana Lavoratori

210


Personenregister

A

Alf, Sophie 205 Agnelli, Susanna 196 Agnelli, Gianni 164,196 Allavena, Giovanni 76 Allende, Salvador 57f., 68,134 Almirante, Assunta 173,187 Almirante, Giorgio 28ff., 34, 38ff.,

47ff., 85, 91f., 1131, 126, 167ff.,

187, 205

Aloja, Giuseppe 101 f. Ambrosoli, Giorgio 127 Anderson, Massimo 48 Andreotti, Giulio 44, 60, 76, 96,

1091,111,115ff., 122,126f,

136ff., 142, 145,162 Angiolillo, Renato 64 Angleton, James 78 Anselmi, Tina 94, 110,118 Arcaini, Giuseppe 122 Argoud, Antoine 101 Armao, Roberto 129 Audisio, Walter 21 Augusti, Alceste Nulli 102

B

Badoglio, Pietro 17, 20 Baghino, Cesco Giulio 173 Balaguer y Alba, Jose Maria Escreivä

de 134

Barbieri, Daniele 25, 47, 73, 124, 205 Bardeche, Maurice 89 Baroni, Giancarlo 49 ' Bartholomew, Reginald 182 Battaglia, Roberto 18, 205 Bellu, Giovanni Maria 59, 64ff., 205 Benni, Alfano 14 Beretta, Davide 49 Berlinguer, Enrico 47, 76, 951,109 Berlusconi, Paolo 157 Berlusconi, Silvio 71, 43, 821,117,

121ff., 130, 134,138, 140ff., 163,

168,1741, 1761,179ff., 185,191, 198ff.

Bernini, Carlo 140

Bertinotti, Fausto 150,192

Bertoli, Gianfranco 75,103

Bianchi, Luciano Ferrari 99

Birindelli, Gino 40,71,781

Bietschacher, Gerhard 195

Bobio, Norberto 152

Boccacci, Maurizio 190ff.

Boetto, Pietro 132

Bonomi, Ivanoe 20

Bontate, Stefano 137

Borghese, Junio Valerio Alfredo Ghezzo Marcantonio Maria dei principi 26, 30, 40, 46, 501, 53, 58ff., 64, 67, 69, 81, 831,189

Borromeo, Maro 99

Bossi, Umberto 8,134, 144, 152, 157,161ff., 174, 198

Boynes, Norberto 132

Braun, Michael 205

Brennecke, Dirck 125

Buontempo, Martina 189

Buontempo, Teodora 170,185,190

Burger, Norbert 195

Buscaroli, Pietro 179

Buscetta, Tommaso 138

Buttiglione, Rocco 142,1851,203

C

Caccavalle, Michele 152

Caccia-Dominiani, Camillo 132

Cacciola, Biagio 103,106

Cagliari, Gabriele 141

Cagol, Margherita 1081

Calabresi, Luigi 81 ff.

Calaret, Bernard 84

Calvi, Roberto 117,121,1231,

128ff., 136, 141,158 Cambiaso, Giacomo 124 Caprio, Giuseppe 127 Carboni, Flavio 131 Carboni, Giacomo 19 Carli, Guido 127

211


Carter, Jimmy 111

Casero, Giuseppe 77

Castogno, Mauro 100

Castellano, Giuseppe 18

Cattaneo, Nicolo 124

Cefis, Eugenio 124,129

Charmichael, Stokely 97

Chian Kai-shek 126

Ciampi, Carlo Azeglio 122,145

Ciglieri, Carlo 65f., 69

Cipriano, Antonio 59f., 78,100,105,

132,139 Cipriano, Gianni 59f., 78,100,105,

132, 139 Clark, Mark 61 Clinton, Bill 180,182 Coco, Francesco 104 Codignoni, Angelo 148 Cohn-Bendit, Daniel 97 Colby, William 68, 114 Coletti, Lucio 184 Corrocher, Garziella Teresa 130 Cossiga, Francesco 111,174f. Cossutta, Armando 143,192 Covelli, Afredo 41,167 Craxi, Bettino 130,141f., 145,168f.,

201

Curcio, Renata 100,104,107ff. Cusani, Sergio 141

De Marzio, Ernesto 41

De Michelis, Gianni 140

De Sario, Raffaele 53

Degli Occhi, Adamo 75

Del Boca, Angelo 35, 205

Del Re, Alisa 99

Del Ultri, Marcello 148

Delfino, Raffaele 114

Della Chiesa, Alberto 104

Delle Chiaie, Stefano 52f„ 77,189f.

