Korporationen und Seilschaften

Sollten Salamander saumäßig saufenden Seilschaften sonntags Salzheringe servieren?

Der Artikel "Der Bund für Leben" aus dem Managermagazin (MM) hat den Burschen wohl gut gefallen. Schließlich druckten sie ihn Kommentarlos in den Burschenschaftlichen Blättern 8/75 nach. Dabei werden in dem Artikel wesentliche Elemente des Seilschaftsprinzips deutlich beschrieben. Gleichzeitig versucht Heinz-Klaus Mertes den Vorwurf des Protektionismus zu entkräften. Nachdem er einige Herren erwähnt, die in hohen Positionen sitzen und Verbindungsstudenten sind, führt er 3 Argumente an, die belegen sollen, daß Seilschaften in Wirklichkeit nicht existieren.

Er versucht mit den "Argumenten", die gerade bei den Korporationen beliebt sind, den Vorwurf des Protektionismus zu entkräften. Das muß schiefgehen, weil er die zentrale Kritik ignoriert, den antidemokratischen Charakter von Seilschaften. Mit dem Selektionsmittel "Korporation" werden die Chancen von Korporierten und Nichtkorporierten von Anfang an ungleich verteilt. Mit dieser ungleichen Chancenverteilung sollen, wie Kanther so treffend feststellte, "national gesinnte Menschen in alle führenden berufe unserer Gesellschaft entsandt" werden, wobei mit "Menschen" Männer gemeint sind. Oder anders ausgedrückt: Die herrschenden Klasse bildet in den Korporationen gezielt "Führungskräfte" zur Durchsetzung ihres Herrschaftsanspruches aus. Die Auslese garantiert den bereitwillig, die herrschenden Zustände uneingeschränkt bejahenden Funktionär.

Warum der in den letzten Jahren häufiger in der Politik und der Bildung als in den Führungsetagen der Wirtschaft vorzufinden ist, hat sicher etwas mit der verstärkten Bedeutung des Staatssektors in heutigen Volkswirtschaften zu tun. Sie verschwinden nicht, wie Mertes suggerieren möchte, sie passen sich nur den neuen Verhältnissen an. Der "Lebensbund" funktioniert immer noch prächtig.

Peter


1 nach Ehm, Heither, Schäfer: Füxe, Burschen, Alte Herren, Bonn, 1992, S.309

2 Am bekanntesten ist hier die Äußerung von Herbert Kessler im Konvent 9/1985: "Zum Natur- oder zum Geistes- oder Gesellschaftswissenschaftler, zum Mediziner oder zum Techniker wird man an der Hochschule ausgebildet – zum Akademiker aber bildet man sich im Lebensbund heran." Ähnlich lautet es in der Fuxenfibel des Technischen Cartell-Verbandes vom März 1992: "Die Jugend sollte sich bei den Korporationen vor allem in dem Spielregeln der Gesellschaft und des berufes einüben ... Für das Fachwissen sorgt die Schule, für das ‚Andere‘ steht die Verbindung. Gemeinsame Arbeit in gleichgesinnter Gemeinschaft." Die Blätter des Coburger Convents beschreiben den Vorgang so: "Der Akademiker selbst erwartet von sich, in Führungspositionen aufzurücken. Dies aber ist ohne Leistungs-, Fürhungs- und Verantwortungsbereitschaft ... nicht oder doch nur sehr bedingt möglich. Andererseits vermittelt gerade die Hochschule diese Fähigkeiten .. nicht, ja sie verlangt sie auch nicht. Der (zukünftige ) Akademiker ist darauf angewiesen, diese Fähigkeiten sich selbst zu ‚besorgen‘. Aber wo? Das einzige wirkliche Angebot .. sehe ich in der studentischen Korporation." (CC Blätter 4/89)