Jörg Haider in Österreich, Silvio Berlusconi in Italien,
Jean-Marie Le Pen in Frankreich, Carl Ivar Hagen in Norwegen, Filipp
Dewinter in Belgien, Christoph Blocher in der Schweiz, Pia Kjaersgaard in Dänemark und Pim Fortuyn in den Niederlanden.
Sie alle gelten in Medien und Politik als Repräsentanten des
Rechtspopulismus in Europa. Nachdem sich der Rechtspopulismus in
den vergangenen Jahren nahezu in ganz Europa etabliert hat, ist
nun auf bundesdeutscher Ebene erstmals auch regional mit Ronald
Schill eine rechtspopulistische Figur erschienen, die eine breite
Wähler- und Anhängerschaft an sich binden kann –
19,4 % für die Schill-Partei bei der Bürgerschaftswahl
in Hamburg am 23.09.2001. Im folgenden werden verschiedene Punkte
eingehend behandelt, die den Rechtspopulismus beschreiben und tiefergehend
beleuchten.
Zentrale Elemente des Rechtspopulismus
Rechtspopulismus markiert im Wesentlichen einen Wechsel von Politikinhalten
zu einem Politikstil und wird von A.Speit in dem Buch »Der
Rechtssprecher – Ronald Schill« durch vier Elemente
charakterisiert:
- »Charismatische Führerschaft«.
Alle populistischen Parteien sind von einzelnen Personen geformt
worden, die fast alleine die Politik bestimmen.
- »Einfaches Volk versus Establishment«. Die charismatische
Person entwickelt für ihre politische Kommunikation die Gegnerschaft
vom »einfachen Mann und/oder Volk« gegen »das
Establishment«. Sie stellt sich dabei als einzigen Politiker
dar, der den Willen der einfachen Bürger versteht und erhebt
sich zu deren »Sprecher« gegenüber den herrschenden
Eliten.
- »Radikale Simplifizierung«. Die charismatische Führungsperson
schafft einen Widerspruch zwischen den eigenen konkreten und verständlichen
Aussagen einerseits und den abstrakten und unverständlichen
Aussagen der »Mächtigen« andererseits. Gefordert
werden zugleich »radikaleinfache Lösungen«, die
bewusst komplexe gesellschaftliche Probleme aus eindimensionalen
Zusammenhängen erklären.
- »Vorurteils- und Angstpolitik« Bei dieser Argumentation
werden in der Bevölkerung verankerte Vorurteile und Ängste
aufgegriffen, weiter verstärkt und gezielt für die eigene
Politik instrumentalisiert. Bewusst setzen Rechtspopulisten auf
die Emotionalisierung der Politik. Unterschwellig, aber auch offen
ausgesprochen greifen sie auf deutliche Freund-Feind-Bilder zurück.
Die gesamten sozialen und politischen Probleme projiziert der Populismus
auf bereits ausgegrenzte Teile der Bevölkerung, die als Sündenböcke
herhalten müssen oder als solche aufgebaut werden. Immer wieder
wird eine »Strategie der gezielten Provokation« und
»kontrollierte Tabubrüche« zur Polarisierung eingesetzt.
Die Schill-Partei kann anhand dieser vier Elemente idealtypisch
als rechtspopulistisch klassifiziert werden. Trotz vieler Gemeinsamkeiten
europäischer Rechtspopulisten und ihrer Parolen ist es notwendig,
sich ihre Differenzen genauer zu betrachten. So klingen die rassistischen
Parolen Le Pens: »Frankreich den Franzosen«, Fillip
Dewinters: »Das eigene Volk zuerst«, Pim Fortuyns: »Die
Niederlande sind voll«, Pia Kjaersgaards: »Die Ausländer
kosten Dänemark zuviel« und Ronald Schills: »Die
Ausländer verfrühstücken unseren Wohlstand«
gleich. Dennoch unterscheiden sich die rassistischen Aussagen in
zwei Argumentationsformen. Schills und Fortuyns Rassismus basieren
nicht in erster Linier auf der klassisch völkischen Blut und
Boden-Ideologie, sondern auf der »Verteidigung« des
Wohlstands und der Sicherheitsbedürfnisse der gesellschaftlichen
Mitte. Dem gegenüber formulieren Le Pen und Haider eine biologische
Überlegenheit der weißen europäischen Bevölkerung
und sind aufgrund ihrer positiven Bezugnahme zu nationalsozialistischer
Ideologie (z.B. die Aussage Haiders zur »positiven Beschäftigungspolitik
im III.Reich«) deutlicher dem Rechtsextremismus zuzuordnen.Strategie
der gezielten Provokation
Der rechtspopulistische Politikstil gründet sich auf einen
grenzenlosen Opportunismus. Rechtspopulismus spricht die Vorurteile
und Ängste einer schweigenden Mehrheit an und redet ihr nach
dem Mund. Er ist Sprachrohr und Ventil für eine durch die Medien
aufgeputschte Öffentlichkeit, die zusehends offensiver politische
Tabubrüche für konstruierte Probleme und Ängste verlangt.
