Editorial
Lager, Lieder, Lebensbund
Antifa Infoblatt #74 Editorial Liebe Antifas, Freundinnen und Genossinnen, liebe LeserInnen! Der Schwerpunkt dieser Ausgabe beschäftigt sich auf stolzen zehn Seiten mit der neonazistischen völkischen Jugendarbeit im Geiste der Hitler-Jugend. Auch haben wir wieder einige historische Themen ins Heft genommen, so ein Interview, welches der Frage nachgeht, inwieweit der Umgang der DDR-Justiz mit NS-Verbrechen ein funktionalisierender war, ein Beitrag über den Wiederaufbau der Sicherheitsbehörden in der frühen BRD und einen Text über den Umgang der antifaschistischen Bewegung mit den noch lebenden NS-Verbrechern. Nicht mehr ins aktuelle Heft geschafft hat es die sogenannte »Holocaust-Konferenz« in Teheran im Dezember 2006, deren TeilnehmerInnen staatsoffiziell mit einem Empfang beim iranischen Präsident Ahmadinedschad und einem Abendessen mit dem Außenminister Mottaki beehrt wurden. Während bekannten deutschen Neonazis wie beispielsweise Günter Deckert die Ausreise verweigert wurde, gelang es doch zumindest der bundesrepublikanischen »B-Prominenz«, sich hier in Szene zu setzen.

Zu den Teilnehmern und Gästen gehörten bekannte Holocaustleugner und Revisionisten, ergänzt durch vermeintliche Historiker und »antizionistische« orthodoxe Rabbiner, welche den iranischen Präsident baten, er möge dabei helfen, dass der Staat Israel schnellstmöglich zu existieren aufhöre, damit »keine neuerliche Katastrophe über das jüdische Volk komme«.

Offiziell aufgeführt wurde folgende illustre Teilnehmermischung, deren ausführliche politische Einordnung den Rahmen des Editorials sprengen würde: Ayre Friedmann, Wolfgang Fröhlich und Rechtsanwalt Dr. Schaller (Österreich), David Weiss, David Duke, Bradley R. Smith und Norman Finkelstein (USA), Ahron Cohen und Michèle Renouf, (England), Robert Faurisson und Serge Thion (Frankreich), Jan Bernhoff (Schweden), Frederik Toben (Australien), Gazi Hussein (Syrien), Leonardo Clerici (Belgien), Christian Lindtner (Dänemark), Mohammad Ali Ramin (Iran), Zariani Abdul Rahmann (Malaysia), Patrick McNally (Japan), A. Pengas (Griechenland), T. Boshe (Jordanien), Abu Ziad Edrisi (Marokko) und Shiraz Dossa (Kanada). Der neonazistische VRBHV (Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten) entsandte eine neunköpfige Delegation, darunter Markus Haverkamp, Arnold Höfs und Bernhard Schaub. Aus Deutschland nahm neben dem Kölner NPDler Benedikt Frings auch der Berliner »Nationalanarchist« Peter Töpfer teil.

Letzterer machte sich nicht nur durch die Veröffentlichung revisionistischer Schriften, sondern auch durch seine »Querfront«-Aktivitäten einen Namen. Hierzu gründete er am 20. April 2001 mit seinen Mitstreitern Erik Vogel, Heiko Baumert, Florian Suittenpointner, Ulrich Kappert und dem Funktionär der Anarchistischen Pogo Partei Deutschland (APPD) Markus Gäthke den Verein Bunte Hunde. Dieser Verein führte am 18. August 2001 eine Sitzung in Rotenburg durch, um die Satzung umzuändern. Die Sitzung fand im Zusammenhang eines »Querfront-Treffens« von Peter Töpfer und Mark Schenke statt, das polizeilich aufgelöst wurde, da man von einer Veranstaltung zum Gedenken an Rudolf Hess ausging. Bei dem Querfronttreffen übernachteten die Teilnehmer - die sich unter anderen aus einem Holocaustleugner und dem damaligen APPD-Frontmann Karl Nagel zusammensetzten - nicht nur auf dem Gelände der extrem rechten Protagonisten Gertrud und Friedrich Baunack, sondern auch im Haus seines Nachbarn. Bei diesem Nachbarn, der auch zu den Teilnehmern des Querfronttreffens 2002 zählte, handelte es sich um den als »Kannibalen von Rotenburg« bekannt gewordenen Armin Meiwes. Friedrich Baunack wird diesbezüglich mit den Worten zitiert: » (...) wenn mal was los ist, der ist uns wohlgesonnen…«. Während sich die meisten Teilnehmer im Nachhinein peinlich berührt zeigten, veröffentlichte Töpfer später einen mit Fotos bebilderten Bericht: »Die Querfront und der ‘Kannibale von Rotenburg’«. Ob er sich mit diesen Referenzen auch bei der politischen Führung im Iran vorgestellt hat, ist nicht bekannt.

Am 18. November 2006 starb im Alter von 43 Jahren der Publizist und politische Wissenschaftler des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS), Alfred Schobert. Alfred Schobert war als politischer Denker und engagierter Antifaschist durch seine Vorträge und Artikel in Deutschland und darüber hinaus bekannt und angesehen. Zu seinen Hauptarbeitsgebieten zählten Parteien, Organisationen und Publizistik der extremen Rechten; Antisemitismus und Antizionismus; Geschichtspolitik und »Normalisierung«; extrem rechte Musik-Subkulturen und die Globalisierungskritik von Rechts. Seit Anfang der 90er Jahre arbeitete Alfred als wissenschaftlicher Mitarbeiter am DISS, in dem er seine wissenschaftliche und politische Heimat gefunden hatte. Wir werden Alfred Schobert vermissen.