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Nach dem Aufmarsch ist vor dem Aufmarsch
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Nach dem Aufmarsch ist vor dem Aufmarsch
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Antifa-Mobilisierungen zwischen Zwang und Taktik
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Es ist ein schwer zu leugnender Fakt, dass die allermeisten Mobilisierungen von antifaschistischer Seite heutzutage meist eine direkte Reaktion auf Aktionen der Neonazis sind. Der überwiegende Teil dieser Mobilisierungen betrifft direkt Aufmärsche
und Kundgebungen, gefolgt von Protestäußerungen gegen Infrastruktureinrichtungen
der Faschisten und Anprangerungen faschistischer Übergriffe. Gedenkdemonstrationen und
Demonstrationen gegen reaktionäre und rassistische Auswüchse in der Gesellschaft
fristen rein zahlenmäßig ein Randdasein. Wann und wie oft es also zu antifaschistischen Mobilisierungen kommt, wird also fast immer nur mittelbar von antifaschistischer
Seite bestimmt. Vielmehr diktieren die Neofaschisten selber durch ihr eigenes Auftreten die Taktfolge antifaschistischer Demonstrationen. Dieser simple Zusammenhang (wenn Nazidemonstration, dann Antifa-Gegenaktion) hat sich in den letzten zehn Jahren nur wenig verändert. Verändert hat sich jedoch die Anzahl faschistischer Mobilisierungen. Waren es
Anfang der neunziger Jahre einige wenige Großaufmärsche, finden heute beinahe jedes Wochenende Nazidemonstrationen irgendwo in Deutschland statt, oft sind es mehrere gleichzeitig. Beschränkten sich faschistische Aufmärsche früher eher auf Großstädte
oder einige wenige Hochburgen, so ist diese Konzentration beinahe völlig verschwunden und Nazi- Aufmärsche finden gleichmäßig über die gesamte Republik verteilt statt. Auch die Themenauswahl dieser Aufmärsche hat sich stark regionalisiert. In aller erster Linie beschränken sich antifaschistische Interventionen auf das Anmelden einer Gegendemonstration,
möglichst in unmittelbarer Nähe des Aufmarsches. Auch dieses Konzept ist keineswegs neu und
wurde bereits die gesamten neunziger Jahre praktiziert. Verändert hat sich in den letzten Jahren hauptsächlich die Anzahl der TeilnehmerInnen, die auf einer Gegendemonstration zu
erwarten sind. War früher die TeilnehmerInnen-Anzahl noch relativ proportional zum Mobilisierungsaufwand, scheint sich dieses massiv verändert zu haben. Es ist keineswegs mehr
sicher, ob überhaupt mehr GegendemonstrantInnen als Faschisten erscheinen. Und noch etwas hat sich stark verändert: Der Umgang der Polizei mit diesen Gegendemonstrationen. Vor nicht allzu langer Zeit war es ziemlich wahrscheinlich, dass eine große Anzahl von GegendemonstrantInnen
in nähe der Naziroute zu einer Be- oder gar Verhinderung des Naziaufmarsches geführt haben. Heute ist die Polizei im Umgang mit derartigen Situationen viel geübter und
kann auch eine größere Anzahl von AntifaschistInnen davon abhalten einen Aufmarsch zu stören. Ein weiterer Fakt ist auch die öffentliche Reaktion auf diese veränderte Situation. War es
noch vor wenigen Jahren sehr wahrscheinlich nach einem durch die Polizei durchgeprügeltem Naziaufmarsch ein relativ kritisches Presseecho zu erhalten, nimmt die Presse
heute von Gegenaktivitäten kaum noch Notiz. Auch die Art zu mobilisieren seitens der Antifa hat sich stark gewandelt. Nicht mehr Flugblätter, Plakate und Infoveranstaltungen bestimmen
das Ausmaß der Mobilisierungen, sondern immer häufiger wird auf das Internet als hauptsächlichen Infomultiplikator gesetzt. So ist jede Mobilisierung erst mal eine »weltweite
«, zumindest aber eine bundesweite. Da aber über das Internet nur schwer zu kontrollieren ist, wen diese Mobilisierung überhaupt erreicht oder anspricht, ist die Teilnehmeranzahl
zu einem großen Unsicherheitsfaktor geworden. Denn auch andersherum lässt sich einer »bundesweiten« Homepage, anders als bundesweiten Infoveranstaltungen und Plakaten nicht ansehen, wie ernst es den Mobilisierenden überhaupt ist und wie viel Energie in die Vorbereitung gesteckt wird. Durch den Wegfall überregionaler Strukturen ist es also meist eine komplett individuelle Entscheidung zu einer Antifademonstration zu fahren oder nicht.
Diese »unorganisierten Entscheidungen« werden oft in einer »erlebnisorientierten
Erwartung« getroffen und steigern somit den Erwartungsdruck in eine ganz bestimmte Richtung.