Delors, Jacques 82

Di Pietro, Antonio 129,140,143f.,

201

Dimitroff, Georgi 205 Dini, Lamberto 122,145,160, 200f,

203

Dotti, Vittorio 151 Dulles, Allen 55 Dünn, James 25 Durnwalder, Luis 196 Dutschke, Rudi 98

E

Eichmann, Adolf 131

Einaudi, Luigi 43

Elsässer, Jürgen 196

Emanuele, Vittorio IM. 12

Engdahl, Per 89

Evola, Julius 28, 34ff., 51, 54

D

D'Alema, Massimo 200f.

D'Annunzio, Gabriele 177,202

D'Avanzo, Giuseppe 59, 64ff., 205

De Benedetti, Giulio 65

De Carolis, Agostino 113

De Felice, Renzo 182,205

De Gasperi, Alieide 24ff., 43,108

De Lorenzo, Francesco 140

De Lorenzo, Giovanni 57, 59, 61ff.,

73, 77,101f., 121, 126 De Luca, Maurizio 125 De Madrone, Edoardo Visconti 124 De Marco, Giovanni 85 De Marsanich, Augusto 38, 39

F

Facchinetti, Loris 54

Faenza, Roberto 62, 64

Falcone, Giovanni 136

Fanali, Dulio 74

Fanon, Frantz 98

Fassio, Romano 49

Ferraris, Luigi Vittorio Graf 42, 206

Fini, Marco 205

Fini, Gianfranco 7f., 42, 48, 92f.,

134.157,160, 167ff., 180ff., 190,

198, 200ff. Fiore, Roberto 193 Fiori, Publio 154 Fischer, Heinz-Joachim 182

212


Flick, Cianni Maria 201

Fo, Dario 155

Foa, Vittorio 26

Forlani, Arnoldo 118

Foschi, Franco 118

Franceschini, Alberto 107,109, 206

Franco, Behamonte Fransicso 34,134

Franco, Massimo 206

Fredda, Franco 87

Friedrich I. 162

Fromm, Rainer 93, 206

Fucik, Julius 9

G

Caddi, Giuseppe 83, 206

Galli, Giorgio 75,120,130, 206

Gallo, Ettore 159

Gardini, Raul 141

Gardner, Richard 97

Garibaldi, Giuseppe 98,119

Garrido, Roberto 58

Garritano, Giuseppe 18, 205

Garrone, Riccardo 124

Gasparri, Enrico 132

Gasparri, Pietro 12

Gauchon, Pascal 91

Gedda, Luigi 132

Gehlen, Reinhard 83

Gelli, Licio 67,117,119,121ff., 124,

126, 130ff., 141,145, 147, 150,

153f.

Genovese, Vito 135 Genscher, Hans Dietrich 165 Gentile, Giovanni 179 Geraci, Antonio 117 Giannettini, Guido 86, !01ff. Gigliotti, Frank Bruno 119 Giolitti, Giovanni 14 Gionfrida, Mario 49 Giovanna, Mario 27, 35, 205f. Girrotto, Silvano 88, 104,109 Goebbels, Joseph 154 Goppel, Alfons 85 Gorbatschow, Michael 167

Gramsci, Antonio 14f., 51, 95,100,

192

Graziani, Clemente 86,189 Graziani, Reinaldo 189 Graziani, Rodolfo 44 Greggi, Agostino 54 Groß, Johannes 167 Grund, Johanna Christina 195,206 Guarino, Mario 123,146, 154, 207 Guerri, Sergio 127 Guevara, Ernesto Che 97

H

Habsburg, Otto von 85

Haffner, Sebastian 7,198, 206

Haiderjörg 196

Haig, Alexander 129

Härtung, Erhard 195

Harvey, William 64

Hausmann, Friedericke 120, 206

Henke, Eugenio 74, 77,101

Himmler, Heinrich 95

Hindenburg, Paul von Beneckendorff

und von 13,175 Hitler, Adolf 9,13, 83, 88f., 91, 93,

114, 119, 134, 161,169, 190,193,

197

HochiMinh 97 Horsey, Outerbridge 62, 97

Irnberger, Harald 47, 72, 79, 82, 206

J

Jansen, Giovanni Battista 132 Januzzi, Livio 104f. Jordan, Colin 90

K

Kahn, Jean 181

Kappler, Herbert 20, 33, 87ff.

