"Nazi-Lieder ..."

Betrifft: NOZ vom 27. März 1997

Für Menschen, die regelmäßig "Burschen Raus" lesen sind die Vorkommnisse auf dem Hause der schlagenden Verbin­dung Arkadia Mittweida keine Überraschung. Mit Rück­blick auf die Stadtratswahl vom Herbst 96 ist es eher zutref­fend, von einer Kontinuität zu sprechen.

Der österreichische Rechtspopulist Haider und seine FPÖ haben Vorbildcharakter für die Brunner-Partei "Bund Freier Bürger" (BFB) und das Zeitungsprojekt "Junge Freiheit", das unter den Begriff "Neue Rechte" subsummiert wird. Beiden fühlen die Arkaden sich so eng verbunden, dass Mitglieder ihrer Verbindung für den BFB 1996 zum Osnabrücker Stadt­rat kandidierten.

Anläßlich eines Marktfrüh­schoppens (Interkorporations­ver­an­staltung d.h. alle Bünde der Stadt sind dazu eingeladen) an der Katharinenkirche, zählte ein Arkaden-Mitglied auf, welche Zeitungen auf dem Hause aus­liegen. Dazu gehörte neben der "Jungen Freiheit" auch "Nation und Europa". NE ist ein Nazi-Hetzblatt, das die "Deutsche National­zeitung" an Deutlichkeit weit hinter sich läßt.

Diese Tatsachen waren aber offensichtlich der jungen Frau nicht bekannt, die mit Nazi-Lie­dern konfrontiert wurde. (NOZ vom 27. März 97) Gegen 1 Uhr morgens wollte sie einen Teilnehmer einer Kneipe anläß­lich des Examens von 4 Burschen in der Herderstr. 45 abholen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch 10 Männer im Raum. Davon auch Gä­ste aus Aachen, Münster und Hannover. Diese Gäste (drei) sollen das "Horst-Wessel-Lied" angestimmt und dadurch zwei Arkaden zum Mitsingen angeregt haben. Nur einer der Anwesenden habe erfolglos protestiert. Stattdessen wurde weiterge­soffen und Sprüche folgender Qualität zum Besten gege­ben: "Solange das Deutsche Reich besteht, wird die Schraube nach rechts gedreht."

Durch das Nörgeln eines Arkaden, das in einem Lied statt "Führers-Reich" nur "Kaisers Reich" gesungen worden sei, wurde eine Diskussion angestoßen, ob "Parteilieder" (NSDAP) oder Wehrmachtslieder "schmis­siger" seien. Da­bei soll ein Aachener Bursche den Vogel abgeschossen ha­ben, indem er sein zu Hause schwarz auf weiß vor­lie­gendes SS-Liederbuch ins Feld führte.

Dass diese "wehrhaften jungen Männer" sich hinter ihrem Vorstand verstecken und telefonische Diffamierungen von sich geben, ist symptomatisch. In Burschenkreisen, das kann mensch in ihren Publikationen nachlesen, ist es "Privat­sache" Faschist zu sein oder faschistisches Lied- und Gedankengut zu verbreiten, solange dies nicht in Vertretung des Bundes geschieht. Dieses "Toleranzprinzip" wird nach wie vor in der Deutschen Burschenschaft hoch­gehalten.

Es wird auch deutlich in der "Zurückweisung der Vorwürfe" durch den Vorsitzenden des Alt-Herren-Verbandes von Arkadia-Mittweida in der NOZ vom 1.4.97. Explizit wird sich dort auf "Veranstaltungen im Burschen­haus" zurückgezogen. Privat­saufe­reien mit nicht mehr "nachvollziehbaren Zwiege­spräch"en "zu fortgeschrittener Stunde" gehören ebensowenig dazu, wie Diffamierungen der Zeugin in einem "privaten Streit­gespräch".

Die bürgerliche Presse übernimmt gewöhnlich kritiklos die Selbst­darstellungen der Verbindungen. U.a. nachzulesen im NOZ -Artikel "Mit Latinum und Knigge gefeiert" vom 12.11.96. Dort wird z.B. verkündet, "Traditionspflege ist der Leitsatz des Akademischen Altherren­ringes Osnabrück." Wir fragen uns schon länger, welche Traditionen Verbindungen pflegen, minde­stens aber tolerieren.

