Es tut sich wieder was in Eisenach

Nach dem Anschluß der DDR fand 1992 als Gegenaktion zum Auftrieb der Deutschen Burschenschaft in Eisenach, anläßlich des 175. Wartburgfestes eine Gegendemonstration statt. Seinerzeit hatten wir das Vergnügen, einer "Polizeimacht" von 2 Beamten (in Worten zwei) die in einem Lada vorgefahren kamen, gegenüberzustehen. Diese Tradition wurde leider nicht weitergeführt, eine andere dagegen schon. Wie bei der ersten Demo in Eisenach wurden wieder Mittel der Satire eingesetzt und die Burschen durch "ulkige Kopfbedeckungen" und etwas verfremdeten "Schärpen" karikiert.

Im Folgenden ein Artikel der InitiatorInnen aus den "Eisenacher Nachrichten" Nr. 1/S.1:

 

Seit Jahren endlich Anti-Burschenschafts-Aktionen in Eisenach

(üny) Eisenach - "Burschenschaften sind rechts!" Diese, als Provokation gedachte, der Sache her zutreffende Aussage, war und ist Stein des Anstoßes in der Eisenacher Medienlandschaft. Eine breite Diskussion entstand in Folge der Veröffentlichung von schwarzen Plakaten mit eben dieser, in altdeutscher weißer Schrift gedruckten Aussage.

Das "Bündnis gegen Rechts, Eisenach" hatte mit Bezug auf das Burschen- und Altherren-treffen der Deutschen Burschenschaft (DB) vom 5. Juni bis 7. Juni 1998 in Eisenach versucht, Burschenschaften als ein Teil rechter, bis rechtextremer Vereinigungen in der Öffentlichkeit zu thematisieren. Das dies zweifellos gelungen ist, zeigen die vor allem von OB Dr. Brodhun gemachten Äußerungen. Er hatte den Vorwurf, kritiklos stolz auf die seit der "Wende" jährlich wiederkehrenden Burschen zu sein, zurückgewiesen. Ihn störe, daß die Burschenschafter die erste Strophe des Deutschlandliedes intonieren (die zweite und dritte Strophe bleiben von Brodhun unerwähnt!). Brodhun sei aber ansonsten froh, daß die alljährlichen Burschentage wieder in Eisenach abgehalten würden. Eisenach profitiere davon. Seine Sehstärke bewies Brodhun und verkündete in der Thüringer Allgemeinen, daß die Plakataussage eine "primitive Schwarz-Weiß-Malerei" sei. So wurden die Plakate auf seine Anordnung hin wieder abgenommen.

Die Thüringische Landeszeitung (TLZ) beklagte denn auch sofort, was das aller wieder den Steuerzahler kosten würde.

Neben einer Veranstaltung zur Geschichte der Burschenschaften gab es am Freitag, den 6. Juni, eine Demonstration unter dem Motto "Gegen rechte Verbindungen und Burschenschaften!".

Dem Demonstrationsaufruf waren 200 AntifaschistInnen gefolgt.

Auch ca. 10 Neonazis erschienen. Diese konnten auf Grund des fehlenden Aktionismus der DemonstrationsteilnehmerInnen relativ ungestört Flugblätter der rechtextremen NPD verteilen. Die anwesende "Beweissicherstellungs und Festnahme Einheit (BFE), eine Thüringer Spezialeinheit der Polizei, sah diesem offensichtlichen Störversuch der Neonazis tatenlos zu.

Während der Totenehrung und eines Festkommers wurden öffentlich rassistisch, nationalistisch und revanchistische Äußerungen von Burschenschaftern laut. Unter Beifall wurde das Hohelied aufs Soldatentum angestimmt. Wehrmachtsdeserteure als verächtlich beschimpft, die eigentliche Existenz des zweiten Weltkrieges geleugnet. Der erste Weltkrieg sei lediglich fortgesetzt worden und so habe 1939 Deutschland auch nicht Polen angegriffen, sondern war einem Angriff der Sowjetunion zuvor gekommen. Der Krieg sei auch nicht verloren, die Wehrmacht habe nur den Kampf aufgegeben, der Krieg müsse jetzt mit anderen Mitteln weiter geführt werden. Die Grenzen der BRD wurden von Rednern als nicht akzeptabel bezeichnet. Burschenschafter bekannten sich offen dazu, Mitglieder der rechtsextremen Republikaner, DVU oder NPD zu sein.

Daß jede Stadt von heute auf morgen ein zweites Saalfeld werden kann, wenn Aktionen gegen rechts den Ruf zu schädigen oder die wirtschaftliche Entwicklung stören können, bewies Brodhun aufs Vortrefflichste. Eine seiner Äußerungen zur Demonstration war: " Ich hoffe wir importieren uns hier kein zweites Saalfeld!" Das er die antifaschistischen Aktionen in Saalfeld in einer negativen Form darstellt, um so die Anti-Burschen-Aktionen zu denunzieren, ist bezeichnend. Er beweist so seine Unkenntnis über die Verhältnisse in Saalfeld. Auch wird deutlich, wie schnell ein rechter Konsens entstehen kann. Aus Bedenken vor Einnahmeverlusten Eisenacher Geschäfte, Hotels und Kneipen hofierte OB Brodhun die Burschenschaften und stellte sich öffentlich vor deren Anwesenheit und Gesinnung. Die TLZ gebärdete sich dabei als kritikloses Sprachrohr, sowohl Brodhuns als auch der Deutschen Burschenschaft. Eine burschenschaftliche Rede, vor revanchistisch, nationalistisch und militaristischem Inhalt strotzend, wurde hier als "Stil eines 'Ewiggestrigen' über deutsche Geschichte und 'falsche Geschichtsschreibung' " beschrieben.

Mit einem öffentlichen Frühschoppen auf dem Eisenacher Marktplatz wollten die Burschenschafter "mit den Eisenachern ins Gespräch kommen" (TLZ) und ihre Kultur darbieten. "Ein Dutzend auswärtige autonome Jugendliche karikierten mit Plastikstreifen als Schärpe und ulkigen Kopfbedeckungen (...) die äußeren Erkennungsmerkmale der Burschen." (TLZ) Wie eine Karikatur der 'inneren Erscheinungsmerkmale' ausgesehen hätte, wird leider nicht erwähnt.

Mit juristischen Mitteln wird von der Deutschen Burschenschaft im Nachhinein der Versuch unternommen, KritikerInnen einzuschüchtern. Die DB stellte eine Strafanzeige gegen den Landesjugendpfarrer Thüringens. Dieser hatte während der Demonstration Teile der Burschenschaften als "Skinheads in Schlips und Kragen" bezeichnet, die "das geistige Klima schaffen, das andere dann zuschlagen lasse." Gleichzeitig wurde (von der DB) Dienstaufsichtsbeschwerde beim Thüringer Landesbischof gestellt. Dies zeugt einmal mehr vom rechte Wesen der Burschenschaften. Eine inhaltliche und politische Auseinandersetzung wird mit KritikerInnen nicht gesucht. Statt dessen sollen politische GegnerInnen kriminalisiert werden.