Kappler-Wenger, Anneliese 89

Karamessines, Thomas 62

Kastljoerg 67

Kennedy, John F. 61, 66

213


Kernbach, Barbara 93 Kesselring, Albert 19 Kienesberger, Peter 195 Kissinger, Henry 70, 77, 96 Kohl, Helmut 82f., 182, 195

L

LaMalfa, Ugo 164

La Valle, Raniero 65

Lagaillarde, Pierre 101

Larini, Silvano 141

Le Pen, Jean-Marie 93,163,196

Leccisi, Domenico 186f.

Leo XIII., Papst 131

Leone, Giovanni 43

Lo Vecchio, Giuseppe 76

Locatelli, Goffredo 170,175,178,

182f., 206

Longo, Luigi 16,20, 76 Longo, Pietro 118 Loredan, Alois 90 Losano, Mario G. 8,149,152,161,

168, 176,179,181,206 Lukasek, Kurt 196 Lumumba, Patrice 98 Lunetta, Gaetano 69 Lusso, Emilio 10, 206

M

Magnago, Silvius 194 Maiola, Tiziana 138 Malagugini, Alberto 26 Malcolm X 97 Manca, Enrico 118 Manes, Giorgio 65, 69 MaoZedong 97,102 Marchesini, Massimo 52 Marcinkus, Casimir 126ff. Martelli, Claudio 141 Martin, Graham 70f., 78 Martinazzoli, Mino 142 Martini, Daniele 170,175,178,

182f., 206

Martino, Antonio 154 Marx, Karl 57, 206

Marzio, Ernesto 167 Matacena, Amadeo 124 Mattarella, Piersanti 116,137 Mattei, Enrico 64 Matteotti, Giacomo 14,185 Mazzini, Giuseppe 119 MCCone, John 57f., 68 Meichsner, Friedrich 66 Meinhof, Ulrike 98 Meneghini, Gianni 124 Mengele, Josef 131 Menitti, Domenico 169,171f. Messina, Leonardo 118 Miceli, Vito 70, 72, 74, 76ff., 83,

101,105,1131, 119,126 Michelini, Arturo 29, 38, 43 Mingarella, Margherita 173 Mitterrand, Frangois 82, 181 Modigliano, Franco 181 Montanelli, Indro 161 Montgomery, Hugh 69f. Monti, Attilio 123 Montini, Giovanni ßattista 1321,

s.a. Paul VI., Papst Moravia, Alberto 76 Moro, Aldo 39, 41, 59, 61, 66, 69,

74, 94ff., 103, 1051,110ff., 120,

133, 138, 167 Moro, Eleonora 96,110 Moro, Giovanni 96 Moroni, Primo 98,1651 Morris, Max K. 125 Morsello, Massimo 193 Mosley, Oswald 89f. Mussolini, Alessandra 173,175,186,

189 Mussolini, Benito 7ff., 26, 29ff., 35,

38, 431, 50ff., 821, 93,114,116,

119,131, 133,161, 167ff., 180ff„

193,197 Mussolini, Vittorio 173

N

Nardi, Gianni 811 Negri, Antonio 99

214


Nencioni, Castone 124 Nenni, Pietro 16,133,207 Niermann, Hermann 195 Nietzsche, Friedrich Wilhelm 35 Nigt, William 97 Nixon, Richard M. 61f., 125 Nolte, Ernst 182 Nitrizio, Nino 64

O

Ohnesorg, Benno 98 Olivetti, Cino 14 Orlando, Leoluca 138f. Orlando, Vittorio Emanuele 14 Ortolani, Umberto 131 Ottaviani, Alfredo 55, 133

P

Pace, Alessandro 147,159

Pacelli, Eugenio, s.a. Pius XII.