Dabei bedient ein rechtspopulistischer Politikstil rückschrittliche,
durchaus faschistische Impulse und ersetzt komplexe Ideen und Projekte
durch einfache Lösungen.
Er hat keineswegs nur die Opfer der Modernisierungen, sondern vielmehr
noch ihre »kleinen« Gewinner vor Augen. Der Rechtspopulismus
bietet dafür ein offenes System an. Dass er sich dabei selber
beständig widerspricht und nie so etwas wie ein widerspruchsfreies
Programm entsteht, versucht er gar nicht zu verbergen. Diese ständig
wiederkehrende Widersprüchlichkeit, das ständige Wechseln
der Realitäts- und Handlungsebenen in nahezu allen Bereichen
ist eines der wesentlichsten Merkmale des rechtspopulistischen Politikstils.
Da ist es vollkommen egal, ob gestern der Gruppe X etwas versprochen
wurde: wenn Gruppe Y heute ein völlig entgegengesetztes Versprechen
oder Statement braucht, wird es geliefert. Hauptsache es dient der
marktschreierischen Inszenierung des Rechtspopulisten.
Die Strategie der gezielten Provokation, der Skandalisierung und
des Tabubrechens schafft dabei die beste Chance, medial Aufmerksamkeit
zu gewinnen (Beispiele der Schill-Partei sind u.a. Schills Bundestagsrede
im September, die Forderung nach »Lagern für infizierte
Ausländer« oder die aktuelle Forderung nach russischem
Kampfgas zur Terrorbekämpfung). Zentrum dieser Strategie sind
die »klassischen« Fixpunkte der Faschisierung gesellschaftlicher
Verhältnisse: Rassismus, Nationalismus, Anti-Modernismus, Law
& Order, ständische und völkische Ordnung der Gesellschaft,
Militarismus, Autoritarismus, Führer-Prinzip usw. Wird ein
Rechtspopulist dabei kritisiert, wird diese Kritik umgehend aufgesogen
und umgedreht. Wenn ihm Rassismus vorgeworfen wird, verdreht er
den Vorwurf seiner KritikerInnen derart, dass er sich selbst zum
Opfer stilisiert. Dies forciert in der Regel eine absurde Umdeutung
von Begrifflichkeiten.
Hass auf alle Nicht-Arbeit
In einer Gesellschaft, der nicht nur die Arbeitsplätze, sondern
gleich die Arbeit selbst abhanden kommt, wird der Hass auf alle
Nicht-Arbeit zentrales Thema des Rechtspopulismus, da Arbeit buchstäblich
alles ist: Erfolg, Identifikation, Selbstwert, Religion. Wie weit
und verhängnisvoll dieser hasserfüllte Diskurs bereits
in unsere Gesellschaft wirkt, beweist nicht zuletzt die Aussage
Kanzler Schröders, dass es »kein Recht auf Faulheit«
gäbe. An die Stelle der Diskussion vom Widerspruch zwischen
Kapital und Arbeit, welche emanzipatorische Perspektiven eröffnet,
setzt der Rechtspopulismus das Gegensatzpaar Arbeit und Nicht-Arbeit.
In der rechtspopulistischen Argumentation wird der grenzenlose Opportunismus
erneut deutlich: Der Rechtspopulist spricht mit seiner Rhetorik
den an, der eine Arbeit hat, um die er zugleich fürchten muss
und durch die er sich von den Nicht-Arbeitenden ausgebeutet fühlt
(und keineswegs von seinem »Arbeitgeber«). Und er spricht
den Arbeitslosen an, dem in seiner Logik letztendlich nur »die
Ausländer« die Arbeit »weggenommen« haben
können.
