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Für die Spaltung Belgiens
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Fast ein Dreivierteljahr nach den Parlamentswahlen
hat Belgien immer noch
keine neue Regierung. Schuld daran sind
Autonomieforderungen starker Kräfte in
Flandern, der niederländischsprachigen
nördlichen Hälfte Belgiens, denen die
französischsprachige südliche Hälfte, die
Wallonie, nicht nachgeben will. Eine
Lösung ist noch nicht in Sicht. Die
krassesten Forderungen, nämlich
separatistische, vertritt eine rechtsextreme
Partei – der Vlaams Belang.
Sie erhielt bei den belgischen Parlamentswahlen
18,9 Prozent aller Stimmen
in Flandern. Das sind derzeit die höchsten
Werte einer rechtsextremen Partei
in Europa.
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»Eigen volk eerst« (das eigene Volk
zuerst) und »België barst« (Belgien
soll zerbersten) – die beiden Hauptparolen
des Vlaams Belang entsprechen
seinen politischen Hauptbetätigungsfeldern.
Der Rassismus, den die Partei
hoffähig machen will, richtet sich in
aggressiver Form gegen Migrantinnen
und Migranten. Ihrer Vorgängerorganisation
Vlaams Blok war im November
2004 sogar gerichtlich bescheinigt
worden, »dauerhafte Anstachelung
zur Spaltung der Bevölkerung und
zum Rassismus« zu betreiben. Weil
das Urteil nicht nur eine Streichung
staatlicher Zuschüsse zur Folge gehabt,
sondern auch die Parteiarbeit
zur Straftat gemacht hätte, transformierte
sich der Vlaams Blok wenige
Tage nach dem Gerichtsbeschluss in
den personell und inhaltlich weitgehend
identischen Vlaams Belang.
Geht es nach dem Vlaams Belang,
wird Belgien nicht mehr lange bestehen.
Die Partei verlangt die Spaltung
des Landes und die Gründung eines
eigenständigen Staates Flandern. Hinter
der Forderung steht keineswegs
nur blinder völkischer Radikalismus,
der die verhassten französisch sprechenden
Wallonen aus dem Süden des
Landes loswerden will. Seit den
1970er Jahren setzt sich der flämische
Norden mit seinen Dienstleistungszentren
und dem Hafen Antwerpen
wirtschaftlich immer weiter von der
Wallonie ab, die es nicht geschafft
hat, sich rechtzeitig von der niedergehenden
Schwerindustrie zu lösen.
Seitdem treibt Wohlstandschauvinismus
den Separatismus in Flandern
voran: Ausgleichszahlungen an die ärmeren
Landesteile sollen gestoppt,
der Reichtum in den eigenen Taschen
einbehalten werden.
Die Flämische Bewegung
Die Kooperation des Vlaams Belang
bzw. seines Vorgängers Vlaams Blok
mit der deutschen extremen Rechten
ist traditionell eng. Sie beruht auf solider
Tradition und reicht bis zum Ersten
Weltkrieg zurück. Schon lange
vor Kriegsbeginn, in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts, war in Belgien
die Flämische Bewegung entstanden –
eine Reaktion des niederländischsprachigen
Bevölkerungsteils auf die Dominanz
der damals deutlich wohlhabenderen
französischsprachigen Wallonie.
Radikalen Flamen reichten die
Sprachengesetze nicht aus, die gegen
Ende des 19. und zu Beginn des 20.
Jahrhunderts das Niederländische in
Flandern zur offiziellen Landessprache
erhoben. Sie nutzten die deutsche
Besatzung während des Ersten Weltkriegs,
um sich mit dem Reich gegen
den wallonischen Landesteil zu verbünden.
1917 riefen sie einen eigenen
Staat Flandern aus, jedoch ohne Erfolg:
Mit dem Abzug der deutschen
Truppen verloren sie ihren Einfluss,
mussten fliehen oder wurden in Belgien
wegen Kollaboration inhaftiert.
Die flämischen Sezessionisten benötigten
nach der Niederlage nicht allzu
lange, um sich zu konsolidieren. Schon
1919 waren sie an der Gründung der
»Frontpartij« beteiligt, der ersten
großen politischen Partei des flämischen
Separatismus. 1928 konnte einer der führenden Kollaborateure des
Ersten Weltkriegs, August Borms, als
Kandidat der Frontpartij eine Wahl in
der heutigen Vlaams Belang-Hochburg
Antwerpen mit großer Mehrheit gewinnen.
1929 wurden die Kollaborateure
amnestiert, darunter auch Borms
(der allerdings 1946 wegen erneuter
Unterstützung für die deutschen Besatzer
im Zweiten Weltkrieg doch noch
hingerichtet wurde). In den 1930er
Jahren ging es rasch bergauf. Vor allem
der 1933 gegründete Vlaamsch
Nationaal Verbond (VNV) konnte die
extreme Rechte in Flandern bündeln
und erhielt bei den Wahlen im Jahr
1936 13,6 Prozent, 1939 sogar 14,7
Prozent der Stimmen.