Pacciardi, Randolfo 74f.

Page, Nelson 65

Pahlavi, Ciro 129

Pahlavi, Reza, Schah 129

Panerai, Paolo 125

Pansa, Giampaolo 207

Papadopulos, Ceorghis 72

Papandreu, Andreas 181

Papen, Franz von 161

Parenti, Tiziana 151

Parri, Ferruccio 20, 23

Pasolini, Pier Paolo 76

Pasti, Nino 69

Paul VI., Papst 132f., s.a. Montini,

Ciovanni Battista Paul II., Papst 129,134 Pazienza, Francesco 129,131 Pecchioli, Ugo 186 Pecorelli, Mino 122,138 Pella, Giuseppe 43 Perön, Juan Domingo 119,161 Pertini, Alessandro (Sandra) 20, 76,

131,168

Pesenti, Carlo 124 Petacci, Clara 21

Pettinato, Concetto 38f, 54

Piaggio, Andrea Maria 124

Piaggio, Rocco 124

Piccoli, Flaminio 129

Pieck, Wilhelm 205

Pieczenik, Steve 111

Pietra, Italo 65

Pilo, Gianni 149

Pinar, Blas 91

Pinelli, Giuseppe 81,99

Pini, Giorgio 29

Pinochet, Augusto 34, 57, 73, 85, 88,

92,134

Pintor, Luigi 112 Pisetta, Marco 104 Pistolese, Mario 64 Pius XI., Papst 12,15, s.a. Achille

Ratti Pius XII., Papst 131f., s.a. Pacelli,

Eugenio

Pivetti, Irene 134 Plebe, Armando 34 ff. Poletti, Charles 135 Poletti, Ugo 129 Porta, Stefano 124 Prevetti, Cesare 154 Priebke, Erich 88 Priester, Karin 207 Priester, Karlheinz 89 Prodi, Romano 145, 200 Prowisionato, Sandro 110

R

Rachali, Stefano 123

Ragno, Gino 85

Raith, Werner 60, 99,105,112,118, 1851,192

Raskin, Marcus 68

Ratti, Achille, s.a. Pius XI.

Rauti, Pino 28, 30, 34, 39, 41 f., 47ff., 60, 62, 70f., 74, 79, 83ff., 90, 92, 101f., 105f., 167, 169ff., 174, 180, 183, 187, 189f., 198ff.,203

Reinhardt, Frederick 62

Rennerjens 155,187

215


Ricci, Ugo 61, 66, 74 Riina, Salvatore 137 Roberto, Gianni 48 Rocca, Renzo 63ff., 69, 82 Rockefeiler, Familie 68,129 Rockwell, Lincoln 90 Rodocanchi, Jean 124 Rommel, Erwin 17 Romualdi, Pino 29, 42 Roques, Valeska von 153,162,177 Rosenbaum, Petra 207 Rosicarelli, Patrizia 188 Ruggeri, Giovanni 123,146,154,

207

Ruppert, Miriam 58 Russo, Alfio 64 Rutelli, Francesco 175

Sindona, Michele 62, 94,109,114, 119,121, 124ff., 130,133, 136, 158

Siri, Giuseppe 133

Skorzeny, Otto 83

Smith, Bedell 207

Sogno, Edgardo 60

Sommer, Frank 81

Spadolino, Giovanni 64

Spellmann, Francis 126,133

Sprangl, Franz 131

Stone, Howard 118

Strasser, Gregor 169

Strauß, Franz Josef 85f.

Stübler, Dietmar 15

Sturzo, Don Luigi 11, 43

Svoray, Yaron 88

S

Saccucci, Sandra 77, 81 Salandra, Antonio 14 Salazar, Antonio de Oliveira 34 Salimi-Asl, Cyrus 137 Sangiorgio, Corrado 74 Saragat, Giuseppe 24, 65 Sardi, Adolfo 118 Sartre, Jean Paul 98 Scalfari, Eugenio 129,179 Scalfaro, Oscar Luigi 178 Scelba, Mario 44 Schleyer, Hanns Martin 111 Schütter, Horst 125 Schmidt, Helmut 111 Schönhuber, Franz 93,163,193 Schubert, Gerhard Hartmut von 90 Schwammberger, Josef 132 Scoccimarro, Mauro 15,22 Sechi, Salvatore 184 Segni, Antonio 43, 64 Segni, Mario 142 Selva, Gustavo 118 Serafini, Sandra 99 Seravallo, Gerhardo 60 Servello, Franco 169,172 Shear, NATO-Befehlshaber 68