Lisa AR!


Arkadia Mittweida und die Deutsche Burschenschaft

In rechter Gesellschaft:

1992 wird die Osnabrücker Burschenschaft Arkadia Mitt­weida in den Dachverband der "Deutschen Burschenschaft" (DB) aufgenommen. 1995 wird sie Mitglied im Waffenring Münster, und fordert von ihren Mitgliedern zwei "Pflichtmensuren". In der "Deutschen Burschenschaft" gibt es seit langem rechtsextre­mistische Tendenzen. Den Rechten Ton geben dort die in der sogenannten "Burschenschaftlichen Gemeinschaft" (BG) organisierten Gruppen an. Die BG gründete sich in den 60er Jahren auf dem Hause der Münchner Burschenschaft "Danubia". Aus dieser rechten Kader­schmiede stammt sowohl der jetzige Chefredakteur des Nazi-Hetzblattes "Nation und Europa", Karl Richter, als auch der jetzige Pressesprecher der DB, Hans-Ulrich Kopp (nebenbei Schriftleiter des Witikobriefes des Sudeten­deutschen Gesinnungsgemeinschaft). Aache­ner Burschen­schaften sind zahlreich in der DB vertreten und anscheinend dabei, wenn auf dem Hause der Arkadia in Osnabrück NaziLieder gesungen werden.

Die Osnabrücker Arkadia zählt innerhalb der DB zu den, wie es intern so schön heißt, "BG-nahestehenden Bünden". Die Danubia aus München scheint ihr dabei besonders verbunden zu sein.

1995 überbrachte der Staatssekretär Bernd Neumann beim Burschentag in Eisenach die herzlichen Grüße der Bundesregierung. In einer parlamentarischen Anfrage erklärt die Bundesregierung "die Deutsche Burschen­schaft für eine wichtige gesellschaftliche Gruppe", mit der Mann auch in Zukunft gern weiter zusammenarbeiten werde. "Verfas­sungsschutzrelevante Erkenntnisse" über rechtsradikale Tendenzen lägen der Bundesregierung nicht vor. Dabei hätte bereits ein kurzer Blick in den Verfassungsschutz-Bericht NRW von 1995 gezeigt, wie Bursche sein und Rechtsextremist sein oft miteinander einher geht. Ausführliche Erwähnung findet z. B. der in rechts­extre­mistischen Kreisen bekannte Rechtsanwalt und "Junge Freiheit"-Stammautor Klaus Kunze, Alter Herr der Kölner Burschenschaft Germania.

Überschneidungen zwischen der DB und Rechtsex­tremisten können die regen und freundschaftlichen Bezie­hungen zwischen der DB und der CDU bzw. der Bundesregierung kaum beeinträchtigen. Auf dem Burschenstag 1996 in Eisenach hielt der Rechtsausleger der CDU, Alfred Dregger, die Festrede. "Der Bundeskanzler hat mich ausdrücklich gebeten, dem deutschen Burschenschaftstag 1996 seine herzlichen Grüße zu übermitteln", so Dregger. Kurz zuvor hatte Dregger unter dem Herausgeber Eibicht an dem rechtsextremen Machtwerk "Der Völkermord an den Deutschen. 50 Jahre Vertreibung", mitgewirkt. Weitere Autoren: Jörg Haider, FPÖ-Vorsitzender und Burschenschafter, Gerhard Frey, Vor­sitzender der neofaschistischen DVU, Franz Schönhuber, ehe­maliger Republikaner-Vorsitzender u. a. Alfred Dregger erhielt kräftigen Applaus beim Burschentag. Das kann nicht verwundern, vertreten doch Dregger und die DB gleiche, reaktionäre Positionen. Und gute Kontakte zum organi­sierten Rechtsextremismus haben auch anscheinend beide.

Peter AR!

Die DB, ihr Liedgut und das Vierte Reich

Zur Ideologie der Deutschen Burschenschaft

Das Absingen nationalsozialistischer Hetzlieder auf dem Haus der Arkadia-Mittweida mag den Betrachter erschrekken - ein unüblicher Exzeß ist es nicht. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn die Burschen­schaftlichen Blätter - das vierteljährlich erscheinende Organ der Deutschen Burschenschaft, in der auch Arkadia-Mittweida organisiert ist - sich zu ideologischen Grund­fragen äußern.

