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NS-Verherrlichung stoppen | AIB 76, 3/2007
Der Beginn einer notwendigen Diskussion über antifaschistische Aktionen: Wenn dumme Parolen auf schwache Strukturen treffen, wenn Neonazi-Großveranstaltungen fast unwidersprochen bleiben, wenn schnelles Abenteuer die Diskussion um Inhalte und Strategie
antifaschistischer Politik ersetzt, dann ist es Zeit für eine kritische Reflexion!
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Unserer Meinung nach steckt die linksradikale antifaschistische Bewegung in einer Krise – und dass nicht erst seit gestern. Antifaschistische Mobilisierungen können zunehmend weniger Menschen bewegen. Was tun? Im Folgenden wollen wir als Kampagne NS-Verherrlichung stoppen! darlegen, welche Entwicklungen wir problematisch finden, und wie unsere Vorstellungen von linker antifaschistischer Politik aussehen.
Anlass der Gründung der Kampagne waren die seit 2001 wieder erlaubten Rudolf Heß-Gedenkmärsche der Neonazis. Deren Teilnehmendenzahl hatte sich bis 2003 bereits auf 2500 Neonazis aller Lager und Generationen aus ganz Europa erhöht. Die antifaschistische Bewegung war zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage gewesen, diesem Aufmarsch politisch oder praktisch etwas entgegen zu setzen.
Langfristiges Ziel war und ist es, die alljährlichen Großereignisse der Neonaziszene zu verhindern. Zudem wollen wir in öffentliche Debatten intervenieren: Für diese Einmischung müssen wir einen breiten antifaschistischen Konsens in der Gesellschaft etablieren – unter anderem durch Bündnis- und Öffentlichkeitsarbeit. Grundlegende Voraussetzung für diese Intervention bleibt vor allem die Weiterentwicklung des politischen Bewusstseins vieler organisierter und unorganisierter AntifaschistInnen.
Im Jahr 2004 wurde seitens der Kampagne zu einer antifaschistischen Kundgebung nach Wunsiedel eingeladen, ein Jahr später gelang es uns mit mehr als 80 Infoveranstaltungen, Flugblättern, Plakaten und Pressearbeit trotz des Verbots des Neonazi-Aufmarsches, etwa 2000 AntifaschistInnen nach Wunsiedel zu mobilisieren.
Vor dem Hintergrund der Überzeugung, dass antifaschistische Arbeit auch immer den Blick auf gesellschaftliche Verhältnisse und deren Ursachen wagen muss, finden wir die momentane politische Ausrichtung der antifaschistischen Bewegung kritikwürdig. Oft genug zielt die politische Praxis nur darauf ab, sich als »autonome Antifas« darzustellen. Bestimmte Formen des Protestes werden unabhängig von den Gegebenheiten ewig gleich wiederholt, weil bei vielen offenbar die militante Geste ein Ersatz für politisches Bewusstsein geworden ist.
Selbst die unwichtigsten Kleinstneonaziaufmärsche ziehen eine erhebliche Anzahl von Antifas an – auch über die betroffene Region hinaus – wenn nur die Mobilisierung eine mögliche körperliche Konfrontation verspricht. Dabei kommt es nicht in erster Linie darauf an, dass eine militante Auseinandersetzung tatsächlich geführt wird – im Gegenteil finden zielgerichtete, organisierte militante Auseinandersetzungen nur noch äußerst selten statt. Oft ist die Mobilisierung zu solchen Ereignissen fast ausschließlich auf die Verhinderung von Neonaziaktivitäten ausgerichtet und es steht die Verheißung auf einen Tag, an dem »was geht«, im Vordergrund. Eine politische Bewegung sollte jedoch mehr leisten können.