T

Tambroni, Fernando 43,133 Tanasi, Mario 72 Tartarella, Giuseppe 1791 Tasca. Angelo 10, 208 Taviani, Emilio 76 Tedeschi, Mario 27, 64 Terracini, Umberto 15 Thadden, Adolf 90 Thiriart, Jean 65, 90 Togliatti, Palmiro 15,205 Tosches, Nick 127,130 Trautmann, Günter 206 Tremaglia, Mirko 178 Turner, Stansfield 125

U

Uesseler, Rolf 143,147 Ullrich, Hartmut 206 Urbani, Giuliano 152

V

Valpreda, Pietro 81,99 Ventura, Giovanni 86f. Violante, Luciano 123 Vizzini, Calogero 135 Volpe, John 62, 96f, 126

216


w

Walker, Walter 90

Walters, Vernon Anthony 58, 61ff.,

68

Weingartner, Wendelin 196 Wintzek, Bernhard 91 Wucher, Albert 67

Z

Zamora, Jaime Paz 88

Zoli, Adone 43

217


Sachregister

A

Achse Berlin-Rom 93,193

Alleanza della Liberta, auch Polo della

Liberta 7, 153, 176f., 198 Alleanza Nazionale (AN) 8, 42, 84,

92,134, 156,159f, 167,173,

176ff., 1801,183ff., 190f., 198 Allied Military Government of Occu-

pied Territory (Amgot) 23,25,135 Alto Adige - Oberetsch 193ff., s.a.

Südtirol

American Nazi Party 90 American Jewish Commitee 183 Amici delle Forze Armate 50 AnnoZero 52,189 Antihitlerkoalition 25,114,193 Antikommunistische Weltliga 90 Apparate Mondiale Segreto d'Azione

Rivoluzionario 102 Apertura a Sinistra 61, 66, s.a. Centro

Sinistra Arco Costituzionale - Verfassungs-

bogen 45,168 Ardeatinische Höhlen 20, 88 Assalto 54

Associazione Brigate Nere 56 Associazione Movimento Politico Forza Italia 151, s.a. Forza Italia Associazione Nazionale Arditi d'Italia

56 Associazione Nazionale Arma Milizia

56 Associazione Nazionale Combattenti

di Spagna 56 Associazione Nazionale Forza Italia

148, s.a. Forza Italia Associazione Paracadudisti Italiani 56 Associazione per L'Amicizia Italo-Ger-

manico 85

Autonomia Operaia 98f., 101,104f. Avanguardia del Popolo 191

Avanguardia Nazionale 47, 52ff.,75,

77,189

Avanguardia Nazionale Giovanile 52 Azione Cattolica 132 Azione Skinheads 190f.

B

Blocco Störico 14,95

Blood and Honour 193

Brigate del Popolo 20

Brigate Nere 50, 84

Brigate per la Giustizia e Liberta 20

Brigate Rosse 68, 88, 98ff., 100ff.,

111ff., 133,138 Bundesnachrichtendienst (BND) 81 ff.,

104, 111 Bundeswehr 82, 86

C

Camice Nere 19

Camice Verde 49

Camorra 136, s.a. Mafia

Central Intelligence Agency (CIA) 25,

57ff., 77, 81f., 86ff., 100ff., 108,

114,118f., 125f., 132, 182,

auch Company oder Langley Centro Cristiano Democratico (CCD)

142, 201 f. Centro Destra 115 Centro Sinistra 39, 74,108,121,133,

158, 198ff.

