(Quelle: lucpac@freenet.but.fi (luc pac))
Die Neuigkeiten bezüglich der polizeilichen Repression gegen AnarchistInnen, die am Dienstag den 17.9. in der Verhaftung zahlreicher Personen gipfelte (Operation "Pontelungo" A.d.Ü.: ="lange Brücke"), überbracht vom Verteidigungskomitee der AnarchistInnen, sind folgende:
Inzwischen wissen wir, daß einer der am Dienstag Festgenommenen, Salvatore Gugliara - in Turin verhaftet, SICH SEIT DEM TAG SEINER VERHAFTUNG IM HUNGERSTREIK BEFINDET, um gegen diese abstrus konstruierte Anklage zu protestieren. Bis jetzt ist er noch einigermassen bei Kräften, aber es geht ihm laufend schlechter, auch weil er ärztlichen Beistand ablehnt, da die Knastleitung sich geweigert hat, ihm seine klinischen Daten vom Knasteintritt auszuhändigen.
Bis Dienstag, den 24.9., werden alle Verhafteten vom Staatsanwalt Antonio Marini selbst verhört worden sein; wir wissen von den Anwälten der Verhafteten, daß niemensch auf Fragen antworten wird und alle die Aussage verweigern werden.
Die Ermittlungen sind bereits abgeschlossen, wir sind in Besitz der Liste aller 68 Angeklagten, denen als "gemeinschaftliches Delikt" vorgeworfen wird: Bildung einer bewaffneter Bande, subversive Vereinigung (wie der deutsche 129a, stammt noch aus der Zeit des Faschismus, A.d.Ü.), Waffen- und Sprengstoffbesitz und "Anschläge auf Strukturen öffentlichen Nutzens". Inbegriffen sind sowohl die Angeklagten als auch diejenigen, deren Haftbefehle bereits abgelaufen sind als auch diejenigen, bei denen am 17.9. (und am 16.10.95) Hausdurchsuchungen stattfanden.
Am 16.10 wird in Rom Marinis Antrag, die Menschen vor Gericht zu stellen, diskutiert werden, sprich: Es wird entschieden werden, WER/WELCHE für welche Delikte vor Gerischt gestellt werden wird. Fast alle Angeklagten sind seit Tagen in Rebibbia. Sie können dort auch Post erhalten.
Am Sonntag, den 23.9., wurde im anarchistischen Zentrum Cassero in Bologna eine Versammlung abgehalten, während der die Geschehnisse besprochen wurden und ein Manifest verabschiedet wurde, das landesweit zusätzlich zu lokalen Flugblättern verteilt werden soll. Die Zahl der angeforderten Exemplare ist bereits sehr hoch, daher werden sie umgehend gedruckt. Wer/welche Kopien möchte, richte sich bitte unmittelbar an EL PASO OCCUPATO.
Hier nun der Text:
Joseph Dejacque
Die Justizbehörden betreiben grossen Aufwand. Sie gaben einen Befehl und die Truppen in Uniform und Montur fallen in unsere Häuser ein auf der Suche nach Beweisen und Notbehelfen um uns einzuknasten. Dann setzen sie sich vor den Scheinwerfern in Pose, um ihre Taten zu erläutern, um Zustimmung zu erzwingen, um einen "tollen" Abschluss zu finden, wie im Falle des römischen Staatsanwaltes Antonio Marini.
Aber was suchen sie?
Sie haben uns gesagt, das sie auf der Suche nach Gegenständen und Taten sind, um die Existenz einer bewaffneten Bande zu beweisen.
Deshalb haben sie dutzende AnarchistInnen in ganz Italien verhaftet.
Eine bewaffnete Bande?
Zu armselig: Sie könnte nicht unsere unermesslichen Vorhaben umfassen. Zu beschränkt: Sie könnte nur unsere unausweichlichen Explosionen unterdrücken. Wer/welche offen gegen die eigene Unterdrückung und die der anderen aufbegehrt, sucht weder Chefs noch anderen Organisationsarten, andere Käfige als Ersatz für jene dieser Gesellschaft, auch keine Mitglieder.