Lokale Organisierung – Lokale Diskussionen
Letztlich bleiben die meisten überregional angereisten TeilnehmerInnen auch mit einer Auswertung der jeweiligen Aktion alleine, da es kaum noch bewegungsöffentliche Nachbereitungen mehr gibt und auch die Ergebnisse der internen Nachbereitung selten
veröffentlicht werden. So hängt der Erfolg oder Misserfolg einer Demonstration
hauptsächlich vom Grad der direkten Auseinandersetzung mit Nazis und vielleicht noch der Polizei ab. Schließlich misst sich Erfolg nur noch im Durchschnitt der individuellen
Erfolgserlebnisse von einzelnen, nicht mehr am Grad des politisch Erreichten im Sinne der Aufrufenden. Selbst eine große Menge individueller Erfolgserlebnisse lässt sich nur selten unmittelbar auf die eigentliche Mobilisierung zurückführen, vielmehr spielen oft Fehler im Polizeiansatz oder die schlichte Dummheit einzelner Nazis die Hauptrolle bei derartigen Erfolgen. Doch nicht nur die Art der meisten Mobilisierungen, sondern auch und vielleicht vor allem ihre Inhalte dürften für die jetzige Situation zwischen Demomüdigkeit und Perspektivlosigkeit verantwortlich sein. Viele Aufrufe können kaum vermitteln, warum auch 2004 der Kampf gegen organisierte Faschisten sinnvoll und notwendig ist. Es wird lieber mit
neunziger Jahre Parolen wie »Antifa heißt Angriff« versucht, wenigstens den aktionistisch ausgerichteten Teil der Bewegung zu mobilisieren. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit
faschistischer Ideologie und Logik findet kaum noch statt. So wird zwar unter der Antifa-Aktionsfahne gegen Nazis mobilisiert, aber unter Inkaufnahme des Umstandes, dass ein nicht gerade kleiner Teil der TeilnehmerInnen überhaupt kein tieferes Verständnis
von Faschismus und dessen Funktionieren mehr hat. Es mutet daher fast schon skurril an, wenn in vielen Aufrufen reflexartig und textbausteinartig auf das Zusammenwirken von gesellschaftlichem Rassismus und faschistischer Agitation hingewiesen wird, aber auf Mobilisierungsveranstaltungen oder in der sonstigen politischen Arbeit der entsprechenden
Gruppen diese Ansätze nicht zu Ende gedacht oder vertieft werden. Ähnlich sieht es bei der Frage der Bündnispolitik aus. Es stehen sich immer noch die beiden politischen Ansätze
der neunziger Jahre gegenüber. Wir finden also das gesamte Spektrum zwischen »taktischen Zweckbündnissen um jeden Preis« und »kein Bündnis mit deutschen Nationalisten und
Rassisten«. Auch werden beim Beharren auf dem jeweiligen Standpunkt meistens noch die Argumente der neunziger Jahre bemüht, ohne die Erkenntnisse über die gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen mal einem Update zu unterziehen. Debattiert wird immer noch, ob und wie man
zum Beispiel Gewerkschaften zu Gunsten großer Teilnehmerzahlen mit ins Boot holen kann. Die Debatte darüber, warum ein von Gewerkschaften oder anderen zivilgesellschaftlichen
Akteuren unterschriebener Aufruf aber gar kein Garant für hohe Teilnehmerzahlen mehr ist, bleibt aus.
Antifa als Teil der Bewegung?
In den letzten Jahren hat sich ein Großteil der Linken vom antifaschistischen Kampf abgewendet und macht mittlerweile (erfolgreich) gegen andere Missstände mobil. Das hatte eine weitere Isolation antifaschistischer (Jugend)- Gruppen von anderen linken Debatten zufolge und ein gesamtgesellschaftlicher Ansatz ist oft nicht mehr vorhanden. Eine linksradikale Einstellung wurde vielerorts durch ein reines »gegen Nazis« sein ersetzt. Wenn dieses
»gegen Nazis« sein aber in der Regel nicht mehr den Einstieg in eine politische Struktur und Bewegung zur Folge hat, ist eine Debatte über Erfolge und Ausrichtung von Mobilisierungen mangels Basis kaum noch zu führen. Einen großen Beitrag dazu hat sicher auch
der Antifa-Sommer geleistet, der diese Trennung von Antifa und restlinker Bewegung noch weiter forciert hat und den bürgerlichen Antifaschismus als einzigen Lösungsansatz präsentierte. Gleichzeitig hat der sog. Aufstand der Anständigen auch den Fokus weiter auf
öffentlich militant agierende Faschisten und weiter weg von Alltagsrassismus oder Antisemitismus gelegt, was die Klassifizierung von Antifa als Spartenpolitik erleichtert hat. Doch nicht nur ein Teil der Linken hat sich vom Antifaschismus abgewandt, sondern auch der