Centro Studio Contemporaneo 122 ClubofRome 126 Comitati Civici 132 Comitati Tricolori per gli Italiani nel

Mondo 49, 84,188 Comitato Difesa Civiltä Cristiana 54 Comitato di Liberazione Nazionale

(CLN) 19ff.,23, 26 Comitato di Liberazione Nazionale

Alto Italia (CLNAI) 22f. Compromesso Störico 94ff., 109, 167 Confederazione deN'Agricoltura (Con-

fagricoltura) 12,124

218


Confederazione dell'lndustria (Confin-

dustria) 12,39,124f. Confederazione Generale Italiana del

Lavoro(CCIL) 24,48 Confederazione Italiana dei Sindacati

Liberi (CISL) 48, 188 Confederazione Italiana Sindacati Na-

zionali dei Lavoratori (CISNAL) 31,

43, 47ff.,84, 187, 190 Corpo Italiano di Liberazione 25 Cosa Nostra 118,125,136ff., s.a.

Mafia

Costituente 24, 29, s.a. Verfassunggebende Versammlung Costituente di Destra 40 Costituente Nazionale Rivoluzionaria

53 Cristiani Democratici Uniti (CDU)

142, 201 ff.

D

Decima MAS, X. Motoscafo Antisom-mergibile Squadra 26, 50, 56, 64

Defense Intelligence Agency 61

Democrazia Cristiana (DC) 19f., 23, 28, 39ff., 43f., 54, 59, 61, 73, 75f., 94ff., 108ff., 113ff., 118f., 121, 125,127,129, 132ff, 137f., 140ff., 161ff., 168f., 174, 188

Democrazia Nazionale 41f., 46, 85, 114, 167

Democrazia Proletaria 94

Destra Nazionale 38, 40,176

Deutscher Herrenklub 35

DiakronSpa 148f., 151

Die Republikaner (REP) §3,163

Dreibund 11

Duce del Fascismo, kurz Duce 7ff., 28f., 33, 35, 43, 55, 79, 82,131, 169f, 173, 175,178, 186

E

Einheitliche Europäische Sozialbewegung 90

Ente Nazionale Assistenza Soziale

(ENAS) 84 Entente 11,193 Europa Civiltä 54f. Europäische Akademie 90 Europäische Befreiungsfront 90 Europäische Sozialbewegung 89 Europäisches Parlament 85, 92,181,

195

F

Falchi Neri 56

Farefronte 189

Fasci 91, 170

Fasci d'Azione Rivoluzionaria (FAR)

28,49

Fasci Italiani di Combattimento 9f. Fasci dei Lavoratori 9 Federazione Socialista Siciliana 9 Fenice, Phönix 55, 75, s.a. Nuova

Fenice Fininvest 122f., 146ff., 150ff., 179,

188, 201 f. Forza Italia (Fl) 7, 82, 92,122,134,

138, 140ff., 148f., 150ff., 176,

188, 198, 200, 2O2f. Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)

196

Freundeskreis Himmlers 35 Fronte della Gioventü (FdG) 31,42,

48f., 51,167, 188f. Fronte del Sud 191 Fronte Nazionale 50, 53, 60, 71, 75 Front National 93,163,196 Fronte Universitario d'Azione Nazionale (FUAN) 31, 49, 89,103f.,

106,188 Fuerza Nueva 91

C

Garibaldibrigaden 20,186 Geheimloge P2 (P2) 33, 59, 62,113,

117, 120f, 125, 134,145, 150,

154, 168 Gestapo 19

219


Giovane Europa 49, 90 Giovane Italia 48 Gioventü Nazista 191 Giustizia e Liberta 17,19 Gladio 53, 57, 59ff„ 78, 96,105,

109f.

GliAntenati 189 Gli Verdi 175

Gran Consiglio del Fascismo 13 Grande Oriente d'ltalia 1181,121 Gruppi d'Azione Nazionale 54 Gruppi d'Azione Rivoluzionario 52 Gruppi di Ricerca Ecologia 188 Gruppo Azzurro 56 Guardia Nazionale Repubblicana 19,

50

H

Hans-Seidel-Stiftung 85 Heiliger Stuhl 15, s.a. Kurie, Vatikan Hermann-Niermann-Stiftung 195 Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit

der ehemaligen Angehörigen der

Waffen-SS (Hiag) 84 Hohes Kommissariat zur Verfolgung

von Regimeverbrechen 25

I

II Punto 191

Institute for Policy Studies 68, 70

Istituto per POpere Religiöse 119,

126,128f. Italia Unita 75

K

Konkordat 15, s.a. Lateranverträge Kurie 55,128,131, s.a. Heiliger Stuhl, Vatikan