Der/die Unduldsame, welcheR tagtäglich revoltiert, ist weder vernünftige Person noch voller guten Willen: Sie/er erregt immer Unruhe. Wer/welche dagegen sich vorsieht, das zu tun, lebt in Ruhe: Wenn ein Instinkt ihn/sie zu einem Lustexzess drängen sollte, würde die eigene Vernunft sie/ihn schnell überzeugen, daß es in ihrem Interesse ist, die Laune zurück zuhalten. Wer/welche intensiv die Freiheit genießen will, es schaffen will, sie zu kosten, wird sich immer vor einer Uniform wiederfinden, die bereit ist, das zu verhindern, aber wird ebenfalls vielen begeisterten Beziehungen begegnen, Komplizen in der Gemeinsamkeit.
Antonio Marini strengt sich an.
Er stellt sich nicht vor, was seine Aktion bewirken wird: Er, der nur mit verkorksten Persönlichkeiten zu tun hat, die ihm ähnlich sind, weiß nicht, daß jedeR, der/die das Unbekannte nicht fürchtet, frei ist, die selbst bevorzugten Mittel zu wählen, je nach den Umständen und den individuellen Gewohnheiten. Ohne Begrenzungen.
Außerdem wurde die Möglichkeit diskutiert, eine landesweite Demonstration in Rom zu organisieren, auf der Basis eines genauen Vorschlags zur Repression - der demnächst in einem eigenen Dokument präsentiert werden wird, ein Vorschlag also, der folglich auch auf Bereiche ausserhalb der anarchistischen Bewegung erweitert ist.
Die Neuigkeiten über diesen Zusammenhang können per FAX bei EL PASO OCCUPATO eingeholt werden, unter +3911-3174107 (Tel. + FAX), alternative Radiostationen können Beiträge bei RADIO BLACK OUT unter +3911-6503422 in Turin bestellen, die gesammte Dokumentation, einschliesslich vieler Flugblätter und Pressemitteilungen, können elektronisch bestellt werden:
Mailing-Listen: ainfos@lglobal.com und cslist@ecn.org
Web-Seiten: http://www.geocities.com/Hollywood/3879/anarchy
Für allerdringlichste Kontakte: +39360-554094 (Mario Spesso)
Wir bitten alle, die Berichte, Flugblätter usw. produziert haben, sie uns zukommen zu lassen.
Folgendes ist ein Bericht der FAI (Federazione Anarchica Italiana) über die jüngsten Ereignisse die zu der Verhaftung vieler anarchistischer GenossInnen gefürt haben. Er ist auf dem Kongress der FAI in Carrara verabschiedet worden.
Die jüngsten Repressionen, auf der Basis von Mitteilungen der Magistratur und der R.O.S. (Sondereinheiten??? A.d.Ü.) von der Presse aufgebauscht, stellen eine hinterhältige Anwendung der neün Techniken der sozialen Kontrolle dar, basierend auf der Erfindung von Organisationszugehörigkeiten, Kongressen, Ausschlüssen die niemals stattgefunden haben, indem sie den verschiedenen Zweigen der anarchistischen Bewegung ihnen genehme Rollen zuweisen.
Insbesondere hat die F.A.I. niemals 1988 in Forli' einen Kongress abgehalten; sie sieht in ihrem Föderationspakt keine Ausschlüsse vor, schon gar nicht gegen Menschen, die niemals MitgliederInnen waren. Die Hauptakteure dieser Episoden, die Staatsanwälte Marini und Ionta, und die Sondereinheiten der Polizei, beschuldigen die Angeklagten besonders infamer Delikte: Entfürungen und Massaker.