Eine dieser Grundfragen - gewissermaßen der ideolo­gische Klassiker unter Korporierten - ist die Bewertung der Eigenstaatlichkeit Österreichs. Breiten Konsens findet dabei der deutschnationale Ansatz, der die Trennung Österreichs vom - nach wie vor als existent betrachteten - Deutschen Reich als "unnatürlich" verwirft. In der Ausgabe 4/96 der Burschenschaftlichen Blätter äußert sich Botho Holzer (Suevia Leipzig zu Köln 1952) zum Thema:

"Die derzeitige politische Grenze zwischen beiden Staaten ist keine völkische und keine nationale Grenze. Nach allen Erfahrungen handelt es sich unverkennbar um ein gemeinsames Volk". (S.212)

Sehr ausführlich beschreibt Holzer in der Folge, was er sich unter einer "völkischen" bzw. "nationalen" Grenze vorstellt:

"In Österreich - ich betone: in Deutsch-Österreich - hat und hatte der deutsche National-Gedanke zwangsläufig eine völlig andere Dimension als im Bundes-Deutschland. Wer in Österreich deutsch denkt - und das sind immerhin Millionen - sieht sich an etwa 75% seiner LandesGrenzen tagtäglich unmittelbar konfrontiert mit den hereinstrebenden fremdsprachigen und fremdartigen Völkern - Tschechen, Slowaken, Ungarn, Kroaten, Slowenen und Italiener." (S.214)

Besonders aufschlußreich sind Holzers Ansichten über die Nachbarstaaten der BRD:

"Die Bundes-Deutschen hatten jahrzehntelang - seit dem Krieg - nur deutsche Nachbarn (außer an der deutsch-niederländischen Grenze, dort aber immerhin artverwandte Nachbarn), und auch der deutschnational Denkende konnte diesen Umstand wie auf einer 'Insel der Seligen' ohne jede Konfrontation problemlos genießen. [...] Die Bundes-Deutschen einschließlich der bundes­deutschen Burschenschaften wissen daher von einem deutschen Volkstumskampf praktisch nichts." (S.214)

Zu dieser von Holzer sehr eindrücklich geschilderten - bei Korporierten aller Bünde vollständig konsensfähigen - Vermengung von Rassismus, Nationalismus und Expansio­nis­mus kommt ein dem Faschismus durchaus nahe­ste­hendes Verständnis von der "Wehrhaftigkeit" schlagender Verbindungen. Originalton Holzer:

"Wenn Burschenschafter aus Österreich anläßlich des Burschentages in Eisenach auf dem Berghof lachend z.B. das Engelland-Lied "Denn wir fahren gegen Engelland" singen, so sind sie offenbar - und aus ihrer Sicht zu Recht - stolz über die damit zum Ausdruck kommende Wehrbereitschaft, über die damit zum Ausdruck kommende Solidarität mit den Waffenbrüdern und Kampf­genossen aus zwei Weltkriegen und über ihr damit zum Ausdruck gebrachtes deutsches National­bewußtsein."

Soweit die erfreulich freimütige Schilderung Holzers, die an Deutlichkeit in der Tat nichts zu wünschen übrig läßt. Leider glauben aber die Osnabrücker Arkaden, die Öffentlichkeit auch weiterhin über den Charakter ihres Liedguts verschaukeln zu können. So behauptet Heinz-Hermann Spieker, Vorsitzender des Altherren-Verbandes der ArkadiaMittweida in Osnabrück, bei Veranstaltungen im Burschenschaftshaus würden "ausschließlich Lieder aus dem 'Allgemeinen Deutschen Kommersbuch' gesungen [...]. Auch wird nicht der Umgang mit rechtsradikalen oder national-sozialistischen Gesinnungsträgern gepflegt". (NOZ vom 1.4.1997, S.11) Dies ist eine glatte Lüge! Arkadia-Mittweida ist, wie schon eingangs erwähnt, in der Deutschen Burschenschaft organisiert, deren Verbandsbruder Botho Holzer wir die oben aufgeführten Erkenntnisse über seinen Verband verdanken. Dire AR!

Anarcho Randalia!,

c/o Antifa Archiv Osnabrück, Postfach 1211,

49002 Osnabrück