Anteil von DemonstrationsteilnehmerInnen aus dem bürgerlichen Lager ist kontinuierlich zurückgegangen. Dies mag daran liegen, dass der Moment der Empörung über offen auftretende Faschisten nach und nach immer mehr zurückgegangen ist. Gerade dieser Moment der (ehrlichen) Empörung war es aber, der oftmals, entsprechende Mobilisierung vorausgesetzt, auch Teile
der örtlichen Zivilgesellschaft auf die Strasse trieb. Das Fehlen dieses Faktors ist sicherlich auf mehre Gründe zurückzuführen. Einerseits haben Politiker und Gerichte jahrelang fast gebetsmühlenartig wiederholt, dass Naziaufmärsche mit rechtstaatlichen Methoden
nicht zu verbieten seien und Protest alleine deshalb völlig sinnlos wäre oder im Gegenteil den Nazis noch eine erhöhte Aufmerksamkeit zukommen lassen würde. Andererseits war es
natürlich auch die Ausweitung der direkten Repression auf bürgerliche TeilnehmerInnen, die diese letztendlich wegbleiben ließ. Doch auch die kurze Periode rein bürgerlicher Mobilisierungen während des »Antifa-Sommers«, als es oft zu der Situation kam,
dass sich zwei getrennte Demonstrationen gegen denselben Aufmarsch wandten, war nur von kurzer Dauer. Zwar konnten sich die TeilnehmerInnenzahlen dieser Proteste oft sehen lassen,
aber ohne originär eigene Inhalte vermitteln zu können, stellte sich auch hier schnell die Frage nach der politischen Relevanz dieser Demonstrationen. Nach dem Verschwinden der Nazidemonstrationen aus der öffentlichen und medialen Wahrnehmung, verschwanden
auch fast überall die rein bürgerlichen Mobilisierungen. Leider hatte dies zur Folge, dass nur ein Teil dieser DemonstrantInnen wieder zurück in die Bündnisse früherer Zeiten
fand. Gerade auf Seiten der Gewerkschaften wurde dies besonders deutlich.
Ausblick nach Vorne
Um eine Mobilisierungsfähigkeit jenseits von »Pflichtgefühl« und »Frustrierung« langfristig wiederherzustellen, ist es dringend notwendig, eine Debatte über die politische Notwendigkeit
und Zielsetzungen antifaschistischer Mobilisierungen zu führen. Das Führen einer solchen Debatte wird momentan allerdings durch das Fehlen von überregionalen Vernetzungen und
Strukturen erheblich erschwert. Indymedia und Co können niemals ein Ersatz für die Diskussion von Zusammenhängen untereinander werden. Ziel einer solchen Debatte kann es nur sein,
eine neue Definition für »Erfolg« bei Mobilisierungen zu erarbeiten, die auch den veränderten Rahmenbedingungen angepasst ist. So scheint es uns häufig sinnvoller, eine Thematisierung der
Anlässe für faschistische Mobilisierungen zu forcieren, als sich auf eine bloße Verhinderung zu konzentrieren. Dieses ist jedoch leichter gesagt als getan. Oft sind es gerade in Kleinstädten keine Antifa-Bündnisse, sondern einzelne Gruppen, die gegen einen Naziaufmarsch
mobil machen. Diese sehen sich dann oft dem »Druck der Gewohnheit« ausgesetzt nach Schema F zu verfahren und erst mal eine Gegendemo anzumelden, die dann schnell zum Selbstläufer wird. Gerade bei den Nazi-Events, die sich offen auf den historischen Nationalsozialismus beziehen,
sollte es jedoch durch eine gute Antifakampagne möglich sein, auf die politischen
Hintergründe eines solchen Aufmarsches hinzuweisen und nicht nur auf die Tatsache, dass hier eben Nazis demonstrieren. Weiter ist es unser Meinung nach notwendig, sich wieder ins
Gedächtnis zu rufen, dass es eine wichtige Aufgabe der Antifa ist, Freiräume und Rahmenbedingungen für gesellschaftskritische Diskussionsansätze und alternative Lebensmodelle gegen eine faschistische Mobilisierung zu verteidigen. Antifa ist der ständige Abwehrkampf
gegen reaktionäre und totalitäre Tendenzen in dieser Gesellschaft auf allen Ebenen, nicht nur auf Naziaufmärschen. Dieser Aufgabe gerecht zu werden, setzt allerdings ein Verständnis
um die Wirkung und Entstehung dieser Tendenzen voraus. So kann es auch bei Mobilisierungen gegen Naziaufmärsche ein guter Anknüpfungspunkt sein, der Gesellschaft hier einen Spiegel vorzuhalten. Dieses setzt aber ein auf die politische Zielvorstellung der gesamten
Mobilisierung ausgerichtetes Agieren in Bezug auf Bündnisbildung voraus. Dazu sind aber eine Abkehr von der bloßen Identitätspolitik der letzten Jahre und eine Diskussion über den Stellenwert der jeweiligen Naziaufmärsche dringend notwendig.
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