Dichtung und Wahrheit:

Anläßlich der ErstsemesterInneneinführung in der Stadthalle hatte AR!, wie jedes Jahr einen Infostand. Uns gegenüber hatte sich Marchia aufgebaut. Natürlich ging ich dort vorbei, um Infomaterial abzuzocken. Bei dieser Gelegenheit wurde mir von einem sehr gereizten und rhetorisch schlecht geschulten Jungmann zum xsten Mal der Schwindel vom "Verbot" der Verbindungen während des Nationalsozialismus aufgetischt.

Im folgenden Auszüge aus "125 Jahre Landmannschaft im CC Marchia Berlin zu Osnabrück", die vom gleichen Geist getragen sind, den Marchia jüngst beim Vortrag des Deutschlandliedes in allen drei Strophen den Bundesbrüdern kundgetan hat.

Zur Weimarer Republik:

"... das Emporkommen politischer Kräfte, welche bis zum Weltkrieg als antinational und subversiv gegolten hatten, muße in dem starken konservativen Teil des deutschen Volkes eine verständliche Opposition gegen die neuen Verhältnisse hervorrufen, die mit dem 9. November 1918 begannen." (S. 47 a.a.O.)

"Vom 11. bis 13. Juli 1919 konnte erstmals wieder das Stiftungsfest, ... gefeiert werden. ... In seiner Ansprache auf dem Kommers hob Kurt Albrechts, der für das Sommersemester noch einmal die erste Charge übernommen hatte, hervor, daß die Revolution ' den Zerfall unserer physischen und moralischen Kräfte gezeitigt habe, doch seien die Waffenstudenten in erster Linie verpflichtet, den Glauben an unser Volk nicht zu verlieren trotz der Schwierigkeiten, mit denen wir unter einer Regierung, wo Vaterlandsliebe fast Verrat ist, zu kämpfen haben werden." (S. 50 a.a.O.)

Zu Freikorps:

"Außer bei der schon erwähnten LC-Zeitfreiwilligenformation beim Kommandeur der Kampfwagenabteilungen, ... deren Kampfwagen mit den Zirkeln der Berliner Landsmannschaften versehen waren und deren Stärke 160 Mann aus sämlichen Berliner Bünden betrug, waren Märker auch noch in anderen Freiwilligeneinheiten. ... Dem durch die Revolution eingeschüchterten und aktionsunfähigen Bürgertum stand ein entschlossener radikaler Gegner gegenüber, der mit der Taktik des Bürgerkrieges und des modernen politischen Kampfes bestens vertraut war. Wirkliche Führerpersönlichkeiten unter den konservativen Kräften waren selten. Nur die Reste des alten Frontheeres und ein Teil der Jugend bildeten eine letzte Barriere gegen die kommunistische Welt." (S. 52 a.a.O.)

Großdeutsches Reich - Blut und Boden:

"Die Coburger Pfingstkongresse 1920 und 1921 befaßten sich ebenfalls mit Fragen, die zum Bereich des politischen Lebens gehörten. Ein besonderes Anliegen ware die Aufnahme der österreichischen Landsmannschaften, die 1921 schließlich auch erfolgen konnte. Über den Kongreß 1920 berichtet die Märkerzeitung (11/1920), daß eine umfassende Aussprache über die Rassenfrage stattgefunden hätte, in der sich die Deutsche Landsmannschaft einmütig für das Festhalten am deutschvölkischen Prinzip entschieden hätte." (S. 58 a.a.O.)

"Die hochschulpolitische Situation in Berlin war duch den seit Jahren schwelenden Konflikt zwischen der preußischen Staatsregierung und der Deutschen Studentenschaft ... gekennzeichnet. Es ging im ersteren Falle besonders um die Nichtanerkennung der Deutschen Studentenschaft wegen des großdeutschen Grundsatzes ihrer Verfassung durch die sozialdemokratische Regierung in Berlin."( S. 71 f. a.a.O)

Geschichtsklitterei:

"Mit dem Zunehmen der Krisenerscheinungen trat eine Polarisierung der politischen Kräfte ein. Kommunisten und Nationalsozialisten gewannen schnell an Anhängerschaft. Die Bildung arbeitsfähiger Regierungen durch die übrigen Parteien wurde immer schwieriger, um die Jahreswende 1932/33 überhaupt unmöglich. Am 30. Januar 1933 entschloß sich daher der seit 1925 amtierende Reichspräsident von Hindenburg, dem Führer der NSDAP als dem Vertreter der stärksten Reichstagspartei (230 Abgeordnete gegenüber 123 SPD-Abgeordneten), die Regierungsbildung zu übertragen.Hitler wurde Reichskanzler." (S. 63 a.a.O.)

Vorauseilender Gehorsam:

"Der 15. Deutsche Studententag in Königsberg 1932 bereitete auf Grund der Mehrheitsverhältnisse bereits die Abschaffung des parlamentarischen Charakters der Studentenschaft und die Einführung des Führungrundsatzes vor. ... Auch innerhalb des Bundes war unter Aktiven, Inaktiven und Alten Herren in wachsendem Maße eine Zuwendung zum Nationalsozialismus festzustellen. "(S. 72 a.a.O.)

"Jeder Student hatte jetzt ... an dem ... angeordneten Wehrsport teilzunehmen ...

Schulz wies in seinem Bericht zutreffend darauf hin, daß die hiermit verbundenen zeitlichen Belastungen für die Aktiven, 'zumal sie noch fast alle der SA oder dem 'Stahlhelm' angehören', überaus groß werden würde ..."(S. 73 f. a.a.O.)