Uns geht es nicht darum, bestimmte Dresscodes und Lifestyles zu dissen, sondern wir kritisieren hier die politische und kulturelle Ausrichtung, wie sie sich über Plakate, Slogans und Symbole transportiert. Hinter dieser Ausrichtung, die Antifa immer weniger inhaltlich bestimmt und immer mehr auf symbolische Militanz à la »Nazis wegrocken« verkürzt, steht offenbar die Hoffnung, zunächst eine große Masse an jungen Menschen anzusprechen, um diese dann weiter zu politisieren. Dieser zweite Schritt erfolgt allerdings in der antifaschistischen Bewegung nur selten. Es dürfte auch schwer fallen, jungen Leuten, die zunächst über entpolitisierte »Action« gewonnen wurden, später klarzumachen, dass in der alltäglichen antifaschistischen Arbeit »Action« nur eine Nebenrolle spielt.
Natürlich kann Militanz ein Mittel zur Bekämpfung von Neonazis sein – aber das setzt voraus, dass Mensch sich ernsthaft Gedanken über Möglichkeiten, Ziele und Folgen macht und dass diese Form von Militanz so praktiziert wird, dass sie auch im Miteinander mit anderen gesellschaftlichen Kräften und anderen Aktionsformen in solidarischen Bündnissen funktionieren kann. So wie sie zurzeit vom Großteil der Szene praktiziert wird, ist Militanz aber zur bloßen Symbolik verkommen, die einerseits keine ernsthafte Gefahr für die Aktivitäten der Neonazis darstellt, andererseits aber eine politische Intervention von vornherein ausschließt.
Als Reaktion auf den Antifaschistischen Aktionstag in Wunsiedel im Jahr 2005 hörten wir zwar zum Einen, dass dieser politisch richtig gewesen sei, aber zum Anderen wurde Unzufriedenheit darüber geäußert, an einem Ort zu sein, während Neonazis woanders ihre Aktion durchführen. Diese Diskussion ist wahrlich alles andere als neu und führte schon in den 90-iger Jahren zu einem desaströsen antifaschistischen Politikverständnis, bei dem ein kleiner Haufen hochtechnisierter Antifas einem ähnlich kleinen Haufen Neonazis auf deutschen und europäischen Autobahnen hinterherjagte, wofür sich der Rest der Welt einen Scheißdreck interessierte.
Die erlebnisorientierte antifaschistische Bewegung tendiert zu dem Ort, an dem sich das Feindbild materialisiert – das ist nicht immer verkehrt, manchmal aber kurzsichtig.
Bezeichnend für diese Tendenz war ebenfalls die antifaschistische Reaktion auf den Bundesparteitag der NPD im November 2006 in Berlin, die schlichtweg nicht stattfand. Zum Berliner NPD-Landesparteitag im Februar 2007 gab es zwar einen Aufruf, eine breite Mobilisierung konnte jedoch auch hier nicht gelingen. Wenn die Relevanz neonazistischer Großveranstaltungen wie beispielsweise in Halbe offenbar nicht gesehen wird, und wenn die politsch-strategische Relevanz von neonazistischen Parteitagen und den damit einhergehenden faktischen öffentlichen Bewegungsspielraum für die NPD auch nicht wahrgenommen wird, stellt sich wirklich einmal mehr die Frage nach dem Inhalt antifaschistischer Politik.
Die oben beschriebenen Probleme wirken sich derzeit noch nicht existentiell auf die Mobilisierungsfähigkeit der antifaschistischen Bewegung aus, dennoch führen sie langfristig zu einer Einbuße an politischer Interventionsfähigkeit. Daher ist es Zeit für eine bundesweit breite Diskussion darüber, auf Basis welcher Analyse und mit welcher Zielrichtung wir in der Zukunft antifaschistische Arbeit gestalten wollen. Wir müssen bereit sein, auch lieb gewonnene Traditionen und Selbstverständnisse zu hinterfragen und gegebenenfalls aufzugeben. Antifaschistische Aktionen müssen einem klaren politischen Konzept folgen, müssen eine Perspektive darstellen und dürfen nicht zum Selbstzweck verkommen. In diesem Sinne fordern wir alle aktiven AntifaschistInnen auf, sich an einer gemeinsamen Diskussion über die Gegenwart und Zukunft antifaschistischer Arbeit und Perspektiven zu beteiligen.
Kein Raum für die Verherrlichung des Nationalsozialismus!
Kein Ort für die Verdrehung der Geschichte!
Keine Zeit für die Nation!
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