In diesem absurden Denk-System kann »der Ausländer«
als Sündenbock nur doppelt verlieren: Wenn er die Arbeit für
so wenig Geld macht, für das »der Deutsche« nicht
einmal aufstehen würde, betreibt er Lohndumping und bedroht
»deutschen Arbeitsethos«. Und wenn er dagegen arbeitslos
ist, lebt er angeblich »auf deutsche Kosten«. Dass dieses
geschlossene rassistische System schlicht und ergreifend wahnsinnig
ist, fällt nicht weiter auf, denn auch die etablierten Parteien
»argumentieren« mal mehr mal weniger offen mit diesen
Stereotypen.
Die ganze Welt als Musikantenstadl
Der Rechtspopulismus ist auf der einen Seite der politische Ausdruck
von Reihenhäusern, Musikantenstadl, Kaffeefahrten, Landhausstil
und Trainingsanzügen und auf der anderen Seite der marktschreierische
und ausführende Arm autoritärer Schlipsträger. Noch
bevor er ausdrückt, was alle denken, drückt er aus, wie
alle zu leben haben: in Systemen, die die urbanen »Zumutungen«
des Fremden, des Unerwarteten und Unberechenbaren, der progressiven
Kultur ebenso wie der Subkultur, abweisen. Ein normiertes Leben
in statischen, gesicherten Innenräumen, die den frei zugänglichen,
lebendigen öffentlichen Raum verabscheuen.
Der Rechtspopulist muss zugleich städtisch und anti-urban sein,
um in breiten Bevölkerungsschichten erfolgreich sein zu können.
In seiner Rhetorik zerbricht die Stadt in die neoliberale Beschleunigung,
die sich beispielsweise in der Privatisierung und Flexibilierung
der Arbeitswelt niederschlägt, und in die pseudo-dörfliche
Idylle, die von Sicherheitswahn und Bürgerwehren geprägt
ist. Das alles funktioniert nach dem Prinzip »heimelige Wärme
nach Innen und abgrenzende Kälte nach Außen«.
Der Aufstieg des Rechtspopulismus könnte die Bewegung auf etwas
zu sein, was am ehesten die Bezeichnung »nationaler Turbokapitalismus«
verdient. Das Fremde, Urbane und Intellektuelle wird gehasst, verfolgt
und ausgegrenzt, es sei denn es ordnet sich dem Normen- und Wertesystem
der »Leitkultur« unter, was immer auch mit dem Polizeiknüppel
und Repression durchgesetzt wird (die Vertreibung der Bambule in
HH zum Beispiel). Nicht mehr die Klassen, sondern das Innen und
Außen stehen demnach in Konkurrenz.
Der Kern rechtspopulistischer Programme ist neoliberal und erklärt
die entfesselte Marktwirtschaft zum Naturzustand und soziale Errungenschaften
als wirtschaftliche Entwicklungshemmnisse. Insofern könnte
der Rechtspopulismus eine mögliche Antwort des Kapitalismus
sein, um die heftigen Modernisierungen (mit allen sozialen Katastrophen),
die seine neoliberale Umgestaltung mit sich bringt, seiner Klientel
adäquat zu verkaufen. So überrascht es nicht im Geringsten,
dass sich die etablierten Parteien seit Jahren der Inhalte und Präsentationsformen
des Rechtspopulismus bedienen.
Argumentativ gegen den Rechtspopulismus vorzugehen ist ein Kampf
gegen Windmühlen, da Rechtspopulismus nicht rational funktioniert.
Es ist vielmehr notwendig, den Rechtspopulismus in all seiner Irrationalität
zu demaskieren und verstärkt daran zu arbeiten, gesellschaftliche
Utopien zu diskutieren und zu entwickeln. Eine linke, emanzipatorische
Antwort auf den Rechtspopulismus mit all seinen Erscheinungsformen
und Einflüssen kann demnach einmal mehr nur die grundsätzliche
Infragestellung der kapitalistischen Verwertungslogik an sich sein.
Die »Neue Mitte« bereitet den Weg
Der Rechtspopulismus ist auch in Deutschland mittlerweile eine nicht
zu unterschätzende Größe in der Politik. Sein Einfluss
ist schon heute immens: die meisten bürgerlichen Parteien –
insbesondere die alte und neue Mitte – teilen und vertreten
uferlosen Rassismus, Law & Order-Hysterie , Hass auf sog. »Faule
und Sozialschmarotzer« etc.. So ist es auch hierzulande keine
Frage, ob der Rechtspopulismus noch stärker an die Macht kommen
kann. In gewisser Weise ist er es schon – auch außerhalb
Hamburgs. Rechtspopulismus bestimmt den Mainstream in Politik und
Medien - die »Neue Mitte« bereitet ihm weiter den Boden
und bedient sich seiner Mechanismen nach Kräften.
|