Lösung der "Judenfrage"

"Gegen Ende 1934 spitzte sich die Frage der Durchführung des Arierparagraphen für Marchia zu. Der Führer der Deutschen Landsmannschaft richtete unter dem 28.12.1934 an Marchia ein Schreiben, in dem in entschiedener Form ersucht wurde, die Bandniederlegungen der in Betracht kommenden Mitglieder zu veranlassen, widrigenfalls die DL bestimmen würde, daß ihre Mitgliedschaft am 1.2.35 erloschen sei.! ... Bei den wenigen AHH, die betroffen waren, handelte es sich ausnahmslos um alte verdiente Bundesbrüder, ... Ihre nunmehr erfolgende, von Marchia nicht erzwungene Bandniederlegung war ein Opfer, desse Größe kaum ermessen werden kann." (ebenda)

... es sind schon alle in der Partei:

"eine Verordnung des Stellvertreters des Führers erklärte eine weitere Zugehörigkeit von Mitgliedern der Partei und ihrer Gliederungen zu studentischen Korporationen für unzulässig. Damit war jedem Weiterleben der Korporationen und Korporationsverbänden der Boden entzogen." (S. 77 f. a.a.O.)

Altes unter neuem Etikett:

"Alle Aktive und Inaktive, soweit sie nicht mehr immatrikuliert waren wurden in den AHV aufgenommen. ... Es bestand somit nur noch der Altherrenverband weiter. ... 1937 war lediglich die Tagung der Alten Herren. ... Der Gesamtverband alter Landsmannschafter hatte sich auf dem Kongreß jedoch mit einer wichtigen neuen Frage zu beschäftigen. Und zwar mit der Frage des Beitritts jedes einzelnen Landsmannschafters zur sog. 'NS-Studenten-Kampfhilfe' (Altkameradschaft der Deutschen Studentenschaft). ... Den örtlichen Altkameradschaften sollten Jungkameradschaften zugeordnet werden. Diese Altkameradschaften hätte die wirtschaftliche Betreuung und eine persönliche Kontaktpflege zu jungen Studenten zu übernehmen. Geeignete Korporationshäuser oder Wohnungen sollten diesem Zwecke nutzbar gemacht werden." (S.78 a.a.O.)

" In der Satzung der Kameradschaften waren viele Einrichtungen einer aktiven Korporation - wenn auch unter anderem Namen - vorgesehen. Nur das Mensurfechten war durch Erlaß des Führers des NS-Studentenbundes vom 5.10.1937 ausdrücklich verboten worden. Dagegen gehörte das Sportfechten zum obligatorischen Sport der Kameradschaften."(S.80 a.a.aO.)

MZ, Nr. 12 vom Juli 1944:

"In der gleichen Ausgabe ... findet sich auch die Bekanntgabe der Hauptveranstaltungen des Sommersemesters 1944. Es sind fünf Kneipen und das Sommerfest, das am 25. Juni anschließend and die Stiftungsfestkneipe der Landsmannschaft stattfinden sollte. Ein Lebenswille wird hier erkennbar, der - weit entfernt von oberflächlicher Ablenkung - eine Ordnung zu erhalten gewillt ist, die durch den Krieg mit Vernichtung bedroht wird.

Auch die Durchführung von scharfen Mensuren durch Kameradschaftsangehörige gehört in dieses Bild. Jedenfalls findet sich im Rundschreiben AH 2/44 des 'NS-Altherrenbundes der Deutschen Studenten, Reichsführung' vom 15. März 1944 die Feststellung 'Das scharfe Fechten ist ein Gegenstand, an dem sich auch im fünften Kriegsjahr immer noch einige Studenten und Alte Herren erhitzen." (S. 84 f. a.a.O.)

"Am 17. März 1945 soll das Semester mit einer um 18 Uhr (wegen der spätabendlichen Bombenangriffe) beginnenden Semesterabschlußkneipe beendet werden." (S. 85 a.a.O.)

Der Löwenanteil der Festschrift befasst sich mit der Mitgliederzahl und immer wieder als Hauptanliegen mit der Mensur/Anzahl der Partien. Bei der Zusammenstellung der Zitate habe ich mich bemüht, mich zu wichtigen Punkten auf ein Beispiel zu beschränken. Durch Punkte im Text gekennzeichnete Auslassungen betreffen entweder Verdoppelungen des sowieso schon klaren Inhaltes oder langatmige Füllsätze, die den Inhalt nicht verändern.

Die Hauptaussagen der Festschrift lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Schwierigkeiten hat mann mit der Weimarer Demokratie. Reaktionäre und faschistische Inhalte werden leicht antizipiert, da sie offensichtlich der eigenen Gesinnung entsprechen. Die "Säuberung" von Juden trifft nur noch wenige altgediente Bundesbrüder, weil offensicht lange vor der NS-Diktatur keine jüngeren Mitglieder jüdischen Glaubens aufgenommen worden sein können. Die Zitate sprechen im Wesentlichen für sich. Während in zahllosen Arbeitslagern Menschen um ihr Leben kämpfen mußten war es Anliegen dieser Verbindung Kneip- und Mensurbetrieb bis zum Kriegsende aufrechtzuerhalten. Der eigentliche Skandal ist jedoch, dass diese "Geschichtsschreibung" von 1997 stammt.

Lisa AR!