L

La Fiamma, AN-Sportverein 188, auch Liste Rautis zur Parlamentswahl 1996

La Rete, Movimento per la Democrazia 138

Langley, Sitz der CIA 62, 64, 68, 70,

73,82,101,118

Lateranverträge 15, s.a. Konkordat Le API 188

Lega Lombardia 162, s.a. Lega Nord Lega Nazionalpopolare 191 Lega Nord 7f., 92,134,142,152,

156ff., 161ff., 173f., 188,198, 202 Legge Scelba 44f. Legione Nera 51 Libera Italia 151

Lotta Armata per il Comunismo 87 Lotta Continua 99,103

M

Mafia 32f., 62, 96, 116f., 124ff.,

129ff.,135ff., 142, 146f., 151,

162f, 174

Manifest von Verona 30,169,190 Mane Pulite 140,144,157,168, 201 Marco Polo, Skin-Zentrale 193 Marsch auf Rom 12,132,160,167,

170,172f.,175, 177f.,180, 185 Matteottibrigaden 20 Matteottikrise 141,131 Meridiano Zero 189 Mezzogiorno, Süditalien 32, 44, 48,

98,108,162ff. Militärischer Abschirmdienst (MAD)

89

Milizia Volontari per la Sicurezza Nazionale 13

Missini 30,41,441,91, 175 Monarchie, Königshaus 10,17, 20,

24,27 Movimento d'Azione Rivoluzionaria

55,75 Movimento d'lntegrazione Europeo

54 Movimento d'Opposizione Nazionale

186

Movimento Integralista 81 Movimento Politico Occidentale

190ff.

220


Movimento Politico per la Base Auto-noma 190

Movimento Sociale Italiano (MSI) 71, 27ff., 76ff., 84ff., 90ff., 101, 103 105f, 118, 124,126, 132ff., 154, 167ff., 183ff., 189f., 192, 196, 202

Movimento Sociale Tricolore - La Fiamma 187

N

Nationale Europäische Partei 90 Nationaldemokratische Partei

Deutschlands (NPD) 90f. Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) 161,169 NATO 231, 37, 40, 55, 57, 59ff., 71ff.,86f.,96,100ff., 110,114, 118, 197 Naziskins, auch Skins 185,189ff.,

192

Ndrangheta 136, s.a. Mafia Nuclei Armati Proletari 100,105 Nuova Fenice, Neuer Phönix 55, s.a. Fenice

O

OAS 101 f.

Odessa 83, 89

Office of Strategie Service (OSS) 68,

78,119,132

Opera Nazionale Dopolavoro 16 Ordine Nero, auch Ordine Nuovo 28,

44, 47, 49, 51ff., 75, 83, 86, 90,

189

P

P2 46, 53, 67, 75, 82, 94, 96,109f., 117f., 119f., 121ff., 126ff., 130ff., 136ff., 141,144, 147,150,153f., 159,168, s.a. Geheimloge P2 Paladin, Gruppe 90f. Paneuropäische Union 85 Parti des Forces Nouvelles 91 Partito Comunista Italiano (PCI) 11, 14ff., 39ff., 45, 47f., 60, 63, 661,

69, 73, 751, 91, 94ff., 109,111,

113,1151, 1201,133, 137,143,

1531, 167 Partito della Rifondazione Comunista

(PRO 143 Partito Democratico di Sinistra (PDS)

94,140,1431, 153,156ff., 168,

173, 186, 190,192,201 Partito d'Azione (PdA) 19, 22 ff. Partito Fascista Repubblicano 33 Partito Liberale Italiano (PLI) 111,

39fl, 1151, 140,143,168 Partito Monarchico 32,40ff. Partito Nazionale Fascista (PNF) 10,

12, 14, 16,291,33,43, 176 Partito Popolare Italiano (PPI) 111,

19, 43, 134,142,144, 158, 1851,

188,2011 Partito Repubblicano Italiano (PRI)

