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Partisanen kommen...!!

partisanInnen

junge welt
21.03.2005

»Entschuldigungen kosten nichts«

* Luigi Borgomaneri ist Historiker am Mailänder Institut ISEC und Gutachter für Kriegsverbrecherprozesse in Italien. Mitte März war er unter dem Motto »Arivano i partigiani! Partisanen kommen!« auf einer Rundreise in der BRD.


F: Für die Rundreise »Arivano i partigiani!« in Vorbereitung des 60. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus waren drei Partisanen aus Italien angekündigt. Nun mußten Sie als Nachkomme die Veranstaltungen allein bestreiten. Was ist geschehen?

Leider geht die Zeit auch an den Helden nicht spurlos vorbei. Die drei eingeladenen Partisanen hatten sich gefreut, vor allem mit jungen deutschen Antifaschisten sprechen zu können. Aber Onorina Brambilla vom Kommandostab der 3. Garibaldi-Brigade der GAP (Grupo di Azione Pattriotica), Partisanin Annunziata aus der Reggio Emilia und Carlo Talamucci von der 3. GAP-Brigade »Lombardia« sind krank.

F: Was bewegte Sie, in das Land der Täter zu fahren?

Mein Vater war Kommandeur einer Partisaneneinheit, er wurde von den Deutschen getötet. Ich wurde von meinem Großvater aufgezogen. Er brachte mir bei, zwischen Deutschen und Nazis zu unterscheiden. Es waren Deutsche, die zuerst unter dem deutschen Faschismus zu leiden hatten, es waren deutsche Kommunisten und andere Linke, die zuerst ermordet wurden. Es gab ein anderes Deutschland, das leider von Nazis besiegt wurde.

F: Wie stehen Sie zur Ablehnung Deutschlands, italienische Zwangsarbeiter zu entschädigen?

Die BRD zahlte in den 50er, 60er Jahren kleinere Summen als Entschädigung und beruft sich heute darauf. Es ist leicht, sich zu entschuldigen – das kostet ja nichts. Entschuldigen ja, aber keine Kosten übernehmen, das ist die heutige Politik. In Italien wird so zum ersten Mal in der Geschichte das Gedenken zum Jahrestag der Befreiung nicht von der Regierung finanziert. Kein Euro, und das am 60. Jahrestag! Statt dessen ein neues Gesetz, das den italienischen Faschisten die gleiche Stellung einräumt wie den antifaschistischen Partisanen. Die Linke schenkt dieser Entwicklung zu wenig Aufmerksamkeit.

F: Welche Gefahren sehen Sie dabei?

Die Veränderung der Verfassung in Italien zielt auf eine Stärkung der Exekutive, auf ein Präsidialsystem. Deshalb soll die Erinnerung an den antifaschistischen Widerstand ausgelöscht werden. Die italienische Verfassung entstand auf Basis des Partisanenkampfes. Der italienische Geschichtsrevisionismus, die erfolgreiche rechte Kulturpolitik und die Schwäche der Linken führen zu einer schrittweisen Rehabilitation des Faschismus in Krieg und Frieden. Die ideologischen Angriffe auf den antifaschistischen Widerstand nehmen zu. Deshalb konnten die heutigen Faschisten ihre Isolation durchbrechen.

F: Italienische Geschichtsrevisionisten behaupten, die Angriffe der Partisanen auf die deutschen Besatzer hätten zu hohen Opfern unter der Zivilbevölkerung – vor allem durch die deutschen »Vergeltungsmaßnahmen« – geführt. Sie seien deshalb unmoralisch und kontraproduktiv gewesen.

Zunächst ist festzuhalten, daß jede Bevölkerung das Recht hat, sich zu verteidigen. Jeder, der aufgrund eines Partisanenangriffs Repressionen gegen die Bevölkerung in Gang setzt, ist ein Verbrecher. Und sieht man sich die Geschichte der deutschen Besetzung in Europa an, so erkennt man, daß es den Vernichtungskrieg gegen die Bevölkerung auch ohne Partisanenaktivitäten gegeben hat. Wir haben es in Italien nicht mit einem Vernichtungsfeldzug wie gegen die Sowjetunion zu tun, wohl aber mit Hunderten Massakern von Sizilien bis Norditalien. Es gab drei Arten von deutschen Massakern in Italien: Zunächst den Terror gegen die Zivilbevölkerung, um zu verhindern, daß sich eine organisierte Widerstandsbewegung überhaupt entwickelt. Dann ab Sommer 1944 die Massaker, um sich den Rücken freizuhalten. Und schließlich die »Massaker der letzten Tage«, als bereits klar war, daß der Krieg verloren ist. Es ist völlig verlogen, wenn jemand sagt, daß die Massaker eine Reaktion auf das Handeln des italienischen Widerstandes gewesen seien.