Nach dem Einmarsch der Wehrmacht
im Mai 1940 kollaborierte VNV-Chef
Staf de Clercq eng mit den NS-Besatzern,
beteiligte sich mit seiner Organisation
auch an der Deportation
der belgischen Jüdinnen und Juden.
»Staf de Clercq ist einer der historischen
Anführer der Flämischen Nationalen
Bewegung«, lobte Filip Dewinter
im August 2005: »Unsere Partei,
der Vlaams Belang, ist ihr Nachfolger.
« Dewinters Äußerung war keine
Provokation, sondern ernst gemeint.
»Während der deutschen Besatzung«,
schreibt der Vlaams Belang in einem
Überblick über die flämische Bewegung,
»wurden die Sprachgesetze zum
ersten Mal korrekt angewandt und der
Prozess der Französisierung wurde gestoppt.
« Begeisterte Kollaborateure
traten in die Waffen-SS ein, wurden
Mitglied im SS-Freiwilligen-Verband
Flandern. »Tausende von Flamen kämpften
an der Ostfront gegen die UdSSR«,
schwärmt der Vlaams Belang noch
heute. Als die alliierten Armeen im
August 1944 die belgische Grenze erreichten,
riefen die Kollaborateure zur
Flucht nach Deutschland auf. Dort bildeten
sie bis zum Ende des Krieges
eine flämische Regierung im Exil.
Von der Kollaboration sind zahlreiche
flämische Nachkriegspolitiker geprägt.
Kein Wunder: »Während des
Zweiten Weltkriegs stand ein großer
Teil der flämischen Nationalisten auf
seiten des Deutschen Reichs«, schrieb
Karel Dillen im März 1992 in »Nation
Europa«. Nach eigener Einschätzung
selbst nur »passiver Kollaborateur«,
wurde er bald Mitglied der 1954 gegründeten
Volksunie. Als diese in den
1970er Jahren ihre radikalen flämischen
Positionen mäßigte und vom
Separatismus auf die Forderung nach
Sonderrechten für Flandern innerhalb
eines föderalen Belgien einschwenkte,
gründeten Hardliner in der entstehenden
Lücke neue Organisationen, darunter
vor allem den Vlaams Blok. Prägende
Figur des Vlaams Blok war Dillen.
Er blieb bis 1996 Vorsitzender der
Partei, wurde für sie ins belgische Parlament
und später dann auch ins Europaparlament
gewählt. Im Brüsseler
Abgeordnetenhaus hätten seine ersten
Worte dem Deutschen Rudolf
Hess gegolten, berichtete er später
stolz.
Sympathie mit kroatischen Milizen
Die NS-Neuordnung Europas hat
der im April verstorbene Dillen zeitlebens
mit Wohlwollen betrachtet. »Die
offizielle Geschichte hat aus Pavelic
ein Monster gemacht«, verkündete er
einst über den Anführer der prodeutschen
Ustascha-Faschisten in Kroatien:
»Nichts ist weniger wahr. Niemand
kann bestreiten, daß er von einer tiefen
Liebe für sein Volk erfüllt war, und
daß er während all dieser extrem
schwierigen Jahre große persönliche
Anstrengungen gemacht hat, die Interessen
seines Volkes zu sichern.«
Die Sympathie des Vlaams Blok galt
denn auch zu Beginn der 1990er Jahre
den kroatischen HOS-Milizen, mit denen
Filip Dewinter sich »in weitgehender
Übereinstimmung« sah – völlig zu
Recht: Auch bei ihnen handelte es
sich um extrem rechte Kräfte, die auf
der Basis eines relativen Wohlstandschauvinismus
die Sezession aus einem
ärmeren Bundesstaat durchzusetzen
suchten. Der Vlaams Blok schickte damals
Hilfslieferungen, seine Jugendorganisation
behauptete gar, Kämpfer
nach Kroatien entsandt zu haben. Ein
Freund Dewinters sprang mit der
Gründung einer kroatisch-flämischen
Handelsvertretung ein.
Wie die HOS-Milizen wird der
Vlaams Belang auf einen eigenen
Staat keinesfalls verzichten. Solange
der Streit bei der Regierungsbildung
in Brüssel sich nur um Autonomierechte
für Flandern dreht, schaut die
Partei belustigt zu. Und hält sich bereit
für die Zeit, wenn eine Einigung
gar nicht mehr zu erreichen ist und
Belgien wirklich vor dem Auseinanderbrechen
steht.
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Filip Dewinter von Vlaams Belang als Redner beim Europakongress der REPs am 6. Oktober 2007 in Mainz.
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