39ff., 66,95, 143,164 Partito Sozialdemocratico Italiano

(PSDI) 39ff., 53, 94, 118, 143 Partito Sozialista Italiano (PSI) 11,14,

16ff., 22ff., 39, 45, 611, 66, 76,

94,98,111,115,118,130,133,

140ff., 1681,174 Patto per l'ltalia, auch Patto Segni

142 Pentagon 55,59,611,721,77,

1001,108,1251, 182,197 Piano Solo 59,631,651,72 Potere Operaio 99,103 Prima Linea 99 Programm von San Sepolcro 10

R

Radiotelevisione Italiana (RAI) 75,

118,125,158,179 Raggruppamento Gelli 119,121 Repubblica Sociale Italiana (RSI) 181,

22, 29ff., 38, 431, 51,176, 180,

184,189, s.a. Said-Republik Resistenza 17, 22ff., 48, 96, 98,159,

168,197

221


Rete, Movimento per la Democrazia

138 Rifondazione Comunista (RC) 150,

153, 157f., 174, 185,190, 192,

s.a.PRC Risorgimento 15 Rosa dei Venti 53, 60, 73, 75ff., 81,

83f., 91,126

S

Saint Germain en Laye, Friedensvertrag von 193,195

Salö-Republik 26, 28, 33, 50f., 54ff., 84, 168f., 171, 176,178f, 184, 190, s.a. RSI

Servizio Informazione Difesa (SID), Italienischer Abwehrdienst 70, 72, 74, 81,83, 86, 89, 101 ff., 119

Servizio Informazione Forze Armate (SIFAR), Militärischer Geheimdienst 60, 63f., 66, 78,101, 121

Skinheads 190

Skinheads d'Italia 190

Spannungsstrategie 38, 42, 53, 57f., 65, 68f., 72, 75f., 82f., 86ff., 91, 94, 97, 100,105,113ff., 120,130, 192

Squadre d'Azione Fascista (SAF) 9ff., 191

Squadre d'Azione Mussolini (SAM) 28,55

Squadrismo, Terror der Sturmabteilungen 28, 47, 52f., 55, 116

State Department 25, 62, 96f., 108, 182

Stella Rossa 87

Stille Hilfe Südtirol 195

Südtirol 193ff., s.a. Südtirolfrage, Alto Adige

Südtiroler Volkspartei (SVP) 194

U

Unione Italiana Lavoratori (UIL) 48, 188

Unione Nazionale dei Combattenti

della RSI 56 Uomo Qualunque 25 ff.

V

Veneto Fronte Skinheads 190 Verfassungsgebende Versammlung

24, 26,108, s.a. Costituente Volontari dei MSI 49 Vatikan 18, 33, 62f., 881,117,

124ff., 129, 130ff.,186, 189,

s. a. Heiliger Stuhl, Kurie

W

Wehrmacht 17ff., 33

Weltbund der Nationalsozialisten 90

222


Der Autor

Dozent Dr. sc. Gerhard Feldbauer habilitierte 1981 in der DDR zum Thema »Italienischer Faschismus«. Er arbeitete viele Jahre als Korrespondent u.a. in Indochina und Italien. Er veröffentlicht aktuelle Beiträge über Italien, u.a. in der jungen Welt und im Neuen Deutschland.

223


Im Gründungsland des Faschismus durften sich genau

49 Jahre nach der endgültigen Niederlage von Mussolini und

Hitler die Enkel des »Duce« an einer italienischen Regierung

beteiligen. Die Italienische Sozialbewegung (MSI) war zuvor

drittstärkste Partei des krisengeschüttelten Landes geworden.

Obwohl die Regierung Berlusconi im Dezember 1994

zurücktreten mußte, befindet sich die Sozialbewegung,

inzwischen in Aleanza Nazionale umbenannt, unter ihrem

Führer Fini im Aufwind.

Der ehemalige Italien-Korrespondent Gerhard Feldbauer

informiert kompetent über alle wesentlichen Aspekte

des italienischen Neofaschismus, seine historischen Vorläufer,

seine terroristischen Aktivitäten, seine Verbindungen zu

Geheimdienstkreisen, zur Mafia und zum Vatikan und seine

aktuellen Chancen.

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