Es sollte daran erinnert werden, daß Marini der erste Staatsanwalt in der Untersuchung wegen des Blutbades von Ustica war und sich stets bemüht, jegliche Verwicklung der Luftwaffenspitze nicht publik werden zu lassen und seinen Beitrag geleistet hat, die Untersuchung wegen der italienischen "Desaparecidos" versanden zu lassen (die Ermittlungen wurden nach 7 Jahren ad acta gelegt, A.d.Ü.) und so den brasilianischen Schlächtern einen guten Dienst erwies.
Was die Carabinieri angeht, sind die Massaker, die in Italien von Piazza Fontana bis heute stattgefunden haben, unter schwerster Beteiligung der Spitzen der Polizeitruppe geschehen (wie in Peteano und Bologna). Die "Philosophie" dieser Untersuchung hat ihre Wurzeln in der Beschuldigung der Angeklagten der "subversiven Vereinigung". Dieser Tatbestand, der in das Strafgesetzbuch zu Zeiten des Faschismus eingeführt wurde, betrifft keine spezifizierten kriminellen Handlungen, sondern ist eine Bedrohung für all jene Vereinigungen, die die Beseitigung der Unterdrückung und der Ungerechtigkeit mittels einer radikalen Veränderung der Gesellschaft anstreben - eine Bedrohung, die je nach politischer Interessenlage angewendet wird. Die Anklage der "subversive Vereinigung" wird auch zur Unterstützung unterdrückerischer Maßnahmen gegen die Selbstorganisation von ArbeiterInnen herangezogen, wie in der jüngsten Verhandlung gegen die gewerkschaftlichen Rechte der Unione Sindacale Italiana (U.S.I. - I.A.A. - revolutionäre bzw. AnarchosyndikalistInnen, A.d.Ü.) aufgrund der im Statut enthaltenen angestrebten Veränderungen.
Falsch und instrumentalisiert erscheinen daher die Aussagen der verantwortlichen Befehlshabenden über die FAI: der Tatbestand der "subversiven Vereinigung" liesse sich ruhig auf eine Organisation wie die unsere ausweiten, die die Niederschlagung des Staates und die Errichtung des anarchistischen Kommunismus anstrebt sowie auf jeden anderen Bereich der sozialen Opposition.
Die Justiez garantiert folglich nur denjenigen die Freiheit der Vereinigung, die eine Gesellschaft der Ausbeutung und Unterdrückung akzeptieren.
Die föderierten AnarchistInnen praktizieren die Übereinstimmung der Mittel und Zwecke, daher erkennen sie nur jene Regeln an, die frei angenommen werden und lehnen jede Form der Heteronomie ab sowie jegliche autoritäre Einmischung von Seiten irgendeines staatlichen Organs (Gesetze, Justizbehörde, Polizei, etc.).
Mit derselben Bestimmtheit, mit der sie gegen den Staat kämpfen, lehnen die föderierten AnarchistInnen jegliche Praktiken ab, die den Autoritarismus stärken oder reproduzieren: Die wahllose Gewalt, den Zwang im Falle einer Entführung, die traurigerweise an die staatlichen Enführungen in Knäste erinnert.
Wir lehnen den Mythos des Illegalen ab, und das illegale Aktionen an sich revolutionär seien, da es dem Ermessen der richterlichen Ordnung unterliegt, was legal und was illegal ist, ohne sich dem Problem der revolutionären Überwindung der Ordnung selber zu stellen. Daher entlarvt sich dieser Mythos als durch und durch reformistisch. Die föderierten AnarchistInnen betonen noch einmal ihre Teilnahme an sozialen Kämpfen, in der Bewegung für Selbstverwaltung und der für die Selbstorganisation der ArbeiterInnen, indem sie in den Praktiken der direkten und nicht delegierten Aktion, der föderalen Organisation und der Solidarität mit den Kämpfen der Ausgebeuteten in aller Welt die Mittel für eine effektive Befreiung der Menschheit erkennen.
Kongress der Anarchistischen Föderation Italiens (FAI)
Carrara 21 und 22 September 1996
Eine Übersetzung von A-Infos (D)
Nachdruck mit Qüllenangabe erwünscht, über Belegexemplare würden wir uns freün.